Zwischen legitimer Weltführung und imperialer Versuchung
Buchkritik
Amerikas außenpolitische Intelligenz denkt heute wieder souverän in weltpolitischen Kategorien. Die grundsätzliche Frage nach der Grand Strategy stellen in ihren Büchern Richard Haass und Walter Russell Mead. Dem Dauerproblem Irak, wo sich die Chancen und Grenzen der großen Strategien im Zusammenprall mit der Realität zeigen, widmen sich Stanley Hoffmann und George Packer. Dort bleibt nur das Prinzip Hoffnung.
Die Welt hat es nicht leicht mit der Supermacht in diesen Tagen – und die Supermacht nicht leicht mit der Welt. Seit 9/11 sehen sich die USA im Krieg mit dem internationalen Terrorismus, und Krieg erfordert besondere Maßnahmen: Heimatverteidigung unter Einschränkung der Bürgerrechte nach innen, Abwehr der Bedrohung notfalls mit militärischer Gewalt und völkerrechtlich problematischen Geheimdienstoperationen nach außen. Während Bush und die Seinen dies als legitimen Ausdruck amerikanischen Weltführungsanspruchs in gefährlichen Zeiten betrachten, werfen Kritiker in den Vereinigten Staaten und Europa der US-Regierung vor, der imperialen Versuchung nachgegeben zu haben. Die vier vorliegenden Bücher von ausgewiesenen Kennern der US-Außenpolitik bewegen sich denn auch an dieser Bruchlinie.
Richard Haass, seit 2003 Präsident des renommierten New Yorker Council on Foreign Relations und davor zuletzt Planungsstabschef in Colin Powells State Department, ist in seinen langen Jahren innerhalb und außerhalb der Regierung immer wieder als vor- und umsichtiger Konservativer hervorgetreten. Er war es, der dem älteren Bush im Frühjahr 1991 nach der Vertreibung von Saddams Truppen aus Kuwait vehement von einem Marsch auf Bagdad abriet, weil die Exit-Strategie unklar und der Zusammenhalt der Koalition gefährdet sei.
In seinem Buch „The Opportunity“ appelliert er nun an die politische Führung seines Landes, das kurze Fenster der Gelegenheit, in dem die Macht der USA überwältigend ist und keine militärischen Konflikte zwischen den Großmächten drohen, für eine multilaterale Absicherung der amerikanischen Führungsrolle zu nutzen. Ziel der Vereinigten Staaten müsse es sein, ihre militärische und wirtschaftliche Übermacht in politischen Einfluss umzumünzen. Einfluss erreiche man aber nur, wenn man durch Diplomatie und Kooperation einen internationalen Konsens über außenpolitische Ziele herstelle. Haass’ Zauberwort lautet hier „Integration“. Die USA könnten allein dann Hauptgestalter der Weltpolitik bleiben, wenn es ihnen gelänge, alte und neue Partner für traditionelle Ziele wie Friedenswahrung oder neuartige wie Terrorismusbekämpfung und Schutz für bedrohte Volksgruppen zu gewinnen. Dazu müssten erstens die großen Mächte sich auf grundlegende Prinzipien verständigen, zweitens diese Mächte effektive Arrangements der Kooperation entwickeln und gemeinsam durchsetzen und drittens andere Staaten und Organisationen für diese Politik gewinnen. Als Voraussetzung hätten allerdings alle Nationen, auch die USA, zu akzeptieren, dass die hochinterdependente Welt souveränes, unilaterales Handeln verbiete, soll es legitim und erfolgreich sein. Haass’ Modell für die künftige Weltordnung könnte man also mit „Konzert der Mächte plus Institutionen“ beschreiben – ganz so, wie es sein verehrter Lehrer Hedley Bull in „The Anarchical Society“ 1977 gefordert hat.
In welchen Bereichen sieht Haass nun Möglichkeiten und Notwendigkeiten für eine Kooperation der USA mit dem Rest der Welt? Bei der Eindämmung von Terrorismus und der Proliferation von Massenvernichtungswaffen natürlich, aber auch bei der Förderung von Demokratie und Menschenrechten und der globalen Wirtschaftsbeziehungen sowie dem Kampf gegen Genozid und Seuchen wie AIDS. Warum gerade diese Bereiche? Weil Erfolge hier die größte positive Wirkung für die Sicherheit, den Wohlstand und die Lebensqualität der meisten Nationen und Menschen dieser Welt entfalten und dadurch einen Gemeinschaftssinn unter den großen Mächten dieser Welt stiften und stärken könnten.
