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01. Febr. 2003

Südostasien als Operationsgebiet von Al Khaïda

Die Terrorgruppe von Al Khaïda hat zu regionalen islamistischen Gruppierungen besonders in Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen ein enges Netzwerk aufgebaut. Die gemeinsam mit den USA durchgeführten Antiterrormaßnahmen führen allerdings auf lange Zeit nur zur Eindämmung, nicht aber zum Sieg über den islamistischen Terrorismus.

Während das internationale Scheinwerferlicht in den vergangenen Jahren auf die Aktivitäten Osama Bin Ladens am Hindukusch gerichtet war, haben dessen Mittelsmänner relativ unbemerkt ihre Kontakte in Südostasien ausgebaut. Die Region bietet sich aus mehreren Gründen als Operationsgebiet an: Von den rund 517 Millionen Einwohnern (Stand: 2000) werden fast 40 Prozent dem muslimischen Glauben zugerechnet (siehe Tabelle auf S.36). Südostasien eignet sich schon von daher für die missionarischen, am „Heiligen Krieg“ orientierten Ziele von Al Khaïda.

Zwar gilt die große Mehrheit der Muslime als gemäßigt. Sozioökonomische Schwierigkeiten, enttäuschte politische Hoffnungen und eine entschiedene Ablehnung amerikanischer Hegemonialpolitik sorgen jedoch bei vielen Menschen für erhebliche Unzufriedenheit. Diese Frustrationen werden von Al Khaïda über ausgewählte islamische Wohlfahrtsvereine und Koranschulen instrumentalisiert, um Nachwuchs zu rekrutieren. Dabei sorgen oftmals schwache binnenstaatliche Strukturen, die rechtsfreie Zonen entstehen lassen, für die notwendige Handlungsfreiheit. Südostasien kommt daher als Ruhe- und Vorbereitungsraum zur Durchführung von Anschlägen sowie nach der Niederlage der Taliban auch als Rückzugsgebiet in Frage. Archipelstaaten wie Indonesien mit 13677 Inseln und die Philippinen mit 7107 Inseln bieten ideale Ausgangsbedingungen, um für längere Zeit unterzutauchen. Ein muslimisch geprägtes gesellschaftliches Umfeld erleichtert die Annahme einer Schläfer-Tarnung, was insbesondere für die zahlreichen indonesischen Gebiete mit einer arabischstämmigen Bevölkerung gilt.

Organisationsformen

Die Ursprünge der Zusammenarbeit zwischen Al Khaïda und regionalen Islamisten gehen auf den gemeinsamen Kampf gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans in den achtziger Jahren zurück. Erste Berührungspunkte gab es angeblich bereits 1988, als sich Muhammad Jamal Khalifa, ein Schwager Bin Ladens, in Südostasien aufhielt.1 Die Philippinen wurden in den neunziger Jahren zum Ausgangspunkt regionaler Aktivitäten.

Wie Al Khaïda heute in Südostasien organisiert ist, kann nur schemenhaft beschrieben werden. Zwar hat sich die Nachrichtenlage im Zuge zahlreicher Festnahmen verbessert. Fast alle Verlautbarungen der internationalen Presse müssen sich jedoch auf Verhörprotokolle beziehen, deren Wahrheitsgehalt nur schwer zu überprüfen ist. Undurchschaubar ist, ob inhaftierte Mitglieder von Al Khaïda die Wahrheit sagen oder gezielte Desinformation betreiben. Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass örtliche Behörden Aussagen verfremdet wiedergeben.

Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung:

Indonesien

87%

182,86 Millionen

Malaysia

53%

12,33 Millionen

Brunei

67%

0,22 Millionen

Länder mit größeren muslimischen Minderheiten:

Singapur

14,9%

0,60 Millionen

Philippinen

4,6%

3,48 Millionen

Thailand

4,6%

2,79 Millionen

Burma

3,6%

1,68 Millionen

Legt man die Strukturen zugrunde, die sich vor dem 11. September 2001 herausgebildet haben, dann lassen sich grundsätzlich zwei Organisationsebenen ausmachen: Während die Führung von Al Khaïda vertikal mit den von ihr eingerichteten Zellen kommuniziert (Kern), baut sie horizontal Kontakte zu regionalen islamistischen Gruppierungen auf (Netzwerk). An den Enden dieser beiden Achsen werden lokale Helfershelfer einbezogen (Peripherie). Möglich ist, dass Al Khaïda nach dem weit gehenden Verlust ihrer in Afghanistan aufgebauten Infrastruktur und infolge des weltweiten Fahndungsdrucks nur noch eingeschränkt operationsfähig ist.

