Francis Fukuyama im Interview: „Trump 2.0 wäre viel schlimmer als die erste Amtszeit“
Hochgradig polarisiert, tiefgreifend verändert: Ein Blick ins Innere der Vereinigten Staaten offenbart, warum sich die Weltmacht auch nach außen wandelt.
Hochgradig polarisiert, tiefgreifend verändert: Ein Blick ins Innere der Vereinigten Staaten offenbart, warum sich die Weltmacht auch nach außen wandelt.
Das Ansehen der amerikanischen Regierung in der europäischen Öffentlichkeit ist so schlecht wie
nie. Fraser Cameron, Studiendirektor des European Policy Center in Brüssel, untersucht die
Gründe für diesen Vertrauensverlust und fordert die EU-Staaten auf, die Konsequenz daraus zu
ziehen und ihre außenpolitischen Ressourcen in der EU zu bündeln. Nur so könne Europa ein
echter Partner der USA werden.
Das Ende der transatlantischen Sonderbeziehungen
Die Zeiten der transatlantischen Freundschaft sind vorbei. Während sich die USA auf weltpolitischer
Bühne mit den Osamas und Saddams dieser Welt herumplagen, übernimmt die EU lediglich
die Rolle des antiamerikanischen Kritikers und macht sich bei den Opfern amerikanischer
Bomben beliebt. Auch wirtschaftliche, soziokulturelle
und demographische Unterschiede machen Europa als verlässlichen Partner für die
USA immer weniger attraktiv.
Die Neuaufstellung der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland
Die amerikanische Streitkräftestruktur wurde nach dem 11. September einer grundlegenden
Überprüfung unterzogen. In der Folge kündigte der Präsident den Abzug von rund 70 000 der in
Übersee stationierten Soldaten an, davon die Hälfte aus Deutschland. Helga Haftendorn, die
lange Jahre Politische Wissenschaft an der Freien Universität Berlin lehrte, kann in diesem Truppenabzug keine Gefährdung
der Sicherheit Deutschlands erkennen.
Während Europa zunehmend als postnational anzusehen ist, hat sich in den USA eine neue, aggressive
Form des Nationalismus entwickelt, die sich aus Kontrollverlustängsten der weißen Mittelschicht
speist und den hasserfüllten europäischen Nationalismen des frühen 20. Jahrhunderts
ähnelt. Diese Entwicklung birgt laut Anatol Lieven, Senior Associate des Carnegie Endowment,
große Gefahren für Amerikas Position in der Welt.
Der amerikanische Wahlkampf und transatlantische Perspektiven
Die Präsidentenwahl in den USA steht kurz bevor, doch die Europäer wissen immer noch nicht
recht, was sie erwarten wird. Christian Hacke, einer der besten Amerika-Kenner in Deutschland,
stellt die Alternativen Bush und Kerry gegenüber. Sein Ergebnis: Kerry unterscheidet sich außenpolitisch
kaum von Bush. Die Europäer könnten es mit ihm sogar schwerer haben als mit Bush.
Aber Kerrys Wahl ist ohnehin längst nicht sicher.
Ein amerikanisches Plädoyer für mehr globales Engagement der EU
Zu lange hat Europa beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik nur auf die USA reagiert. Marcia
Pally, Professorin an der Steinhardt School der New York University, rät den Europäern, die
USA nicht immer nur zu kritisieren, egal ob angebracht oder nicht, sondern selbst Verantwortung
zu übernehmen, anstatt sich hinter der kolonialen Vergangenheit zu verstecken.
Die USA und die transatlantischen Beziehungen im Weltsystem
Ob der „postsowjetische Westen“ wieder aneinander gekettet werden kann, ist die Frage von
David Calleo. Er beschreibt die unüberbrückbare strategische Dissonanz nach dem Ende des Kalten
Krieges. Zwei Visionen prallen aufeinander: Eine unilaterale Pax Americana gegen ein multilateral
agierendes, vereintes, weltpolitisch engagiertes Europa. Doch beide Seiten haben einander
nötig – was für Amerika noch mehr gilt als für Europa.
Demokratische Ideen zur Verbesserung der transatlantischen Beziehungen
Während bei den Republikanern die alten Atlantiker aussterben, präsentiert Asmus die Demokratische
Partei als Hüterin der transatlantischen Partnerschaft. Der Autor schlägt vor, dass USA und EU eine gemeinsame
Strategie für Europa einschließlich Russlands und der Schwarzmeer-Region sowie für
den Nahen und Mittleren Osten formulieren. Und Amerika muss seinen Enthusiasmus für die
europäische Integration wieder entdecken.
Die neue NATO – eine multifunktionale Sicherheitsagentur
Neue Sicherheitsbedrohungen in erster Linie ausgehend von der Nahost-Region haben eine Diversifizierung
des Aufgabenspektrums und damit eine Transformation der NATO unabdingbar
gemacht. Die Autoren schildern Maßnahmen, die im Rahmen dieses Transformationsprozesses
unternommen werden, sowie die Konzepte und Strukturen, die daraus hervorgegangen sind. Um
den nachhaltigen Erfolg dieses ambitionierten, aber notwendigen Projekts zu sichern, sei der Wille
zur Kooperation und zur Umsetzung von oft schwierigen Strukturreformen dringend geboten.
Projektion von Stabilität als Herausforderung für das Bündnis
Am Vorabend des Gipfeltreffens der NATO in Istanbul beschreibt ihr seit einem halben Jahr amtierender Generalsekretär die Situation der Allianz. Für ihn besteht die Hauptaufgabe des Bündnisses in der „Projektion von Stabilität“. Durch den Aufbau von Sicherheitsbeziehungen mit immer mehr Partnerstaaten, durch militärische Operationen, wo auch immer sie notwendig sein sollten, und durch die Modernisierung der Verfahren zur Streitkräfteplanung werde die NATO Stabilität schaffen. Sie werde damit ihren Anspruch, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, untermauern.
Obwohl die Wunde, die den transatlantischen Beziehungen durch den Irak-Krieg zugefügt
wurde, noch lange nicht verheilt ist, ist man in Washington entschlossen, sich über die Verbitterung
hinwegzusetzen und gangbare Wege zu finden, die neuen Sicherheitsherausforderungen
anzugehen. Um diesen Heilungsprozess voranzutreiben, müssen sich jedoch die europäischen
Verbündeten besser den Bündnisstrukturen anpassen, vor allem größere Belastungen übernehmen
und ihre Verteidigungsfähigkeit transformieren.
Erwartungen der Bürger an eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Einer qualitativen Umfrage des Autors zufolge haben die Deutschen hochfliegende Erwartungen
an die EU. Sie trauen ihr jedoch gleichzeitig nicht zu, diese Erwartungen zu erfüllen. Bei der weltweiten
Friedenssicherung wünschen sie sich eine stärkere Rolle der EU, aber nicht auf Kosten der
NATO. Letztlich sollte die Friedenssicherung jedoch möglichst ohne Krieg und Kampf von statten
gehen – in Zukunft sogar vielleicht nicht durch nationale Verbände, sondern durch eine europäische
Freiwilligenarmee.