„It’s the economy, stupid“ again?
Die USA nach dem zweiten Irak-Krieg
Wenn George W. Bush im Jahr 2004 wieder in das Weiße Haus einziehen will, muss er die Wirtschaft bis dahin in Schwung gebracht haben. Für den Wahlsieg könnte Bushs einfaches Rezept der Steuersenkungen vermutlich ausreichen, denn die nationale Sicherheit ist – anders als bei seinem Vater – seit dem 11. September 2001 im Bewusstsein der Bürger in den Vordergrund gerückt.
George H. W. Bush ging 1991 als Befreier Kuwaits mit hohen Popularitätswerten in den Wahlkampf und unterlag im darauf folgenden Jahr einem bis dahin wenig bekannten Gouverneur aus Arkansas namens Bill Clinton. Dieser hatte den außenpolitisch erfolgreichen Bush – während dessen Amtszeit bekanntlich der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenbruch der Sowjetunion das Ende des Kalten Krieges markierte – mit einer rein innenpolitischen Agenda besiegt. „It’s the economy, stupid!“, wurde zum Motto des Siegers.
Kann sich die Geschichte bei den im kommenden Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen wiederholen? Nach dem schnellen Sieg über Irak, der seine Popularität wieder hochschnellen ließ, schlägt für Präsident George W. Bush jetzt die Stunde der innenpolitischen Wahrheit. Das Weiße Haus wird er im nächsten Jahr nur verteidigen können, wenn die amerikanische Wirtschaft bis dahin wieder in Schwung kommt, und daran gibt es berechtigte Zweifel. Bush jr. wird alle Register ziehen müssen, wenn ihm das Schicksal seines Vaters erspart bleiben soll. Das Weiße Haus hat die Wiederwahl bereits seit Ende 2002 fest im Visier, und seit dem schnellen Sieg im Irak-Krieg stehen nunmehr die innenpolitischen Herausforderungen ganz oben auf der Agenda des Präsidenten.
Der Beginn der Präsidentschaft Bush fiel mit dem Ende des längsten Wirtschaftsbooms der amerikanischen Geschichte zusammen. Insbesondere die zweite Hälfte der neunziger Jahre war durch die Gleichzeitigkeit von hohem Wachstum, niedriger Arbeitslosigkeit und niedriger Inflation geprägt, eine ungewöhnliche Kombination, die Ökonomen noch heute über die Ursachen streiten lässt. Präsident Clinton war es sogar gelungen, das gewaltige Haushaltsdefizit in einen Überschuss zu verwandeln – erstmals seit 1969.
Im März 2001 – zwei Monate nach Amtsantritt des neuen Präsidenten – rutschte die amerikanische Wirtschaft in die Rezession. Die Konjunktur hatte sich bereits seit Mitte 2000 deutlich abgeschwächt und die Volkswirtschaft schrumpfte in den ersten drei Quartalen 2001 und endete nur dank eines guten vierten Quartals mit einem geringen Wachstum von 0,3 Prozent, dem schwächsten seit 1991.
Seit März 2001 sind zwei Millionen Arbeitsplätze im privaten Sektor verloren gegangen. Die Arbeitslosigkeit schnellte um zwei Prozent in die Höhe und überstieg im August 2002 die Sechs-Prozent-Marke, bei der sie sich inzwischen eingependelt hat mit einem bisherigen Höchststand von 6,1 Prozent im vergangenen Mai. Die Einkommenszuwächse der Mehrzahl der Beschäftigen liegt derzeit unterhalb der Preissteigerungsrate.
Der „double dip“
Um die Rezession zu bekämpfen gingen sowohl die Regierung Bush in ihrer Fiskalpolitik als auch die amerikanische Notenbank mit ihrer Geldpolitik auf Expansionskurs. In elf Schritten senkte die Federal Reserve in 2001 die Zinsen von 6H auf 1I Prozent, 2002 auf 1G Prozent und am 25. Juni 2003 schließlich auf 1 Prozent.
Sowohl die im Wahlkampf angekündigten und bald nach Amtsantritt im Kongress durchgesetzten Steuersenkungen als auch die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 drastisch erhöhten Ausgaben für die innere Sicherheit und Verteidigung wirkten konjunkturbelebend. Dennoch gelang es angesichts spektakulärer Firmenzusammenbrüche und der Aufdeckung zahlreicher Bilanzierungsskandale (u.a. Enron, Worldcom, Global Crossing) sowie den Nachwirkungen der Überhitzung der ungewöhnlich langen Boomphase, insbesondere an den Aktienmärkten, nicht, die Konjunktur nachhaltig zu beleben. Die Gefahr eines „double dip“, eines Rückfalls in die Rezession, schwebte lange wie ein Damoklesschwert über der Konjunktur und ist bis heute nicht ganz gebannt. Hinzu kamen Verunsicherungen auf Grund latent vorhandener Terrorgefahren und die sich über viele Monate erstreckende Diskussion über eine militärische Intervention in Irak.