Dabei erkennt Haass überall erste Ansätze für kooperative Arrangements der führenden Nationen der Welt. Der Grund dafür: Sie alle teilen grundsätzlich das amerikanische Interesse an einem stabilen internationalen Umfeld, um ihre ökonomischen Ziele in Ruhe verfolgen zu können. Wollen die USA diese Zusammenarbeit vorantreiben, müssen sie die fundamentalen außenpolitischen Interessen der Partner berücksichtigen. Im Fall Chinas heißt das, die Taiwan-Frage zu entschärfen, im Fall Russlands, die TschetschenienFrage nicht hochzuspielen, im Fall Indiens, dessen Nuklearstatus anzuerkennen, im Fall Japans, seine Isolationsängste zu mindern, im Falle Europas, seine Einigungsbestrebungen zu unterstützen. Als stärkster Macht komme den Vereinigten Staaten die zentrale Rolle in der Welt zu: „Nur amerikanische Führung hat das Potenzial, kraftvoll und großzügig genug zu sein, um die anderen Mächte dazu zu bewegen, zusammenzukommen und eine stärker integrierte Welt aufzubauen, die die Herausforderungen für den gemeinsamen Frieden und Wohlstand anpacken kann“ (S. 198). Klassische Gleichgewichtspolitik sei überholt, die Zukunft gehöre einer bescheidenen, wertebasierten, konsultativen, multilateralen Außenpolitik. Ohne sie werde Amerika die dramatischen außenpolitischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert nicht bewältigen können.
Appell eines Realisten
Haass’ Buch ist der Appell eines klugen Realisten, dem der Pragmatismus George H. W. Bushs näher steht als der missionarische Eifer seines Sohnes in der ersten Amtszeit. Den IrakKrieg hält er für einen Fehler – obwohl er damals in der US-Adminis-tration diente. Viele Europäer werden dies gerne lesen. Über die Durchsetzungschancen seiner großen Strategie schweigt sich Haass allerdings aus. Tatsächlich stehen ihr hohe Hürden im Wege: Auch wenn Bush in seiner zweiten Amtszeit auf einen diplomatischeren Kurs einschwenkt, drohen die Kosten des Irak-Kriegs das Fundament für die geforderte kraftvolle amerikanische Außenpolitik zu zerstören: die Zustimmung von Bürgern und Kongress.
Nach Vietnam brauchten die Vereinigten Staaten zwei Jahrzehnte, um sich von dem Trauma zu erholen und eine aktive Weltpolitik zu führen. Auch scheint das Kooperationspotenzial mit großen Mächten wie China oder Russland begrenzt, vor allem bei der Förderung von Demokratie und Menschenrechten, einem zentralen Punkt von Haass’ Agenda. Schließlich ist es alles andere als klar, ob diese Länder – oder Frankreich – bereit sind, selbst einer aufgeklärten Washingtoner Außenpolitik zu folgen. Ihre Eliten sind meist klassischen Gleichgewichtspolitik-Überlegungen zugetan und wollen dem US-Hegemon nicht mit Gefolgschaft, sondern mit Widerstand antworten – und sind bereit, dafür den grassierenden Antiamerikanismus ihrer Bevölkerungen aufzuputschen und zu instrumentalisieren.
In eine ähnliche Richtung wie Haass argumentiert Walter Russell Mead, einer der stimulierendsten außenpolitischen Denker in den USA, in „Power, Terror, Peace, and War“. Auch für ihn besteht die zentrale Herausforderung für die Vereinigten Staaten darin, ihre Macht als liberaler Hegemon für die Maximierung von Konsens und Konsultation mit anderen Staaten zu nutzen, ohne den eigenen Führungsanspruch zur Disposition zu stellen. Die aktivistische Außenpolitik der Bush-Regierung interpretiert er – nicht ganz überzeugend – als Folge des dramatischen Wandels der Natur des amerikanischen Kapitalismus. Der Fordismus mit seiner Betonung von Regulierung, Planung und Stabilität sei in den letzten zehn Jahren abgelöst worden von einer freieren, flexibleren und individualistischeren Form des Kapitalismus.
