Drei Fragen an ... Daniel Gerlach
Nahost-Experte und Chefredakteur des Magazins Zenith
Nahost-Experte und Chefredakteur des Magazins Zenith
Warum die Europäer einen besseren Zugang zu Nah- und Mittelost haben
Europa genießt im Nahen und Mittleren Osten ein höheres Ansehen und größeres Vertrauen als die USA, die in der Vergangenheit viele Fehler begangen haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dieses europäische Potenzial zur Entwicklung einer gemeinsamen Strategie zu nutzen, um langfristig Demokratie, Menschenrechte und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
Helfen möchten wir schon gerne. Aber nicht mit humanitären Interventionen
Eine Verwicklung in die Krisenschauplätze der Welt will man sich in Deutschland nicht leisten. Man sei, heißt es, an den Grenzen der Leistungsfähigkeit angekommen. Dabei gibt es ein Prinzip der „Schutzverantwortung“. Wollen wir Menschenrechtsverletzungen nicht tatenlos hinnehmen, sollten wir über eine „Liga der Demokratien“ nachdenken.
Und den Süden nicht mehr ausschließen
Um von den USA eine stärkere Orientierung aufs Zivile verlangen zu können, sollte Deutschland mehr Flexibilität beim Einsatz seiner Soldaten zeigen und eine Entsendung in den Süden Afghanistans nicht länger kategorisch ausschließen. Größere Anstrengungen beim Polizeiaufbau und mehr nichtmilitärisches Engagement in Pakistan sind weitere Optionen.
Amerika und Europa müssen ihre Strategie gegenüber dem Iran ändern
Amerika und Europa müssen ihre bisherigen Strategien ändern, um eine tragfähige Basis für die Beziehungen zum Iran zu schaffen. Die neue US-Administration sollte vom Ziel des Regimewechsels in Teheran abrücken und verstärkt politische und diplomatische Wege nutzen, während die EU ihre Angebote an konkrete und überprüfbare Bedingungen knüpfen sollte.
... dann klappt es vielleicht auch mit dem Frieden zwischen Israelis und Palästinensern
Schluss mit den offen diskutierten Friedensplänen. Geheime Verhandlungen, ein Gesamtpaket zur Umsetzung aller strittigen Fragen und sofortige Belohnung für konstruktive Mitarbeit sind Erfolg versprechender. Dass die USA mehr Verständnis für Israel zeigen und die Europäer größere Sympathien für die Palästinenser, ist dabei ganz und gar kein Nachteil.
Doch was wird aus den Gefangenen?
Haben wir gegen den Terror einen „Kampf“ mit rechtsstaatlichen oder einen „Krieg“ mit militärischen Mitteln zu führen? Europäer und Amerikaner werden diese Frage weiterhin unterschiedlich beantworten. Doch wenn der neue US-Präsident Barack Obama stärker auf seine europäischen Verbündeten hört, dann müssen diese auch etwas zu sagen haben.
Die indisch-pakistanischen Beziehungen in Zeiten des Terrors
Der Anschlag von Mumbai im Herbst 2008 markiert eine neue Dimension des Terrors in Indien. Seine Ziele, innerindische Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen zu provozieren und den indisch-pakistanischen Friedensprozess zu unterminieren, sind bisher nicht aufgegangen. Stattdessen bietet sich nun die Chance, das Verhältnis nachhaltig zu verbessern.
Buchkritik
Gleich drei Dinge liefert Peter Sloterdijk der deutschen außenpolitischen Elite: das Attest der Unbedenklichkeit, das Vokabular für aufrichtige Beiträge zur Militär- und Sicherheitsdebatte und das Rückgrat, um einer skeptischen Bevölkerung die bitteren Wahrheiten über eine harte Welt und die daraus folgenden politischen Imperative nahezubringen.
Schlusspunkt
Viel Prozess, kein Erfolg: Der Nahe Osten braucht endlich einen Friedensvertrag
Brennpunkt
Im Kongo droht der zweite Weltkrieg Afrikas. Nur eine internationale Elitetruppe könnte das Morden beenden. Doch wer will Blut dafür vergießen?
Warum atomare Abschreckung angesichts neuer Gefahren unverzichtbar ist
Taten statt Warten, forderte Oliver Thränert in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift – und skizzierte die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Lieber Realist als Utopist, antwortet an dieser Stelle Michael Rühle: Vor einem militärischen Wandel muss der politische Wandel stehen. Bis dahin bleibt der atomare Schutzschild der USA zwingend – auch für Europa.
Der fruchtbare Kongo könnte ein Vorbild für Afrika sein – wenn Frieden herrschte
Jean Musakara erinnert sich noch, wie es war, bevor die Killer kamen. „Es ging uns gut in unseren Dörfern“, berichtet der kongolesische Bauer. „Wir hatten drei Mahlzeiten am Tag. Wir konnten es uns leisten, feste Häuser zu bauen und unsere Kinder auf die Oberschule zu schicken.“ Die Märkte waren voll, es gab lebhaften Handel mit der Provinzhauptstadt Goma und den Nachbarländern Uganda und Ruanda. Damals, das war Anfang der neunziger Jahre.