Warum die Bombe?
Die nuklearen Möchtegerne Iran und Nordkorea
Für die beiden „Hauptsorgenkinder“ der nuklearen Proliferation, so der renommierte Friedensforscher
und Professor für Internationale Politik in Frankfurt, steht die eigene nationale Sicherheit
im Vordergrund: Nicht zuletzt durch die Einordnung auf die „Achse des Bösen“ durch den
amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, fühlen sie sich bedroht. Da das internationale
Nichtverbreitungsregime ihre Ängste nicht beruhigen kann, liegt es in der Hand der amerikanischen
Regierung, durch sicherheitspolitische Zugeständnisse die Lage zu stabilisieren.
Die weit verbreitete Vorstellung, das nukleare Proliferationsproblem habe sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts dramatisch verschlimmert, ist falsch. Nach heutigem Kenntnistand hat es seit dem Amtsantritt Michail Gorbatschows kein einziges neues Kernwaffenprogramm gegeben. Vielmehr sind einige beendet worden (u.a. Argentinien, Brasilien, Südafrika).1 Heute beschäftigen uns – nach dem „Ausfall“ Iraks – vor allem zwei Länder, die seit langer Zeit auf der „Sorgenliste“ stehen: Iran und Nordkorea.
Iran
Die Idee der „iranischen Bombe“ war zuerst dem letzten Schah Irans gekommen, des geschätzten Statthalters des Westens am Persischen Golf. Reza Pahlevi strebte in den sechziger/siebziger Jahren die Rolle der regionalen Führungsmacht an. Er rüstete seine Streitkräfte mit modernsten amerikanischen Waffen auf. Und er wollte über die nukleare Option verfügen. Für den Schah waren Kernwaffen in erster Linie Machtsymbol, Signum der angestrebten Vorherrschaft in der Region. Seine Atomenergiekommission betrieb deshalb ein umfassendes Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das Arbeiten zur Anreicherung ebenso einschloss wie die Abtrennung von Plutonium.2
Ayatollah Ruhollah Khomeiny verbot das Nuklearprogramm nach der Revolution von 1978/79. Nach seiner Auffassung war es mit dem Islam unvereinbar. Viele Wissenschaftler und Ingenieure verließen das Land. Die Baustelle des Doppelkernkraftwerks Buschehr verlotterte und wurde von Irak bombardiert, der Rohbau beschädigt. Gerade der Krieg gegen Irak führte indes die Wende herbei: Iran sah sich einer Aggression ausgesetzt, die den Zweck hatte, ein Stück aus seinem Staatsgebiet herauszuschneiden: Saddam Hussein wollte Khusistan, die ölreiche, von arabischen Schiiten bewohnte iranische Küstenprovinz.
Die Aggression wurde von der Staatengemeinschaft keineswegs mit der Ächtung des Aggressors beantwortet. Im Gegenteil: Ost und West unterstützten Irak mit Waffenlieferungen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit, während Iran keine Ersatzteile und Nachschublieferungen für sein amerikanisch geprägtes Arsenal erhalten konnte. Dass es dennoch gelang, die irakische Offensive aufzuhalten und zum Gegenangriff anzutreten, war eine bedeutende militärische Leistung. Ausschlaggebend war, dass die arabischen Einwohner Khusistans, anders als von Saddam gehofft, der Teheraner Führung treu blieben. Irans Erfahrung von Isolierung in der Not verstärkte sich noch, als Irak gegen die vorrückenden iranischen Infanterieverbände in großem Umfang Chemiewaffen einsetzte. Kein Aufschrei der internationalen Gemeinschaft beantwortete diesen empörenden Bruch der Genfer Konvention, deren Mitglied auch Irak war. In der letzten Kriegsphase vor dem Waffenstillstand setzte dann Irak auch noch in seiner Gegenoffensive Chemiewaffen ein.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Iran eine weitere bedrohliche Erfahrung gemacht: Der „große Satan“, die Supermacht USA, hatte die Eskortierung kuwaitischer Tanker im Golf übernommen, mit denen irakisches Öl verschifft wurde; die USA unterstützten also auch militärisch in einer Hilfsfunktion Irak. Es kam zu Scharmützeln, bei denen die iranische Marine gegen die überlegene Flotte der USA den Kürzeren zog. Der größte Schock war, als der amerikanische Zerstörer „Vincennes“ ein iranisches Passagierflugzeug mit 290 Menschen an Bord abschoss. Bis heute glauben selbst liberale Iraner an eine amerikanische Absicht, zumal die Admiralität in Washington versuchte, durch Falschangaben über den Kurs des Flugzeugs die Fehler des Kommandanten zu vertuschen.3
Aus all dem ergab sich ein fundamentales Gefühl der Unsicherheit. Bereits 1985, noch zu Lebzeiten Khomeinys, zog die iranische Führung daraus die Konsequenz, das Nuklearprogramm wieder zu beleben. Von Anfang an standen sensitive Technologien im Vordergrund. Der Versuch, sich eine Waffenoption zuzulegen, ist ziemlich unverkennbar; ebenso das Motiv: Sicherheit vor den umfassenden Gefahren in einer der brisantesten Weltregionen.
