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01. Mai 2006

Cheney nach Teheran!

Ein US-Militärschlag gegen den Iran hätte verheerende Folgen

Für die Lösung des Konflikts um Irans Atomprogramm gebe es „keine guten Optionen“, heißt es. Während diplomatische Bemühungen bislang keinen Erfolg gehabt haben und die Aussichten auf ein wirksames Sanktionsprogramm eher gering sind, steigt die Kriegsgefahr. Medienberichte häufen sich, dass die USA einen Militärschlag erwägen. Bilaterale Gespräche wären die weitaus bessere Option.

Nicht nur den russischen Außenminister Sergej Lawrow beschlich im März ein Gefühl des „déjà vu“. „Schrecklich vertraut“ kamen auch Joseph Cirincione, dem Direktor für Nichtverbreitungspolitik am „Carnegie Endowment for International Peace“, offizielle und inoffizielle Erklärungen der amerikanischen Regierung zum Thema Iran vor: die „Parallelen“ zu Irak seien „auffallend“.1 Anfang April bestätigten dann erste Veröffentlichungen in den amerikanischen Medien: Die Regierung von US-Präsident George W. Bush arbeitet an umfangreichen, militärischen „Iran-Plänen“.2

Schon der „Krieg der Worte“, den sich die USA und Iran seit Jahresbeginn leisteten, erinnerte fatal an den Gang der Ereignisse im Vorlauf des Irak-Kriegs. Eine „ernste Gefahr für die Sicherheit der Welt“ nannte Präsident Bush einen nuklear bewaffneten Iran bereits im Januar. Die „internationale Gemeinschaft“ sei bereit, Iran „bedeutende Konsequenzen“ aufzuerlegen, warnte US-Vizepräsident Dick Cheney in einer großen Rede, noch bevor die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) am 8. März entschied, Irans dubioses Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat zu verweisen. Postwendend drohte Irans Unterhändler bei der IAEO, Javad Vaeidi: „Die USA mögen die Macht haben, Verletzung und Schmerz zu verursachen, aber sie sind selbst davor nicht gefeit. Wenn die USA diesen Weg wählen, dann möge das Spiel beginnen.“

„Von wohl keinem anderen Land werden wir stärker herausgefordert“, sagte tags darauf US-Außenministerin Condoleezza Rice bei einer Anhörung vor dem Senat. Die iranische Politik im Mittleren Osten stehe „um 180 Grad“ gegen die Entwicklung, die die USA dort zu sehen wünschten. Iran sei der „zentrale Unterstützer von Terrorismus“ und behindere die Bildung demokratischer Regierungen. UN-Botschafter John Bolton sprach am folgenden Tag von der „Eile“, die geboten sei, was wiederum Lawrows „Déjà-vu“-Kommentar provozierte.

Entwickelt sich der „Fall Iran“ zur Wiederauflage des Konflikts mit und um den Irak? Die USA und mittlerweile wohl auch die deutsch-britisch-französische EU-3, die seit 2003 mit Iran verhandeln, wollen mit Iran gemäß Artikel VII der UN-Charta verfahren oder diesen Weg zumindest glaubhaft androhen. Dies könnte, falls der Iran sich weiter weigert, die – am 11. April von Präsident Achmadinedschad stolz als erstmals erfolgreich durchgeführt verkündete – Urananreicherung zu stoppen und mit der IAEO zusammenzuarbeiten, zu Sanktionen und schließlich auch zu militärischen Aktionen führen – wie im Fall Irak.

Doch die jüngsten Verhandlungen der Vetomächte und Deutschlands sowie das eher milde formulierte „Presidential Statement“ vom 29. März, in dem der Iran binnen 30 Tagen zur Einstellung der Urananreicherung und Zusammenarbeit mit der IAEO aufgerufen wurde, haben gezeigt, um wie viel komplizierter die Lage ist – und potenziell ungleich gefährlicher.