Kommandoebene

Zur Kommandoebene sind Bin Laden und dessen engste Mitstreiter wie etwa sein Stellvertreter Ayman al-Zawahiri zu rechnen. Im Sommer 2002 kursierte das Gerücht, dass der Sitz von Al Khaïda nach Aceh (Indonesien) verlagert wird. Die dort dominierende Rebellengruppe, die „Gerakan Aceh Merdeka“, hat diese Vermutung allerdings zurückgewiesen. Auch gibt es Berichte, nach denen sich al-Zawahiri und der im November 2001 in den Kämpfen in Afghanistan umgekommene Mohammed Atef, ehemaliger Militärchef von Al Khaïda, im Juni 2000 in Indonesien aufgehalten haben. Dabei dürfte sondiert worden sein, ob sich das Gebiet als Zufluchtsort eignet. Derartige Aktivitäten deuten auf ein „wanderndes Hauptquartier“ hin, das im Bedarfsfall verlegt wird, wie etwa 1996, als Bin Laden aus Sudan nach Afghanistan zurückkehrte. Ein Ausweichen nach Südostasien erscheint insofern denkbar, als die Operation „Enduring Freedom“ die Bewegungsfreiheit der Al-Khaïda-Führung an ihrer alten Wirkungsstätte erheblich eingeschränkt hat. Amerikanische Spezialeinheiten durchkämmen weiterhin Afghanistan und das Grenzgebiet zu Pakistan. In Südostasien hat sie dagegen nur nationale Polizeikräfte zu befürchten, denn die regionalen Regierungen haben sich gegen Antiterroreinsätze unter direkter Beteiligung amerikanischer Soldaten ausgesprochen.

Zellen

Die Kommandoebene führt ihre Operationen durch nur wenige Mitglieder starke Zellen aus. Vorstellbar ist, dass diese nach einer ideologischen und militärischen Ausbildung sowie der Eröffnung finanzieller Zugangskanäle nicht zwingend Einsatzbefehle benötigen, da sie ihre Ziele kennen. Trifft dies zu, so sind die Islamisten auch dann handlungsfähig, wenn ihre Führung von den USA massiv unter Druck gesetzt wird. Die Bildung von Zellen könnte dadurch zugenommen haben, dass Mitglieder der einst 2000 Mann starken „Brigade 055“, die von Al Khaïda formiert worden war und an der Seite der Taliban-Truppen gekämpft hatte, Südostasien als Zufluchtsort gewählt haben.

Riduan Isamuddin, alias Hambali, gilt als regionaler Vertreter von Al Khaïda und soll bereits seit 1995 Terrorzellen in Südostasien aufbauen. Ihm werden Verwicklungen sowohl in die Anschläge vom 11. September als auch auf das amerikanische Kriegsschiff „USS Cole“ im Oktober 2000 nachgesagt. Hambali ist derzeit die meistgesuchte Person Südostasiens. Der Terrorismus-Experte Rohan Gunaratna vermutet, dass er sich Mitte Januar 2002 mit weiteren Mitgliedern von Al Khaïda im südlichen Thailand getroffen hat. Dort sei beschlossen worden, künftig verstärkt Nachtclubs, Bars und Cafés zu attackieren. Dies könnte der Beginn für die Vorbereitung des Anschlags auf Bali am 12. Oktober 2002 gewesen sein. Neben Hambali soll nach Einschätzung der CIA der im Juni 2002 festgenommene Omar al-Faruq eine ähnliche Rolle für Al Khaïda in Südostasien gespielt haben.