Präsident Bush ist sich bewusst, dass nicht der Sieg in Irak über seine Wiederwahl im November 2004 entscheidet; er braucht vielmehr einen nachhaltigen Aufschwung. Er weiß, dass er jetzt die Weichen stellen muss, um nicht an der schwachen Konjunktur zu scheitern. Einig sind sich die großen Wirtschaftsforschungsinstitute, dass es wohl zu einer weiteren Belebung des Wirtschaftswachstums kommen wird, allerdings ohne große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.
Positives Szenario
Folgt man den Optimisten, wird die amerikanische Wirtschaft schon in diesem Jahr kräftig Fahrt aufnehmen und im nächsten Jahr um fast vier Prozent wachsen – bei stabilen Preisen. Damit könnten bereits wieder Erinnerungen an die goldene Zeit der neunziger Jahre wach werden. Die Zuversicht der Optimisten gründet sich nicht allein auf die bekannten Stärken der amerikanischen Wirtschaft: hohe Produktivität und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Diese Experten rechnen zusätzlich damit, dass der schnelle Erfolg im Irak-Konflikt das Selbstvertrauen der Amerikaner gestärkt hat und deshalb frisches Geld in den Wirtschaftskreislauf fließt und insbesondere die Investitionstätigkeit belebt wird bei anhaltend hohem privaten Konsum.
Negatives Szenario
Mit dem Sturz Saddam Husseins ist zwar ein wichtiger Konfliktherd im Nahen Osten verschwunden, doch der Frieden in Irak, ganz zu schweigen von der Region, ist noch lange nicht gesichert. Zudem ist die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus unvermindert hoch, wie die Bombenanschläge in Saudi-Arabien, Marokko und der Türkei gezeigt haben. Niemand kann ausschließen, dass islamische Fundamentalisten nicht nur amerikanische und andere westliche Ziele im Ausland angreifen, sondern auch in den USA selbst wieder neue Anschläge verüben. Das frisch gewonnene Gefühl der Stärke wäre schnell wieder erschüttert, mit negativen Konsequenzen vor allem für die Konjunktur. Doch selbst wenn die USA von neuen Terroranschlägen verschont bleiben, ist der Aufschwung unsicher. Von den Spätfolgen des New-Economy-Absturzes über die hohen Auslandsschulden bis hin zum möglichen Platzen der Immobilienblase gibt es eine ganze Reihe von Unsicherheitsfaktoren. „Die fundamentalen Probleme der amerikanischen Wirtschaft sind immens“, warnt denn auch Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz.
Angesichts dieser Aussichten will Bush nichts dem Zufall überlassen. Zunächst wechselte er sein Wirtschaftsteam aus. Im Dezember 2002 verließen Finanzminister Paul H. O’Neill und sein Wirtschaftsberater im Weißen Haus, Larry Lindsey, die Regierung. Mit John Snow und Stephen Friedman berief er Nachfolger, die an der Wall Street besser ankommen als ihre Vorgänger. Der Vorsitzende des ebenfalls im Weißen Haus angesiedelten Councils of Economic Advisors, Glenn Hubbard, sowie der Chef des Haushaltsbüros des Präsidenten, Mitch Daniels, haben die Regierung verlassen. Im April forderte Bush dagegen den hochangesehenen Alan Greenspan auf, bis 2006 Notenbankchef zu bleiben. Dieser hatte mit seiner lockeren Geldpolitik den Rückfall in die Rezession bisher verhindern können. Allerdings ist der Spielraum für weitere Zinssenkungen inzwischen nahezu erschöpft.
Stimulierende Wirtschaftspolitik
Die Strategie Bushs zur Belebung der Wirtschaft beschränkt sich im Wesentlichen auf Steuersenkungen. Ernsthafte Initiativen, um auch die anderen große innenpolitischen Probleme anzugehen wie das ausufernde Haushaltsdefizit, oder soziale Fragen wie die Begrenzung der Arzneimittelkosten, der Krankenversicherung oder der notleidenden schulischen Bildung werden nicht nur von der demokratischen Opposition vermisst.
