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01. Jan. 2007

Die EU im globalen Governance-Prozess

Nicht nur in der WTO: Auch im IWF und in der Weltbank muss die EU mit einer Stimme sprechen

Handelspolitik war von Anfang an -Gemeinschaftssache, und somit spricht die EU in der WTO mit einer Stimme. Doch in den beiden Bretton-Woods-Institutionen ist dies noch lange nicht der Fall. Woran dies im Einzelnen liegt und was getan werden muss, damit die Europäische Union ein den USA ebenbürtiger Verhandlungspartner wird, zeigt dieser Beitrag auf. Deutschland kann unter seiner EU-Ratspräsidentschaft hierbei wichtige Impulse geben.

Am 1. Januar 2007 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel will das kommende halbe Jahr nutzen, um dem europäischen Einigungsprozess neuen Schwung zu verleihen. Innereuropäische Themen stehen ganz oben auf der Agenda: die Verwirklichung des Binnenmarkts, die Umsetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, die Stärkung der sozialen Dimension Europas sowie die Wieder-belebung des Verfassungsprozesses. Nicht minder wichtig sind die Außenbeziehungen der EU wie beispielsweise Neuverhandlungen eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit Russland, der erfolgreiche Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) und die Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele.

Doch welche Rolle kann die EU im globalen Governance-Prozess spielen? Spricht sie mit einer starken gemeinsamen und kohärenten Stimme in internationalen Foren? Und wie groß ist ihr Einfluss bei der WTO, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder auch der Weltbank? Denn während die EU ohne Frage ein bedeutender Akteur im Weltwirtschaftssystem ist, hat sie den multilateralen Verhandlungen in den letzten Jahren nicht immer positive Impulse gegeben. Deutschlands Ratspräsidentschaft ist daher ein guter Anlass, die innereuropäischen Entscheidungsprozesse und die Rolle der EU in WTO, IWF und Weltbank einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Handelspolitik ist Gemeinschaftssache

In keiner anderen internationalen Organisation treten die EU-Mitglieder so vereint auf wie in der WTO. Die Handelspolitik ist einer der wenigen Bereiche, die von Anfang an auf die Gemeinschaft übertragen wurden (EWG-Vertrag 1957), um auf diese Weise den internationalen Einfluss der EG zu stärken. Heute hat die Kommission die alleinige Kompetenz für die Regulierung des Warenhandels sowie – seit dem Vertrag von Nizza – für weite Teile des Dienstleistungshandels und der Handelsaspekte geistigen Eigentums. Abkommen mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen sowie die Bereiche Bildung, Soziales und Gesundheitswesen sind allerdings, vor allem auf Druck Frankreichs, von der ausschließlichen Zuständigkeit ausgenommen.

Nach Artikel 133 EG-Vertrag muss den Empfehlungen der Kommission über das Verhandlungsmandat zunächst der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Dann werden die Verhandlungen von der Kommission zusammen mit dem so genannten 133er Ausschuss durchgeführt. An diesem Ausschuss nehmen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Kommission teil; das Europäische Parlament ist nicht in den Sitzungen vertreten. Der Ausschuss tritt einmal wöchentlich zusammen, dreimal im Monat auf Fachebene der Beamten und einmal im Monat als Mitgliederausschuss auf Ebene der Abteilungsleiter. Der 133er Ausschuss ist das zentrale Abstimmungsorgan zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Hier werden die Verhandlungsvorschläge der Kommission diskutiert und eine gemeinsame EU-Handelsposition erarbeitet. In der Mehrzahl der Fälle geschieht dies einvernehmlich; formale Abstimmungen gibt es kaum. Die gemeinsame Position wird in der Regel vom Ministerrat abgesegnet. Nur wenn es im Ausschuss zu keiner Einigung kommt, entscheidet der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit. Bereiche mit gemischter Zuständigkeit müssen einstimmig beschlossen werden.