Netzwerk

Auf horizontaler Ebene dürfte Al Khaïda mit verschiedenen regionalen Gruppierungen vernetzt sein, wobei sie diese jedoch nicht zu dominieren versucht. Vielmehr werden ideologische Schnittstellen genutzt, an denen sich die missionarischen Vorstellungen Bin Ladens mit der Agenda südostasiatischer Vereinigungen decken. Die bekannteste ist die „Jemaah Islamiyah“, der nachgesagt wird, wenigstens in Indonesien, Malaysia, Singapur und dem Süden der Philippinen einen Islamischen Staat aufbauen zu wollen.2 Unklar ist, wie eng die Verbindungen dieser Gruppierung zu Osama Bin Laden tatsächlich sind. Ihr vermeintlicher Gründer, Abdullah Sungkar, soll ihn Anfang der neunziger Jahre in Afghanistan getroffen haben; CIA-Direktor George Tenet bezeichnete die Jemaah Islamiyah Mitte Oktober 2002 als „Anhängsel von Al Khaïda“. Abubakar Baasyir, der nach dem Tod Sungkars 1999 die Führung dieser Gruppierung übernommen haben soll, leugnet dagegen jede Verbindung und behauptet, dass die Jemaah Islamiyah gar nicht existiere. Er hat jedoch mehrfach offen Sympathie für Bin Laden gezeigt.

Baasyir ist zugleich Führer des im August 2000 in Yogjakarta gegründeten „Indonesia Mujahideen Council“ (Majelis Mujahideen Indonesia, MMI), vermutlich eine Art Dachverband islamistischer Gruppierungen in Indonesien. Über ihn werden möglicherweise Aktivitäten der „Laskar Mujahideen“ und der „Laskar Jundullah“ auf den Molukken sowie in Poso, wo Al Khaïda ein Trainingscamp unterhalten haben soll, koordiniert. Hambali gilt als operativer Chef der Jemaah Islamiyah. Er ist damit vermutlich auch Vorsitzender ihres vermeintlich bewaffneten Armes, der „Rabitatul Mujahideen“. Da Hambali weiterhin flüchtig ist, soll er von Ali Gufron, alias Mukhlas, ersetzt worden sein, der Anfang Dezember 2002 von der indonesischen Polizei im Zusammenhang mit den Anschlägen von Bali verhaftet werden konnte.

Al Khaïda soll ebenso Beziehungen zur „Kumpulan Mujahideen Malaysia“ (KMM) unterhalten, die wiederum eng mit der Jemaah Islamiyah zusammenarbeit und ähnliche Ziele verfolgt. Die Behörden in Kuala Lumpur werfen dem im Dezember 2001 festgenommenen Yazid Sufaat vor, der KMM anzugehören. Im Januar 2000 sollen sich Mitglieder von Al Khaïda, darunter zwei der Attentäter vom 11. September, Khalid al-Mhidhar und Nawaz al-Hazmi, in seiner Wohnung getroffen haben. Die Zusammenkunft war wahrscheinlich von Hambali organisiert worden. Angeblich hat Sufaat im September 2000 zudem Zacarias Moussaoui, der seit August 2001 in den USA inhaftiert ist und als verhinderter 20. Attentäter von New York und Washington gilt, beherbergt.

Abu Sayyaf

Im Bereich der Guerillaverbände dürfte Al Khaïda die ältesten Beziehungen zu den auf den Jolo-Inseln (Philippinen) aktiven Rebellen der „Abu Sayyaf“ haben, wobei jedoch gegenwärtig unklar ist, wie eng die Verbindungen noch sind.

Ihr Gründer, der Afghanistan-Veteran Abdurajak Abubakar Janjalani, soll zu Beginn der neunziger Jahre über persönliche Kontakte zu Bin Laden verfügt haben und mit Mohammed Jamal Khalifa befreundet gewesen sein. Ramzi Ahmed Yousef, mutmaßlicher Drahtzieher des ersten Anschlags gegen das World Trade Center vom Februar 1993, soll damals Mitglieder der Abu Sayyaf militärisch ausgebildet haben. Wahrscheinlich hat er die erste Zelle von Al Khaïda in Südostasien geleitet, die u.a. in die Planung eines Anschlags gegen den amerikanischen Präsidenten, Bill Clinton, 1995 in Manila verwickelt gewesen sein soll. Im selben Jahr wurde Yousef verhaftet.

