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01. Juli 2004

Keine einfachen Lösungen

Der Mittlere Osten im Jahr 2004

Nicht alles an den jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten ist schlecht. Amerikas neue Strategie
gegenüber der Region hat zumindest den Effekt, dass wieder Bewegung in den festgefahrenen
Roadmap-Prozess gekommen ist. Sharons Abzugplan könnte der Beginn der Zurückdrängung
der Siedlerbewegung werden und einer Zwei-Staaten-Lösung neues Leben einhauchen.

Vom Mittleren Osten in der Mitte des Jahres 2004, ja
eigentlich seit dem 11. September 2001 gehen sowohl Gefahren
als auch Herausforderungen aus. Ob Irak oder
Israel/Palästina, in den politischen Kreisen Washingtons
oder in jenen Brüssels, auf ergebnislosen arabischen
Gipfeltreffen oder bei Beratungen in den Vereinten Nationen und
der G-8, überall herrscht das gleiche Bild: es wird
vergebens nach einer Patentlösung gesucht.

Drei Dynamiken kennzeichnen die derzeitige Lage. Erstens die
nahezu globalen Auswirkungen der Strategie der amerikanischen
Regierung nach dem 11. September, in der nicht mehr der
israelisch-arabische Konflikt Mittelpunkt und Ordnungsprinzip
der amerikanischen Regionalpolitik ist. Zweitens die missliche
Lage, in die die Amerikaner in Irak geraten sind. Und drittens
die zunehmenden Schwierigkeiten, den
israelisch-palästinensischen Friedensprozess auf der Basis
einer Zwei-Staaten-Lösung zu halten, und das fast
völlige Fehlen einer realistischen Friedensstrategie auf
Seiten aller Hauptbeteiligten: George W.  Bush, Ariel
Sharon oder Yasser Arafat.

Die chaotische Situation vor Ort in Irak mag mit der
falschen Motivation der Vereinigten Staaten, dieses Land zu
besetzen, zusammenhängen oder auch nicht, doch ist sie
ganz sicher eine Folge des unzureichenden amerikanischen
Verständnisses der lokalen und regionalen Dynamik.

Die gegenwärtige Lösungsstrategie  –
der Demokratisierungsprozess seit dem 28. Juni 2004 –
wird wahrscheinlich ins Stolpern kommen oder ganz fehlschlagen.
Auch wenn es in einem gewissen Punkt den Anschein haben mag,
sie funktioniere, und obwohl die USA gut beraten waren, die
Vereinten Nationen mit einzubeziehen, kann noch Vieles schief
gehen. In der Tat wäre sogar ein „Erfolg“
insofern problematisch, als dass eine Schiiten-,  also
Mehrheitsherrschaft, in Irak selbst bei demokratischem
Zustandekommen nicht immer demokratisch bleiben muss. Man
braucht nur an den liberalen, demokratischen islamischen Iran
zu denken, den Ajatollah Ruhollah Khomeiny dem Westen
versprochen hatte, bevor er im Jahr 1979 nach Teheran
zurückkehrte.

Die Vorstellung, dass eine von außen oktroyierte
Mehrheitsherrschaft unter den Schiiten, Sunniten und Kurden
Iraks funktionieren wird, scheint eine falsche amerikanische
Vorstellung zu sein. Eine zweite ist, dass es hier wirklich um
Demokratisierung geht. Für die Beobachter in der Region
scheint bereits festzustehen, dass die Aktionen der USA im
Mittleren Osten nicht auf Demokratisierung, sondern auf
Regimewechsel abzielen: Libyens Staatschef Muammer el-Khadafi
darf im Amt bleiben, obwohl er ein Diktator ist, weil er nun
mal seine Massenvernichtungswaffen übergeben hat,
während Yasser Arafat, der am demokratischsten
gewählte Spitzenpolitiker in der Region, gehen muss, weil
er ein Terrorist ist. Diesem Muster entsprechend, wird sich
Washington in Irak eines Tages vielleicht nur nach dem
passenden starken Mann umschauen. Die in Falludscha gefundene
Lösung ist vielleicht ein Vorbote kommender Dinge.

