Drei Fragen an...

24. Juni 2024

Drei Fragen an ... Daniel Gerlach

Nahost-Experte und Chefredakteur des Magazins Zenith
 

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Porträt: Daniel Gerlach
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1. Spanien, Irland und Norwegen haben Ende Mai Palästina als Staat anerkannt. Wie sollte Deutschland sich in dieser Frage positionieren?

Mit der Anerkennung Palästi­nas ließe sich ein Existenzkonflikt in einen Territorialkonflikt überführen. Fragt man bei denjenigen nach, die eine Zwei-Staaten-Lösung für unrealistisch erklären, heißt es: Weil die wichtigsten Stakeholder sie nicht wollen! Um diese Rückkopplung zu unterbrechen, muss man vielleicht Realitäten schaffen. Deutschland richtet sich in der Palästina­-Frage ja für gewöhnlich nach den USA. Nun aber scheint mir Frankreich offen für eine Anerkennung. Berlin sollte gemeinsam mit Paris handeln – verbunden mit einer französischen Resolution im UN-Sicherheitsrat.

2. Nach dem Antrag auf Haftbefehl gegen Benjamin Netan­jahu: Wie kommt Berlin aus dem Dilemma zwischen Unterstützung Israels und Einsatz  für das Völkerrecht heraus?

Deutschland hat sich verpflichtet, für die Sicherheit Israels einzustehen, nicht dazu, das möglicherweise völkerstrafrechtlich relevante Verhalten von Regierungspolitikern zu decken. Ein Dilemma gäbe es, wenn die Durchsetzung eines Haftbefehls zu einer akuten Bedrohung der Sicherheit des Staates Israel führen würde – etwa weil Netanjahu und sein Verteidigungsminister, gegen den ebenfalls ein Haftbefehl beantragt wurde, für deren Wahrung unersetzlich wären. Und: Selbst wenn es zur Anklage käme, würde das noch längst keine Verurteilung bedeuten.

3. Was ist Ihrer Ansicht nach ein realistisches Szenario für die Zukunft des Gazastreifens? 

Eine multinationale arabische Streitmacht übernimmt für mehrere Jahre die Sicherheitsverantwortung. Parallel dazu existiert eine palästinensische Verwaltung mit einem zivilen Gouverneur. Gibt es danach Wahlen, kann man die Verwaltung an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben. Israel geht mit den beteiligten Staaten Verträge ein, sichert zu, nicht zu intervenieren und sich an Versorgung und Wiederaufbau zu beteiligen. An einem internationalen Fonds zur Finanzierung beteiligen sich u.a. die USA, die EU und die G20. Man bindet Garantiemächte ein und hängt das Verfahren ähnlich wie beim Iran-Atomdeal beim UN-Sicherheitsrat auf.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli/August 2024, S. 8

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Daniel Gerlach Nahost-Experte und Chefredakteur des Magazins Zenith

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