Sowohl er als auch die Abu Sayyaf dürften über Khalifa finanziert worden sein, der zu Beginn der neunziger Jahre im Süden der Philippinen einen zur Rekrutierung neuer Anhänger geeigneten Wohlfahrtsverein, die „International Islamic Relief Organization“, gegründet hatte.

Al Khaïda soll des Weiteren über Verbindungen zum „Laskar Jihad“ verfügen, der bislang auf den Molukken und in Sulawesi (Indonesien) aktiv war. Ihr Anführer, Jafar Umar Thalib, hat zugegeben, Osama Bin Laden 1987 in Pakistan getroffen zu haben. Auch seien ihm von Vertretern von Al Khaïda im Sommer 2001 in seinem Hauptquartier in Ambon Gelder und Trainingskapazitäten angeboten worden. Er habe jedoch jede Kooperation abgelehnt, wenngleich bekannt ist, dass Thalib öffentlich Sympathie für die Ideologie der Taliban gezeigt und Kontakte zur KMM bestätigt hat. Unmittelbar nach den Anschlägen von Bali soll sich der Laskar Jihad aufgelöst haben, womit er wahrscheinlich möglichen Verhaftungen zuvorkommen wollte.

Von allen Separatismusverbänden dürfte die auf Mindanao (Philippinen) beheimatete „Moro Islamic Liberation Front“ (MILF) die umfassendsten Verbindungen zu Bin Laden haben. Südostasiatische Geheimdienste gehen davon aus, dass Al Khaïda in Camp Abubakar, das der MILF bis zur Erstürmung durch Regierungstruppen im Jahr 2000 als Hauptquartier gedient hat, ein eigenes Trainingscamp aufgebaut hatte. Gemeinsame Operationen könnten von Abu Zubaydah, der bis zu seiner Festnahme im März 2002 Operationschef Bin Ladens gewesen sein soll, und Hashim Salamat, Vorsitzender der MILF, koordiniert worden sein. Nachrichtendienste wollen regelmäßige Telefonate beider Personen abgehört haben. Da diese Gruppierung der Moros mit 11000 bis 15000 Kämpfern über einen der größten Guerillaverbände der Region verfügt, scheint sich eine Infiltration durch Mitstreiter Bin Ladens wesentlich mehr zu lohnen als etwa die Zusammenarbeit mit den zur kriminellen Gang mutierten Abu Sayyaf. Zu vermuten ist, dass Al Khaïda in Südostasien insbesondere über die Kontakte der MILF versucht, weitere islamistische Organisationen zu beeinflussen. Dies könnte dahingehend gesteigert werden, dass Bin Laden mit den Moros eine Partnerschaft eingeht, wie sie einst mit den Taliban bestand.

Regionale Gegenmaßnahmen

Die vom islamistischen Terrorismus betroffenen Staaten Südostasiens haben diverse verdächtige Personen festgenommen. Im Dezember 2001 wurden in Singapur 15 Personen verhaftet, von denen 13 der Jemaah Islamiyah zugerechnet werden. Acht von ihnen sollen eine militärische Ausbildung in einem Trainingscamp von Al Khaïda in Afghanistan erhalten haben. Durch die Festnahmen sind wahrscheinlich Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen in dem Stadtstaat vereitelt worden. Malaysia hat von Mitte 2001 bis November 2002 über 70 verdächtige Personen inhaftiert, die zur Jemaah Islamiyah oder zur KMM gehören sollen. Indonesien dagegen intensivierte seine Aktivitäten erst im Zuge des enormen internationalen Druckes nach den Anschlägen von Bali. Auf den Philippinen versucht die Regierung von Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo, mit polizeilichen und militärischen Maßnahmen gegen Abu Sayyaf vorzugehen. Bezüglich der MILF wird an der Hoffnung festgehalten, sie durch einen Friedensvertrag einbinden zu können.

