IP

01. Mai 2008

Amerika nach Bush

Buchkritik

Noch wenige Monate bis zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen, kaum länger bis zum endgültigen Ende der Ära Bush. Wer kommendes Jahr ins Weiße Haus einziehen wird, ist derzeit kaum vorherzusagen. Auf dem deutschen Buchmarkt dominieren daher die Analysen der Außenpolitik des scheidenden Präsidenten.

Die Zeit der hysterischen Bush-Kritik geht zu Ende, nicht länger dominieren die Michael Moores dieser Welt die Büchertische. Nüchternheit und Kompetenz zeichnen auch Peter Rudolfs Analyse der US-Außenpolitik seit 2001 aus. Dabei konzentriert sich der Leiter der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik auf die zwei Zentralregionen Washingtoner Weltpolitik: den Nahen Osten und Ostasien.

Gründlich seziert Rudolf das Gemisch aus Alarmismus, Selbsthypnose und Allmachtsphantasien, mit dem sich die Bush-Regierung selbst in den Irak-Krieg trieb. Auch die Iran- und Palästina-Politik erhält keine guten Noten. Besser schneidet die knapp abgehandelte China-Politik Bushs ab. Hier wird deutlich, dass der auf Einbindung und Eindämmung bauende Ansatz den Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung des Reiches der Mitte wohl am besten gerecht wird. Das besondere Verdienst des Buches ist es, die Außenpolitik der gegenwärtigen US-Regierung in einen breiteren konzeptionellen Rahmen zu stellen.

Seit dem Irak-Krieg ist „Neokonservativismus“ für viele Bush-Kritiker zu einem Synonym für alles geworden, was bei der US-Außenpolitik im Argen liegt. Der Bonner Politologe Patrick Keller macht es sich nicht so einfach. In seiner Dissertation eruiert er die Herkunft dieser Schule, die Ansichten ihrer wichtigsten Vertreter und vor allem ihren Einfluss auf die amerikanische Außenpolitik im letzten Vierteljahrhundert. Aus einer exzellenten Kenntnis der Literatur heraus zeigt er, wie enttäuschte Linksintellektuelle um Irving Kristol, Norman Podhoretz und Jeane Kirkpatrick die beiden Grundstränge der US-Außenpolitik zu einem neuen Gebilde, dem Neokonservativismus, vermischen: den wertebasierten, optimistischen und fortschrittsgläubigen Idealismus und den interessegeleiteten, bellizistischen und nationalstaatsfixierten Realismus. In der Politik finden die Neocons aber lange Zeit kaum größere Resonanz. Reagan spricht zwar ihre Sprache, und sein Antikommunismus, seine Betonung der Überlegenheit des amerikanischen Gesellschaftssystems und seine Politik der Stärke spiegeln die Eckpfeiler neokonservativen Selbstverständnisses. Aber letztlich ist er zu pragmatisch, schränkt der Kalte Krieg den Entscheidungsspielraum der USA zu stark ein, als dass die neue Lehre ungefiltert umgesetzt werden könnte.

Unter Bush sen. und Clinton dominieren dann klassische Realisten und liberale Internationalisten die Außenpolitik, das Häuflein Neocons überwintert bei Think-Tanks wie dem American Enterprise Institute und dem Project for a New American Century. Auch zu Beginn der Regierung Bush jun. läuft es nicht gut für sie, fast alle wichtigen außenpolitischen Posten gehen an Vertreter des Establishments. Erst nach dem 11. September schlägt ihre große Stunde, als Bush ihre Ideen begierig aufsaugt, sich einer Neuordnung der Welt verschreibt und am Irak ein Exempel statuieren will, wie das US-Militär eine Despotie in eine Demokratie verwandelt. Hochmut und die Überschätzung der eigenen Macht diagnostiziert Keller in seinem abgewogenen und urteilssicheren Buch als Grundübel der Neocons. Im Irak zahlen Bürger und GIs dafür einen hohen Preis.