Wenn sich die Lage weiter verschlechtert, müssen die
USA in Erwägung ziehen, alles an die Vereinten Nationen zu
übergeben – vielleicht in einem viel
größeren Ausmaß, als bisher in Betracht
gezogen wird. Das würde zweifellos die Fähigkeit
Amerikas schwächen, einige seiner achtbaren regionalen
Ziele zu erreichen, wie beispielsweise Iran und Syrien dazu zu
zwingen, ihre Regime zu mäßigen. Im schlimmsten Fall
muss Irak vielleicht sogar dreigeteilt werden: Kurdistan, das
sunnitische „Dreieck“ sowie die Mitte und der
Süden für die Schiiten. Dies wiederum könnte zum
einen die Situation weiter destabilisierende
Separatismustendenzen unter den Kurden der Türkei, Irans
und Syriens fördern wie auch unter den Schiiten
Saudi-Arabiens, Kuwaits und Bahrains und zum anderen besorgte
oder opportunistische Nachbarn zu einer möglichen
Intervention einladen.

Zu guter Letzt müssen die Vereinigten Staaten
vielleicht den Sieg erklären und abziehen. Erstens, um
weitere Tote unter ihren Soldaten (und denen ihrer
Verbündeten) sowie noch schwerwiegendere Fehler zu
vermeiden und zweitens, um künftigen „Saddams“
klarzumachen, dass die USA eine neue
„Hit-and-run“-Strategie angenommen haben, wonach
sie nach erfolgreichem Angriff sofort abziehen, ohne die
Schwierigkeiten einer langen Besatzung und dem Aufbau von
Staaten auf sich zu nehmen. Dies mag sich auf lange Sicht als
die einzige realistische Option erweisen.

Israel und Palästina

Bisher haben die gemäßigten Israelis und Araber
von den Ereignissen in Irak, ja in der Tat von der
amerikanischen Strategie nach dem 11. September im Mittleren
Osten generell, profitiert. Schließlich haben die
amerikanischen Maßnahmen der letzten zweieinhalb Jahre in
dieser Region nicht nur jeden Rest einer koordinierten
militärischen arabischen Bedrohung Israels („die
östliche Front“) beseitigt und die Bedrohung durch
Massenvernichtungswaffen zurückgedrängt (Libyen,
hoffentlich Iran, die Weiterverbreitungsmanie Pakistans),
sondern auch Israel und den Gemäßigten im Kampf
gegen die radikalen islamistischen Bewegungen, von denen sie
aufs Korn genommen worden sind, einen mächtigen
Verbündeten gegeben.

Als Teil der Gesamtstrategie zielen die amerikanischen
Offensiven in Afghanistan, Irak und gegen Al Khaïda auf
die Vorstellung ab, dass die wirkliche Dynamik im Mittleren
Osten, um die sich die amerikanische Politik organisieren soll,
nicht in der israelisch-arabischen oder der
israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung liegt,
sondern in der Notwendigkeit, sich mit den Problemen einer
gescheiterten Region auseinander zu setzen: dem islamistischen
Terror, den Massenvernichtungswaffen, dem Fehlen von Demokratie
und Menschenrechten und mit radikalen Schurkenstaaten, alles
zusammen Bedrohungen für die Sicherheit Amerikas. Dies
stellt sich jedoch als eine problematische Annahme heraus.
Nicht, dass das Gegenteil der Wirklichkeit auf irgendeine Weise
näher käme. Jene in der Region, die immer öfter
behaupten, Irak sei mit Palästina gleichzusetzen, in
beiden Ländern kämpften arabische
Freiheitskämpfer gegen Imperialisten und Kolonialisten, es
gebe keine Lösungen im Mittleren Osten – keinen
Frieden, keine Demokratie und keine Menschenrechte, keinen
Wohlstand, keine Stabilität – ohne eine Lösung
für Palästina, wiederholen im Großen und Ganzen
die Ausreden der autoritären Herrscher in der Region
dafür, dass sie keine der so dringend benötigten
demokratischen Reformen durchführen.