Der Einfluss der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten ist groß: Sie hat das Vorschlagsrecht für Verhandlungspositionen, ist der alleinige Verhandlungsführer und hat einen erheblichen Wissens- und Informationsvorsprung gegenüber den Mitgliedstaaten. Die Kommission ist daher nicht nur ausführendes Organ oder Agent der Mitgliedstaaten, sondern kann auch ohne formales Stimmrecht die Abstimmungsprozesse maßgeblich beeinflussen. Bestimmen kann sie die gemeinsame Handelsposition indes nicht, der Abstimmungsprozess bleibt in erster Linie zwischenstaatlich. Gerade in heiklen Themen wie der Landwirtschaft kommt es immer wieder zu langwierigen Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten.

Der liberale Norden gegen den protektionistischen Süden?

Im EU-internen Abstimmungsprozess wird häufig von zwei Koalitionen gesprochen: den „Like-minded Countries“ (auch „Northern Liberals“ genannt), also der Gruppe eher liberal eingestellter nördlicher EU-Mitgliedstaaten (wie z.B. Deutschland, Dänemark, Großbritannien), und dem „Club Med“ der tendenziell protektionistischen, südlichen EU-Mitgliedstaaten (wie z.B. Frankreich, Italien, Spanien). Ursprünglich verdanken die beiden Koalitionen ihre Namen der Debatte um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): Die „Club Med“-Länder sind tendenziell gegen umfassende Agrarliberalisierungen, während die „Like-minded Countries“ für einschneidende Reformen plädieren.

Obwohl diese Tendenz in der Regel zutrifft, reicht ein Blick auf die beiden handelspolitischen Lager allein nicht aus, um den Erfolg oder Misserfolg einer Initiative der Kommission vorherzusagen, wie auch Matthew Baldwin von der Generaldirektion Handel betont.1 Denn die Kontroversen erfolgen selten entlang einer klaren Nord-Süd-Linie. Jedes Land hat sowohl offensive als auch defen-sive Interessen – je nach Faktorausstattungen, Spezialisierung, wirtschaft-licher Lage oder auch kulturellen Präferenzen. Wie die gemeinsame Position der EU letztlich aussieht, hängt somit stark vom Thema sowie von dem politischen und wirtschaftlichen Gewicht der Koalitionen ab. Oftmals das Zünglein an der Waage bilden die so genannten „Wechselwähler“, darunter Irland, Österreich, die Tschechische Republik oder auch Finnland, die mal den „Like-minded Countries“, mal dem „Club-Med“ ihre Stimme geben.

Dies zeigte sich kürzlich am Entscheid über Strafzölle auf Schuh-importe aus Vietnam und China. Der Kommission zufolge waren die Schuh-importe zwischen April 2004 und März 2005 aus Vietnam um 700 Prozent und aus China um 320 Prozent durch Dumping-Methoden gestiegen. Über die Verhängung endgültiger Strafzölle, denen die EU-Mitgliedstaaten mit einer ein-fachen Mehrheit zustimmen müssen, war man sich jedoch lange Zeit uneinig: Während den Nordeuropäern wie z.B. Deutschland und Großbritannien die Strafzölle zu weit gingen, forderten die südeuropäischen Staaten und Polen deutlich höhere Zölle von bis zu 50 Prozent. Zu einem Kompromiss kam es erst, als Frankreich vorschlug, die Antidumping-Zölle auf zwei Jahre zu befristen, so dass sich zwei der bisherigen Gegner, Österreich und Zypern, enthielten. Ab Oktober 2006 wurde ein Strafzoll von 16,5 Prozent gegen China und von zehn Prozent gegen Vietnam verhängt.

Die EU – ein schwerfälliger Verhandlungspartner?

