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01. Aug. 2004

Von Kennedy lernen

Demokratische Ideen zur Verbesserung der transatlantischen Beziehungen

Während bei den Republikanern die alten Atlantiker aussterben, präsentiert Asmus die Demokratische
Partei als Hüterin der transatlantischen Partnerschaft. Der Autor schlägt vor, dass USA und EU eine gemeinsame
Strategie für Europa einschließlich Russlands und der Schwarzmeer-Region sowie für
den Nahen und Mittleren Osten formulieren. Und Amerika muss seinen Enthusiasmus für die
europäische Integration wieder entdecken.

Während der letzten drei bis fünf Jahrzehnte hat es in Sachen Europa keine große Rolle gespielt, welche politische Partei im Weißen Haus residierte. Wenn es ein Thema in der Außenpolitik gab, wo Überparteilichkeit dominierte, dann dieses.

Heute ist das nicht mehr der Fall.Ich glaube, dass eine zukünftige Kerry-Regierung der Verbesserung der transatlantischen Beziehungen hohen Vorrang in der Außnpolitik einräumen wird. Dies heißt allerdings nicht, dass all die Probleme und Meinungsverschiedenheiten, die beiderseits des Atlantiks bestehen, sich plötzlich automatisch in Luft auflösen werden. Aber es wird uns ermöglichen, ein äußerst entzweiendes Kapitel in den amerikanisch-europäischen Beziehungen zu schließen und mit der Überwindung einer der schwersten transatlantischen Krisen zu einem Zeitpunkt zu beginnen, da die Herausforderungen für beide Seiten des Atlantiks stetig zunehmen.

Eine der dramatischsten außenpolitischen Fehlleistungen der Bush-Regierung war ihr Umgang mit den transatlantischen Beziehungen. Zwar haben die amerikanisch-europäischen Beziehungen schon früher größere Krisen durchgemacht – sowohl unter republikanischen als auch unter demokratischen Präsidenten – doch die gegenwärtige Turbulenz über dem Atlantik ist in ihrem Umfang und ihrer Intensität einmalig. Die Terroranschläge auf die Vereinigten Staaten am 11. September 2001 hatten auf dem ganzen europäischen Kontinent eine einmalige Solidaritätswelle ausgelöst; auch die Unterstützung eines gemeinsamen transatlantischen Ansatzes zur Bekämpfung des Terrorismus war hoch. Statt auf dieser Unterstützung aufzubauen, hat Präsident Bush eine Politik betrieben, die unsere nächsten Verbündeten entfremdet und Amerikas Glaubwürdigkeit und Ansehen in Europa unterminiert hat.

Aber die Probleme in den amerikanisch-europäischen Beziehungen sind nicht nur der schlechten Politik oder Inkompetenz zuzuschreiben. Sie sind auch das Resultat der Weltanschauung der Regierung, ihres Bruchs mit der langjährigen amerikanischen Europa-Politik. Heute herrscht eine zunehmende Uneinigkeit zwischen Demokraten und Republikanern über die Rolle, welche Europa in der amerikanischen Außenpolitik spielen sollte. Die Demokratische Partei ist eine atlantische Partei geblieben, deren intellektueller Schwerpunkt und deren Instinkte multilateral sind. Die Republikanische Partei hat sich zunehmend in eine andere Richtung bewegt.

Selbstverständlich gibt es auch bei den Republikanern immer noch einige prominente Atlantiker. Aber der Schwerpunkt des konservativen Denkens ist zunehmend unilateral und euroskeptisch. Immer mehr konservative Denker in den USA bestärken Präsident Bush in einer Außenpolitik, die die Notwendigkeit für Amerika betont, allein handeln zu können, die Europa als Partner herunterstuft und unsere früheren Verbündeten an den Rand der amerikanischen Außenpolitik drängt.

Die derzeit großen außenpolitischen Debatten in Washington werden nicht über die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, geführt. Wir alle glauben, dass wir in einem neuen und äußerst gefährlichen Zeitalter leben, in dem Amerika, und der Westen im Allgemeinen, verwundbar ist. Der Beginn des 21. Jahrhunderts hat uns die Augen für eine Reihe von neuen Bedrohungen geöffnet, die sich in ihrem Ursprung von den totalitären Herausforderungen des letzten Jahrhunderts unterscheiden, aber potenziell genauso gefährlich sind. Stattdessen konzentrieren sich die heute zwischen den Demokraten und Republikanern bestehenden Unterschiede auf die Frage, wie wir uns selber organisieren sollten, um uns diesen neuen Bedrohungen zu stellen, auf das Gewicht, das wir Bündnissen beimessen und auf die besondere Rolle, die wir für die transatlantischen Beziehungen vorsehen.