Der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) hat mit einer Reihe von Erklärungen auf die Terroranschläge vom 11. September reagiert. Zu ihnen gehört die auf dem Gipfeltreffen von Brunei Darussalam am 5. November 2001 verabschiedete Erklärung zur Bekämpfung des Terrorismus.3 Die ASEAN-Staaten scheinen jedoch auf Grund der unterschiedlichen Dringlichkeit der Problematik nicht alle in gleichem Maße an einem Strang zu ziehen. So haben Indonesien, Malaysia und die Philippinen auf Initiative von Macapagal-Arroyo am 7. Mai 2002 ein Abkommen unterzeichnet, durch das sie ihre Aktivitäten zur Bekämpfung des Terrorismus intensivieren wollen.

Diesem Antiterrorpakt schlossen sich Thailand und Kambodscha an. Vereinbart wurde u.a. ein verstärkter Informationsaustausch, von dessen Durchführung maßgeblich abhängen wird, wie effektiv der Terrorismus bekämpft werden kann. Die Philippinen haben am 26. November 2002 zusätzlich beschlossen, den Import von Ammoniumnitrat, das zum Bombenbau geeignet ist, zu verbieten. Einhellig abgelehnt wurde dagegen in der Region ein Vorstoß des australischen Ministerpräsidenten, John Howard, der am 1. Dezember 2002 angekündigt hatte, gegen terroristische Gruppierungen künftig auch außerhalb seines Landes militärische Präventivschläge durchführen zu wollen.

US-Unterstützung

Im Frühjahr 2002 hatte der amerikanische Präsident, George W. Bush, mit der Entsendung von 1000 Militärberatern in den Süden der Philippinen die „zweite Front“ im Kampf gegen den Terrorismus eröffnet.4 Sie sollten dazu beitragen, die Truppen Manilas für deren Auseinandersetzungen mit Abu Sayyaf besser auszubilden. Die Rebellen konnten bis zum Ende des Manövers „Balikatan 2002–01“ im vergangenen Juli geschwächt, jedoch nicht militärisch besiegt werden. Die amerikanischen Streitkräfte hatten sich an den Kämpfen zwar nicht direkt beteiligt, Einsatzerfolge aber maßgeblich durch Unterstützung in den Bereichen Aufklärung, Kommunikation und Logistik ermöglicht. Engere Kooperationsmaßnahmen werden auch mit der indonesischen Armee angestrebt, die sich aber auf Grund von Restriktionen des amerikanischen Kongresses verzögern. Dieser verlangt u.a. eine Aburteilung derjenigen indonesischen Offiziere, die für die Ausschreitungen in Ost-Timor von 1999 verantwortlich sind.

Viel wichtiger als die Intensivierung der militärischen Kontakte ist die Kooperation der amerikanischen und der südostasiatischen Geheimdienste, die maßgeblich dazu beiträgt, dass verdächtige Personen festgenommen werden können. Diese und weitere Maßnahmen wurden am 1. August 2002 in der „United States of America–ASEAN Joint Declaration for Cooperation To Combat International Terrorism“5 festgehalten. Bestandteil der Zusammenarbeit ist der Versuch, das Vermögen terroristischer Vereinigungen einzufrieren, was weltweit bis Mitte November 2002 in einem Umfang von 113,5 Millionen Dollar geschehen ist.

Die Bush-Regierung hat in den vergangenen Monaten zudem mehrere Initiativen ergriffen, um das Eindringen von Terroristen aus Südostasien in die USA zu unterbinden. Dazu gehören eine Verschärfung des Visumrechts und die Container Security Initiative des U.S. Customs Service, zu der Singapur am 20. September 2002 als erster Akteur der Region beigetreten ist. Amerikanische Zollinspektoren haben nun im Stadtstaat die Möglichkeit, Handelsschiffe mit für die USA bestimmter Fracht zu kontrollieren.