Aber selbst das Kernstück seiner Wirtschaftspolitik, eine weitere Senkung der Steuern, war lange umstritten. Bereits im Januar schlug Bush vor, die Dividendenbesteuerung abzuschaffen und die geplanten weiteren Stufen der Einkommensteuerreform mit einem Volumen von 730 Milliarden Dollar vorzuziehen. Die neokonservative Heritage Foundation rechnete umgehend vor, dass der Plan bereits 2003 das Bruttoinlandsprodukt um elf Milliarden Dollar ankurbeln und 200000 Jobs schaffen werde. Im Wahljahr 2004 sei sogar mit einem Plus von 84 Milliarden Dollar und einer Million Arbeitsplätzen zu rechnen.1
Am 10. Februar 2003 unterzeichneten über 450 Ökonomen, darunter nicht weniger als zehn Nobelpreisträger ein Memorandum,2 in dem diese erklären, dass die vorgeschlagene Steuersenkung nicht zu einer kurzfristigen Belebung der Wirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen werde. Darin wird der republikanischen Führung in Regierung und Parlament vorgeworfen, mit den Steuerplänen eine dauerhafte strukturelle Veränderung der Steuergesetzgebung anzustreben mit langfristigen negativen Folgen wie einer weiteren Erhöhung des Haushaltsdefizits. Die damit einhergehende Aushöhlung des Steueraufkommens gefährde alle Bereiche staatlicher Aufgaben von der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme bis hin zum Bildungs- und Gesundheitswesen und leiste einer weiteren Polarisierung in der Einkommensverteilung Vorschub. Bush gebe ohne Not die früher gerade für Republikaner typische finanzielle Disziplin auf. Damit setzte er sich auch von seinem großen Vorbild, Ronald Reagan, ab. Dieser hatte 1981 massiv die Steuern gesenkt, daran aber im darauf folgenden Jahr angesichts eines wachsenden Haushaltsdefizits erhebliche Abstriche gemacht. Bush dagegen zeigte sich nur zu taktischen Zugeständnissen bereit. Als sich im Kongress auch in den Reihen der Republikanischen Partei vor allem auf Grund ihres Volumens Widerstand gegen die Steuerpläne des Präsidenten regte, lenkte dieser ein und feierte das am 23. Mai 2003 endgültig verabschiedete Steuerpaket in Höhe von 350 Milliarden Dollar kurzerhand als eigenen Sieg. Damit brachte er die zweite große Steuersenkung seiner Amtszeit unter Dach und Fach. Einige Neokonservative träumen bereits von weiteren Steuersenkungen im Jahresrhythmus.
Von Bushs Wahlkampfversprechen aus dem Jahre 2000, eine Sozialpolitik des „mitfühlenden Konservatismus“ zu verfolgen, ist derzeit wenig erkennbar; sie wird mittelfristig auch immer weniger finanzierbar – was in einigen neokonservativen Kreisen aber keineswegs bedauert wird.
Die Weltwirtschaft
Im Vergleich zu den beiden anderen großen Wirtschaftsregionen Europa und Japan befindet sich Amerikas Konjunktur in einem relativ guten Zustand. Problematisch sind aber die wachsenden makroökonomischen Ungleichgewichte, vor allem die Haushalts- und Außenhandelsdefizite, das so genannte „twin deficit“, die zu einer großen Belastung für die Wachstumsaussichten der Weltwirtschaft führen können. Neben dem konjunkturpolitischen Kurs bereitet auch die amerikanische Währungspolitik zunehmend Kopfzerbrechen im Ausland. Das Abgehen von der Politik des starken Dollars könnte die Wachstumsaussichten in Europa und Japan weiter eintrüben. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds decken die USA im Jahr 2003 über 20 Prozent ihres gesamtwirtschaftlichen Investitionsvolumens durch Kapitalimporte. Dennoch wird sich die Regierung Bush in ihrem wirtschaftspolitischen Kurs auch weiterhin vornehmlich von der nationalen Agenda leiten lassen. Daher ist im kommenden Wahljahr mit einem weiteren Steuersenkungspaket zu rechnen.