Für die Republikaner ist der Sieg der Allianz im Kalten Krieg eine große Erfolgsgeschichte. Sie haben die NATO-Erweiterung größtenteils unterstützt, um einen Beitrag zur Festigung einer neuen Friedensordnung in Europa zu leisten. Die Tatsache, dass Europa nicht länger als die größte strategische Hauptbeschäftigung und als Problem gesehen wird, wird als gutes Zeichen gedeutet. Aber viele Konservative glauben nicht länger daran, dass die Vereinigten Staaten in Zukunft Europa als einen engen strategischen Partner wahrnehmen können oder sollten. Sie glauben, dass die Amerikaner und Europäer in den jeweiligen Weltanschauungen, in der Bedeutung, die sie der Macht zuschreiben, und in der Frage, wie die Probleme der neuen Ära angegangen werden sollten, auseinander driften.

Das bekannteste Buch über Europa, das in den letzten Jahren in konservativen Kreisen zirkulierte, ist zweifelsohne Robert Kagans Buch „Macht und Ohnmacht“. Kagans wesentliches Argument ist, dass die Kombination von europäischer Integrationserfahrung und der sich vergrößernden Kluft in schierer militärischer Macht die Amerikaner und Europäer strategisch inkompatibel macht und die Kooperation zunehmend erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht. Das Kagan-Buch wurde von Vielen in der Bush-Regierung politisch ausgeschlachtet, um das unilaterale Handeln oder die Bildung von Ad-hoc-„Koalitionen“ zu rechtfertigen. Denn wenn die Amerikaner „vom Mars“ kommen und die Europäer „von der Venus“ und sie sich in ihren Weltanschauungen wesentlich voneinander unterscheiden, welcher Vernünftige würde dann die eigene Außenpolitik von der Zusammenarbeit mit der anderen Seite abhängig machen? Folglich werde eine große Anstrengung für die Wiederherstellung der Allianz wohl kaum gelingen – und wahrscheinlich nicht einmal die Mühe lohnen.

Es ist kein Zufall, dass das Kagan-Buch in demokratischen Kreisen viel weniger beliebt ist. Man wird bei den Demokraten auch wenige europafeindliche Witze hören, wie sie in konservativen Kreisen die Runde machen. Schließlich haben die Demokraten in den Neunzigern die meiste Zeit damit verbracht, genau das zu tun, von dem die Konservativen jetzt behaupten, dass es nicht länger möglich sei – eine neue transatlantische strategische Partnerschaft mit der Konzentration auf neue Herausforderungen und Bedrohungen in den Zeiten nach dem Kalten Krieg zu bilden. Die Clinton-Regierung sah in ihrer Europa-Politik die Umgestaltung der Allianz als zentrale Voraussetzung an, damit diese bei der Lösung der Probleme des 21. Jahrhunderts genau so gut sein würde, wie sie es im 20. Jahrhundert war. Die meisten außenpolitischen Denker der Demokraten würden Kagans Analyse genauso wie die sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen bestreiten.

Tatsächlich ist die Verbesserung der transatlantischen Beziehungen für die Außenpolitik der Demokraten aus vier Gründen von zentraler Bedeutung:

–  Die Demokraten glauben an einen progressiven und kraftvollen Multilateralismus, der unsere Gesellschaften wirksam beschützen und für unsere Werte im Ausland werben kann. Diese Vision kann nur mit Hilfe eines starken transatlantischen Fundaments erreicht werden. Im Allgemeinen sehen die Demokraten die amerikanische Macht oder Hegemonie nicht als das Ziel schlechthin. Wir sehen die amerikanische Stärke eher als Mittel, um unser Land zu verteidigen wie auch um eine Weltordnung zu fördern, in der liberale demokratische Prinzipien und Werte blühen können.

