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01. Juni 2004

Militärmacht EU?

Erwartungen der Bürger an eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Einer qualitativen Umfrage des Autors zufolge haben die Deutschen hochfliegende Erwartungen
an die EU. Sie trauen ihr jedoch gleichzeitig nicht zu, diese Erwartungen zu erfüllen. Bei der weltweiten
Friedenssicherung wünschen sie sich eine stärkere Rolle der EU, aber nicht auf Kosten der
NATO. Letztlich sollte die Friedenssicherung jedoch möglichst ohne Krieg und Kampf von statten
gehen – in Zukunft sogar vielleicht nicht durch nationale Verbände, sondern durch eine europäische
Freiwilligenarmee.

Wenngleich die „Lichtgeschwindigkeit“ (Javier Solana) zwischenzeitlich etwas gedrosselt wurde, ist der Aufbau der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) seit 1999 zügig und entschlossen vorangebracht worden. Europa verfügt über eigene militärische und polizeiliche Einsatzkräfte sowie die politisch-militärischen Gremien zu ihrer Führung.

In Bosnien-Herzegowina und in Mazedonin sind europäische Polizeimissionen stationiert, im Jahr 2003 wurden in Kongo sowie in Mazedonien zwei EU-Militäroperationen erfolgreich beendet. Die Übernahme des robusten militärischen SFOR-Mandats in Bosnien-Herzegowina wird noch für das Jahr 2004 angestrebt. Die EU ist also dabei, sich schrittweise zu einem sicherheitspolitischen Akteur mit einem weltweiten Aktionsradius zu entwickeln.

Im Zentrum einer breiten politischen Diskussion um die ESVP standen und stehen institutionelle und organisatorische Fragen wie etwa das Verhältnis zur NATO oder die Schaffung eigener europäischer Kapazitäten ohne Duplizierung vorhandener Strukturen. Der öffentlichen Meinung, den Einstellungen und Sichtweisen der Europäer zur ESVP wird demgegenüber vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wie aber denken die europäischen Bürger, für die und in deren Namen die ESVP gestaltet wird, über die Wandlung der EU von einer Wirtschafts- in eine Militärmacht? Wie schätzen sie Europas Handlungsfähigkeit auf diesem noch ungewohnten Terrain ein? Was halten sie von gemeinsamen europäischen Streitkräften? Welche Auswirkungen hatte der Irak-Krieg des Jahres 2003 auf diese Sichtweisen? Diese und ähnliche Fragen werden in einem umfassenden Forschungsprojekt untersucht, welches seit 2002 in Deutschland, Frankreich und Italien läuft und in dessen Rahmen in Deutschland bereits zwei repräsentative Befragungen durchgeführt wurden.

Tatsächlich sind hier bemerkenswerte Ergebnisse zu verzeichnen, die in die Überlegungen zur Fortentwicklung der ESVP einbezogen werden sollten. So steht die große Mehrheit der deutschen Befragten der EU und dem gesamten Prozess der europäischen Integration durchaus wohlwollend gegenüber. Europa wird jedoch keineswegs als eine visionäre Idee angesehen, durch die sich die Menschen emotional angesprochen oder zu persönlichem Engagement aufgefordert fühlen. Emotionale Bindungen im Sinne von starkem Zugehörigkeitsgefühl für eine größere soziale Einheit bleiben für die Vorstellungen von der sehr lebensweltnahen und räumlich eher eng definierten Heimat reserviert. Vielmehr sehen die Deutschen Europa vorrangig als eine funktionale Organisation an, die für ihre Bürger bestimmte Dienstleistungen zu erfüllen hat. Damit wird Europa ähnlich instrumentell betrachtet wie der eigene Nationalstaat, mit dem die große Mehrheit der Deutschen ebenfalls wenig Heimatliches verbindet. Folglich haben die Deutschen auch die wenigsten Probleme, sich gleichzeitig als Deutsche und als Europäer zu fühlen – beide Sphären werden in emotionaler Hinsicht gleichermaßen indifferent erlebt. Während in Frankreich und Italien die heimatliche Bindung an den Nationalstaat deutlich stärker ausgeprägt ist, wird in beiden Ländern die nüchtern-instrumentelle Sicht auf Europa geteilt. Aus dieser Betrachtung versuchen die Befragten dann rational zu entscheiden, welche Funktionen besser von europäischen oder von nationalen Institutionen ausgefüllt werden können.