In der Tat hat das Vorgehen von Präsident Bush
gegenüber der Region nach dem 11. September der
Vorstellung einer bedeutenden amerikanischen Beteiligung an
einer israelisch-palästinensischen Lösung
höchstens Lippenbekenntnisse gezollt. Er akzeptierte die
„Roadmap“ am Vorabend des Irak-Krieges im
Wesentlichen deshalb, um dem britischen Premierminister Tony
Blair politische Schützenhilfe zu leisten, und unternahm
zaghafte Schritte kurz nach Abschluss der Besetzung Iraks, um
sie auf den Weg zu bringen. Doch die Bush-Regierung hatte nie
ihr Herzblut auf dieses Unternehmen verwandt. Sie nahm, mit
einiger Berechtigung, an, dass zumindest kurzfristig der Erfolg
oder der Fehlschlag der Roadmap ihre Pläne für Irak
nicht behindern würde, dass die gemäßigten
arabischen Staaten mit ihrer Sorge um Palästina im
Zusammenhang mit Irak im Wesentlichen „Papiertiger“
waren. Was für Washington zunehmend wichtig wurde, war die
Einsetzung eines befreundeten und stabilen Regimes in Bagdad
und als Folge der Gewinn der Präsidentschaftswahlen im
November 2004.

Das bedeutet, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine
amerikanische Regierung nicht darauf erpicht ist, eine
realistische Strategie für einen israelisch-arabischen
Frieden zu entwickeln. Selbst die syrische Initiative für
eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses mit Israel traf in
Washington auf taube Ohren. Dazu haben weder der israelische
Ministerpräsident Sharon noch der PLO-Vorsitzende Arafat
– der trotz aller Bemühungen von Bush und Sharon
noch immer recht fest im Sattel sitzt – realistische
Strategien, sei es auch nur für eine bloße
Einstellung der Gewalt. Keiner ist motiviert genug, um die
Roadmap zu dem zu machen, was sie sein könnte: ein neuer
Anfang.

Bushs Desinteresse am Friedensprozess erreichte seinen
Höhepunkt im Juni 2003, als er den palästinensischen
Ministerpräsidenten Mahmud Abbas und Sharon zum Gipfel von
Akaba zusammenbrachte und sie auf die Roadmap verpflichtete.1
Hier hätte er die Gelegenheit gehabt, das zu tun, was
seine republikanischen Vorgänger so gut geschafft hatten
– Richard Nixon 1974/75, als er seinen
Außenminister Henry Kissinger zwischen Jerusalem, Kairo
und Damaskus monatelang pendeln ließ, um das
Auseinanderrücken der Streitkräfte und die Errichtung
des Fundaments für den ägyptisch-israelischen Frieden
zu erleichtern, und George Bush sen. im Jahr 1991, als
Außenminister James Baker hin- und herpendelte, um den
Gipfel von Madrid zustande zu bringen.

Um der Roadmap eine Chance zu geben und um die Lage
wenigstens zu stabilisieren, hätte Bush jr. im Juni 2003
ein hochrangiges Regierungsmitglied wie etwa
Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice bis auf Weiteres in der
Region belassen müssen. Sie hätte dann zwischen
Jerusalem und Ramallah pendeln und die Autorität des
Präsidenten zur Geltung bringen müssen, das
heißt, mit Druck auf beiden Seiten zu drohen und ihn auch
auszuüben. Stattdessen gab Bush Sharon und Arafat vor
einem Jahr zu verstehen, dass amerikanische Bedenken im
Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen sowie auf Irak es
erforderlich machen, dass es überhaupt keinen, sowieso
immer „ungeordneten“
israelisch-palästinensischen Friedensprozess geben
dürfe. Er manövrierte sich in die gefährliche
Lage, Sharons problematischen Abzugsplan zu unterstützen,
doch nur unter der Bedingung, dass er nicht im Jahr 2004
stattfinde und dass die Vorbereitungen Washington für eine
nur minimale Investition „Friedensdividenden“
verschaffen würden.

