Gegen den Strich

31. Aug. 2018

Donald Trump und der Welthandel

Sechs Thesen auf dem Prüfstand

US-Präsident Donald Trump wirft Deutschland unfairen Handel vor und droht mit Zöllen auf Automobil­importe. Mit seiner America-First-Politik will er sein Land wettbewerbs­fähiger machen und Industriejobs zurückholen. Doch die Abkehr vom ­multilateralen Handelssystem wird den USA letztlich schaden.

„Handel ist nur fair, wenn die Handelsbilanzen ausgeglichen sind“

Falsch. Donald Trump ist geradezu besessen von bilateralen Bilanzen im Warenhandel. Ein Indikator für Fairness im Handel sind sie allerdings nicht, denn zahlreiche Faktoren beeinflussen, wie viel ein Land exportiert und importiert. 2017 hatten die USA nach Angaben des U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) ein Defizit im Warenhandel in Höhe von 807 Milliarden Dollar und einen Überschuss im Dienstleistungshandel in Höhe von 255 Milliarden Dollar. Auch bei den Primäreinkommen verbuchten sie einen erheblichen Überschuss in Höhe von 222 Milliarden Dollar. Insgesamt weist die US-Leistungsbilanz ein Defizit in Höhe von 449 Milliarden Dollar aus.

Wie lässt sich dieses hohe Minus erklären? Die USA haben einen riesigen Binnenmarkt mit einer kauffreudigen Gesellschaft. Anders als für kleinere Länder mit niedriger Bevölkerungszahl und kleinerem Binnenmarkt spielen Ausfuhren somit für Unternehmen eine geringere Rolle. Zudem kann man sich die hohen Einfuhren leisten, weil viel Kapital aus anderen Staaten ins Land strömt. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke, der demografischen Entwicklung, der politischen Stabilität und der Bedeutung des Dollar als weltweite Leitwährung sind die USA ein attraktiver Anlagestandort.

Trumps Steuerreform dürfte das Wirtschaftswachstum ankurbeln, aber gleichzeitig zu einer höheren Verschuldung der USA führen und sich damit negativ auf die Bilanz auswirken. Höhere Zinsen werden die Folge sein. Zusammen mit der aktuellen Zinspolitik der Federal Reserve Bank – seit Dezember 2015 hat die Fed die Zinsen sieben Mal angehoben und wird diesen Kurs angesichts des Wirtschaftswachstums wohl auch fortsetzen – dürfte dies zu einer weiteren Aufwertung des Dollars führen. Die Folge: US-Waren verteuern sich und werden im Ausland weniger attraktiv. Ursache für das hohe Defizit im Warenhandel mit China ist zudem, dass viele US-Unternehmen die Produk­tion, oft auch nur die Montage, aufgrund der niedrigen Lohnkosten nach China verlegt haben. Exporte dieser Unternehmen in die USA zählen als chinesische Exporte, wenngleich der Mehrwert, der dabei in China entsteht, häufig gering ist.

Auch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist ein wichtiger Faktor. 1990 erwirtschaftete die Industrie etwa ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der USA, 2017 waren es nur noch knapp 12 Prozent. Im Vergleich dazu ist der Dienstleistungssektor mit einem Anteil von rund 69 Prozent am BIP ausgesprochen wettbewerbsfähig. Die Handelsbilanz ist also keine Messgröße für unfairen Handel, denn diese hängt vor allem von makroökonomischen Rahmenbedingungen ab.

„Deutschland wächst auf Kosten anderer, vor allem auch der USA“

Irrtum. In der Handelsbilanz hat Deutschland tatsächlich einen großen Überschuss in Höhe von 64,1 Milliarden Dollar. Auch in der Dienstleistungsbilanz und bei den Primäreinkommen weist Deutschland gegenüber den USA einen – allerdings geringen – Überschuss auf. Dass dies auf Kosten der USA oder anderer Länder geht, stimmt allerdings nicht. Deutsche Investoren hielten 2016 Investitionsbestände in Höhe von 291 Milliarden Dollar in den USA. Trumps Berater für Handelsfragen im ­Weißen Haus, Peter Navarro, hat Deutschland bezichtigt, lediglich „so-called factories“ in den USA zu haben – also keine echte, wertschöpfende Produktion, sondern nur Montage. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass deutsche Unternehmen rund 674 000 Arbeitnehmer (2015) in den USA beschäftigen. Damit sind sie der viertwichtigste ausländische Arbeitgeber in den USA – nach Großbritannien, Japan und Frankreich.