Iran ist nicht Irak. Vielmehr ist die strategische Lage des Landes in Folge des ins fünfte Jahr gehenden  „Krieges gegen den Terror“ heute viel stärker als vor den Anschlägen vom 11. September 2001. Im Osten des Landes, in Afghanistan, haben die USA das aggressive Taliban-Regime entfernt, im Westen, im Irak, den Todfeind Saddam Hussein gestürzt. Der Abzug des syrischen Militärs aus dem Libanon, von den USA und Frankreich erzwungen, hat es der von Iran kontrollierten Hisbollah ermöglicht, das dort entstandene Machtvakuum auszunutzen. Das geschwächte Syrien orientiert sich derweil in Richtung Teheran. Insbesondere im Irak gilt die paradoxe Situation, dass dort derzeit jeder amerikanische Schritt zur „Stabilisierung“ gleichzeitig Irans Stellung stärkt: Ob Wahlen, die „Bildung von Institutionen“, insbesondere die von schiitischen Milizen unterwanderten Sicherheitskräfte oder die Reduzierung ausländischer Truppen – die iranische Position im Nachbarland wird gefestigt.3

Diese Lage scheint Irans im Juni 2005 gewählter, wenig berechenbarer Präsident Machmud Achmadinedschad ausnutzen zu wollen. Der nun wachsende Druck von außen stärkt Achmadinedschads Herrschaft– nicht zuletzt, weil das Atomprogramm als Ausdruck nationaler Größe quer durch Irans Gesellschaft populär ist.4

Wenig deutet derzeit darauf hin, dass Iran zum Einlenken bereit sein und das umfassende EU-3-Angebot zur technischen Zusammenarbeit oder das Vermittlungsangebot zur iranischen Urananreicherung in Russland unter IAEO-Aufsicht annehmen könnte, wenngleich westliche Diplomaten innerhalb Irans heterogener Führungselite auch kompromissbereite Stimmen ausmachen.5 Treffen amerikanische Medienberichte von Anfang April zu, neigen dagegen Teile der amerikanischen Regierung, einschließlich des Präsidenten, zu der Ansicht, Achmadinedschad sei „ein potenzieller Adolf Hitler“.6

Bislang zeigte sich die iranische Führung vom internationalen Druck demonstrativ unbeeindruckt. Anfang April hielt das Land umfangreiche Militärmanöver einschließlich neuer Raketentests ab. Bleiben die Fronten über den Ablauf der 30-Tage-Frist hinaus unbeweglich, droht eine hochbrisante Entwicklung. Für Iran gäbe es „keine guten Optionen“, formulierte schon vor einiger Zeit der republikanische Senator John McCain. Selbst wenn sich im UN-Sicherheitsrat Einigkeit über eine Verurteilung Irans nach Artikel VII erzielen ließe, wären die Erfolgsaussichten von Sanktionen eher gering. Ein militärisches Vorgehen, für das sich wohl kaum eine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat fände, wird deshalb umso wahrscheinlicher; es hätte aber gravierende, kaum kalkulierbare Folgen.

Seit den Erfahrungen mit Jugoslawien und dem Irak ist die Wirksamkeit von UN-Sanktionen grundsätzlich umstritten, vor allem in den USA. Ihr Unterlaufen war in der Vergangenheit verhältnismäßig einfach, insbesondere dann, wenn die Nachbarstaaten des betroffenen Staates sie faktisch ignorierten. Angesichts der großen wirtschaftlichen Interessen, die vor allen Russland, China und auch Indien in Iran haben, ist ein funktionierendes, umfassendes Sanktionsregime schwer vorstellbar. Zudem erzielten Sanktionen selten die erhoffte Wirkung. Im Fall Irak verhinderten sie zwar die Fortsetzung von atomaren, biologischen und chemischen Rüstungsprogrammen, konnten den Diktator Saddam Hussein aber nicht zur Kooperation mit den UN-Waffeninspektoren zwingen; erst die Invasionsdrohung zeigte Wirkung.

Ölsanktionen gegen den Iran wären zudem in der jetzigen weltwirtschaftlichen Lage – auf dem Ölmarkt ist der Durchschnittspreis pro Barrel seit 2004 um die Hälfte auf 60 Dollar gestiegen – ein zweischneidiges Schwert. Irans Ölproduktion von zwei Millionen Barrel pro Tag entspricht in etwa der derzeitigen Überschussmarge; deren Wegfall würde bei stetig steigendem Bedarf – vor allem in China und Indien – zu einem weiteren Anstieg des Ölpreises führen. Schließlich würde ein Sanktionsregime nur langfristig wirken.

