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01. Okt. 2007

Neue Heuschrecken

Ökonomie

Nach den Hedge- nun die Staatsfonds: doch Protektionismus ist keine Lösung

Kapitalprotektionismus statt offene Märkte? Wo bislang der Gospel der globalen Marktwirtschaft erklang, tönen heute die Prediger der Schutzzäune für Unternehmen der westlichen Industriestaaten. Kapitalprotektionismus – Angela Merkel und Franz Müntefering sind eifrige Verfechter. Kanzlerin und Vizekanzler stehen nicht allein: Die US-Regierung hat Währungsfonds und Weltbank aufgefordert, einen Verhaltenskodex für Staatsfonds zu schreiben; die EU-Kommission wird untersuchen, ob Übernahmen durch öffentlich kontrollierte ausländische Investmentfonds den europäischen Kapitalmarkt bedrohen. IFO-Chef

Hans-Werner Sinn assistiert zackig: „Ausländische Staatskonzerne haben in Deutschland nichts zu suchen.“ Protektionismus würde es im Gegenzug aber auch deutschen Unternehmen schwerer machen, im Ausland zu investieren. Vergessen wird zudem, dass hiesige Unternehmen mit Staatsbeteiligung ebenso überall in der Welt Zukäufe tätigen. So hält die Bundesregierung – teils über die staatliche KfW-Bank – rund 30 Prozent der Telekom-Aktien; die Telekom ist wiederum stark im Ausland engagiert. Auch die Deutsche Post, die ebenso im Ausland expandiert, gehört zu großen Teilen dem deutschen Staat. Dauerhafte Lösungen verlangen statt Abschottungsreflexen nach Ursachenforschung. Hier ist sie:

Früher bekannt als Produzent „billiger“ Waren, produzierte China bislang auch „billige“ Ersparnisse. Da ein Großteil der Reserven in niedrig verzinste US-Staatsanleihen in der Schwachwährung Dollar investiert wurde und die USA ein entsprechendes Leistungsbilanzdefizit mit China aufweisen, gewährte China den Amerikanern gleichsam billige Lieferantenkredite. Der Aufstieg Chinas und Indiens hat, gestützt auf niedrige Zinsen in Japan, andererseits einen Superzyklus geschaffen. Darunter versteht sich der jahrzehntelange Anstieg der realen Rohstoffpreise als Folge der Industrialisierung einer bevölkerungsreichen Region. Das hat zu hohen Sparüberschüssen der Ölförderländer geführt.

Für die Rohstoffexporteure gibt es gute Gründe, einen Teil der Rohstoff--Bonanza zu sparen; nicht allein für die Zentralbank, sondern für den gesamten öffentlichen Sektor. Der gründet dann die gefürchteten Staatsfonds. Wieviel sollten diese Länder sparen? Handelt es sich um erschöpfbare Rohstoffe, gilt die langfristige Verbrauchsregel: jährlicher Preisanstieg geteilt durch die jährliche Extraktionsquote. Konkret: Ist der Preisanstieg ein Prozent pro Jahr und reichen die Vorräte für 33 Jahre bei unverändertem Fördervolumen, dann sollte das Land ein Drittel verbrauchen und zwei Drittel sparen. Außergewöhnliche Preisausschläge sollten vollständig gespart werden. Wer die Rohstoffländer zwingen will, solche intertemporalen Regeln zu missachten, verurteilt sie zu unnötiger Verbrauchseinschränkung morgen und zum Ressourcenfluch heute. Die Überschüsse der Chinesen sind nicht von solchen Regeln motiviert. Hohe Unternehmensgewinne, fehlende soziale Sicherheit und die extreme Ungleichheit, die sich im „kommunistischen“ China entwickelt hat, begründen das enorme Sparaufkommen Chinas. Es ist nicht einzusehen, dass im ländlichen China keine medizinische Grundversorgung zu haben ist, wenn gleichzeitig jeder chinesische Bürger im Durchschnitt mehr als 1000 Euro offizielle Devisenreserven „hält“. Hier also liegt das Problem genau anders als bei den Rohstoffexporteuren: Es wird heute zu wenig verbraucht, da die Wirtschaft schnell wächst und Angstsparen betrieben wird.

Daraus ergeben sich sehr verschiedene Lösungswege: Die Ölförderländer aufzufordern, mehr Öl zu fördern, wird noch weniger Wirkung als üblich zeigen, wenn wir ihnen gleichzeitig die Wiederanlage der Devisen untersagen wollen. Die Chinesen müssen wir zu einer Sozialversicherung europäischen Zuschnitts bei Krankheit und Altersvorsorge überreden. Was macht denn die Staatsfonds so schrecklich? Erstens ihre Größe, zweitens ihre Eigentümer. Schätzungen aus dem Hause Morgan Stanley beziffern die Aktiva der Staatsfonds derzeit auf 2,5 Billionen Dollar, womit das Anlagevermögen der Hedgefonds bereits übertroffen wird. Prognostiziert wird, dass die Anlagen der Staatsfonds in zehn Jahren bei 17,5 Billionen Dollar liegen werden. Damit sind sie groß genug für unsere Finanzaufsicht. Von ausländischen Staatsfonds dürfen wir seriöse Transparenz verlangen: Anlagen und Investitionen auf Basis beglaubigter Konten müssen offengelegt werden. Der Status der Eigentümer – Staatskonzerne – stellt dann ein Problem dar, wenn marktfremde Ziele verfolgt würden. Ein vielzitiertes Beispiel ist die Verbindung von Gazprom, der russischen Regierung und dem Ölstabilisierungsfonds.

Eine Lösung wäre die Goldene Aktie mit Vetorecht unserer Regierung; dann wäre aber zu entscheiden, für welche Unternehmen oder Branchen solche Goldenen Aktien Geltungsrecht hätten. Bisher bietet in Deutschland das Außenwirtschaftsgesetz dem Staat nur die Möglichkeit, in der Rüstungsindustrie Firmenübernahmen oder -beteiligungen zu untersagen. Eine bessere Lösung bietet die stimmrechtslose Aktie. Das Engagement des chinesischen Staatsfonds bei Blackstone lief über stimmrechtslose Aktien der seit kurzem börsennotierten US-Investitionsgesellschaft. Diese Option ist generell bei der Behandlung von Staatsfonds zu bevorzugen, da es deren berechtigte Ertragsziele in Einklang bringt mit unserer privatwirtschaftlichen Unternehmensverfassung.

Prof. Dr. HELMUT REISEN, geb. 1950, arbeitet als Counsellor am Entwicklungszentrum der OECD in Paris und ist Titularprofessor an der Universität Basel. Er publiziert vor allem zu Fragen der Entwicklungs- und Währungspolitik sowie zur Globalisierung.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 10, Oktober 2007, S. 90 - 91.

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