Zweifellos stand die irakische Gefahr im Vordergrund. Iran musste erwarten, dass Saddam Hussein seine Ambitionen auf Khusistan nicht aufgegeben hatte und es bei Gelegenheit wieder versuchen würde. Der Angriff auf Kuwait dürfte diese Spekulation eher verstärkt als geschwächt haben, und die Iraner haben sich nicht darauf verlassen können, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Saddams Niederlage von 1991 das Durchhaltevermögen besitzen würde, auf der vollständigen Abrüstung der irakischen Massenvernichtungswaffen zu bestehen.4
Nach der Entmachtung Saddam Husseins im April und seiner Festnahme im Dezember 2003 ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass in absehbarer Zeit für Iran eine ernste militärische Gefahr vom westlichen Nachbarn ausgeht. Dafür ist die Gefahr durch die Supermacht USA gewachsen. Amerikanische Soldaten sind westlich von Iran in Irak, in Kuwait, in Katar und mit Resten in Saudi-Arabien stationiert. Im Norden sind amerikanische Militärberater in Georgien und Usbekistan zu finden. Im Osten stehen sie in Afghanistan; Pakistan – auch Kernwaffenstaat, mit einem wohlorganisierten sunnitischen Fundamentalismus, der dem in Iran praktizierten schiitischen feindlich gesonnen ist – ist mit den Vereinigten Staaten verbündet.
Die USA haben das Geiseldrama von 1978/79 nie verwunden, sondern gegenüber Iran eine feindselige Einstellung beibehalten, die durch die vorübergehenden Kontaktversuche unter Präsident Bill Clinton (nach der Wahl von Mohammed Khatami zum iranischen Präsidenten) nicht grundlegend korrigiert wurde. Präsident George W. Bush hat die iranischen Befürchtungen durch die Einordnung des Landes in die „Achse des Bösen“ noch verstärkt. Aus iranischen Kreisen ist zu hören, Irak sei nur angegriffen worden, weil es nicht über Kernwaffen verfügte, während man Nordkorea mit seinem (unterstellten) minimalen Arsenal größeren Respekt entgegenbringe.
Nationale Sicherheit ist daher die Hauptmotivation, die Iran mit der Kernwaffe liebäugeln lässt.5 Diese Option findet Anhänger keineswegs nur in den Kreisen der konservativsten Mullahs, sondern ist auch bei liberaleren iranischen Nationalisten (und sogar Schah-Anhängern) populär. Objektiv betrachtet hat das Land tatsächlich ein gravierendes Sicherheitsproblem. Solange ihm dabei nicht geholfen wird – was vor allem ein Umdenken auf amerikanischer Seite bedeuten würde –, wird die Motivation für die Bombe stark bleiben.6
Damit soll nicht ignoriert werden, dass nicht auch andere herkömmliche Motivationen, Status und institutionelle Interessen der Nuklearbürokratie ihre Rolle spielen.7 Für die Führer der Islamischen Republik wäre die Stellung des einzigen fast ausschließlich schiitisch geprägten Staates durch den Kernwaffenerwerb bedeutend gehoben. Derlei Erwägungen dürften jedoch kaum eine Weiterführung des Kernwaffenprogramms bewirken, wenn dem Hauptmotiv – nationale Sicherheit – auf anderem Wege genüge getan würde.
Nordkorea
Die Demokratische Volksrepublik Korea ist eine kommunistische Monarchie, an der die Desavouierung der zentral gesteuerten Planwirtschaft bislang nahezu spurlos vorbeigegangen ist und die sich von deren grauenhafter, lebensvernichtender Erfolglosigkeit nicht im Mindesten beeindrucken lässt. Eine Autokratie übelsten Zuschnitts, verharrt das Land immer noch in einer fast vollständigen Isolation von der Weltwirtschaft, die lediglich durch den Zufluss von Hilfe und durch den Export militärischer Güter, vor allem ballistischer Raketen, unterbrochen wird.