In internationalen Verhandlungen gilt die EU als gewichtiger, wenn auch schwieriger und schwerfälliger Verhandlungspartner. Ohne Frage – das De-facto-Konsensprinzip im 133er Ausschuss ist wichtig für die internationale Verhandlungsmacht der EU. So würde das direkte „Nein“ einzelner Länder das Verhandlungsmandat der Kommission schwächen und den ausländischen Verhandlungspartnern eine Angriffsfläche bieten, einen Keil zwischen die EU-Mitglieder zu treiben. Andererseits müssen sich die EU-Länder durch das Konsens-prinzip nicht selten auf den kleinsten Nenner einigen. Zudem befindet sich die EU im Gegensatz zu anderen Staaten nicht nur in einem „Two-Level-Game“ (Robert Putnam), sondern in einem „Three-Level-Game“, wobei Verhandlungen gleichzeitig auf drei Ebenen stattfinden: zwischen den Interessengruppen auf nationaler Ebene, den EU-Mitgliedern auf europäischer Ebene und der EU und den Verhandlungspartnern auf internationaler Ebene.2 Entsprechend schwierig ist es für die EU, von einmal gefundenen Gemeinschaftspositionen abzuweichen.

Das institutionelle Design und der geringere Spielraum für Kompromisse müssen allerdings nicht unweigerlich schlecht für den internationalen Einfluss der EU sein. Wie der Politikökonom Thomas Schelling argumentiert, beruht die Macht eines Verhandlungsführers oftmals auf seinem Unvermögen, Zugeständnisse zu machen.3 Die Vergangenheit hat gezeigt: Aus Angst vor einem Scheitern der Verhandlungen geben sich die Verhandlungspartner oftmals mit geringeren Zugeständnissen seitens der EU zufrieden. Ob diese Strategie heute allerdings noch so funktioniert, ist fraglich. So ist hierdurch zwar die Verhandlungsposition der EU gestärkt, die Erfolgsaussichten eines Abkommens sinken jedoch erheblich. Gerade mit dem gestiegenen Einfluss der großen Schwellenländer ist die Menge der gewinnträchtigen internationalen Verhandlungslösungen (so genanntes „Win-Set“) stark gesunken.

Dies zeigt sich auch in der aktuellen WTO-Verhandlungsrunde, für die die EU von Beginn an eine der wichtigsten Triebkräfte gewesen ist. Die EU ist weit davon entfernt, allein für den derzeitigen Verhandlungsstopp verantwortlich zu sein. Dennoch wurde in der Doha-Runde deutlich, wie sehr sich das institutionelle Design der EU auf die multilateralen Verhandlungen auswirkt. Gerade im Bereich Landwirtschaft fällt es der EU besonders schwer, für die Verhandlungspartner akzeptable Agrarvorschläge zu machen: Sie blickt mit der Gründung der GAP 1962 auf eine lange Tradition von Interventionen zurück, und über die Hälfte des EU-Budgets geht bis heute in die Landwirtschaft. Gerade in den neuen EU-Mitgliedstaaten macht die Landwirtschaft einen nicht zu unterschätzenden Teil des BIP, der Beschäftigung und der Exporte aus. Zusätzlich ist für viele EU-Länder die Landwirtschaft mehr als nur ein Wirtschaftsfaktor: Sie ist Teil ihrer Kultur und Identität. Obwohl die EU in der WTO mit einer starken gemeinsamen Stimme spricht, fällt die Bilanz somit gemischt aus.

Verbesserte EU-Koordinierung im IWF?

Anders als in der WTO sprechen die EU-Mitglieder im IWF nicht mit einer gemeinsamen Stimme. IWF-Politik ist nicht Gemeinschaftssache; Kooperation und Koordination sind eher ein neues Phänomen. Zurzeit koordinieren die EU-Staaten ihre Positionen innerhalb eines informellen Ad-hoc-Rahmenwerks, auf das sie sich beim Europäischen Rat in Wien 1998 und dem Kopenhagener Treffen des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) 2002 geeinigt hatten. Hierin wurde festgehalten, dass es für die Kohärenz und Effizienz der Gemeinschaft erforderlich ist, in Fragen von besonderer Bedeutung für die Wirtschafts- und Währungsunion mit einer Stimme zu sprechen. Dabei geht es sowohl um Themen, die die Eurozone direkt betreffen, als auch um Fragen zur generellen Ausrichtung des IWF.