Dabei ist ein wichtiger Befund festzuhalten: Einerseits sind die Erwartungen der Bürger an die europäischen Institutionen mehr als hochfliegend. Auf einer breiten Palette von Politikfeldern von der Nahrungsmittelsicherheit über die Sozial- und Beschäftigungspolitik bis zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der inneren Sicherheit und Terrorbekämpfung wünschen sich die Befragten in allen drei Ländern eine wichtige Rolle der EU. Angesichts der in vielen Bereichen offenkundig begrenzten nationalen Problemlösungsfähigkeiten ist diese Reaktion nicht verwunderlich. Allerdings werden auf der anderen Seite die Möglichkeiten der EU, den ihr zugedachten Aufgaben auch tatsächlich zu entsprechen, als wenig ausgeprägt eingeschätzt.

Im Vergleich zu den nationalen Einrichtungen hinterlassen die europäischen Institutionen vor allem in Deutschland nur sehr wenig Spuren in der Wahrnehmung ihrer Auswirkungen auf das tägliche Leben der Befragten. So rangiert in Deutschland die Einschätzung etwa des Einflusses der Bundesbank nach wie vor deutlich vor dem der Europäischen Zentralbank – trotz des Euros als dem wohl greifbarsten Symbol europäischer Integration. EU-Ministerrat, Europäisches Parlament und Kommission werden kaum wahrgenommen.

Insgesamt wird Europa noch eher als ein Projekt im Werden betrachtet denn als eine Realität, die in vielen Lebensbereichen politische, ökonomische, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen schafft. Offenkundig ist die höchste Ebene politischer Organisation, welche von den Bürgern noch erfasst und verstanden werden kann, die des Nationalstaats. Jenseits dieser Ebene werden Prozesse und Mechanismen zunehmend unerklärlich und Europa bleibt in den Augen seiner Bürger ein höchst abstraktes Gebilde.

Diese allgemeinen Sichtweisen auf Europa bilden die Hintergrundfolie auch für die Meinungen und Einstellungen auf sicherheitspolitischem Gebiet. Was die Beurteilung der Risiken und Bedrohungen für ihr Land angeht, zeichnen die deutschen Befragten ein durchaus realistisches Bild. Die Bedrohung durch einen Krieg in Europa oder einen Weltkrieg wird nur von rund einem Fünftel der Befragten als stark oder sehr stark eingeschätzt. Dagegen werden Szenarien wie Umweltkatastrophen, terroristische Angriffe oder Organisierte Kriminalität von fast der Hälfte als bedrohlich wahrgenommen. Ein ähnliches Wahrnehmungsmuster zeigt sich in Italien, wo sich jedoch die Bedrohungsängste deutlich ausgeprägter darstellen. Bezüglich möglicher Lösungsansätze drücken die Befragten dann über die Ländergrenzen hinweg ein bemerkenswertes Verständnis von einer interdependenten Welt aus, wenn sie sich mit je großen Mehrheiten (>60%, in Italien teils >80%) für transnationale Strategien wie Entwicklungszusammenarbeit, Unterstützung für Demokratisierungsprozesse, Diplomatie, aber auch militärische Friedenssicherung aussprechen.