Nordkorea hat sich seit den sechziger Jahren Kenntnisse in der Nukleartechnologie zunächst mit sowjetischer Unterstützung angeeignet. Die militärische Nutzung war wohl von Anfang an beabsichtigt. Die Juche-Ideologie des Diktators Kim Il Sung, die totale Autarkie in allen wesentlichen Bereichen, verlangte im Grunde zwingend nach einer eigenen Abschreckungsfähigkeit. Kim Il Sung war auch nicht der Mann, der den Bundesgenossen China und Sowjetunion über den Weg traute. Natürlich ist auch denkbar, dass er glaubte, unter dem Schirm nuklearer Abschreckung bessere Chancen zu haben, sich Südkorea doch noch einzuverleiben. Nordkorea dachte jedenfalls zunächst nicht daran, dem Nichtverbreitungsvertrag beizutreten. Es tat dies erst Ende 1985 unter massivem sowjetischen Druck und fest entschlossen, sich dadurch nicht von dem einmal eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen. So verzögerte man den pflichtgemäßen Abschluss eines Verifikationsabkommens mit der Internationalen Atomenergieorganisation.
Erst im Zuge der ostasiatischen Entspannung und innerkoreanischen Annäherung Anfang der neunziger Jahre, auf die sich Kim Il Sung einlassen musste, um die völlige Isolierung zu vermeiden, durften die Inspektoren ins Land. Sofort überführten sie Nordkorea der Lüge: Das Land hatte deutlich mehr Plutonium abgetrennt als angegeben und schwieg sich über den Verbleib dieses Bombenmaterials weiter aus. Es folgte ein nervenaufreibendes Hin und Her von Kriegsgeschrei, Diplomatie, Austrittsdrohungen, der Berechnung von Angriffsoptionen im Pentagon, Sicherheitsratstagungen und Vermittlungsversuchen. Am Ende stand das Genfer „Rahmenabkommen“ von 1994, in dem sich Nordkorea zur Einstellung des eigenen Kernwaffenprogramms in Gegenleistung zur Lieferung von Rohöl und zwei Kernkraftwerken verpflichtete. Sobald die sensitiven Anlagenteile geliefert würden, würden alle Standorte im Land für Inspektionen zugänglich. Die Vereinigten Staaten verzichteten auf nukleare Drohungen.
Beide Seiten waren in der Umsetzung dieses Abkommens nicht vorbildlich. Der amerikanische Kongress funkte bei den Lieferungen von Rohöl dazwischen, die sich zum Schaden Nordkoreas mehrfach verzögerten. Nordkorea verschleppte den Beginn der Bauarbeiten mit der unsinnigen, nachgeschobenen Forderung, seine Bauarbeiter müssten Löhne auf südkoreanischem Niveau erhalten. Der Bericht über die Nuklearstrategie der USA (Nuclear Posture Review) und die spätere Einsatzdirektive (PDD 60) konnten in Nordkorea so gelesen werden, dass die USA – entgegen dem Versprechen von 1994 – nach wie vor eine explizite nukleare Drohung aufrechterhielten.8 Nordkorea seinerseits begann mit pakistanischer Hilfe eine Anreicherungsanlage aufzubauen (möglicherweise hatte man mit der komplexen Implosionstechnik für Plutoniumwaffen Probleme und wollte sich lieber auf die einfachere Uran-„Rohrbombe“ verlassen, aber das ist Spekulation).9
Nationale Sicherheit
Was motiviert die nordkoreanische Diktatur? Auch hier steht, wie im iranischen Fall, nationale Sicherheit – gleichgesetzt mit Regimesicherheit – im Vordergrund. Nordkorea sieht sich der übermächtigen Allianz Südkoreas, Japans und der Supermacht USA gegenüber. Die Überlegenheit dieses Dreigestirns steigt noch ständig durch das Wachstumsgefälle zwischen der völlig maroden nordkoreanischen Zwangswirtschaft und den dynamischen Märkten Südkoreas und der Vereinigten Staaten. Die Integration modernster Technik in die amerikanischen, japanischen und südkoreanischen Streitkräfte lässt Nordkorea in einer kriegerischen Auseinandersetzung keine Chance;10 ihm bleibt nur die Drohung mit massivem Schaden, den es im Kriege anrichten würde, bevor es untergeht.