Diese neuen ökonomischen Realitäten hätten drei der vier außenpolitischen Schulen, die wir schon aus Meads „Special Providence“ aus dem Jahr 2001 kennen, zu einer neuen großen und schlagkräftigen Koalition des „American Revival“ vereint: die Hamiltonianer, die das amerikanische Wirtschaftsmodell auf den Globus übertragen wollen, die Wilsonianer, die die Welt nach demokratischen Prinzipien umzugestalten beabsichtigen, und die Jacksonianer, die die nationalen Interessen auch mit militärischer Gewalt durchsetzen möchten. Diese Kräfte bilden die strukturelle Basis für Bushs revo-lutionäre Außenpolitik nach dem 11. September 2001.
Richtige Strategie, verheerende Taktik
Und die hält Mead, was die große Strategie im Clausewitzschen Sinne angeht, für richtig und unvermeidbar. Nur ein „Krieg gegen den Terror“, keine limitierte Polizeiaktion, könne innenpolitisch die notwendigen Ressourcen mobilisieren, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Umgestaltung des Nahen Ostens, Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der Ausbreitung von Massenvernichtungswaffen – zu bewältigen. Gefahr drohe der ehrgeizigen neuen großen Strategie aber von mehreren Seiten: den taktischen Fehlern der Bush-Regierung, vor allem der katastrophalen Nachkriegsplanung im Irak und der schwachen Außendarstellung ihrer Politik, aber auch den Spannungen innerhalb der heterogenen außenpolitischen Koalition, primär zwischen den Jacksonianern, die ein militärisch starkes, notfalls unilateral agierendes Amerika wollen, und den Wilsonianern, die darüber hinaus ehrgeizige Demokratisierungs- und Nation Building-Pläne verfolgen.
Als neue Grand Strategy schlägt Mead eine modifizierte Eindämmungspolitik vor, die sich ja schon bei einem anderen nichttraditionellen Konflikt, dem Kalten Krieg, bewährt habe. Wie die Sowjetunion könne man nämlich auch Al-Qaida nicht mit Truppen besiegen, sondern nur durch einen starken und entschlossenen Willen. Mead gibt dazu drei konkrete Ratschläge: erstens die aktive Bekämpfung des Terrorismus durch militärische Maßnahmen wie in Afghanistan und die Unterstützung von Staaten, die sich dem islamistischen Fundamentalismus widersetzen; zweitens die engagierte Mitwirkung an der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts; und drittens die Verhinderung der Machtübernahme „arabischer Faschisten“ in einem nahöstlichen Land. Langfristig müssen die USA ihre „weiche Macht“ stärken, indem sie dafür sorgen, dass die internationalen Institutionen, vor allem der UN-Sicherheitsrat, die neue Machtverteilung auf der Welt angemessen reflektieren. Auch sollte Washington alles daran setzen, den armen Staaten dieser Welt deutlich zu machen, dass unter einer „Pax Americana“ auch ihre Probleme angegangen werden.
Was an beiden Büchern bei aller Kritik im Detail besticht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der ihre Autoren in weltpolitischen Kategorien zu denken verstehen. Damit holen sie eine Debatte nach, die in den neunziger Jahren weitgehend vernachlässigt worden ist und der sich Europa, insbesondere Deutschland, bis heute nicht ähnlich entschlossen stellt. Haass und Mead sehen den Irak-Krieg als Schlagloch auf dem Weg zu einer neuen großen Strategie, die Amerika in den nächsten Jahrzehnten leiten soll. Für zwei andere Autoren, Stanley Hoffmann und George Packer, ist die Irak-Frage dagegen das entscheidende Problem für die künftige amerikanische Außenpolitik.