Allenfalls ein begrenztes Maßnahmenpaket an „smart sanctions“, mit Reisebeschränkungen, Sport- und Finanzsanktionen, die Irans Führung träfen, hätte Chancen auf Erfolg. Diese ließen sich allerdings wohl nur dann international durchsetzen, wenn sich der Iran noch deutlicher als bisher ins Unrecht setzte.7 Allerdings ist dem Präsidenten Machmud Achmadinedschad, in manchen iranischen Exilkreisen als „das Geschenk, das nicht aufhört zu schenken“ bekannt,8 eine weitere Eskalation des Konflikts – über die Ankündigung der erfolgreichen Urananreicherung in Natanz „für industrielle Zwecke“ vom 11. April hinaus – durchaus zuzutrauen.

Die geringe Erfolgsaussicht von Sanktionen trägt dazu bei, dass die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung zunimmt. Während ein solcher Schritt stark umstritten ist – in Europa haben beispielsweise weder die von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Große Koalition noch die britische Regierung einen einheitlichen Standpunkt: Außenminister Jack Straw hat ein militärisches Vorgehen wiederholt ausgeschlossen, nicht aber Premierminister Tony Blair – mehren sich seit Anfang des Jahres die Anzeichen, dass die USA einen militärischen Alleingang erwägen.

Militärische Szenarien

Bislang waren sich die meisten Experten einig, dass ein militärisches Vorgehen gegen Irans nukleare Einrichtungen sinnlos sei. Davon gibt es nach gängigen Einschätzungen über hundert, sie liegen weit verstreut, und manche sind tief unter der Erdoberfläche angelegt. „Mit Ausnahme völlig unbelehrbarer Falken sind sich alle einig, dass der Einsatz präventiver militärischer Gewalt sowohl gefährlich als auch unproduktiv ist“, schrieb der Präsident der „International Crisis Group“ (ICG), Gareth Evans. Ein Militärschlag würde zudem einen nuklearen Iran allenfalls „um ein paar Jahre“ verzögern und eine internationale Zusammenarbeit ausschließen, hieß es in dem zeitgleich veröffentlichten ICG-Bericht zum Iran.9

Zu ähnlichen Einschätzungen kam im Februar eine Studie der „Oxford Research Group“ (ORG), der zufolge jede noch so begrenzte Militäraktion zwangsläufig in einen langfristigen Konflikt münden würde.10 Dies gelte auch für den Fall, dass Israel den Angriff ausführe, analog zur Bombardierung des irakischen Reaktors in Osirak 1981. Die Folgen wären gravierend: Eine hohe Zahl ziviler Opfer sei zu erwarten. Würde der iranische Reaktor in Bushehr wie angekündigt in diesem Jahr in Betrieb gehen, würde eine Bombardierung nukleare Strahlung freisetzen, die die ganze Golf-Region in Mitleidenschaft ziehen könnte.

Zudem habe der Iran zahlreiche Optionen, militärisch zu reagieren. Das Land könnte in Irak oder Afghanistan intervenieren, paramilitärische Verbände beispielsweise nach Saudi- Arabien, Kuwait oder in die Vereinigten Arabischen Emirate entsenden und die Ölproduktion sabotieren oder die Straße von Hormus blockieren, durch die der größte Teil des am Golf geförderten Erdöls transportiert wird. Schließlich könnte es Gruppen wie die Hisbollah, Islamischer Dschihad oder die Hamas zu Attacken und terroristischen Anschlägen anhalten.11

Unverkennbar ist jedoch, dass sich die amerikanische Regierung auf genau einen solchen Krieg vorbereitet. Ein langjähriger Konflikt, in dem die USA auf unterschiedliche Weise immer wieder gegen atomare Rüstungsbemühungen des Irans vorgingen, passt durchaus in das Konzept des „langen Krieges“, den das Pentagon nun nach Selbstdefinition führt. Die fortschreitende globale Neupositionierung der US-Truppen („reposture“) sowie die im jüngsten „Quadrennial Defense Review“ (QDR) skizzierte,12 weitergehende „Transformation“ der US-Streitkräfte sollen Militäraktionen wie Schläge gegen das iranische Atomprogramm dezidiert ermöglichen – das, so widersprach schon Anfang Februar der einflussreiche Stratege Edward Luttwak vom „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS), sei leichter auszuführen („in einer Nacht“) als allgemein angenommen.13

