„Wir brauchen einen Zaun!“
Illegale Einwanderung als Sicherheitsbedrohung der USA
In den USA wird der Ruf nach strikteren Maßnahmen gegen illegale Einwanderung immer lauter
„We Need A Fence!“ Wir brauchen einen Zaun! So das Motto einer amerikanischen NGO (www.weneedafence.com), die es sich zum Ziel gesetzt hat, einen hochmodernen „Grenzsicherheitszaun“ zur Eindämmung der illegalen Einwanderung entlang der Grenze der USA mit Mexiko zu bauen. Angesichts des steigenden Zustroms an „illegal aliens“ und Drogenschmugglern sowie wachsenden Sorgen hinsichtlich der potenziellen Infiltration von Terroristen bzw. Massenvernichtungswaffen entlang Amerikas weitgehend offener Südflanke findet diese Forderung zunehmend politisches Gehör. So hat das US-Repräsentantenhaus im Dezember 2005 gerade den „Border Protection, Antiterrorism, and Illegal Immigration Control Act“ verabschiedet, der die Regierung u.a. verpflichten würde, mindestens zwei gestaffelte Grenzzäune samt moderner Kameras, Sensoren und Schweinwerfer entlang weiter Teile der Grenze mit Mexiko zu errichten. Die geschätzten Kosten für das Projekt belaufen sich auf rund acht Milliarden Dollar. Der Entwurf fordert weiterhin eine Studie zur Errichtung eines Zaunes entlang der Grenze mit Kanada. Wenngleich es wahrscheinlich ist, dass der Senat bzw. Präsident Bush diese kontroverse Gesetzesinitiative zumindest vorläufig blockieren werden, ist dennoch klar, dass illegale Einwanderung in den USA zunehmend als nationale Sicherheitsbedrohung gesehen wird.
Amerika ist ein Land mit massiver illegaler Einwanderung. Schätzungen gehen davon aus, dass sich heute bereits zwischen 11 und 20 Millionen „illegal aliens“ in den USA aufhalten. Tendenz stark steigend: So schwillt die Zahl illegaler Einwanderer pro Jahr um etwa 500 000 Personen an. Darüber hinaus wurden 2005 über 1,19 Millionen Menschen beim Versuch der illegalen Grenzüberschreitung von den Fahndern der U.S. Border Patrol – mittlerweile Teil des Department of Homeland Security (DHS) – aufgegriffen. Bevorzugte Route der Immigranten und ihrer Schleuserbanden ist die bislang relativ ungeschützte, rund 3200 Kilometer lange Grenze der USA mit Mexiko.
Die überwältigende Mehrheit der illegalen Einwanderer sind mexikanische Wirtschaftsflüchtlinge. Doch zunehmend haben die US-Grenzschützer mit professionell organisierten, gewaltbereiten Drogen-, Waffen- und Menschenschmugglern zu kämpfen. Die Lage ist bereits so ernst, dass im August 2005 die beiden demokratischen Gouverneure von New Mexico und Arizona im Grenzgebiet zu Mexiko den Notstand ausriefen. „Die Situation ist außer Kontrolle“, urteilte New Mexicos Gouverneur Bill Richardson. Seine Amtskollegin Janet Napolitano aus Arizona fand noch deutlichere Worte: „Der US-Regierung ist es nicht gelungen, unsere Grenzen zu sichern. Die Gesundheit und Sicherheit unserer Bürger werden deshalb tagtäglich von brutalen Gangs, Kojoten und gefährlichen Kriminellen bedroht.“ Als Reaktion haben sich bereits Bürgerwehren formiert, die als unbewaffnete „minutemen“ die Grenze patrouillieren und illegale Aktivitäten an die Border Patrol melden.