In einen noch breiteren Rahmen als Keller bettet Marcia Pally ihre Analyse der US-Außenpolitik ein. Nach Bush ist vor Bush, argumentiert die Kulturhistorikerin an der New York University. Warum? Weil es die langfristigen Werte und Überzeugungen der Nation seien, die den Handlungsspielraum für die außenpolitische Elite und den Präsidenten vorgäben und damit den verlässlichsten Indikator für zukünftige Entwicklungen bildeten. Und da sei Bushs missionarische, neokonservative Weltneuordnungspolitik keine Verirrung gewesen, sondern allenfalls eine besonders prononcierte Ausprägung des amerikanischen Exzeptionalismus – der Pflicht Amerikas zur Ausbreitung von Demokratie und Marktwirtschaft.

Am stärksten ist Pally, wenn sie sich auf ihrem Spezialgebiet, der Kulturgeschichte, bewegt. Hier zeigt sie überzeugend, wie Evangelikalismus und Aufklärung, die sich in Europa in Feindschaft gegenüberstehen, in den USA eine Symbiose eingehen und zur Grundlage des Selbstverständnisses der Nation werden. Dagegen sind die langen Passagen über die Umsetzung der exzeptionalistischen Außenpolitik seit Gründung der Republik wenig originell und aus einem verengten Blickwinkel geschrieben. Letztlich hat Washington seine Außenpolitik immer pragmatischer angelegt, als Pally argumentiert. Das trifft selbst auf Bush in seiner zweiten Amtszeit zu.

Barack Obama ist der Shootingstar der US-Wahlsaison. Christoph von Marschall, der Amerika-Korrespondent des Tagesspiegel, konzentriert sich im ersten Teil seines Buches auf die eindrucksvolle Lebensgeschichte Obamas. Das ist dem Leser von dessen Autobiografie „Ein amerikanischer Traum“ (rezensiert in IP 3/2008) zwar wohl vertraut, aber gut zusammengefasst. Im zweiten Teil steht Obamas Aufstieg zum Präsidentschaftsbewerber im Mittelpunkt. Hier zeigt von Marschall, wie Obama mit Geschick und Fortune zunächst einen Sitz im Senat von Illinois erobert und 2004 auch die Wahl in den US-Senat gewinnt. Obamas wichtigstes Pfund ist dabei seine unkonventionelle Biografie, die der Botschaft von Hoffnung, Überparteilichkeit und Versöhnung hohe Glaubwürdigkeit verleiht.

Allerdings zeigt sich auch, wie schwierig es ist, Obama mit konkreten politischen Inhalten in Verbindung zu bringen – zu kurz ist seine Mitgliedschaft im Senat, zu wenig fassbar sind seine Aussagen im Wahlkampf. Von Marschall flüchtet sich deshalb in die Beschreibung der vielen anderen Präsidentschaftsbewerber. Da fast alle aber schon wieder in der Versenkung verschwunden sind, ist das eher von historischem Interesse. Auch wenn der Politiker Obama notgedrungen im Dunkeln bleibt, so erfährt der Leser noch ein pikantes Detail: Dass Obama seine spätere Frau Michelle in einer Anwaltskanzlei kennen lernte – als ihr Praktikant.

Peter Rudolf: Imperiale Illusionen. Amerikanische Außenpolitik unter Präsident George W. Bush. Baden-Baden: Nomos 2007, 219 Seiten, 29,00 €

Patrick Keller:Neokonservativismus und amerikanische Außenpolitik. Paderborn: Schöningh 2008, 344 Seiten, 29,90 €

Marcia Pally: Warnung vor dem Freunde. Tradition und Zukunft US-amerikanischer Außenpolitik. Berlin: Parthas Verlag 2008, 272 Seiten, 19,80 €

Christoph von Marschall: Barack Obama. Der schwarze Kennedy. Zürich: Orell Füssli Verlag 2008, 222 Seiten, 24,00 € .

Prof. Dr. STEPHAN BIERLING, geb. 1962, ist Professor für Internationale Politik mit dem Schwerpunkt Transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, May 2008, S. 135 - 137

Teilen

Mehr von den Autoren