Im Gegensatz zu Bushs erster Amtszeit hat die amerikanische Regierung mittlerweile auch eine operable Iran-Politik. Auf der einen Seite steht das Vorgehen – derzeit diplomatisch und im internationalen Rahmen –, gegen Irans Nuklearprogramm, auf der anderen ein Programm, das „Demokratisierung“ (anstatt „Regimewechsel“) heißt. Dazu gehören verstärkte „Kommunikation“ und Appelle direkt an das iranische Volk, wie zuletzt in Bushs Ansprache zur Lage der Nation im Januar. Das State Department beantragte für diese Zwecke zuletzt Mittel in Höhe von 85 Millionen Dollar, eine fast 25-fache Steigerung gegenüber dem Vorjahr.14 In der begleitenden Diskussion, die eine lange Vorgeschichte hat – ursprünglich war nicht der Irak, sondern der Iran von neokonservativen Vordenkern als „Schlüsselstaat“ der Region identifiziert worden – verschwimmen, wie im Fall Irak, bereits die Ziele von präemptiver Entwaffnung einerseits und „Regimewechsel“ andererseits.

Längerer Planungsvorlauf

Praktisch wappnet sich die amerikanische Regierung schon seit längerer Zeit für einen Krieg mit Iran. Seit über einem Jahr werden iranische Ziele von Spezialkräften beobachtet.15 Die Luftaufklärung durch „Drohnen“ entlang der afghanisch-iranischen Grenze war einer der Punkte, der im Zusammenhang mit der jüngsten Ausweitung des NATO-Mandats in Afghanistan kontrovers in der Allianz diskutiert wurde. Zuletzt haben die USA diese Aktivitäten – auch mit dem Ziel der Einschüchterung Irans – weiter verschärft und offenbar selbst Lufteinsätze mit Nuklearwaffen in der arabischen See simuliert.16

Schließlich trifft die bis zuletzt verbreitete Annahme, die USA seien wegen der Gebundenheit ihrer Kräfte in Irak nicht handlungsfähig, zwar auf Armee und Marineinfanterie teilweise zu, nicht aber auf Luftwaffe, Marine und Spezialkräfte, die ein erstes „take out“ gegen Irans Atomanlagen vorrangig ausführen würden.17 Mittlerweile werden innerhalb der amerikanischen Regierung auf Planungsebene verschiedene Angriffsszenarien diskutiert, vom begrenzten Schlag gegen ausgewählte Einrichtungen des iranischen Atomprogramms bis hin zu einem mehrtägigen Angriff auf mehrere hundert Ziele, der weit umfangreicher wäre und auch Chemieanlagen und die verhältnismäßig kleine iranische Luftwaffe und Marine treffen könnte.18 Unstimmigkeiten innerhalb der US-Führung bestehen offenbar in der Erwägung des Einsatzes Bunkerzerstörender, taktischer Nuklearwaffen gegen die unterirdischen iranischen Atomanlagen.19

Kaum bedacht oder gering geschätzt – auch dies eine „Irak-Parallele“ – werden innerhalb der US-Regierung offenbar die Konsequenzen eines militärischen Vorgehens. Dass diese begrenzbar sind oder gar, wie einige annehmen, zum Volksaufstand und Sturz des Mullah-Regimes führen könnten, ist unwahrscheinlich, erst recht im Fall des Einsatzes von Nuklearwaffen. Weit plausibler ist dagegen ein Szenario, in dem ein geeinter Iran den Konflikt transnational eskaliert und die gesamte Region vor den Augen einer zerstrittenen Weltgemeinschaft dauerhaft und nachhaltig destabilisiert.

