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01. Apr. 2008

Anfällige Anlageregion Afrika?

Die gute Nachricht für Anleger kommt ausgerechnet aus Afrika: Dort haussieren die Aktienbörsen. Grundlage des Booms ist der Rohstoffreichtum

Anfällige Anlageregion Afrika – AAA (Bestnote) wird sie noch lange nicht gewertet von den Ratingagenturen. Vor gut drei Jahren wurde ich noch vom Chefvolkswirt der Allianz belächelt, als ich auf einer Konferenz in Frankfurt Aktienanlagen in afrikanischen Börsen zur gezielten Portfoliostreuung empfahl. Wie sich das Sentiment in kurzer Zeit geändert hat: Investorenkonferenzen mit Fokus Afrika sind derzeit der Renner in London und New York. In Deutschland boomt der Verkauf entsprechender Indexzertifikate.

Doch Afrika hat es schwer, seinem öffentlichen Zerrbild vom Elendskontinent zu entkommen. Blutige Unruhen im Vielvölkerstaat Kenia nach dem umstrittenen Wahlsieg von Präsident Mwai Kibaki haben bislang 1000 Tote und 300 000 Flüchtlinge produziert; der verbissene Kampf um die Macht im Tschad verwandelt Teile der Hauptstadt N’Djamena immer mehr in ein blutiges Schlachtfeld. Nigeria, der weltweit achtgrößte Ölexporteur, musste seine Produktion zuletzt um ein Fünftel herunterfahren, weil Rebellen im Niger-Delta für Unruhen sorgen und ausländische Unternehmen ihre dortigen Investitionen überdenken. Und dann sind da noch die Millenniumziele, die Afrika trotz einer historischen Wachstumsperiode nicht erreichen wird.

Doch Afrika boomt – bislang. Durch seinen Rohstoffreichtum wird der Kontinent eine indirekte Wette auf die China-Story für die internationalen Anleger. Die Aktienbörsen haussieren, und wo es keine gab, entstehen neue. Inzwischen sind es 19. Staatsfonds und Private Equity, dank langfristiger Verbindlichkeiten und geringer Schuldenhebel mit besonderer Risikotoleranz und Langfristperspektive gesegnet, finanzieren nun die Stopfung der Infrastrukturlücke in den Bereichen Transport, (Ab-)Wasser, Telekom und Energie. Ghana und, ja, Kenia sind die ersten schwarzafrikanischen Staaten nach Südafrika, die erfolgreich Staatsanleihen auf den Weltfinanzmärkten platzieren konnten.

Die Rohstofflieferanten profitieren vom Superzyklus, den die asiatischen Giganten China und Indien entfacht haben. Die strukturelle Wandlung dieser Länder hin zu Binnenkonsum und proteinreicher Nahrung bedeutet, dass nicht nur die Lieferanten der Öl- und Industriemetalle profitieren, sondern auch die Tierfuttererzeuger. Wachstum, Exporte und Verbrauch steigen seit einem Jahrzehnt stetig. Allerdings: Die Rohstoffpreise stagnieren, teils bröckeln sie bereits. Die globale Kreditkrise wirft ihre Schatten auch auf die „emerging markets“. Fraglich, aber nicht auszuschließen, dass der afrikanische Boom schwache Rohstoffnotierungen, höhere Liquiditätserfordernisse der Investoren und einen Einbruch der US-Wirtschaft überdauert. In China häufen sich die makroökonomischen Risiken – nach den Olympischen Spielen könnte es dort krachen. Makroerfolge lassen sich vorweisen: Der Schuldenüberhang ist weitgehend getilgt, Budgetdefizite sind dank verbesserter Steuerverwaltung auch in den rohstoffarmen Ländern geschwunden; die Inflation ist – außer in Simbabwe – unter Kontrolle, trotz steigender Nahrungsmittel- und Erdölrechnungen. Die Inflationserfolge sind allerdings teils den aufgewerteten Währungen geschuldet, ein Resultat des Superzyklus der Rohstoffpreise und der Euroanbindung Westafrikas.

Ein hoher Wechselkurs erschwert die Entwicklung neuer Exporte. Die Forderung des Oxford-Ökonomen Paul Collier („The Bottom Billion“), den ostasiatischen Erfolgsländern mit arbeitsintensiven Industrieproduktionen nachzueifern, ist angesichts der Integration von China und Indien völlig unzeitgemäß. Vielmehr gilt es, Produktlinien zu fördern, welche der wachsenden Verbrauchsnachfrage der asiatischen Giganten komplementär sind, etwa bei höherwertig verarbeiteten Nahrungsmitteln.

Zudem diversifiziert Afrika weniger im Exportmix, aber kräftig in den Binnenwirtschaften. Die relative Binnenorientierung hilft bei der Abkoppelung von Wachstumseinbrüchen des Westens. Die Bauindustrie floriert angesichts wachsender Infrastrukturinvestitionen, der Mobilfunk boomt vor dem Hintergrund fehlender Festnetze; Finanz- und Geschäftsdienste weiten sich kräftig aus, Tourismus, Call-Center, Schnittblumen sind weitere Wachstumsbereiche. So bleibt Afrika für Investoren bislang attraktiv. Ist der Kontinent der Schwellenmarkt der Zukunft? Vielleicht: In Vielem erinnert er an das Lateinamerika der siebziger Jahre, mit unzureichenden Hafen-, Energie- und Transportkapazitäten; mit Rentenreformen wie in Chile und eigenen Pensions- und Stabilisierungsfonds; mit seinen Importen von Privatkapital; mit seiner aus Portfoliosicht noch geringen Ertragskorrelation mit anderen Kontinenten. Und mit seinen Revolten.

Wie auch in Lateinamerika sind es nur einige Länder und Gruppen, die zu den großen Profiteuren gehören. Die ehrgeizig formulierten Millenniumziele der Armutsbekämpfung, Gesundheit und Ausbildung sind noch außer Reichweite, trotz oft betörender Wachstumsraten. Betörend? Wer Rohstoffquellen erschließt (statt sie im Boden oder unter der See zu bewahren), stimuliert eine kurzfristige Steigerung des Wachstums. Der Ressourcenfluch lehrt, dass Rohstoffexporteure in den letzten vier Jahrzehnten weit langsamer gewachsen sind als die von der geologischen Lotterie wenig begünstigten Länder. Wo das Überleben der Politiker auf der Verteilung von Patronage basiert, steht die zukunftsorientierte Investition der Rohstofferlöse hintan.

Prof. Dr. HELMUT REISEN,  geb. 1950, ist Head of Research am Entwicklungszentrum der OECD in Paris und Titularprofessor an der Universität Basel. Er publiziert vor allem zu Fragen der Entwicklungs- und Währungspolitik sowie zur Globalisierung.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, April 2008, S. 88 - 89

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