Zudem ist die nationale Betrachtung wenig aussagekräftig, da die Volkswirtschaften der EU-Mitglieder eng miteinander verflochten sind. So bezieht Deutschland viele Dienstleistungen nicht direkt aus den USA, sondern über Töchter von US-Unternehmen in anderen EU-Ländern, insbesondere aus Irland. Damit fallen US-Primäreinkommen aus dem Handel der US-Töchter auch in Irland an und nicht in Deutschland. Außerdem machen Vorprodukte aus MOE-Ländern einen hohen Anteil des Wertes der deutschen Exporte aus, so dass der Export osteuropäischer Wertschöpfung in die USA faktisch die Leistungsbilanz Deutschland/USA „belastet“.

Die Leistungsbilanz der USA mit der gesamten EU ist so gut wie ausgeglichen: Im Warenhandel mit den USA hat die EU einen Überschuss in Höhe von 153 Milliarden Dollar. Dem steht aber erstens ein Defizit in der Dienstleistungsbilanz von 51 Milliarden Dollar gegenüber. Zweitens weist die EU ein hohes Defizit bei den Primäreinkommen in Höhe von 108 Milliarden Dollar auf. Europäische Unternehmen bedienen somit den US-Markt mit anderen Geschäftsmodellen als US-Unternehmen den europäischen.

Ebenfalls haltlos ist der Vorwurf, Deutschland würde den Handel manipulieren oder die Weltmärkte mit Überproduktion überschwemmen. Den Außenwert des Euro etwa kann Deutschland gar nicht manipulieren – auf geldpolitische Entscheidungen der EZB hat Berlin keinen Einfluss. Auch der Vorwurf des Lohndumpings ist unbegründet, denn Deutschland liegt bei den Arbeitskosten nach wie vor in der Spitzengruppe der OECD-Länder.

Dass die USA deutlich offener als die EU seien, stimmt ebenso wenig. US-Einfuhrzölle sind zwar im Durchschnitt etwas niedriger, doch finden sich Spitzenwerte auf beiden Seiten: Die EU erhebt beispielsweise einen Zoll von 10 Prozent auf PKW, die USA kassieren pro Kleinlastwagen 25 Prozent. Und wenn man den bilateralen Handel mit Industriegütern zwischen der EU und den USA danach gewichtet, was tatsächlich gehandelt wird, dann liegen die Durchschnittszölle der EU sogar etwas niedriger als die der USA: 1,4 Prozent gegenüber 1,6 Prozent (2015). Unter dem Strich ist die Zollbelastung für die meisten Produkte im bilateralen Handel sehr ähnlich oder gleich.

Deutschland kann allerdings mehr tun. Die Spiegelseite der Leistungsbilanz ist die Kapitalbilanz. Deutschland spart: Der Unternehmenssektor hat angesichts der Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/09 seine Eigenkapitalposition deutlich ausgeweitet; viele Deutsche sparen für das Alter; der Staat setzt auf die „schwarze Null“ im Haushalt; und ein erheblicher Teil der gesamtwirtschaftlichen deutschen ­Ersparnis fließt ins Ausland. Dabei sind die Felder für notwendige Investitionen bestens bekannt: digitale Wirtschaft und Infrastruktur, saubere und effiziente Energieversorgung, neue Mobilitätslösungen, Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Forschung und Innovation. Davon würde nicht nur Deutschland profitieren; höhere Investitionen im Inland würden sich auch ausgleichend auf die Leistungsbilanz auswirken.

