Neue deutsche China-Politik
Beim Umgang mit der Volksrepublik steht Berlin ein Härtetest bevor. Zeit für eine Revision bisheriger Ansätze: Die Politik gegenüber Peking muss europäischer werden.
Beim Umgang mit der Volksrepublik steht Berlin ein Härtetest bevor. Zeit für eine Revision bisheriger Ansätze: Die Politik gegenüber Peking muss europäischer werden.
Chinas wirtschaftlicher Aufstieg ist atemberaubend. Doch wo bleibt die politische Öffnung des
Landes? Minxin Pei, Leiter der China-Abteilung des Carnegie Endowment, eines der wichtigsten
Washingtoner Think Tanks, meint: Das Wirtschaftswachstum hat auf kurze Sicht die autoritäre
Staatsmacht gefestigt. Auf lange Sicht aber bleibt China keine andere Wahl, als entweder plötzlich
in einer Krise oder in einem gesteuerten evolutionären Prozess zur Demokratie überzugehen.
Chinas Rolle im ASEM-Prozess
Angesichts der wachsenden Bedeutung Chinas als regionale Führungsmacht in Asien erweist sich
die Einbindung der Volksrepublik in den Rahmen des Asien-Europa-Treffens (ASEM) als sehr
erfolgreich. Auf diese Weise „lernt“ die Großmacht, Multilateralismus im globalen wie regionalen
Maßstab zu praktizieren und sich nicht zu einer Bedrohung in ihrem Umfeld zu entwickeln.
Chinas Politik der guten Nachbarschaft
China verfolgt seit zwei Jahrzehnten eine Außenpolitik der guten Nachbarschaft.
Doch inwiefern lässt sich dieser Anspruch mit der Größe des Landes, dem gewaltigen wirtschaftlichen
Aufstieg, dem Konkurrenzkampf mit Japan oder mit Konflikten wie der Taiwan- oder Minderheitenproblematik vereinbaren?
China muss dem Autor zufolge vor allem im wirtschaftlichen Bereich seinen Nachbarn die
Angst vor einer „chinesischen Gefahr“ nehmen.
Wird es dem erneut gewählten Präsidenten Taiwans, Chen Shui-bian, gelingen, eine neue Verfassung
für sein Land durchzusetzen, um es eines Tages in die Unabhängigkeit zu führen? Das „Ein-
China-Prinzip“ der Volksrepublik und die Status-quo-Politik der USA in der Region stehen den
Ambitionen der taiwanesischen Regierung im Wege. Die Taiwan-Frage wird zeigen, ob die Volksrepublik
in der Lage ist, diesen Konflikt wie auch andere friedlich zu lösen.
Nach 40 Jahren autoritärer Herrschaft steht nun auch Indonesien an der Schwelle zur Demokratie.
Doch Demokratie zu verkünden ist etwas anderes als sie auch wirklich erfolgreich durchsetzen
zu können. Jürgen Rüland, Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, analysiert
Indonesiens Chancen, aber auch Gefahren für die demokratische Konsolidierung des Landes
nach dem Chaos der letzten Jahre.
Nach dem „asiatischen Wirtschaftswunder“ entbrennt nun die Diskussion darum, ob auch eine
politische Umgestaltung erfolgen müsse – und wenn ja, ob unbedingt nach westlichen Muster.
Eberhard Sandschneider, Direktor des Forschungsinstituts der DGAP, analysiert Trends, aber
auch Risiken, denen sich der asiatische Kontinent gegenübersieht. Asiens Ambitionen sollten
vom Westen nicht unterschätzt werden.
Japans Politikwechsel
In den vergangenen Jahren wurde die Entwicklung Japans völlig vom wirtschaftlichen Aufstieg
Chinas in den Schatten gestellt. Doch auch in Japan hat sich vieles getan. Die Autoren, beide an
der UN-Universität in Tokio tätig, analysieren den Wandel der politischen Strukturen. In Sicherheitsfragen
sucht Japan nun seinen eigenen Weg zwischen multilateraler Grundüberzeugung
und Freundschaft mit den USA.
Im asiatisch-pazifischen Raum hat seit den neunziger Jahren eine Aufrüstung wie nirgendwo
sonst mit Ausnahme des Mittleren Ostens stattgefunden. Besonders China und Japan haben sich
militärisch neu orientiert. Gleichzeitig suchen die Staaten der Region nach neuen Formen der Sicherheitskooperation,
wie Frank Umbach, Asien-Experte der DGAP, schildert. Besonderes Gewicht
fällt informellen Initiativen wie der „Proliferation Security Initiative“ zu.
Der überraschende Sieg der Kongresspartei bei den indischen Parlamentswahlen im Frühjahr
2004 wirft die Frage auf, inwiefern die neue Regierung unter Manmohan Singh auf politische
Kontinuitäten setzen wird. Christian Wagner, Asien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik,
wirft einen Blick auf Indiens innen- und außenpolitische Zukunft.
Indien und Pakistan vor neuen Verhandlungen
In den konfliktreichen Beziehungen zwischen Indien und Pakistan scheint gegenwärtig das Klima
für Gespräche und Verhandlungen günstig. Dies gibt nach Meinung des Autors Anlass für einen
„vorsichtigen Optimismus“, was die Lösung des Kaschmir-Konflikts angeht.
Japan und die Nuklearisierung Nordkoreas
Japan ist von drei Kernwaffenstaaten umgeben – einen weiteren, Nordkorea, wird es in seiner
Nachbarschaft nicht zulassen. Der Autor plädiert für gemeinsame, koordinierte Diplomatie, um
Sicherheit, Stabilität und auch Wohlstand in der Region zu fördern. Japan werde keine Remilitarisierung
anstreben, doch falls das Land von einem bevorstehenden Kernwaffenangriff bedroht
sei, schließe die Denkschule der „Militärrealisten“ einen Präemptivschlag nicht aus.
Die nuklearen Möchtegerne Iran und Nordkorea
Für die beiden „Hauptsorgenkinder“ der nuklearen Proliferation, so der renommierte Friedensforscher
und Professor für Internationale Politik in Frankfurt, steht die eigene nationale Sicherheit
im Vordergrund: Nicht zuletzt durch die Einordnung auf die „Achse des Bösen“ durch den
amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, fühlen sie sich bedroht. Da das internationale
Nichtverbreitungsregime ihre Ängste nicht beruhigen kann, liegt es in der Hand der amerikanischen
Regierung, durch sicherheitspolitische Zugeständnisse die Lage zu stabilisieren.