–  Zusätzlich zu diesem philosophischen Engagement für die transatlantischen Beziehungen betrachten die Demokraten in einem sehr praktischen Sinn Europa als einen entscheidend wichtigen Verbündeten der Vereinigten Staaten. Es ist die weltweit einzige, größte potenzielle Quelle finanzieller Unterstützung und militärischer Stärke – die auch entscheidende Stimmen in vielen multilateralen Foren besitzt. In diesem Sinne sehen wir in der transatlantischen Beziehung einen Machtmultiplikator, nicht eine Beschränkung. Während die Vereinigten Staaten zweifelsohne die Option, allein zu handeln, behalten, ist ein derartiges Vorgehen mit sehr realen Grenzen und Gefahren behaftet – wie wir das heute so deutlich in Irak sehen.

–  Für die Demokraten gibt es drittens auch gute innenpolitische Gründe, der transatlantischen Beziehung treu bleiben. Meinungsumfragen zeigen, dass die Amerikaner eine aktive Rolle in der Welt spielen möchten, insbesondere nach dem 11. September. Sie zeigen aber auch, dass die amerikanische Öffentlichkeit nicht unilateral gestimmt ist und keinen Alleingang wünscht. Sie möchte eine effektive multilaterale Außenpolitik, und auch sie sieht in Europa den natürlichsten Verbündeten und Partner. Die Mühen der Bush-Regierung, die „Koalition“ in Irak hervorzuheben, trotz der sehr mäßigen Beiträge seitens der Mitglieder, unterstreicht die reale politische Notwendigkeit, nicht als allein handelnd angesehen zu werden.

–  Viertens bietet für die Demokraten die Zusammenarbeit mit Europa und durch transatlantische demokratische Bündnisse eine einzigartige Form politischer und moralischer Legitimität. Die Vereinigten Staaten, Kanada und Europa sind die führenden westlichen Demokratien, und die Zusammenarbeit mit ihnen kann den USA die notwendige moralische Legitimität verschaffen – zu Hause wie auch im Ausland – , um ihre globalen Ziele zu erreichen. Die demokratischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry Truman schufen das „Arsenal der Demokratie“, die Vereinten Nationen und die Atlantische Allianz zu einer Zeit, als die Machtlücke zwischen den USA und Europa viel größer war als heute. Genau aus diesen Gründen hat die Instandsetzung der transatlantischen Beziehungen für die Demokraten eine hohe Priorität in der Außenpolitik.

Zusammengefasst: Die Demokraten lehnen die intellektuelle und politische Logik, welche viele der Rechten dazu veranlasst hat, die transatlantischen Beziehungen herunterzustufen oder aufzugeben, ab. Auch wenn sie ab und zu kritisch gegenüber Europa sind, glauben sie, dass die derzeitige Krise vor allem schlechter Politik und noch schlechterer Diplomatie geschuldet ist und weniger der plötzlichen Entstehung von angeblich strategisch unverträglichen „Kulturen“ unter den führenden westlichen Demokratien der Welt. Für die Demokraten bedeutet die Lehre aus dem 11. September nicht die Notwendigkeit, die amerikanische Macht und Handlungsfreiheit zu maximieren, sondern unsere Verbündeten und die Welt hinter uns zu mobilisieren. Wenn die Vereinigten Staaten mit ihren engsten Verbündeten in Europa nicht effektiv kooperieren können, mit wem können wir dann zusammenarbeiten?

Ziele und Paradigmen

Der erste und wichtigste Schritt zur Wiederherstellung der transatlantischen Beziehungen ist die Formulierung eines gemeinsamen strategischen Zieles und Paradigmas. Die transatlantischen Beziehungen funktionierten während des Kalten Krieges, weil sich beide Seiten die Abschreckung und mögliche Niederringung der Sowjetunion zum Ziel gemacht hatten. Die Partnerschaft funktionierte erneut in den neunziger Jahren, als die Vereinigten Staaten und Europa, nachdem sie auf dem Balkan anfangs herumgestolpert waren, sich zum Projekt zusammenfanden, eine neue Ordnung für ein vereintes, freies und friedliches Europa zu schaffen. Dies bedeutete, auf dem Balkan zu intervenieren, um ethnische Säuberungen zu beenden; die Türen der NATO und der EU zu öffnen, um mitzuhelfen, Mittel- und Osteuropa einen festen Halt zu geben und sie zu integrieren; und mit Russland ein neues Verhältnis aufzubauen, das unseren ehemaligen Gegner zum Partner machte.