„Das multilaterale Welthandelssystem geht zu Lasten der USA“

Keinesfalls. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die USA, die das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) 1947 auf den Weg brachten. Auch die Welthandelsorganisation (WTO) wäre 1995 ohne die Unterstützung der USA nicht gegründet worden. Nun untergraben die USA das System, das sie selbst geschaffen haben und das eine wichtige Grundlage für Wohlstand weltweit – auch in den USA – darstellt.

US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross klagte im Mai 2018, das Meistbegünstigungsprinzip und die bei der WTO gebundenen Zollraten hinderten die USA daran, mit ihren Partnern, einschließlich China und EU, Handel nach dem Grundsatz der Reziprozität zu treiben. Er verglich dabei die Zollsätze Produkt für Produkt, Sektor für Sektor, Land für Land.

Reziprozität ist allerdings durchaus ein Grundsatz von WTO-Verhandlungen. Er besagt, dass gegenseitig eingeräumte Konzessionen ausgewogen sein sollen. Die Zollsätze in der WTO sind Ergebnis eines jahrzehntelangen Aushandlungsprozesses zwischen Ländern mit unterschiedlichen offensiven und defensiven Interessen. Dementsprechend kann Reziprozität auch gewahrt sein, wenn sich Länder gegenseitig Zugeständnisse in unterschiedlichen Sektoren einräumen.

Auch in einem weiteren Punkt irrt Ross. Das WTO-Regelwerk räumt erheblichen, regelbasierten Spielraum ein, um unfairen Handel zu sanktionieren. Dazu gehören unter anderem Antidumping-Maßnahmen und Antisubventionszölle. Auch verfügt die WTO mit dem „Dispute Settlement Body“ als einzige internationale Organisation über einen effizienten Durchsetzungs­mechanismus mit Berufungsverfahren. Die USA erhoben laut WTO bis Juli 2018 nicht weniger als 122 Mal Klage vor der WTO gegen ein anderes Mitglied; in weiteren 143 Fällen waren sie als Drittland beteiligt. In 147 Fällen wurden sie von anderen WTO-Mitgliedern verklagt. Damit waren sie bisher von allen WTO-Mitgliedern am häufigsten als Kläger oder Angeklagter an entsprechenden Verfahren beteiligt.

Trump behauptete im Oktober 2017, dass die USA fast alle Streitschlichtungsverfahren vor der WTO verlören. Dies ist falsch. Der Ökonom Dan Ikenson vom Cato Institute wies für den Zeitraum 1995 bis März 2017 nach, dass die USA 91 Prozent der Streitschlichtungsverfahren, in denen sie Klage eingereicht hatten, gewonnen haben. Der ehemalige US-Handelsbeauftragte Michael Froman legte in seinem Abschlussbericht 2016 dar, dass die USA zwischen 2009 und 2016 24 Fälle bei der WTO initiiert hätten (mehr als jedes andere WTO-Mitglied), davon 15 gegen China. Von den bis zu diesem Zeitpunkt von der WTO beschiedenen Fällen hatten die USA laut eigener Aussage alle gewonnen.

Zusätzlich werfen die USA dem Berufungsgremium vor, mit seinen Entscheidungen regelmäßig über das bestehende Vertragsrecht hinauszugehen und damit neues Recht zu schaffen. Deswegen verhindern sie derzeit die Nachbesetzung des wichtigen Gremiums. Dies könnte im Jahr 2019 zu einer vollständigen Blockade der Streitschlichtung führen.

In einigen Punkten hat die Trump-Regierung allerdings auch recht. Es stimmt, dass es eine deutliche Differenz im durchschnittlichen Zollniveau zwischen Industrie- sowie Schwellen- und Entwicklungsländern gibt. Statt Zölle anzuheben, sollte aber vielmehr die multilaterale Handelsliberalisierung vorangetrieben werden. Es stimmt, dass viele WTO-Mitglieder ihre nichttarifären Handelshemmnisse und internen Stützmaßnahmen nicht oder unzureichend bei der WTO melden. Die richtige Antwort wäre jedoch eine Stärkung der Notifizierungspflichten und der Durchsetzungsmechanismen.