Bei der Erarbeitung einer gemeinsamen EU-Position zu IWF-Fragen spielen vor allem zwei Gremien eine zentrale Rolle: Auf Brüsseler Ebene koordinieren die EU-Länder ihre nationalen Positionen in einem speziellen Unterausschuss zu IWF-Angelegenheiten (SCIMF) des ECOFIN-Ausschusses zu Wirtschaft und Finanzen, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Kommission zusammensetzt. Hauptsächlich behandelt SCIMF die jährlichen Artikel-4-Konsultationen des IWF mit Mitgliedern des Euroraums, die untersuchen, ob die Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitiken nachhaltiges Wachstum begünstigen und innere und äußere Stabilität gegeben sind. Daneben befasst sich der Ausschuss vor allem mit langfristigen und strategischen IWF-Themen, darunter Kriterien für die Kreditvergabetätigkeit oder auch Governancefragen.

Die im SCIMF getroffenen Übereinkommen dienen als Orientierungshilfe für das zweite wichtige Koordinationsgremium: die informellen, wöchent-lichen Treffen des EURIMF in Washington. An ihnen nehmen die EU-Mitglieder beim IWF sowie Vertreter der EZB und der Kommission teil. Bei diesen Treffen handelt es sich in erster Linie um einen Informations- und Meinungsaustausch und weniger um eine wirkliche Abstimmung der EU-Positionen. Mehr noch, EURIMF hat kein Mandat, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen, wenn hierfür nicht bereits grünes Licht von den Mitgliedstaaten in Brüssel gegeben wurde. Daneben gibt es noch die „Mini-EURIMF“, an denen nur die im IWF-Exekutivdirektorium vertretenen EU-Mitglieder teilnehmen. Diese Ad-hoc-Treffen wurden eingeführt, da man befürchtete, dass der alte Koordinationsmechanismus mit nunmehr 25 Ländern nicht mehr effektiv funktionieren könnte.

Außer bei Eurofragen scheitert eine gemeinsame EU-Position in der Praxis häufig am fehlenden Konsens zwischen den Mitgliedstaaten. Da sich SCIMF nur acht bis zehn Mal im Jahr trifft, kann auch nur für einen Bruchteil des Tagesgeschäfts des IWF eine gemeinsame EU-Position erarbeitet werden. Die wechselnden Präsidenten des ECOFIN-Rates und unterschied-liche Prioritätensetzung tun ihr Übriges. Letztlich sind die gemeinsamen Positionen nicht bindend. Dies geht allein schon deswegen nicht, da mehrere europäische Exekutivdirektoren gemischten Stimmrechtgruppen im IWF vorstehen. Innerhalb dieser Gruppen wird auf konsensualer Basis eine gemeinsame Position erarbeitet, die durchaus von den Interessen des vorsitzenden Landes abweichen kann.

Festhalten am Status quo

Rein rechnerisch könnte die EU mit einem Stimmenanteil von über 30 Prozent die Beschlüsse im IWF maßgeblich bestimmen (zumeist reicht eine einfache Mehrheit aus). Zudem stellen die EU-Länder zurzeit sieben der 24 Exekutivdirektoren und acht der stellvertretenden Direktoren. Da die EU-Länder jedoch häufig keine gemeinsame Position vertreten, bleibt ihr Einfluss im IWF überschaubar. Dies müsste nicht so sein: Eine Studie des „Peterson Instituts for International Economics“ hat errechnet, dass die Abstimmungsmacht der EU deutlich über die addierten Stimmenanteile der EU-Länder steigen könnte, wenn sie mit einer gemeinsamen Stimme spräche. Die Abstimmungsmacht misst dabei die Bedeutung der IWF-Mitglieder in der Findung von Mehrheiten und ihre Attraktivität für Koalitionen. Zusätzlich hätte die EU schon bei Abstimmungen, die eine 70-Prozent-Mehrheit bedingen, eine De-facto-Vetomacht.4