Allerdings hat die steigende Kriegsdrohung offenbar dazu beigetragen, dass Iran Mitte März den USA erstmals offen Gespräche über die Lage im Irak anbot. Dass Washington, wenngleich extrem zurückhaltend und ausdrücklich auf Irak beschränkt, darauf einging, ist ein wichtiger Schritt. Er müsste möglichst schnell zu einem ausführlichen und weitgefächerten Dialog ausgebaut werden. Denn abgesehen von der Annahme des EU-3-Angebots durch den Iran ist die einzig verbleibende „gute Option“ im Konflikt um Irans Atomprogramm ein direkter Dialog zwischen den USA und Iran.

Alte Feindschaft

Obwohl eine „Nuklearmacht Iran“ ein internationales Problem darstellt, steht die Auseinandersetzung darüber vor allem im Kontext des jahrzehntelangen Konflikts zwischen den USA und ihrem einst engsten Verbündeten am Golf. Zu der langen Geschichte gehören der Sturz von Premierminister Mohammed Mossadeq durch den US-Geheimdienst und die Inthronisierung des Schahs 1953, die „islamische Revolution“ von 1979 und die demütigende, 444 Tage währende Geiselnahme von 54 US-Botschaftsangehörigen – eine der größten Niederlagen der USA im Kalten Krieg –, die  Selbstmordanschläge auf US-Marines im Libanon 1983, die zum amerikanischen Abzug führten, und Hilfeleistungen der USA auf irakischer Seite während des „ersten“ Golf-Kriegs zwischen 1980 und 1988, insbesondere in dessen Endphase.

Die Chance zur Eröffnung direkter Gespräche bestand in letzter Zeit mehrmals, und sie wurde stets vertan. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bot Iran Hilfe beim Krieg gegen die Taliban an, doch nach kurzzeitiger Kooperation machte Bushs Einordnung des Landes in die „Achse des Bösen“ die zaghafte Zusammenarbeit Anfang 2002 zunichte. Ein umfassendes Ausgleichsangebot von iranischer Seite im ersten Halbjahr 2003, übermittelt mit Hilfe der Schweizer Diplomatie, blieb unbeantwortet; und auch der Moment im Oktober 2003, als die EU-3 den Iran zum zwischenzeitlichen Stopp der Urananreicherung bewegen konnten, verstrich, ohne dass die US-Regierung einstieg.20

Sollte sich dies nun ändern, besteht Hoffnung, dass eine Weltkrise noch abgewendet werden kann. Iran hat, angesichts von vier Atommächten in unmittelbarer Nachbarschaft (Israel, Russland, Pakistan und Indien) und der militärischen Präsenz  der USA an fast allen seinen Landesgrenzen, ein legitimes Sicherheitsinteresse. Neben einer Sicherheitsgarantie müssten die USA dem Iran wohl auch größere Mitsprache an der zukünftigen Gestaltung der Region und das Ende bereits bestehender Sanktionen und Beschränkungen anbieten. Nur unter solchen Umständen wäre eine Absage Irans an ein eigenes Nuklearprogramm denkbar.

Mit der Wahl Achmadinedschads ist eine solche Lösung schwieriger denn je geworden. Aber manchmal sind es gerade die Hardliner, denen die Verständigung gelingt. „Cheney nach Bagdad“, forderte jüngst der Kolumnist Thomas Friedman.21 Noch besser wäre es, wenn der US-Vizepräsident gleich eine Hauptstadt weiter reiste.

Dr. HENNING HOFF, geb. 1970, arbeitet als Korrespondent in London.