Heute ist es eher die Lücke im gemeinsamen strategischen Ziel als die Machtlücke, die das Herzstück der gegenwärtigen transatlantischen Schwierigkeiten bildet. Eine neue gemeinsame strategische Agenda, welche die Vereinigten Staaten und Europa wieder zusammenbringen könnte, würde naturgemäß aus zwei Teilen bestehen. Der erste Teil konzentriert sich auf die Herausforderungen innerhalb des Kontinents und im weiteren Europa; der zweite Teil betont Probleme außerhalb des Kontinents, insbesondere im Weiteren Mittleren Osten, wo unsere gemeinsame Sicherheit am gefährlichsten bedroht wird und wo amerikanisch-europäische Zusammenarbeit unerlässlich ist.

Innerhalb Europas sollte die Agenda mit Russland beginnen. Eine vor zehn Jahren entwickelte und auf dem Glauben beruhende westliche Politik, Russland demokratisiere sich allmählich und bewege sich in Richtung Westen, muss mit Blick auf Russlands Hang zu einer autoritären Herrschaft im Inland und zu einer Hardliner-Politik im Ausland auf den Prüfstand gestellt werden. Auch den Balkan hat man treiben lassen, und der jüngste Gewaltausbruch in Kosovo unterstreicht, wie instabil die Lage dort nach wie vor ist. Verhandlungen zur endgültigen Klärung der Statusfrage Kosovos werden unter der nächsten Regierung stattfinden, und der Balkan wird wieder zum Mittelpunkt der amerikanisch-europäischen Agenda. Mit der erfolgreichen Integration Mittel- und Osteuropas sehen sich NATO und EU vor die Aufgabe gestellt, eine neue Strategie zu entwickeln, um Demokratie und Stabilität auf Europas neue Grenzländer auszuweiten – auf die Ukraine und den weiteren Schwarzmeer-Raum – und um schließlich Europas letztem totalitären Machthaber in Weißrussland entgegenzutreten. Zu guter Letzt gilt es, die volle Integration der Türkei in den Westen abzuschließen.

Aber die größten Herausforderungen für die Sicherheit beider Seiten des Atlantiks kommen heutzutage von außerhalb des Kontinents. Die Vereinigten Staaten und Europa müssen sich dem Entstehen von neuen, potenziell katastrophalen Bedrohungen, die sich aus einer Verbindung zwischen radikalislamischen totalitären Ideologien, Terrorismus und Massenvernichtungswaffen ergeben, stellen. Wir müssen unsere Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit vertiefen. Unsere vergangenen Differenzen über Irak ändern nichts an der Tatsache, dass der Erfolg oder Misserfolg vor Ort – etwa in Afghanistan – wahrscheinlich die Sicherheit auf beiden Kontinenten tangieren wird. Die Bemühungen, Iran davon abzuhalten, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu kommen, befinden sich in einer kritischen Phase. Die amerikanisch-europäische Koordination ist wichtig, wenn wir Fortschritte im Friedensprozess zwischen den Israelis und Palästinensern machen und diesen Frieden dann auch aufrechterhalten wollen. Wir müssen eine Strategie entwickeln, die Demokratisierung der Region zu fördern, um dadurch die eigentlichen Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen. Es gibt offensichtlich zahlreiche Probleme, die die Vereinigten Staaten und Europa angehen müssen. Was wir entwickeln müssen, ist eine politische Verpflichtung, diese gemeinsam anzugehen.

Europäische Integration neu denken

Eine der wichtigsten Änderungen in der amerikanischen Europa-Politik, die einige Konservative befürwortet haben, hat die amerikanische Unterstützung der europäischen Integration gemindert – und das mit der Begründung, eine starke EU könne zum geopolitischen Rivalen der Vereinigten Staaten werden. Washingtons Unilateralismus hat bei den Europäern den Ärger über Washington gesteigert und in die Hände jener gearbeitet, die behaupten, es sei unmöglich, mit den Vereinigten Staaten zu kooperieren. Sogar jene Verbündeten, die die Vereinigten Staaten beispielsweise in Irak unterstützt haben, haben uns unter vier Augen gewarnt, dass es für Washington falsch wäre anzunehmen, es könne sich einfach leisten, ständig mit Staaten wie Frankreich und Deutschland zu brechen. Stattdessen haben sie uns dringend gebeten, unsere Beziehung mit den größten Mächten auf dem Kontinent so schnell wie möglich wieder zu reparieren.