Doch damit nicht genug. Laut der im März 2005 veröffentlichten National Border Patrol Strategy „existiert ein permanentes Bedrohungsrisiko, dass Terroristen möglicherweise dieselben Schmuggel- und Transportnetzwerke, die gleiche Infrastruktur und Hausverstecke sowie weitere Unterstützungselemente benutzen, um sich unter dem Deckmantel der enormen Massen an Wirtschaftsflüchtlingen illegal Zutritt in die USA zu verschaffen“. Im Visier der US-Grenzschützer stehen dabei vor allem die so genannten OTM (Other Than Mexican)-Immigranten, die aus Drittstaaten über Mexiko in die USA gelangen wollen. So hat sich zwischen 2004 und 2005 die Anzahl aufgegriffener OTM-Immigranten von 75 000 auf 165 000 mehr als verdoppelt. Zwar stammen die meisten OTM aus Honduras, El Salvador, Brasilien oder Guatemala. Doch jedes Jahr werden auch Hunderte von illegalen Einwanderern aus so genannten „special interest countries“ (Iran, Syrien, Sudan, etc.) festgenommen; durchweg Länder, die amerikanischen Geheimdiensten zufolge als Exporteure von Terroristen gelten. Zwar ist die Zahl festgenommener OTM aus diesen Ländern zwischen 2001 und 2005 um ein Drittel von 849 auf 563 zurückgegangen. Dennoch weiß niemand, wie hoch die Dunkelziffer ist bzw. wie viele potenzielle Terroristen bereits unentdeckt die Grenzen der USA illegal überschritten haben. Bei einer Kongressanhörung im Februar 2005 wies Admiral James Loy, damals die Nummer zwei im DHS, darauf hin, dass Al-Qaida die Infiltrierung von Terroristen entlang der Grenze mit Mexiko plane, da nach Ansicht der Terrorgruppe „die illegale Einreise in die USA aus Gründen operativer Sicherheit mehr Vorteile bietet als eine legale Einreise“.
Die Idee eines Zaunes entlang der US-mexikanischen Grenze ist nicht neu. Unter dem Motto „Prävention durch Abschreckung“ wurde bereits 1990 in der Nähe von San Diego mit dem Bau eines rund 22 Kilometer langen und über drei Meter hohen ersten Stahlzauns begonnen. Der 1993 fertiggestellte erste Grenzzaun führte zwar zu einer merklichen Verringerung illegaler Einwanderung. Dennoch wurde schnell klar, dass der Zaun zunehmend „Löcher“ aufwies bzw. die U.S. Border Patrol illegale Einwanderer und Schmuggler durch ökologisch empfindliche Grenzgebiete verfolgen musste. Eine 1993 fertiggestellte Studie für die damalige Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde (INS) ging davon aus, dass „ein dreistufiges Grenzzaunsystem mit einer Straße für Autopatrouillen dazwischen sowie Scheinwerfer die notwendige Abschreckungswirkung erzielen würde“. Der Kongress verabschiedete daraufhin 1996 ein Gesetz, um den bestehenden einstufigen Grenzzaun bei San Diego mit logistischer Unterstützung durch das Pentagon auf drei Stufen („triple fence“) zu erweitern und zu modernisieren. Gleichzeitig wurde die Zahl der Grenzschützer in dieser Region massiv erhöht, unterstützt durch zusätzliche Patrouillenfahrzeuge und Bewegungsmelder. Ziel dieser Strategie ist es, den Strom illegaler Einwanderer weg von relativ dichtbesiedelten Ballungszentren hin zu weiter östlich gelegenen (Wüsten)-Gebieten in Arizona und New Mexico umzuleiten, wo die US-Grenzschützer durch den Einsatz von Hubschraubern sowie moderner Sensoren und Nachtsichtgeräte einen taktischen Vorteil haben. Zwar sind bis heute nur knapp 15 Kilometer des San Diego-Zauns modernisiert worden; doch seit September 2005 arbeitet das DHS mit Hochdruck an der Fertigstellung des Projekts.
Wie lange werden es sich die USA leisten können, ihre langen Grenzen mit Mexiko und Kanada offen zu halten? Aus wirtschaftlichen Gründen besteht ein enormer Bedarf an billigen, oftmals illegalen Arbeitskräften. Doch die Formel „illegale Immigration = Terrorismusbedrohung“ könnte schon bald gravierende politische und wirtschaftliche Konsequenzen haben.
ULF GARTZKE, geb. 1975, ist seit Juni 2004 Leiter der Verbindungsstelle Washington der Hanns-Seidel-Stiftung. Zuvor war er als Associate des Center for Global Industries beim World Economic Forum in Genf tätig.
Internationale Politik 3, März 2006, S. 48 - 49.