Gemeinsame europäische Positionen und Handlungsmaximen auf den Gebieten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden ebenfalls von weit mehr als zwei Dritteln der Befragten unterstützt. Dennoch finden sich diese Politikfelder keineswegs auf den vorderen Plätzen wieder, wenn es um die wichtigsten Aufgaben geht, die Europa zu erfüllen hat. Gegenüber Problemen von direktem oder existenziellem Belang für die Befragten – etwa Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Altersvorsorge – stehen Außen- und Sicherheitspolitik traditionell eher am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit. Im Falle Europas jedoch dürfte hinzukommen, dass Ansätze für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und ESVP noch äußerst entwicklungsbedürftig sind und Europa als sicherheitspolitischer Akteur für eine breitere Öffentlichkeit in der Tat kaum wahrnehmbar ist. Diese Einschätzung verfestigt sich durch die tiefe Spaltung Europas in der Irak-Auseinandersetzung, die sich im Erhebungszeitraum der Befragungen weiter zuspitzte.

Militärische Einsätze

Zur ESVP gehören naturgemäß militärische Einsätze innerhalb Europas, aber auch außerhalb. Bezüglich dieses einst heftig diskutierten Themas haben sich auch die Deutschen einen pragmatischen Standpunkt zu Eigen gemacht: Es gibt ein komplexes globales Krisen- und Konfliktszenario, dessen Management ein breit gefächertes politisches Instrumentarium erfordert. Hierzu können auch Militäreinsätze zählen. Mehr als die Hälfte der Befragten hält ein militärisches Eingreifen zum Schutz der Menschenrechte oder die militärische Bekämpfung des Terrors für geeignet, Frieden und Stabilität zu bewahren. Damit unterscheiden sich die deutschen Befragten nicht von denen in Italien und Frankreich. Ist es an sich schon bemerkenswert, dass die Deutschen den Einsatz von Streitkräften als legitimes Mittel der Außenpolitik ansehen, so erstaunt doch die Eindeutigkeit, mit der dem Militär auch die Erfüllung von Funktionen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit zugetraut werden: Knapp 70 Prozent der Deutschen sehen die Streitkräfte als geeignet an, in Zusammenarbeit mit der Polizei zur Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit beizutragen. Damit liegen sie hinter den Befragten aus Frankreich, aber weit vor denjenigen aus Italien, wo man mit Gendarmerie und Carabinieri traditionell über militärisch organisierte Polizeiformationen verfügt.

Die Deutschen sprechen sich jedoch offenkundig umso leichter für Militäreinsätze aus, je weniger sie damit kriegerische oder anderweitig gewaltsame Szenarien verbinden. In der Bewertung durch die Befragten haben die Streitkräfte einen bedeutsamen Wandel von der traditionellen Einsatzfähigkeit in Krieg und Kampf hin zu eher polizeilichen Fähigkeiten im Rahmen von Friedensmissionen bzw. technischen Hilfsleistungen in Nachkriegs- oder Katastrophensituationen vollzogen. Zwar stellen auch die italienischen Befragten eher zivile Hilfseinsätze des Militärs an die Spitze der Liste möglicher Aufgaben der Streitkräfte. Sie akzeptieren aber zu über 70 Prozent Kampfeinsätze zur Friedenserzwingung, die von den Deutschen mit 54 Prozent auf dem letzten Platz einer Liste von 13 möglichen Einsatzoptionen gesehen werden. Die deutsche Sichtweise ist sicherlich nachhaltig dadurch geprägt, dass den deutschen Streitkräften trotz jahrelanger Beteiligung an internationalen Missionen größere Kampfeinsätze erspart geblieben sind. Auch dürfte die während des Erhebungszeitraums heftig geführte Diskussion um die militärische Gewaltanwendung in Irak (Wunsch-)Vorstellungen von einem friedlichen Militär tendenziell verstärkt haben. Nichtsdestoweniger aber sehen die Deutschen im Einklang mit Italienern und Franzosen die Streitkräfte als ein wichtiges Instrument europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik an und befürworten innerhalb dieses Rahmens auch Militäreinsätze.