Abzug aus Gaza

Man sollte sich keine Illusionen darüber machen, was
Sharon mit seinem Abzugsplan erreichen will – wenn man
ihn gewähren lässt. Mit der (unbegründeten)
Behauptung, die Roadmap lege die Palästinenser darauf
fest, ihren Sicherheitsverpflichtungen einseitig gerecht zu
werden, bevor Verhandlungen wieder aufgenommen werden
können, und mit der Aufstellung einer langen Liste von
Regionen im Westjordanland, die „Teil des Staates
Israel“ bleiben werden, zielt Sharons Plan darauf ab, es
beim Abzug aus dem Gaza-Streifen zu belassen, die Kontrolle
über das halbe Westjordanland zu behalten und weiterem
Druck nach territorialen Zugeständnissen auf lange Zeit
entgegenzuwirken.

Die ursprüngliche Begründung, die Sharon für
seinen Abzugsplan gegeben hatte – um innenpolitischem und
internationalem Druck nach größeren territorialen
Konzessionen entgegenzuwirken, der darauf abziele, das
diplomatische „Vakuum“ zu füllen, das durch
das Fehlen eines wirklichen palästinensischen
Verhandlungspartners geschaffen worden sei – stimmte von
Anfang an nicht. Hatte Sharon nicht selbst alles getan, damit
es keinen Verhandlungspartner gibt? Wer würde bald Druck
auf Israel ausüben, mehr Territorium aufzugeben –
etwa die Bush-Regierung, der Verbündete und Förderer
Sharons? In einem Wahljahr? Ist es nicht eher wahrscheinlich,
dass gerade ein von Israel begonnener einseitiger Abzug selbst
neuen Druck erzeugen würde, weitere Konzessionen zu
machen? Ist es für Sharon nicht möglich, den Abzug
mit der PLO auszuhandeln und so dafür etwas zu bekommen,
anstatt die Terroristen im Glauben zu lassen, durch Gewalt ihre
Ziele erreichen zu können?

Allem Anschein nach mag Sharon einfach nicht öffentlich
zugeben, dass der wahre Grund für den Abzug die
Notwendigkeit ist, Israel als einen jüdischen und
demokratischen Staat angesichts der zunehmenden demographischen
Überzahl der Palästinenser zu erhalten –
vielleicht, weil es gerade seine Siedlungsstrategie war, die
Israel überhaupt erst in dieses Dilemma gebracht hat. Und
trotzdem könnte Sharons Initiative tatsächlich zum
Katalysator für eine neue und positive Dynamik werden.
Denn ganz egal, was Israel (außer einem so gut wie
vollständigen Rückzug) macht, und unabhängig
davon, ob es Verhandlungen mit der PLO aufnimmt oder weiter
einseitig handelt, weil es vermeintlich keinen wirklichen
Partner hat, wird der Druck, das Siedlungswesen
zurückzufahren, zunehmen, und zwar von Seiten der
israelischen Öffentlichkeit, Washingtons nach den Wahlen
und der internationalen Gemeinschaft.

Dies spiegelt ein in vielen Kreisen wachsendes Bewusstsein
darüber wider, dass die Zeit für eine
Zwei-Staaten-Lösung abläuft. Die kontinuierliche
Zunahme und Ausdehnung der Siedlungen, gekoppelt mit einer
raschen Zunahme der palästinensischen Bevölkerung,
schaffen eine kritische demographisch-geographische Verzahnung,
die es zunehmend schwierig macht, die beiden Völker, das
israelische und das palästinensische, in zwei
lebensfähige Staaten aufzuteilen. Die drohende Alternative
ist die direkte und indirekte Herrschaft einer jüdischen
Minderheit über eine wachsende
palästinensisch-arabische Mehrheit: eine Lage wie in
Südafrika, aber ohne eine südafrikanische
Lösung, da die israelischen Juden das zionistische
Hauptziel eines jüdischen Staates nicht aufgeben
werden.