  • 1 Joseph Cirincione: Fool Me Twice, Beitrag für die Website der Zeitschrift Foreign Policy, 27.3.2006, http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=3416.
  • 2 Seymour Hersh: The Iran Plans, The New Yorker, 17.4.2006 (im Internet vorveröffentlicht am 8.4.); Peter Barker, Dafna Linzer und Thomas Ricks: U.S. Is Studying Military Strike Options on Iran, Washington Post, 9.4.2006.
  • 3 Fred Halliday: Iran vs the United States – again, 14.2.2006, openDemocracy (www.opendemocracy.net/globalization/again_3267.jsp)
  • 4 Die iranische Friedensnobelpreisträgerin von 2003, Shirin Ebadi, sprach davon, dass das Atomprogramm „eine Angelegenheit des nationalen Stolzes einer alten Nation mit einer glorreichen Geschichte“ geworden sei: „Keine iranische Regierung, was immer ihre ideologischen oder demokratischen ‚credentials‘ seien mögen, würde es wagen, das Programm zu stoppen.“ Quentin Peel: Only one way to deal with Tehran, Financial Times, 1.2.2006.
  • 5 Die EU-3 sind dabei für ein weiteres Entgegenkommen offen. Auf einer internationalen Tagung der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) am 27./28. März 2006 in Berlin (Second Transatlantic Conference on the Broader Middle East) deutete der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, an, das EU-3-Angebot vom August 2005 könnte „auf dem Verhandlungsweg konkretisiert“ werden. Siehe http://www.hsfk.de/static.php?id=3929&language=de
  • 6 Seymour Hersh (Anm. 2).
  • 7 Carne Ross: Could Sanctions Stop Iran?, Washington Post, 30.3.2006.
  • 8 Connie Bruck: Exiles. Iran’s expatriates and the nuclear threat, The New Yorker, 6.3.2006.
  • 9 Gareth Evans: Iran needs the perfect combination of carrots and sticks, Financial Times, 23.2.2006; Iran: Is there a Way Out of the Nuclear Impasse?, ICG Middle East Report Nr. 51, 23.2.2006, S. 18.
  • 10Oxford Research Group, Paul Rogers: Iran. Consequences of a War, Februar 2006, S. 7.
  • 11 Letztere Möglichkeit wird unter westlichen Sicherheitsfachleuten inzwischen intensiv diskutiert. Siehe Dana Priest: Attacking Iran May Trigger Terrorism, Washington Post, 2.4.2006.
  • 12 Quadrennial Defense Review Report, 6.2.2006, US Department of Defense. Das „Hindern feindlicher Staaten und nichtstaatlicher Akteure, Massenvernichtungswaffen zu erlangen“, ist erklärtes Ziel im „langen Krieg“. Iran ist das einzige Land, das im QDR-Bericht in diesem Zusammenhang namentlich genannt wird. Laut QDR stellt die heutige Bedrohung durch „Massenvernichtungswaffen“ in der Hand von „feindlichen Regimes und terroristischen Gruppen“ eine größere Gefahr dar als die atomar hochgerüstete Sowjetunion während des Kalten Krieges. Diese Sichtweise wird in Europa in der Regel nicht geteilt und daher in ihrer Bedeutung für das Denken innerhalb der amerikanischen Regierung häufig unterschätzt.
  • 13 Edward Luttwak: In a Single Night, Wall Street Journal, 8.2.2006.
  • 14Connie Bruck (Anm. 8).
  • 15 Seymour Hersh: The Coming Wars, The New Yorker, 24.1.2005. Nach einem Bericht des britischen Sunday Telegraph arbeiten amerikanische Stellen seit einigen Monaten intensiv an der Zielplanung. Philip Sherwell: US prepares military blitz against Iran’s nuclear sites, Sunday Telegraph, 12.2.2006.
  • 16 Seymour Hersh (Anm. 2).
  • 17 In einem Vortrag vor dem Londoner „International Institute for Strategic Studies“ (IISS) warnte Brigadegeneral Mark Kimmitt, leitender Planer im US-Zentralkommado, Anfang Februar vor „Missverständnissen“ und „dem sehr schwerwiegenden Fehler“, anzunehmen, die USA seien nicht in der Lage, Iran anzugreifen. Richard Norton-Taylor: US general maps out strategic refit for Iraq, Middle East and Asia, The Guardian, 7.2.2006.
  • 18 Ein entsprechendes Szenario entwickelte beispielsweise der Militäranalyst und pensionierte Oberst der US-Luftwaffe Sam Gardiner auf der Berliner Tagung der HSFK.
  • 19 Seymour Hersh (Anm. 2).
  • 20 Flynt Leverett: Bridging the Gulf, New York Times, 24.1.2006. Leverett war bis zum Frühjahr 2003 ein für den Mittleren Osten zuständiger Direktor beim Nationalen Sicherheitsrat der USA.
  • 21 Thomas L. Friedman: Cheney to Iraq, International Herald Tribune, 11./12.3.2006.