Wie wünschenswert eine gemeinsame EU-Stimme oder ein EU-Sitz im IWF sein mögen, Realität werden sie in naher Zukunft dennoch kaum werden. Zwar forderte das Europäische Parlament in einer Resolution vom März 2006 die EU-Mitgliedstaaten auf, im IWF mit einer Stimme zu sprechen. Einen gemeinsamen Sitz im IWF halten die meisten EU-Mitglieder jedoch für verfrüht. Denn hierfür wären eine stärkere Vergemeinschaftung der nationalen IWF-Politiken notwendig: Rat, Kommission und Parlament müssten stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, wofür tief greifende Änderungen im EU-Vertrag notwendig wären. Dies ist zurzeit politisch nicht denkbar: Einerseits fürchten gerade die größeren EU-Länder, die über einen eigenen Exekutivdirektor verfügen, um ihren Einfluss beim IWF. Andererseits wird – nicht ganz zu Unrecht – gewarnt, dass die Konsensfindung im Gegensatz zur WTO auch bei einem gemeinsamen Sitz fast unmöglich bleibt. Die Folge wäre dann eher eine Verwässerung der EU-Stimme als ihre Stärkung.

Weitaus realistischer wäre eine Stärkung des institutionellen Koordinationsprozesses. Doch ist auch dies einfacher gesagt als getan. So müssten hierfür europäische Stimmrechtgruppen gebildet werden. Und schon bei der Frage, wie die Länder zugeordnet werden könnten, gibt es keine Einigkeit. Ordnet man beispielsweise die EU-Länder rein nach Interessenlage den neuen Stimmrechtgruppen zu, könnte dies auch zu einer Spaltung der EU-Position führen. Und schließlich müsste die EU der Reduzierung der eigenen Stimmrechte zustimmen, da die anderen IWF-Mitglieder einen Machtblock EU in seiner jetzigen Größe kaum akzeptieren würden. Gerade die an ihrem weltwirtschaftlichen Gewicht gemessen überrepräsentierten EU-Mitglieder müssten bereit sein, Stimmen abzugeben. Die geringe Begeisterung der Europäer für gemeinsame Stimmrechtgruppen ist daher nur allzu verständlich. Allerdings blockieren sie damit auch die wichtige Governance-Reform des IWF, ohne die er zukünftig wohl kaum noch in der Lage sein wird, eine wichtige Rolle bei der Regulierung der internationalen Finanzmärkte zu spielen.

Wenig Koordination in der Weltbank

In der Weltbank sind die EU-Mitgliedstaaten noch weiter davon entfernt, gemeinsam aufzutreten. Einzig beim Frühjahrs- und Jahrestreffen des IWF und der Weltbank spricht der EU-Kommissar für Entwicklung vor dem IWF/Weltbank-Entwicklungsausschuss im Namen der Gemeinschaft; ansonsten hat die Kommission hier nur Beobachterstatus. Zu Recht kritisiert Stefano Manservisi von der Generaldirektion Entwicklung, dass die Einflussmöglichkeiten der EU bei der Weltbank trotz des hohen Gesamtstimmenanteils ihrer Mitgliedstaaten aufgrund der fehlenden Koordination nach wie vor unausgeschöpft bleiben.5 Anders als für den IWF gibt es für die Weltbank keine permanenten, formalen Koordinationsmechanismen auf Brüsseler Ebene. Erst seit 2000 haben die Bemühungen um eine stärkere Kooperation zugenommen. Ende 2003 einigten sich die EU-Länder darauf, sich mindestens alle zwei Wochen informell in Washington zu treffen. An ihnen nehmen die EU-Exekutivdirektoren bei der Weltbank sowie Vertreter der Kommission teil. Teilweise ist auch die EU-Ratspräsidentschaft in den Koordinationsprozess involviert und versucht, gemeinsame Ziele zu identifizieren. Großbritannien beispielsweise war unter seiner Ratspräsidentschaft (2005) sehr aktiv im Koordinationsprozess, insbesondere hinsichtlich Afrika-Themen.

Das Hauptziel der wöchentlichen Treffen ist ein Informationsaustausch; zum Teil resultieren sie aber auch in gemeinsamen Stellungnahmen und Positionspapieren. Ebenfalls 2003 einigten sich die europäischen Exekutiv-direktoren auf eine informelle Liste von Themen, in der ein gemeinsames Interesse vorliegt, wobei sich das Arbeitsprogramm der Treffen allerdings wie bislang eher nach der Agenda des Exekutivdirektoriums der Weltbank richtet. Zusätzlich werden seit 2004 die EU-Exekutivdirektoren einmal im Jahr nach Brüssel eingeladen, um dort Gespräche mit den relevanten Institutionen zu führen.