Der bald 80-jährige Stanley Hoffmann, aufgewachsen und ausgebildet in Frankreich und später langjähriger Direktor des Zentrums für Europastudien an der Harvard University, hat einen so herausgehobenen Status in der Disziplin Internationale Politik, dass er dem Leser seine Überlegungen in „Gulliver Unbound“ in Form eines Interviews in Buchform präsentieren kann. Sie münden in eine Generalabrechnung mit der Bush-Regierung: Die habe die multilaterale Tradition amerikanischer Außenpolitik verlassen und die Terroranschläge als Hebel genutzt, um die eigene Macht im Inneren und die der USA im Äußeren dramatisch auszuweiten. Während Mead in Bushs Rhetorik vom „Krieg gegen den Terror“ ein positives Mobilisierungsinstrument sieht, hält sie Hoffmann für den bewussten Versuch, den amerikanischen Gulliver durch eine undifferenzierte und globale Begriffswahl von allen Fesseln internationaler Regimes zu befreien.
Auch am Irak-Krieg lässt er kein gutes Haar: übertriebene Bedrohungsszenarien, Selbsttäuschung und Täuschung der Öffentlichkeit, mangelnde Planung der Besatzung, Vergeudung amerikanischer Energien am falschen Ort. Hoffmanns Lösung: ein geordneter, aber möglichst schneller Rückzug der US-Truppen. Auch für die internationale Gemeinschaft und die künftige amerikanische Weltpolitik hält er Empfehlungen parat: Um Gewaltanwendung in Zukunft besser zu legitimieren, will er dem UN-Sicherheitsrat eine Organisation demokratischer Nationen zur Seite stellen, der nicht nur die NATO- und EU-Mitglieder, sondern auch die wahren Demokratien Afrikas, Lateinamerikas und Asiens angehören. Die USA müssten sich nach außen universalen Normen unterwerfen und sich selbst ins Netz internationaler Vereinbarungen einbinden, wollten sie legitime Führung ausüben und nicht zum Diktator verkommen. Nach innen drohe den USA ein Abrutschen in einen „populistischen Autoritarismus“, dem entschlossen entgegengetreten werden soll. Das alles klingt wie die oft gehörte Standardkritik eines entschiedenen Bush-Kritikers. Was Hoffmanns Ausführungen trotzdem lesenswert macht, sind die historischen Analogien, ist der breite geistesgeschichtliche Rahmen, in dem der Doyen der Transatlantikforschung die heutige amerikanische Außenpolitik interpretiert.
Naivität und Geltung: Wolfies Visionen, Rummys Egotrip
Um den Irak-Krieg geht es auch bei George Packer, dessen „The Assassin’s Gate“ die New York Times gerade zu einem der fünf besten Non-Fiction-Bücher des Jahres 2005 kürte. Von Hoffmann unterscheidet sich Packer dadurch, dass er den Feldzug unterstützte, angesichts der haarsträubenden Fehler der Bush-Regierung nach dem Sieg verzweifelt, aber die Flinte noch nicht ins Korn werfen will.
Das erste Drittel seines Buches widmet der Reporter des New Yorker dem Siegeszug der Neokonservativen in der US-Außenpolitik und der vernachlässigten Nachkriegsplanung für den Irak. Auch wenn die Fakten mittlerweile bekannt sind, so ist es immer wieder verblüffend zu lesen, wie früh sich Washington auf einen Krieg festlegte und wie blauäugig und unbedacht es sich in ihn stürzte. Während sich Vize-Verteidigungsminister Wolfowitz in Hoffnungen auf einen Blumen- und Hosianna-Empfang für die amerikanischen Truppen in Bagdad erging, interessierte seinen Boss Rumsfeld nur die Exekution der Kampfhandlungen, in denen er seine Ideen einer schnellen, kleinen und mobilen US-Armee erproben wollte. Die Realität „on the ground“ nach der überraschend leichten Eroberung des Iraks traf die Bush-Regierung dann wie ein Schock. Auf die Vielfalt der Probleme des Staates, auf die Unterschiedlichkeit der Hoffnungen und Ängste seiner Bürger, auf die vom Saddam-Regime herbeigeführten materiellen und menschlichen Deformationen war sie völlig unvorbereitet.