Nordkorea ist ein Land ohne Verbündete; es weiß, dass China oder Russland ihm in einem Krieg gegen die USA nicht beistehen würden. Insofern hat sich die Lage im Vergleich zum Korea-Krieg Anfang der fünfziger Jahre enorm verschlechtert. Für Russland wie für China steht die Konsolidierung der eigenen Wirtschaft, Gesellschaft und des politischen Systems ganz oben auf der Agenda. Dafür wird amerikanische Hilfe oder Tolerierung benötigt, keine Konfrontation.
Das Regime ist in einer Zwangslage. Es sieht sich überlegenen Gegnern gegenüber und weiß um die Neigung der amerikanischen Neokonservativen, in „Schurkenstaaten“ gegebenenfalls den Regimewechsel gewaltsam zu erzwingen. Die eigene Herrschaft soll aber auf jeden Fall gesichert werden; damit sind auch Reformen enge Grenzen gesetzt. Die nordkoreanische Führung hat gesehen, was in Osteuropa und der Sowjetunion geschehen ist. Das Schicksal Nicolae Ceausescus möchte Kim Jong Il vermeiden. Jedoch funktioniert die Wirtschaft überhaupt nicht mehr. Die Kommandowirtschaft hat sich totgelaufen, die Landwirtschaft ist nicht einmal mehr in der Lage, die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Nur durch externe Hilfe kommt Nordkorea – mehr schlecht als recht – über die Runden. Nur durch externe Hilfe kann auch das Militär nach wie vor im Innern als Ordnungsmacht funktionieren (ein erhebliches Dilemma für die Helfer). In einer ironischen Version von „erweiterter Sicherheit“ hängt das Überleben des Regimes gleichermaßen am Zufluss wirtschaftlicher Ressourcen von Außen wie an der Integrität seiner territorialen Grenzen.11
Für beide Aspekte von Sicherheit spielen die Kernwaffen eine instrumentelle Rolle. In militärischer Hinsicht sollen sie Nordkoreas Abschreckungsfähigkeit verstärken und erweitern. Dabei verfügt Kim Jong Il bereits ohne Kernwaffen über eine wirksame Gegendrohung. Es handelt sich um die fünfstellige Zahl von Artilleriegeschützen, die entlang des 38. Breitengrads in Stellung sind. Viele davon lassen sich mit Chemiewaffen bestücken, deren Besitz der nordkoreanischen Armee zugeschrieben wird. Seoul, die Hauptstadt Südkoreas, liegt 45 Kilometer von der Grenze entfernt. Ein Drittel der südkoreanischen Bevölkerung befindet sich in Reichweite der Artillerie, 40 Prozent des Bruttosozialprodukts werden in diesem Gebiet produziert. Es gibt keine Möglichkeit, dieses Potenzial auf einen Schlag präemptiv auszuschalten. Rechenspiele des südkoreanischen Generalstabs sollen in Seoul und Umgebung mit 500 000 bis zwei Millionen getöteten und schwer verwundeten Zivilisten in den ersten Tagen einer Auseinandersetzung rechnen. Nordkorea möchte dieses Abschreckungspotenzial noch ausbauen. Betrachtet man die Zielstrebigkeit im Nuklearsektor und die systematischen Versuche, die Reichweite der Raketen auszudehnen, so geht es anscheinend darum, die amerikanische Westküste bedrohen zu können.
Außerdem hat Nordkorea sein Nuklearpotenzial (wie auch seine Raketentechnik) wiederholt als „Trumpfkarte“ in Verhandlungen eingesetzt, um Amerika und seinen Verbündeten wirtschaftliche und finanzielle Zugeständnisse abzupressen. Es hat ja sonst wenig zu bieten: der Export von Raketen wird immer riskanter; mit der amerikanischen „Proliferation Security Initiative“12 besteht nun die reale Möglichkeit, dass Nordkoreas Raketenlieferungen die Abnehmer gar nicht mehr erreichen, weil sie aufgebracht werden. Das Nuklearpotenzial bleibt eine „Handelsware“, bei der man kleine Zugeständnisse zugunsten wirtschaftlicher Hilfe machen kann.
Ob diese Situation überhaupt den Verzicht auf die Kernwaffenoption zulässt, bleibt dahingestellt. Nordkorea hat bindende Garantien der USA für Nichtaggression und langfristige wirtschaftliche Hilfe verlangt. Dass es im Gegenzug die Suspendierung, nicht die völlige Beendigung und Beseitigung seiner Nuklearaktivitäten anbietet, lässt darauf schließen, dass es die „Trumpfkarte“ für künftige Verhandlungsrunden nicht völlig aus der Hand geben möchte.