Angesichts der derzeit großen Unsicherheiten für die Weltwirtschaft ist es nicht verwunderlich, dass die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums – neben politischen Themen – ganz oben auf der Agenda des G-8-Gipfels in Evian vom Juni 2003 stand. Der im Mai von der Amerikanischen Handelskammer, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, der Deutschen Industrie- und Handelskammer und der deutschen Botschaft in Washington, DC. organisierte erste German American Executive Summit (GAES), der über 100 deutsche und amerikanische Vorstände zu einem intensiven Dialog zusammenbrachte, unterstrich dabei die Bedeutung des transatlantischen Wirtschaftsraums für die Weltwirtschaft.3
Sechzehn Monate vor den Wahlen im November 2004 ist Präsident Bush weitgehend unangefochten. Im November vergangenen Jahres war es ihm maßgeblich zuzuschreiben, dass im Senat die Republikaner die Mehrheit wieder zurückgewannen. Seitdem sind neben dem Weißen Haus auch beide Kammern des Kongresses in republikanischer Hand. Gab es während der Auseinandersetzung um die Irak-Politik noch deutliche kritische Stimmen aus den Reihen der Demokraten, sind diese seit dem siegreichen Krieg gegen das Regime Saddam Husseins verstummt. Er erfreut sich einer allgemeinen Zustimmungsquote von 70 Prozent (während des Krieges sogar von 77 Prozent), und der schnelle Sieg in Irak hat seinen Ruf als starker und tatkräftiger Regierungschef weiter gestärkt. 1991 waren allerdings auch 85 Prozent der demokratischen Wähler für die Befreiung Kuwaits, 2003 nur knapp die Hälfte der Demokraten für eine militärische Intervention in Irak. Aber 1991 meinten nur knapp 20 Prozent der Wähler, das Land gehe grundsätzlich in die richtige Richtung, heute sind über 50 Prozent dieser Ansicht. Allerdings geht eine Mehrheit der Wähler (51 zu 40Prozent) davon aus, dass die Demokraten mehr Arbeitsplätze schaffen würden. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup ist die mangelnde Dynamik der Wirtschaft für 48 Prozent der Amerikaner das drängendste Problem. Für lediglich 16 Prozent ist der Irak/Nahost-Konflikt die Hauptsorge, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus kümmert sogar nur neun Prozent.
Presidential leadership
Am 16. Mai 2003 hat Bush offiziell den Kampf um seine Wiederwahl eröffnet, nur zwölf Stunden, nachdem er im Senat eine Mehrheit für seine Steuerpläne gefunden hatte, die es ihm erlaubt, einen Erfolg in seinem Bemühen um Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen zu deklarieren. Eine Woche zuvor hatte bereits Vizepräsident Dick Cheney erklärt, für die Wahl 2004 erneut mit anzutreten, was dessen Position als engster Ratgeber des Präsidenten stärkt, aber auch für das Team einen Startvorteil beim Spendensammeln mit sich bringt. Das Wahlkampfteam des Präsidenten hat angekündigt, die Rekordsumme von mindestens 170 Millionen Dollar an Spendengeldern einsammeln zu wollen. Über eine Million potenzieller Wahlkampfspender werden in diesen Tagen Post vom Präsidenten erhalten. Mit dieser frühen Wahlkampferöffnung versucht das Team Bush/Cheney den Rückenwind aus dem erfolgreichen Irak-Krieg für die Kampagne zur Wiederwahl zu nutzen.
Die zeremonielle Wahlkampferöffnung ist allerdings erst für den Beginn der Wahlkampfendphase geplant; die offizielle Nominierung durch die „Republican National Convention“ ist vom 30. August bis zum 2. September 2004 vorgesehen. Die Wahlkampfstrategen im Weißen Haus erhoffen sich davon den traditionellen „Post-convention“-Anstieg in den Umfragewerten. Der Jahrestag der Anschläge vom 11. September nur wenige Tage später fügt sich nur zu gut in dieses Konzept ein.
Bushs Wahlkampfstrategen setzen vor allem auf den Ausbau der eigenen konservativen Basis. Statt der 15 Millionen, die er bei der letzten Wahl für sich gewinnen konnte, zielt das Bush/Cheney-Lager 2004 auf den Gewinn möglichst aller etwa 19 Millionen christlich-konservativen Wähler.
Größten Wert legt das Weiße Haus auf Loyalität und Disziplin in den eigenen Reihen. So wurden republikanische Abweichler in der Steuerpolitik, wie die Senatoren Olympia J. Snowe und George V. Voinovich, mittels aggressiver Werbespots von dem Präsidenten nahe stehenden Lobbygruppen unter Druck gesetzt. Dieses soll auch mögliche Präsidentschaftskandidaten aus dem konservativen Lager von vornherein demotivieren. Bush sen. wurde in den Wahlen 1992 nicht allein durch Bill Clinton geschlagen, sondern auch durch die Kandidatur von Ross Perot, der das konservative Lager spaltete.