Das hatte nach Packer zum einen damit zu tun, dass der Führungszirkel um Bush dem aus dem VietnamKrieg bekannten Phänomen des „group think“ unterlag, wo nur Cheerleader der Präsidentenpolitik zu Wort kamen und Kritiker ausgeschlossen wurden. Zum anderen wäre die Nachkriegsplanung auch bei bester Vorbereitung ein riskantes Unternehmen gewesen, zu wenig wusste man außerhalb des Iraks über den Zustand des Landes und seiner Bevölkerung zur Zeit seiner Eroberung. Beispiele für die hoffnungslose Inkompetenz der Besatzungsregierung unter Botschafter Bremer, die den Irak ein Jahr lang kontrollierte, bietet Packer zuhauf: Nur wenige amerikanische Aufbauhelfer in Bagdad kannten die Geschichte der Region, kaum einer sprach Arabisch. Einem 25-Jährigen fiel es zu, die irakische Übergangsverfassung auszuarbeiten – während er parallel seine Bewerbung für eine US-Law School ausfüllte. Für diese Naivität steht auch der Titel des Buches: „Assassin’s Gate“ ist der Name, den amerikanische Soldaten dem großen Palasttor am Eingang zur Grünen Zone in Bagdad gegeben haben – ohne jeden kulturellen oder historischen Bezug. „Vietnam und Irak“, zitiert Packer einen Aufbauhelfer, der in beiden Ländern stationiert war, seien Fälle mit „unterschiedlichen Fehlern, aber derselben Hybris“.
Spätestens an dieser Stelle wird Packers Buch zur fesselnden Lektüre. Wenn er von seinen Aufenthalten im besetzten Irak berichtet und die normalen Leute auf beiden Seiten des Konflikts zu Wort kommen lässt, wird dem Leser die ganze gigantische Dimension der Aufgabe „Demokratisierung des Iraks“ klar. Da ist der junge irakische Arzt, der von einem Fulbright-Stipendium träumt, aber wenig Sympathien für die Besatzer hegt. Da ist der Leibwächter des Saddam-Sohnes Uday, der bei den Lustmorden seines Chefs anwesend war und die Massenhinrichtungen des Regimes nicht leugnet, aber Saddam für einen gerechten Herrscher hält. Da ist der laizistische Pathologe, der sich, angewidert von der tagtäglichen Gewalt, zu den islamischen Fundamentalisten hingezogen fühlt. Und alles findet in einem Gespinst von Verschwörungstheorien und Gerüchten statt, denen sich selbst auf den ersten Blick rationale Iraker hemmungslos hingeben. Wildeste Geschichten über jüdische Pläne, den Irak zu kontrollieren, flagranter Antisemitismus selbst unter jungen Irakern, die nie einen Juden gesehen haben, durchziehen die ganze Gesellschaft. Packers Stärke ist es, mit seinen bemerkenswerten Protagonisten zu fühlen, sie verstehen zu wollen und ihre Charaktere scharf zu zeichnen.
Am Ende enthält er sich des Urteils, ob der Irak-Feldzug die Kosten und Opfer wert war, über die er auch einen Hauptmann der US-Armee und den Vater eines gefallenen GI erzählen lässt. Packer hält den Krieg noch immer für zu gewinnen und zitiert den Hauptakteur seiner Geschichte, den optimistischen Exiliraker Kanan Makiya, im letzten Satz seines Buches: „Ich verkörpere den Triumph der Hoffnung über die Erfahrung.“ In der Tat scheint das Prinzip Hoffnung das einzige, was der Bush-Administra-tion im Irak noch bleibt.
Richard N. Haass: The Opportunity. America’s Moment to Alter History’s Course. Public Affairs, New York 2005. 242 Seiten, $ 25
Stanley Hoffmann (with Frédéric Bozo): Gulliver Unbound. America’s Imperial Temptation and the War in Iraq. Rowman & Littlefield, Lanham 2004. 153 Seiten, $ 19,95.
Walter Russell Mead: Power, Terror, Peace, and War. America’s Grand Strategy in a World At Risk. Alfred Knopf, New York 2004, 228 Seiten, $ 19,95.
George Packer: The Assassins’ Gate. America in Iraq. Farrar, Straus and Giroux, New York 2005, 467 Seiten, $ 26.
Prof. Dr. Stephan Bierling, Jahrgang 1962, lehrt Internationale Politik mit dem Schwerpunkt Transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg. Zuletzt erschien von ihm „Geschichte der amerikanischen Außenpolitik“ im Verlag C.H. Beck.
Internationale Politik 1, Januar 2006, S. 128 - 133.