Noch stärker als beim IWF sind der Koordination der EU-Länder bei der Weltbank enge Grenzen gesetzt. Die Ursache liegt hier neben der Governance-Struktur der Weltbank – auch hier gibt es gemischte Stimmrechtgruppen – vor allem in den fehlenden formellen Abstimmungsmechanismen zwischen den EU-Ländern. Auf den ersten Blick scheint paradoxerweise die Koordination dennoch effektiver zu sein als beim IWF, zumindest gemessen an der Zahl der gemeinsamen Stellungnahmen. Auf den zweiten Blick wird allerdings deutlich: Bei den wöchentlichen Treffen werden Themen mit hoher nationaler Priorität, bei denen eine Konsensfindung schwierig ist, erst gar nicht behandelt.

Für ein stärkeres, gemeinsames Außenhandeln der EU

Innerhalb der WTO hat es die EU geschafft, sich trotz einiger Nachteile beim internen Abstimmungsprozess neben den USA als zweite globale Wirtschaftsmacht und zentraler Akteur in den Verhandlungen zu etablieren: Sie kann sowohl die Agenda als auch den Verlauf der Verhandlungen maßgeblich beeinflussen. Und ohne sie wäre es wohl kaum zum Beginn der Doha-Verhandlungsrunde gekommen. Nun liegt es an den Mitgliedstaaten, der Kommission auch die Freiheiten zu geben, die für den Abschluss der Runde notwendigen Kompromisse in der Landwirtschaft einzugehen.

Ganz anders sieht es in den Bretton-Woods-Institutionen aus – von einer gemeinsamen EU-Position kann nicht die Rede sein, obwohl gerade hier eine größere Abstimmung dringend notwenig wäre. Denn nur so kann die EU ein wirkliches Gegengewicht zur Dominanz der USA bilden und den globalen Governance-Prozess weiter vorantreiben. In der Weltbank könnte beispielsweise eine stärkere Koordination der EU-Mitglieder auf Brüsseler Ebene für eine größere Kohärenz in der nationalen und internationalen Entwicklungspolitik sorgen. Und im IWF könnte die Einrichtung europäischer Stimmrechtgruppen Sitze für Exekutiv-direktoren aus den bislang unterrepräsentierten Schwellenländern frei werden lassen, was für eine umfassende Governance-Reform des IWF unerlässlich ist. Im kommenden halben Jahr könnte Deutschland unter seiner Ratspräsidentschaft dem innereuropäischen Koordinationsprozess wichtige Impulse geben und so die Stimme der EU in internationalen Foren weiter stärken.

Dr. des. STORMY MILDNER, geb. 1976, ist Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Dr. CLAUDIA SCHMUCKER, geb. 1971, ist Mitarbeiterin im Forschungsinstitut der DGAP, Programm „Globalisierung und Weltwirtschaft“.

  • 1Matthew Baldwin: EU Trade Politics – Heaven or Hell?, Journal of European Public Policy, September 2006, S. 926–942, hier S. 931.
  • 2 Robert Putnam: Diplomacy and Domestic Politics: The Logic of Two Level Games, International Organization, 3/1988, S. 427–460.
  • 3Thomas Schelling: The Strategy of Conflict, Cambridge 1960; Sophie Meunier: What Single Voice? European Institutions and EU-US Trade Negotiations, International Organization, 1/2000, S. 103–135.
  • 4Lorenzo Bini Smaghi: IMF Governance and the Political Economy of a Consolidated European Seat, in: Edwin Truman (Hrsg.): Reforming the IMF for the 21st Century, Washington D.C. 2006.
  • 5Meeting on the Parliamentary Network on the World Bank at the European Parliament, 4.10.2005, http://siteresources.worldbank.org/WBEU/ Resources/380822-1111486612454/ PNoWBEPmeetingreport.pdf.
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar 2007, S. 52 - 61.

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