Ebenso ist der US-Regierung zuzustimmen, wenn sie feststellt, dass das Regelwerk der WTO nicht ausreichend Instrumente zur Verfügung stelle, um marktverzerrende Praktiken von nichtmarktwirtschaftlichen Ländern einzudämmen – etwa Verletzungen des Schutzes geistigen Eigentums oder Überkapazitäten und Subventionen. Richtig wäre es, an einem plurilateralen Abkommen im Kontext der WTO zu arbeiten, das neue Regeln setzt. Das gilt auch für andere Bereiche, die bisher unzureichend im Rahmen der WTO reguliert werden, wie der digitale Handel und Investitionen.

Und schließlich sollten die USA konkrete Reformvorschläge für den Streitschlichtungsmechanismus auf den Tisch legen, um eine echte Reformdebatte anzustoßen, anstatt das Gremium zu blockieren. Trump kündigte Ende Juli nach Gesprächen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, mit der EU an einer Reform der WTO arbeiten zu wollen. Dies ist ein erstes positives Signal. Es gibt zahlreiche Reformfelder, in denen die EU und USA zusammenarbeiten können, um das multilaterale Regelwerk zu stärken. Davon würden auch die USA profitieren.

„Der Schutz der US-Industrie wird dieser zu ­neuer Wettbewerbsfähigkeit verhelfen“

Ganz gewiss nicht. Trump ist mit dem Versprechen zum Präsidenten gewählt worden, die verarbeitende Industrie in die USA zurückzuholen und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Strafzölle sollen die heimische Industrie vor unfairem Wettbewerb schützen; Handelsverträge will er fairer gestalten. So sollen die USA zu neuer wirtschaftlicher Größe aufsteigen. Trump verkennt dabei die Realitäten des globalen Handels, der durch hochkomplexe Produktionsnetzwerke und Lieferketten bestimmt wird.

Im Mai/Juni 2018 erließ der US-Präsident Zölle auf Stahl- und Aluminium­importe – laut Trump, um die nationale Sicherheit zu schützen. Diese Zölle treffen auch die Verbündeten der USA, etwa die EU. Im Juni leitete das US-Wirtschaftsministerium eine weitere Untersuchung ein: Geprüft wird, ob Importe von Automobilen ein Sicherheitsrisiko sind. Es droht ein Zoll in Höhe von 25 Prozent. Gerade die Autolieferketten sind jedoch ausgesprochen komplex und global. Die Zölle würden daher großen Schaden anrichten – auch in den USA. Die Preise würden deutlich steigen, die Auswahl würde kleiner. Die US-Automobilindustrie warnt, dass die Zölle die Autohersteller schätzungsweise eine Million Autoverkäufe im Jahr kosten würden. Laut einer Studie des Peterson Institute würden 195 000 Arbeitsplätze verloren gehen und die Produktion um 1,5 Prozent sinken. Sollten die Handelspartner der USA mit Gegenmaßnahmen antworten, stünden 624 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, die Produktion würde um 4 Prozent fallen.

Handelskonflikte schaden allen, auch der amerikanischen Wirtschaft, vor allem, wenn sie zu einer Spirale des Protektionismus führen. Laut Berechnungen der OECD würde ein Zoll von 10 Prozent auf alle Warenimporte durch die USA, China und die EU zu einem Rückgang des globalen Handels um 6 Prozent und einer Schrumpfung des BIP dieser Länder um insgesamt 1,7 bis 2,2 Prozent führen. Die Weltbank kommt in ihrem Global Economic Prospects Report vom Juni 2018 zu einem ähnlichen Ergebnis: Eine Anhebung der Zölle bis zu den bei der WTO gebundenen Höchstgrenzen könnte zu einem Rückgang der Handelsströme um 9 Prozent führen – ähnlich dramatisch wie während der globalen Finanzkrise 2008/09.