Die Rolle der USA
Für die „Hauptsorgenkinder“ der nuklearen Proliferation steht die nationale Sicherheit im Vordergrund. Vor mehr als einem Vierteljahrhundert hat Richard Betts treffend die Proliferatoren charakterisiert: „Pygmäen“, die sich einer weit überlegenen Bedrohung gegenübersehen, „Paranoide“, die diese Bedrohung noch übertreiben, und „Parias“ die teilweise oder ganz international isoliert sind.13 In den Fällen Iran und Nordkorea treffen alle drei Typen zusammen. Das macht die Lösung so schwierig. Das internationale Nichtverbreitungsregime kann die Bedürfnisse dieser Staaten nicht vollends befriedigen, denn es hat auf ihre allgemeine Sicherheitslage keinen Einfluss.14
Abhängig ist deren Sicherheit heute vielmehr weitgehend von der Politik der Vereinigten Staaten. Nach einem Wechselspiel von freundlichen und unfreundlichen Handlungen und Bekundungen scheint die amerikanische Regierung jetzt zu verstehen, dass ohne sicherheitspolitische Zugeständnisse die Lage in Ostasien nicht stabilisiert werden kann. Sie bewegt sich auf Sicherheitsgarantien zu, deren Form noch nicht endgültig festgelegt ist.15 Im Fall Iran steht eine derartige Bewegung noch aus. Erfolgt sie jedoch nicht, kann kaum gehofft werden, dass die jüngsten Erfolge europäischer Diplomatie, die die „Suspendierung“ des iranischen Anreicherungsprogramms und die Zulassung schärferer Kontrollen unter dem „Zusatzprotokoll“ zum Nichtverbreitungsvertrag beinhalten, von Dauer sein werden.16
Anmerkungen
1 Vgl. Harald Müller, Neither Hype Nor Complacency: WMD Proliferation after the Cold War, in:The Nonproliferation Review, Jg. 4, Nr. 2, Winter 1997, S. 62–71.
2 Vgl. Akbar Etemad, Iran, in: Harald Müller (Hrsg.), A European Non-Proliferation Policy. Prospects and Problems, Oxford 1987, S. 203–228.
3 Vgl. Ted Galen Carpenter, The Captive Press. Foreign Policy Crises and the First Amendment, Washington, D.C., Cato Institute 1995, S. 175–178.
4 Siehe Shahram Chubin, Iran’s National Security Policy, Washington, D.C., Brookings 1994.
5 Ders., Whither Iran? Reform, Domestic Politics and National Security, London, Adelphi Paper 342, 2002.
6 Vgl. Johannes Reissner, Iran nach dem Irak-Krieg. Zwischen amerikanischem Druck und europäischer Annäherung, Berlin, SWP-Studie 2003.
7 Zu den drei Grundmotiven nuklearer Proliferation vgl. Scott Sagan, Why Do States Build Nuclear Weapons? Three Models in Search of a Bomb, in: International Security, Jg. 21, H. 3, Winter 1996/97, S. 54–86.
8 Arms Control Today, Nr. 8, November/Dezember 1997, S. 28.
9 Vgl. David Albright/Kevin O’Neill, Solving the North Korean Nuclear Puzzle, Washington, D.C., Institute for Security and International Studies 2000.
10 Vgl. Thomas A. Drohan, Effects, Targets and Tools. A Primer for US Strategy and an Application Examining the Security Dynamics of Northeast Asia, Institute for National Security Studies, U.S. Air Force Academy, Colorado 2003.
11 Vgl. Patrick Köllner, Nordkoreas Außen- und Sicherheitspolitik im Zeichen der Krisen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B35–36, 25.08.2003, S. 25–31.
12 Es handelt sich um eine Vereinbarung von 12 Industriestaaten, proliferationsrelevante Transfers notfalls gewaltsam zu unterbinden; s. The Proliferation Security Initiative, IISS, Strategic Comments, Jg. 9, 2003, Nr. 6.
13 Vgl. Richard K. Betts, Paranoids, Pygmies, Pariahs and Nonproliferation, in: Foreign Policy, Nr. 26, 1977, S. 157–183.
14 Vgl. Joachim Krause, Strukturwandel der Nichtverbreitungspolitik. Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und die weltpolitische Transformation, München 1998, S. 306–310.
15 Vgl. David E. Sanger, Bush Yields A Bit On North Korea, in: International Herald Tribune, 20.10.2003.
16 Dieses Zusatzprotokoll ist von Iran am 18. Dezember 2003 in Wien unterzeichnet worden; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.12.2003.
Internationale Politik 1, Januar 2004, S. 12‑18
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