EU als sicherheits-politischer Akteur

Wie im Bereich der zivilen Aufgaben sind auch auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik die Hoffnungen und Erwartungen der Befragten sehr hoch. Immerhin ist mehr als die Hälfte der Meinung, dass die militärischen Einrichtungen Europas gleichbedeutend mit denen der NATO sein sollten. Deutlich weniger als 20 Prozent sehen die europäischen Kräfte als der NATO nachgeordnet an. Vor allem in Italien und Frankreich ist die Überzeugung stärker ausgeprägt, dass eine europäische Eingreiftruppe wichtiger sei als die NATO. Hier ist der europäische Optimismus der Deutschen mit weniger als zehn Prozent eher verhalten. Blickt man auf die konkret zu erfüllenden sicherheitspolitischen Aufgaben, wird die unterschiedliche Bewertung der Fähigkeiten von NATO und EU deutlich: Die Stärken der EU-Streitkräfte werden durchweg in eher polizeilichen Bereichen wie der Migrationskontrolle oder der Bekämpfung des Organisierten Verbrechens gesehen. Die bessere Eignung zur Abwehr potenzieller harter Bedrohungen wie Nuklearkrieg, konventioneller Krieg in Europa oder Weltkrieg hingegen wird – jedenfalls in Deutschland und Italien – eindeutig der NATO zugetraut.

Insgesamt also stehen die Befragten dem Aufbau europäischer Militärstrukturen und Verbände äußerst aufgeschlossen gegenüber. Auch die Beteiligung ihres Landes an einer Europäischen Eingreiftruppe wird von fast drei Vierteln der deutschen Befragten gutgeheißen. Interessanterweise betrachten die Deutschen diese europäische Formation ebenfalls eher als eine Art Einrichtung zur humanitären Hilfsleistung denn als einen Kampfverband.

Der Wegfall unmittelbarer militärischer Bedrohungen, die Möglichkeiten weiterer Kostenersparnis und auch positive Erfahrungen aus der multinationalen Zusammenarbeit in Friedenseinsätzen könnten in einer mittel- bis langfristigen Perspektive auch zu einer Abkehr von der Wahrnehmung der Streitkräfte als einem nationalen Symbol führen. Dies gilt jedoch noch keineswegs für die Gegenwart: Nur eine Minderheit von 13 Prozent der deutschen Befragten wünscht sich eine gemeinsame Europa-Armee anstelle nationaler Streitkräfte. Rund zwei Drittel sind der Meinung, dass es parallel zum nationalen Militär eine Europäische Eingreiftruppe geben sollte, die entweder permanent aufgestellt oder nach Bedarf zusammengestellt wird. Ganz ähnlich sind hier die Befunde in Italien und Frankreich. Auch wenn die Idee rein nationaler Streitkräfte praktisch keinerlei Unterstützung findet, scheint die Zuversicht in die europäischen Kompetenzen auf militärischem Gebiet noch nicht so stark zu sein, dass man die Verfügungsgewalt über Streitkräfte in den Händen der EU sehen möchte.

An dieser Einschätzung Europas und seiner militärischen Fähigkeiten hat sich auch durch den Irak-Krieg, der 2003 zwischen die beiden in Deutschland durchgeführten Datenerhebungen fiel, nichts geändert. Die nahe liegende Hypothese, dass die in Deutschland verbreitete Ablehnung der amerikanisch-britischen Intervention in Irak eine verstärkte Hinwendung zu eigenständigen europäischen Kapazitäten und einer größeren Betonung europäischer Eigenständigkeit zulasten einer als amerikanisch dominiert betrachteten NATO bewirken könnte, hat sich nicht bestätigt. Bei keinem der relevanten fünf Items der zweiten Untersuchung (Herbst 2003) konnte eine Veränderung festgestellt werden, die auf einen solchen Trend schließen ließe. Allenfalls lässt sich eine höhere Bereitschaft der Befragten erkennen, der EU allgemein auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik ein höheres Gewicht beizumessen. Dieser wie auch die oben dargelegten Befunde dürften so zu interpretieren sein, dass zumindest die Deutschen kein Konkurrenzverhältnis zwischen Europa und der NATO befürworten, sondern eher eine komplementäre Aufgabenteilung erwarten.