Die Demokraten müssen sich nicht nur vom unklaren Gerede der Bush-Regierung über die „Zersetzung“ Europas distanzieren, sondern ihre Unterstützung für das europäische Projekt eindeutig in Wort und Tat klarmachen. Nahezu alles, was die fortschrittlichen Kräfte heute rund um die Welt erreichen möchten, erfordert ein stärkeres, effizienteres und nach außen achtsames Europa, das innerhalb und außerhalb des Kontinents zusätzliche Lasten auf sich nehmen kann. Amerikas strategisches Interesse liegt daher darin, der Europäischen Union bei der Integration behilflich zu sein, damit es eine solche Rolle übernehmen kann.

Der beste Weg, um sicherzugehen, dass sich die EU zu einem nach außen orientierten Partner entwickelt, der offen ist für eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, ist, ihn einzubeziehen und ihm zu helfen, erfolgreich zu sein. Eine demokratische Strategie sollte daher über die von früheren Regierungen angebotene qualifizierte Unterstützung hinausgehen und etwas, das der „Kennedy-Ansatz“ genannt werden könnte, annehmen. Präsident John F. Kennedy war vielleicht der enthusiastischste amerikanische Staatschef des 20. Jahrhunderts, wenn es darum ging, die europäische Integration zu unterstützen und die Entstehung eines vereinten Europas als eines strategischen Partners zu fördern. Die Demokraten müssen zu dieser Einstellung zurückkehren. Dieser Ansatz würde nicht nur eine neue Seite in den Beziehungen insgesamt aufschlagen, sondern er ist vielleicht der beste Weg, um die Chancen zu maximieren, dass Europa zu einem starken und proatlantischen Partner, den wir benötigen, wird – einer, der daran interessiert ist, mit Amerika eng zusammenzuarbeiten.

Beziehungen mit der EU verbessern

Ein neuer, positiver demokratischer Ansatz hinsichtlich der europäischen Integration sollte Hand in Hand mit der Heraufstufung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU gehen. Das Verhältnis muss sich nun hin zum Mittelpunkt der amerikanischen Entscheidungspolitik vis-à-vis Europa bewegen. Die meisten Herausforderungen, vor denen wir und Europa heute stehen – wie beispielsweise die Russland-Frage, innere Sicherheit, Demokratieförderung im Weiteren Mittleren Osten – können nicht im Rahmen der NATO gelöst werden, da er zu eng ist und sich auf militärische Operationen beschränkt. Und in Europa wird die Politik bei den meisten außenpolitischen Kernfragen zunehmend innerhalb der EU gemacht.

Für die Vereinigten Staaten ist es daher sinnvoll, nach einer Beziehung zwischen den USA und der EU zu trachten, die die zunehmende Bedeutung dieser neuen Fragen und den Bedarf an einer Zusammenarbeit in neuen Gebieten widerspiegelt. Das Ziel sollte sein, die Beziehung zwischen den USA und der EU so zentral, eng und effektiv zu machen, wie es in der NATO während des Kalten Krieges war. Dies bedeutet nicht, die NATO aufzugeben oder herabzustufen. Es bedeutet lediglich zu erkennen, dass die anstehenden Aufgaben andere sind. Daher müssen wir parallel zu der Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und der EU die Umwandlung der NATO unterstützen, so dass die Allianz für eine neue, breitere und vielfältigere Agenda ausgerüstet ist und eine größere Rolle an Orten wie Afghanistan und dem Weiteren Mittleren Osten spielen kann.

Strukturierter Dialog

Die Wiederherstellung des transatlantischen Dialogs wird nicht nur die Definition einer neuen gemeinsamen Vision und die Schaffung und Stärkung institutioneller Verbindungen erfordern. Sie wird auch konzentrierte Anstrengungen nötig machen, Übereinstimmung über die substanziellen politischen Entscheidungen zu erzielen. Eine der Tragödien in den amerikanisch-europäischen Beziehungen unter Präsident Bush war ja der Beinahe-Zusammenbruch eines sinnvollen strategischen Dialogs und der Konsultationen, die zu einer solchen Übereinstimmung hätten führen können. In einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten und Europa ihren Dialog gerade hätten ausweiten müssen, wurden viele der informellen und formalen Mechanismen, mit denen in der Vergangenheit Differenzen minimiert wurden, geschwächt oder einfach aufgegeben.