Startnachteil
Auf der demokratischen Seite ist das von Bill Clinton hinterlassene Vakuum nach wie vor nicht gefüllt. Nach der Erklärung des ehemaligen Vizepräsidenten und nachmaligen Präsidentschaftskandidaten, Al Gore, nach seiner Wahlniederlage in 2004 nicht erneut antreten zu wollen, fehlt auf demokratischer Seite ein klarer Favorit. Bisher haben sich neun Bewerber zu einer Herausforderung von Bush erklärt. Unter diesen gelten die Senatoren John F. Kerry aus Massachusetts und John Edwards aus North Carolina als aussichtsreichste Kandidaten vor Joe Lieberman, dem ehemaligen Vizepräsidentschaftskandidaten von Al Gore. Spekuliert wird derzeit über eine Kandidatur des früheren NATO-Oberbefehlshabers Wesley Clark. Auf jeden Fall wird der demokratische Herausforderer einen erheblichen Startnachteil haben, nicht zuletzt auch finanziell.
Bei den Demokraten gibt es derzeit kaum schlüssige Vorstellungen darüber, mit welchen Themen und welcher Taktik der geölten Wahlkampfmaschinerie des Präsidenten begegnet werden soll.
Schon bei den Mid-Term-Wahlen im November 2002 hatten die Demokraten vergeblich darauf gehofft, die schwache Konjunktur in Stimmen für die eigenen Kandidaten ummünzen zu können. Unterschätzt wurde einmal mehr die Sicherheitspolitik, die klassische Achillesferse der Demokraten seit Jimmy Carter.
Jüngste Umfragen zeigen, dass die Republikaner hier einen Vorteil von über 20 Prozentpunkten haben. Die Anschläge vom 11. September 2001 haben für immer den Blick der USA auf sich selbst und die Welt verändert. Der internationale Terrorismus ist dadurch quasi über Nacht zur neuen großen Bedrohung geworden, die die amerikanische Sicherheitsdebatte dominiert und ohne Zweifel auch für die nächste Zeit beherrschen wird.4 Mit dem Ministerium für innere Sicherheit ist ein neues großes Ministerium geschaffen worden, die größte Umstrukturierung der amerikanischen Bundesregierung seit der Schaffung des Pentagons in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Die Anschläge vom 11. September haben auch dazu geführt, dass der ohnehin große Pool an „Pro-defense“- Wählern noch größer geworden ist. In den USA leben heute etwa 25 Millionen Amerikaner, die in den Streitkräften gearbeitet haben. Weitere sechs Millionen gehören derzeit zum verteidigungspolitischen Bereich, wovon 1,4 Millionen dem aktiven Militärdienst angehören zuzüglich etwa eine Million Reservisten und 600000 zivile Angestellte der Streitkräfte oder auch des Verteidigungsministeriums. Hinzukommen weitere drei Millionen Beschäftigte in Rüstungsbetrieben und die vielen direkten und weiteren Familienangehörige. Alles in allem verfügen nahezu 50 Millionen Amerikaner über relativ enge Verbindungen zu den Streitkräften. Statistisch gesehen ist die Wahlbeteiligung der Veteranen sehr viel höher als die anderer Gesellschaftsgruppen.
Die nationale Sicherheit rangiert zwar nach wie vor hinter „Wirtschaft“ und „Arbeitsplätzen“ in der persönlichen Bedeutung für die Befragten, doch ist der Abstand deutlich geringer geworden. Sogar die „kriegskritische“ Vietnam-Generation ist in ihrer großen Mehrheit inzwischen an einem starken Militär und einer kraftvollen Außenpolitik interessiert. It’s no longer just the economy, stupid!
Anmerkungen
1 Die Analysen sind auf der Homepage der Stiftung zu finden: <http://www.heritage.org>.
2 Vgl. Economic Policy Institute, „Economists’ Statement Opposing The Bush Tax Cuts“, über: <http://www.epinet.org>.
3 Vgl. Chairmen’s Statement des German American Executive Summit, <http://www.germany-info.org/relaunch/info/publications/ infocus/GAES/Chairmen.html>.
4 Vgl. Kreft, Vom Kalten zum „Grauen Krieg“, in: Internationale Politik, 12/2001, S. 43–46.
Internationale Politik 7, Juli 2003, S. 15 - 22