Perspektiven

Was folgt aus dieser Analyse für die weiteren Anstrengungen der EU bei der Ausgestaltung ihrer Sicherheitsstrukturen? Zu allererst müssten die Staaten Europas und ihre Regierungen alles tun, um das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen zu stärken und zu verdeutlichen, dass die EU den ihr entgegengebrachten Hoffnungen und Erwartungen auch entsprechen kann. Dazu gehört, Europa aus seiner abstrakten Ferne näher an seine Bürger heranzubringen und fassbarer zu machen. Hier könnten immer wieder geforderte verstärkte Bemühungen um größere Transparenz europäischer Strukturen, Abläufe und Entscheidungsverfahren weiterhelfen.

Vor allem aber könnte Europa auf eine stärkere Personalisierung seiner Politik setzen. Im Gegensatz zu den ubiquitären Führungspersönlichkeiten im nationalen Bereich verfügt Europa kaum über personale Repräsentation, die zur Identifikation mit europäischer Politik taugen würde. Der Verfassungsentwurf des EU-Konvents, der die Position eines europäischen Außenministers vorschlägt, geht hier in die richtige Richtung. Im Rahmen einer stringenten Analyse der zu erwartenden Sicherheitsrisiken und Herausforderungen und der Formulierung europäischer Handlungsoptionen könnten dann auch die verschiedenen Rollen- und Funktionszuschreibungen für europäische Militärformationen definiert werden. Vor allem aber bedarf es der engeren praktischen Koordination zwischen den europäischen Staaten auf dem Gebiet der ESVP. Wenn sich hier nicht ein deutlicher Wandel in der politischen Praxis einstellt, wird es den europäischen Bürgern auch weiterhin schwer fallen, europäische Kompetenzen auf dem Gebiet der gemeinsamen Sicherheit anzuerkennen.

Was die hiermit zusammenhängende Entwicklung integrierter europäischer Streitkräfte anbelangt, so bildet die sich erweiternde EU möglicherweise nicht den geeigneten Rahmen für die Schaffung von Strukturen jenseits von Task Forces, die ad hoc aus nationalen Kontingenten gebildet werden. Bei der Aufstellung multinationaler und integrierter Verbände, der Rüstungsbeschaffung, der Aufklärung oder der Logistik könnten einzelne Staaten enger zusammenarbeiten und so den Nukleus einer umfassenden und handlungsfähigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bilden, der dann auch weiteren interessierten Mitgliedstaaten offen stehen muss. Für ein konturiertes Profil der ESVP erforderlich wären aber auch erkennbare Strukturen wie ein europäisches Hauptquartier, eine gemeinsame Führungsakademie oder ständige Einsatzverbände.

Was schließlich den möglichen Status europäischer Streitkräfte angeht, muss wohl die weitgehend funktionale Sichtweise der Bürger auf Europa berücksichtigt werden. Keinesfalls kann hier davon ausgegangen werden, dass der Dienst in europäischen Streitkräften an die der Heimatverteidigung vergleichbaren affektiven Dimensionen anknüpfen kann. Statt europäischer Patrioten werden eher professionelle Soldaten benötigt, die komplexe Aufgaben im Auftrag eines transnationalen Entscheidungsgremiums zu erfüllen haben. Ein europäisches Militär erhielte dann den Charakter einer auf internationale Sicherheitsvorsorge spezialisierten Agentur. Solange sich europäische Streitkräfte noch aus nationalen Kontingenten zusammensetzen, hätte eine solche Orientierung möglicherweise negative Rückwirkungen auf das Selbstverständnis der beteiligten Soldaten. Daher wäre zu überlegen, ob nicht in einer weiteren Perspektive die Aufstellung einer europäischen Freiwilligenarmee mit eigenem Status und Dienstrecht ins Visier genommen werden könnte – wie dies in anderen Bereichen des europäischen öffentlichen Dienstes bereits der Fall ist. Das Meinungsbild der Befragten nicht nur in Deutschland jedenfalls lässt die Unterstützung für die Fortentwicklung einer solchen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erwarten.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, Juni 2004, S. 59-66

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