Es besteht ein echter Bedarf an amerikanisch-europäischer Zusammenarbeit, um diese wachsende Agenda anzugehen. Eine demokratische Strategie sollte daher eine Seite aus dem Textbuch der EU übernehmen und einige der Instrumente, die  die EU eingesetzt hat, um eine gemeinsame Außenpolitik innerhalb Europas zu entwickeln, auf das transatlantische Fundament übertragen. Einer der Mechanismen beispielsweise, der für die Entwicklung einer gemeinsamen außenpolitischen Agenda bei den Europäern wesentlich ist, ist das, was die EU als „strukturierte europäische politische Zusammenarbeit“ bezeichnet. Mit Hilfe dieses Mechanismus verpflichten sich die Staaten, in strukturierten Konsultationen ihre Differenzen zu verringern, um eine neue gemeinsame Basis zu schaffen. Wir sollten die gleichen Mechanismen entwickeln, um eine gemeinsame Grundlage über den Atlantik hinweg wiederherzustellen.

Intensive Konsultationen und ein strukturierter Dialog können zwar nicht immer wirkliche Differenzen überwinden, aber sie können dabei helfen. Wir vergessen heute oft, dass in den späten vierziger Jahren, als die amerikanischen und europäischen Staatschefs beschlossen, eine transatlantische Allianz zu gründen, nicht unbedingt Übereinstimmung darüber herrschte, wie die wichtigste strategische Frage jener Tage, nämlich Stalins Sowjetunion, angegangen werden sollte. Was sie aber teilten, war die politische Entschlossenheit, zu einer gemeinsamen Politik zu kommen, und die Anerkennung, dass ein Mechanismus nötig sei, der eine gemeinsame Strategie schaffen würde. Dasselbe kann und muss heute getan werden.

Irak überwinden

Die Demokraten waren in der Frage des Irak-Krieges gespalten. Viele, einschließlich des Autors, unterstützten den Einsatz von militärischer Gewalt, um Saddam Hussein zu stürzen. Wir taten dies, weil wir der Überzeugung waren, Saddam Hussein sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen und trotze der internationalen Staatengemeinschaft. Wir fanden, dass die Chancen für eine friedliche demokratische Änderung von innen wegen Saddams totalitärem Regime gering oder gar nicht vorhanden waren. Andere Demokraten waren gegen den Krieg. Sie dachten, der Westen hätte mehr Zeit, das Regime einzuhegen oder ein eindringlicheres Inspektionsregime zu fördern, und dass die mit dem Einsatz von Gewalt verbundenen Ungewissheiten den potenziellen Gewinn überwogen. Sie lehnten zudem einen Einsatz ohne Unterstützung seitens der internationalen Staatengemeinschaft ab.

Die Irak-Frage hat nicht nur die Demokraten in den Vereinigten Staaten gespalten, sondern auch zu Spaltungen innerhalb des Mitte-Links-Blocks über den Atlantik hinweg geführt, in dem die Kriegsgegnerschaft weit verbreitet war. Es ist an der Zeit, die Irak-Frage ad acta zu legen. Der Bruch wird nie heilen und die transatlantischen Beziehungen werden nie wiederhergestellt werden, wenn beide Seiten die durch den Krieg verursachte Spaltung nicht überwinden. Die fortschrittlichen Kräfte in den Vereinigten Staaten und Europa müssen daher eine gemeinsame Basis schaffen, um die Situation in Irak zu stabilisieren und die Kluft zwischen ihnen zu überwinden.

Zu Beginn der neunziger Jahre drohte die transatlantische Beziehung wegen eines außer Kontrolle geratenen Krieges auf dem Balkan in die Brüche zu gehen. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Europa waren daran interessiert, der Gewalt ein Ende zu setzen, aber sie konnten sich nicht auf die richtige Strategie einigen. In diesem besonderen Fall hatten die wichtigsten Staaten Europas Streitkräfte eingesetzt, die ihr Leben riskierten, während sich die Vereinigten Staaten abseits hielten und mit Ratschlägen dienten, aber es ablehnten, sich anzuschließen und Verantwortung für Regelungen vor Ort zu übernehmen. Die Wende trat ein, als die Allianz, angeführt von den Vereinigten Staaten und Frankreich, erkannte, dass die Situation außer Kontrolle zu geraten drohte und einen Weg fand, ihre früheren Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Gemeinsam beteiligten sie sich an einem neuen Ansatz, wo jede Seite ihren Anteil an Risiko und Verantwortung übernahm. Dieser trug effektiv zur Beendigung des Blutbads bei und erneuerte das Gefühl eines gemeinsamen Zieles und des Vertrauens, dass beide Seiten zusammenarbeiten konnten.