Ein Abzug aus dem Gaza-Streifen mag auf den ersten Blick
diese Dynamik verstärken, da der Gaza-Streifen eine Art
palästinensisches Bantustan bleiben wird. Andererseits
könnte der Präzedenzfall des Beginns der
Zurückdrängung der Siedlerbewegung, falls er durch
lokalen und internationalen Druck verstärkt wird, eine
positive Dynamik entstehen lassen, die der Zwei-Staaten-Option
neues Leben einhauchen könnte. Deshalb sind so viele
Kritiker Sharons bereit, seinen Plan zu unterstützen
– ungeachtet dessen eigener dunkler Ziele.

Die politische Dynamik, die Sharon mit seinem Abzugsplan
entfesselt hat, hat bereits die Zusammensetzung seiner
Regierung in Mitleidenschaft gezogen und könnte bald sogar
ihre Existenz in Frage stellen. Sharon hat, wie alle seine
Vorgänger im vergangenen Jahrzehnt, anscheinend begriffen,
dass die Palästinenserfrage schmerzhafte Kompromisse
erfordert, die ganz abstrakt für die Öffentlichkeit
annehmbar, doch in ihrer konkreten Ausformung problematisch
für die politischen Institutionen des Landes sind, die
sich Wahlen stellen müssen. Es stimmt, dass seine Sicht
eines territorialen Kompromisses noch immer völlig
ungenügend ist und dass sein Misstrauen gegenüber
arabischen Absichten im Allgemeinen die Möglichkeit
fruchtbarer Verhandlungen zunichte macht, und er scheint
außerstande, der israelischen Öffentlichkeit und der
Welt eine überzeugende Begründung für den Abbau
der Siedlungen liefern zu können, für deren Aufbau er
über drei Jahrzehnte lang so hart gearbeitet hat. Doch hat
er sich allem Anschein nach dazu entschlossen, seine politische
Zukunft für die Idee, Territorium für einen
palästinensischen Staat aufzugeben, aufs Spiel zu
setzen.

Somit hat sich die internationale Gemeinschaft,
angeführt von Washington und beginnend mit Präsident
Bushs eindringlicher Unterstützung vom 14. April 2004,2
auf einen Abzug festgelegt. Das Nahost-Quartett nahm ihn in
seiner Erklärung vom 4. Mai „positiv zur
Kenntnis“ und stellte fest, dass es dazu einen Beitrag
leisten könne, einem auf der Roadmap beruhenden
Friedensprozess Starthilfe zu geben. Europa, das im Allgemeinen
anderer Meinung ist als Israel und die USA und den Standpunkt
vertritt, dass es sehr wohl einen palästinensischen
Verhandlungspartner gibt, hat auch den Schluss gezogen, dass
der Sharon-Plan in einem amerikanischen Wahljahr die einzige
Möglichkeit ist, und dass der mögliche Nutzen die
Nachteile überwiegt. Dasselbe Europa scheint machtlos, den
Kurs in Richtung einer Einbeziehung auswärtiger
Mächte im Mittleren Osten festzulegen – bis
amerikanische Initiativen stecken bleiben. Deshalb wächst
der europäische Beitrag zu einer irakischen Lösung
– oder zumindest zu einem ehrenhaften Ausweg. Bei Fragen
des „Weiteren Nahen Ostens“, also der Reform
arabischer Gesellschaften, gewinnt die sehr un-amerikanische
Strategie Europas, die manchmal mit dem Satz charakterisiert
wird: „Sprich zurückhaltend und trage ein
großes Zuckerbrot bei Dir“, die an sich bisher
wenige positive Ergebnisse im Nahen Osten hervorgebracht hat,
dennoch zunehmend Anziehungskraft angesichts starken arabischen
Widerstands gegen amerikanischen Druck.

Europa besteht auch darauf, dem
israelisch-palästinensischen Konflikt im Vergleich zu
anderen Konflikten die zentrale Bedeutung zurückzugeben.
In dieser Beziehung ist es in der Tat möglich, dass es
Sharon mit seinem Abzugsplan letztlich doch gelungen ist,
präemptiv tätig zu werden.

Anmerkungen

1 Erklärungen von Abbas und Sharon
in: Internationale Politik, 10/2003, S. 87 ff.

2 Vgl. den Brief von Bush an Sharon
vom14.4.2004, hier abgedruckt, S. 120 f.

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