Die Unsicherheit über zukünftige Politikentscheidungen schadet auch den USA als Investitionsstandort. Der Zustrom ausländischer Direktinvestitionen in die USA erreichte 2015 einen Rekord in Höhe von 466 Milliarden Dollar. 2016 gingen die Investitionen leicht zurück; 2017, im ersten Amtsjahr von Trump, fielen sie auf 275 Milliarden Dollar. Gleichzeitig will Trump Investitionen in den USA einschränken, die mögliche Sicherheitsinteressen berühren. Auch dies sendet gemischte Signale an ausländische Investoren. Die America-First-­Handelspolitik schadet den USA mehr, als sie ihnen nutzt. Richtig wäre es, in Infrastruktur und Bildung zu investieren. Nur so kann die US-­Industrie langfristig wettbewerbsfähig bleiben.

„Bilaterale Deals sind der Schlüssel zum Erfolg. Foren wie die G7 und die G20 sind überholt“

Nein. Trump macht gerne bilaterale Deals. Multilateralen Foren wie der WTO, dem IWF oder auch der Weltbank steht er ebenso kritisch gegenüber wie der G7 und der G20. Kurz vor dem G7-Gipfel in Kanada am 8. Juni 2018 twitterte er: „Ich freue mich darauf, die unfairen Handelsabkommen mit den G7-Ländern zu korrigieren.“ Die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Verbündeten, die gemeinsame Werte und Standards teilen, scheint für ihn eine untergeordnete Rolle zu spielen. Es überraschte daher nicht, dass Trump wenige Stunden nach Unterzeichnung der G7-Abschlusserklärung seine Unterschrift wieder zurückzog. Er reagierte damit auf die Ankündigung Kanadas, an den Ausgleichszöllen festzuhalten, sollte Trump die Stahl- und Aluminium­zölle nicht abschaffen.

Doch sind bilaterale Deals wirklich der Schlüssel zum Erfolg? Wie unzuverlässig solche Abkommen sind, zeigte jüngst die Übereinkunft zwischen den USA und China. Nach der Verhängung von US-Zöllen auf Stahl und Aluminium legte China seinerseits eine Zollliste vor. Die Vereinigten Staaten setzten im März 2018 nach und kündigten an, Strafzölle auf chinesische Importe im Wert von 50 Milliarden Dollar zu verhängen, weil China Patente und geistiges Eigentum nicht ausreichend schützt und Technologietransfer nach China erzwingt. Im April kündigte China dann ebenfalls Zölle auf Waren in Höhe von 50 Milliarden Dollar an. Mitte Mai einigten sich die USA und China: China wollte erheblich mehr US-Güter und Dienstleistungen kaufen, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Der Deal, der als wichtige Deeskalationsmaßnahme im Handelskonflikt gefeiert wurde, hielt jedoch nicht lange. Trump, enttäuscht von zu geringen Fortschritten, setzte Anfang Juli Zölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische Importe im Wert von 34 Milliarden Dollar in Kraft; am 23. August sollen die Zölle von 25 Prozent auf Importe mit einem Wert von weiteren 16 Milliarden Dollar ausgeweitet werden. Wenige Tage später veröffentlichte das Büro des Handelsbeauftragten eine weitere Liste mit 6000 Importwaren aus China mit einem Handelsvolumen von 200 Milliarden Dollar, die ab September mit Zöllen in der Höhe von 10 Prozent belegt werden sollen.

Ende Juli schloss Trump einen weiteren Deal, dieses Mal mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser war nach Washington gereist, um die angedrohten Autozölle abzuwenden. Trump und Juncker verständigten sich darauf, alle Zölle, nichttarifären Handelshemmnisse und Subventionen auf Indus­triegüter, mit Ausnahme des Automobilsektors, abzubauen. Eine Arbeitsgruppe soll bis Ende November Ergebnisse liefern. Zudem wollen die USA und die EU den Handel unter anderem mit medizintechnischen Produkten, Chemikalien und Pharmaprodukten sowie Dienstleistungen vertiefen. Trump verkündete zudem, die EU wolle ab sofort mehr Sojabohnen von US-Bauern kaufen. Auch Flüssiggas wolle die EU stärker aus den USA beziehen. Solange über ein Abkommen verhandelt werde, wolle Trump keine weiteren Zölle auf EU-Waren verhängen. Auch dieser Deal sorgt zunächst für Erleichterung – wie lange er hält, ist jedoch ungewiss.