In Washington scheint sich die Ansicht, dass Südostasien in den nächsten Jahren zu einer größeren Herausforderung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wird, zu verstetigen. Auf der vom amerikanischen Außenministerium herausgegebenen Liste der ausländischen Terrororganisationen (FTOs) befand sich vor dem 11. September neben Al Khaïda als einzige südostasiatische Gruppierung die Abu Sayyaf. Im August 2002 kamen die Communist Party of the Philippines und deren militärischer Arm, die New People’s Army, hinzu. Im Oktober setzte der amerikanische Außenminister, Colin L. Powell, auch die Jemaah Islamiyah auf die Liste der FTOs. Eine Intensivierung des Antiterroreinsatzes bietet sich zudem zur Verfolgung bestimmter Ziele im asiatisch-pazifischen Raum an. Die USA können auf diese Weise ihre militärischen Kontakte in der Region ausbauen, wodurch sie sich Standortvorteile gegenüber dem als „peer competitor“ betrachteten China verschaffen.

Terrorismus

Die Fähigkeiten der südostasiatischen Regierungen, ihre vielen Absichtserklärungen zur Bekämpfung des Terrorismus umzusetzen, erscheinen begrenzt. Viele Antiterroreinheiten sind schlecht ausgebildet und oftmals noch schlechter ausgerüstet. Zu vermuten ist, dass Kompetenzgerangel zwischen Polizei und Streitkräften ebenfalls zu Reibungsverlusten führt. Die betroffenen Regierungen müssen einen innenpolitischen Drahtseilakt vollziehen, wenn sie an der Seite Washingtons gegen Islamisten vorgehen und gleichzeitig nicht als Vasallen der USA erscheinen wollen. Die indonesische Präsidentin, Megawati Sukarnoputri, hat sich deshalb in der Bekämpfung des Terrorismus eher zurückhaltend gezeigt.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die südostasiatischen Staaten die Gefahr des Terrorismus nicht zu sehr betonen dürfen, weil sie sonst ihre Attraktivität als Tourismusziel und Investitionsstandort verlieren könnten. Schließlich wird die Effektivität von Antiterrormaßnahmen dort begrenzt, wo es Kumpaneien zwischen nationalen Streitkräften und Islamisten gibt. So wird vermutet, dass die indonesische Armee zur Gründung des Laskar Jihad beigetragen hat, damit dieser durch Anzettelung von Unruhen die neue demokratische Regierung als handlungsunfähig erscheinen lässt.

Die Bekämpfung des Terrorismus wird zudem durch die natürlichen Ausgangsbedingungen des „low intensity conflict“ erschwert. Der Gegner führt einen Krieg ohne Uniformen und Fronten, schlägt nach dem Prinzip des „hit and run“ zu und kann danach in der einheimischen Bevölkerung untertauchen. Da fast alle Gruppierungen dezentral agieren und untereinander nur lose verknüpft sein dürften, fällt eine Enttarnung von terroristischen Netzwerken äußerst schwer. Selbst wirtschaftlicher Wohlstand wäre kein Garant für eine Änderung der Lage, denn Islamisten wie Osama Bin Laden, der selbst Multimillionär ist, zeigen ja gerade, dass es ihnen nicht um Geld, sondern um einen „Heiligen Krieg“ gegen die Insignien des „ungläubigen“ Westens geht.

Südostasien wird sich darauf einstellen müssen, den islamistischen Terrorismus zwar eindämmen, nicht jedoch vollständig besiegen zu können.

Anmerkungen

1  Vgl. zu den ersten Kontakten zwischen Al Khaïda und Südostasien Rohan Gunaratna, Inside Al Qaeda. Global Network of Terror, London 2002, S. 174–204.

2  Vgl. zu den Hintergründen dieser Gruppierung International Crisis Group, Al-Qaeda in Southeast Asia: The Case of the „Ngruki Network“ in: Indonesia, Jakarta/Brüssel, 8.8.2002.

3  Diese Erklärung ist abgedruckt in: Internationale Politik, 2/2002, S. 105 ff; vgl. des Weiteren auch die Dokumentation in diesem Heft, S. 75 ff.

4  Vgl. Wagener, Second Front. Die USA, Südostasien und der Kampf gegen den Terrorismus, Universität Trier, Zentrum für Ostasien-Pazifik-Studien, Occasional Paper Nr. 16, Oktober 2002.

5  Text der Erklärung auf den Internetseiten des amerikanischen Außenministeriums: <http://www.state.gov/p/eap/rls/ot/12428.htm&gt;; vgl. den deutschen Text, S. 81 ff.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, Februar 2003, S. 35 - 42

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