Heute stehen die Vereinigten Staaten und Europa vor einer ähnlichen Wende. Der Krieg in Irak ist weit davon entfernt, ein erledigter Einsatz zu sein. Die schlechte Handhabung des Wiederaufbaus im Nachkriegs-Irak durch die Bush-Regierung hat ernsthafte Auswirkungen auf Iraker, Amerikaner und Europäer. Amerika braucht heute die Hilfe seiner Verbündeten mehr denn je, aber es steht ziemlich alleine da. Die wichtigsten Verbündeten verweigern uns ihre Hilfe, was dem bitteren Bruch mit den Vereinigten Staaten, den Bedenken über die derzeitige Stabilisierungsstrategie und ihren Zweifeln über die Bereitschaft der jetzigen Regierung, ihnen eine sinnvolle Stimme oder Mitsprache in der Gestaltung der Politik zu geben, zuzuschreiben ist.

Die Vereinigten Staaten können es in Irak immer noch schaffen und ihre Verpflichtung dem irakischen Volk gegenüber erfüllen – aber sie werden Hilfe brauchen. Waren früher die Meinungsverschiedenheiten über den Krieg sehr groß, so haben gegenwärtig die Vereinigten Staaten wie auch Europa ein gemeinsames Interesse an einem positiven Ausgang in Irak. Not tut jetzt, sich auf einen realistischen Plan zu einigen, um die Sicherheitslage zu stabilisieren, so schnell wie möglich eine legitime und souveräne irakische Regierung zu bilden und dafür bereit zu sein, die Koalition zu erweitern und weiter zu internationalisieren, um den Irakern bei der Umbildung ihres Landes in einen demokratischen und souveränen Staat beiseite zu stehen – solange diese Hilfe auch ausdrücklich von dem irakischen Volk und der Regierung gewünscht wird. Wie Bosnien kann und muss Irak von einem transatlantischen Misserfolg zum Erfolg werden.

Zusammenfassung

Die Wahl von John Kerry zum Präsidenten der Vereinigten Staaten würde eines der zwiespältigsten und zerstörerischsten Kapitel in den amerikanisch-europäischen Beziehungen schließen. Seine Wahl zum Präsidenten würde in Europa wohl mit einem kollektiven Seufzer der Erleichterung, wenn nicht Begeisterung begrüßt werden.

Doch die Wahl allein würde natürlich nicht zur unmittelbaren Übereinstimmung führen oder alle Differenzen beiderseits des Atlantiks eliminieren. Wir würden auch weiterhin Auseinandersetzungen haben, beispielsweise über das Kyoto-Protokoll, den Internationalen Strafgerichtshof und die Frage der Prävention. Aber eine demokratische Außenpolitik würde die Verbesserung der transatlantischen Beziehungen zur größten Priorität machen und Europa als einen wichtigen Partner bei der Lösung von einer Reihe von Problemen in der Welt anerkennen. Die Demokraten würden einer Zusammenarbeit mit den nächsten Verbündeten, Konsultationen und gemeinsamen Entscheidungen weit offener gegenüberstehen.

Eine demokratische Außenpolitik würde unseren europäischen Verbündeten allerdings weitaus mehr abverlangen. Eine engere Zusammenarbeit würde von Europa fordern, mehr Verantwortung zu tragen und mehr Lasten zu schultern. Sie würde auch Änderungen in der europäischen Einstellung und Politik erfordern. Europäische Regierungen und die europäische Öffentlichkeit müssen sich dann die Frage stellen, ob sie willens sind, ihrerseits die nötige Mühe auf sich zu nehmen, um die transatlantischen Beziehungen wiederherzustellen. Es wird nicht nur die amerikanische, sondern auch die europäische politische Führung auf die Probe gestellt werden.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 8, August 2004, S. 89-98

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