Bilaterale Deals ersetzen weder rechtlich bindende Freihandelsabkommen noch die WTO. Auch G7 und G20 sind nicht obsolet. Globale Themen müssen global behandelt werden. Die G20 haben maßgeblich dazu beigetragen, die globale Finanzkrise zu überwinden. Die Übereinkünfte der G20-Länder haben außerdem dabei geholfen, den Protektionismus in Schach zu halten und die Wirtschaftspolitiken zu koordinieren. Zudem dürfen G7 und G20 nicht allein an ihren Kommuniqués gemessen werden. Sie tragen durch die Verstetigung des Dialogs zu Vertrauen, Planungssicherheit und Verlässlichkeit in internationalen Beziehungen bei. Davon profitieren auch die USA. Verhandlungen in der G7 oder auch der G20 verlangen zwar einen längeren Atem – „quick wins“ versprechen sie selten. Für die Ordnung der Weltwirtschaft sind sie jedoch unerlässlich.

„Die EU muss jetzt klare Kante gegen die USA zeigen“

Ja, aber. Verstöße gegen das WTO-Regelwerk sollten geahndet werden. Dass die EU und andere WTO-Mitglieder Ausgleichszölle gegen die USA als Reaktion auf die US-Zölle verhängt haben, ist daher ein wichtiges politisches Signal. Zwar kritisiert die Trump-Regierung die Maßnahmen als nicht rechtmäßig, da das WTO-Regelwerk im Fall der nationalen Sicherheit keine Ausgleichsmaßnahmen vorsehe. US-Importe von Stahl und Aluminium gefährden allerdings nicht die nationale Sicherheit der USA. Vielmehr handelt es sich, wie auch die EU argumentiert, um klassische Schutzmaßnahmen. Hier erlaubt die WTO Ausgleichsmaßnahmen, wenn das WTO-Mitglied, das die Schutzzölle erhoben hat – in diesem Fall die USA –, den betroffenen Mitgliedern keine angemessene Kompensation anbietet. Richtig ist auch, dass die EU, wie auch andere WTO-Mitglieder, als ersten Schritt eines Streitschlichtungsverfahrens bei der WTO Konsultationen mit den USA beantragt hat.

Retorsionsmaßnahmen sind jedoch nicht ohne Risiko. Daher ist es gut, dass die EU und die USA die handelspolitischen Gespräche wieder aufgenommen haben. Die Verständigung zwischen Trump und Juncker weist in die richtige Richtung. Jetzt muss sie mit Leben gefüllt werden. Dazu gehört, dass in den kommenden Wochen ein gemeinsames Verständnis über Verhandlungsinhalte erarbeitet wird. So darf etwa die Autoindustrie nicht von Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Ein Abkommen muss überdies den Anforderungen der WTO gerecht werden. Zudem muss auch die EU ihre Hausaufgaben machen. TTIP ist nicht zuletzt an der gesellschaftlichen Opposition in mehreren wichtigen EU-Ländern gescheitert. Weder die USA noch die EU können sich ein erneutes Scheitern der Verhandlungen leisten. Darüber hinaus sollten die USA, EU und Japan gemeinsam gegen Marktverzerrungen vorgehen und hierfür auch ihr trilaterales Forum nutzen. Das Globale Forum zum Thema Stahlüberkapazitäten ist ein wichtiges Instrument, um das Problem chinesischer Überkapazitäten in den Griff zu bekommen. Auch wenn die Trump-Regierung diesem mittlerweile kritisch gegenübersteht, sollte es nicht aufgegeben werden.

Die Europäische Union muss gegen WTO-widrige Handelspraktiken vorgehen. Zugleich ist aber auch eine positive gemeinsame Agenda mit den Vereinigten Staaten wichtig.

Dr. Stormy-Annika Mildner leitet die ­Abteilung Außenwirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI); sie ist zudem B20-Sherpa.

Dr. Claudia Schmucker leitet das Programm Globalisierung und Weltwirtschaft im Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, September-Oktober, 2018, S. 58 - 65

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