IP

01. Juni 2007

Freihandel für Fortgeschrittene

Warum Deutschland es bisher versäumt hat, die Doha-Runde voranzubringen

Totgesagte leben länger: Das galt bislang für die Doha-Runde der WTO zur Liberalisierung des Welthandels. Doch ausgerechnet im Jahr des deutschen G-8-Vorsitzes ist Doha auf dem besten Weg, komplett zu scheitern. Deutschland hat es versäumt, seine Präsidentschaft zum Vorwärtskommen der Runde zu nutzen.

2007 ist ein entscheidendes Jahr für die zukünftige Gestaltung der internationalen Wirtschaftspolitik. „Jetzt oder nie“ heißt es insbesondere für die Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO). Gewiss, das ist schon oft über die Bemühungen zur Liberalisierung des Welthandels gesagt worden, die ihren Anfang im November 2001 in der Hauptstadt von Katar nahmen und von Anfang an unter einem schlechten Stern standen. Und immerhin konnten die Verhandlungen bislang nach jedem Scheitern und allen Vertagungen wieder aufgenommen werden. Derzeit scheint das allerdings unwahrscheinlicher als je zuvor.

Am 1. Juli endet die Vereinbarung, wonach der US-Kongress die vom amerikanischen Präsidenten vorgelegten internationalen Handelsabkommen nur noch als ganzes, d.h. ohne Änderungsanträge annehmen oder ablehnen kann. Ohne diese so genannte Trade Promotion Authority (TPA) können die Doha-Verhandlungen nicht in Erfolg versprechender Weise geführt werden, und im Moment deutet nichts darauf hin, dass die neue demokratische Mehrheit im Kongress Präsident Bush ohne entsprechende Gegenleistung eine neue TPA einräumen wird. Das politische Kapital, das die Regierung für Handelsangelegenheiten in die Waagschale werfen kann, ist begrenzt, und ein erneutes Schnellverfahren für WTO-Verhandlungen scheint umso unwahrscheinlicher, wenn man bedenkt, dass der Kongress mindestens noch ein weiteres Freihandelsabkommen verabschieden muss – das US-Korea Free Trade Agreement –, bevor die TPA ausläuft.

Allerdings beschränken sich die Probleme der Doha-Runde nicht auf die Vereinigten Staaten. Nicht nur in den USA, in den meisten Teilen der Welt sind derzeit Ermüdungserscheinungen in Sachen Handelsliberalisierung zu beobachten. In China etwa hat das wirtschaftliche Reformprogramm, Triebfeder für die umfassenden marktwirtschaftlichen Reformen der letzten Jahrzehnte, deutlich an Tempo verloren, und in Indien machen die liberalisierenden Tendenzen der neunziger Jahre zunehmend einem neuen Protektionismus Platz. Außerdem schürt der Rohstoffboom in einigen ressourcenreichen Ländern Wirtschaftsnationalismus und autoritäre Beggar-thy-neighbour-Politiken.

Derweil scheint Europa in der Spurrinne von trägem Wirtschaftswachstum und hoher Arbeitslosenrate festgefahren zu sein. Die allgemeine Reformträgheit hat inzwischen auch auf die Handelspolitik übergegriffen. Die vom Europäischen Parlament Ende des vergangenen Jahres verabschiedete Dienstleistungsrichtlinie hat sich als Bonsaiversion eines EU-weiten Dienstleistungsmarkts entpuppt. Der multilaterale Eifer ist in Europa deutlich zurückgegangen, und die Europäische Kommission tut sich bis jetzt schwer damit, eine angemessene Führungsposition in der Doha-Runde zu übernehmen. Nichtsdestotrotz bleibt ein erfolgreicher Ausgang der Runde eines der erklärten Hauptziele der EU-Außenhandelspolitik – allerdings ohne dass sich dieser vermeintliche Einsatz für Multilateralismus in der tatsächlichen Wirtschaftsstrategie widerspiegeln würde. Die EU hat ihre Handelspolitik mittlerweile fast ausschließlich auf bilaterale Freihandelsabkommen konzentriert und in letzter Zeit mit insgesamt 24 Ländern entsprechende Vereinbarungen getroffen. Das ist Bilateralismus – im großen Stil. Mag auch jeder einzelne dieser Freihandelsverträge seinen Sinn haben, die Chancen für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde werden dadurch verringert.

Unerfahrener Anführer

Zurückgehender Multilateralismus und heimlich zunehmender Bilateralismus – das sind die Zeichen, unter denen Deutschland die Führung von EU und G-8 übernommen hat. Dass es nun gerade die Deutschen sind, hat natürlich wenig mit der generellen Entwicklung der Handelspolitik zu tun, besitzt aber einen großen Symbolwert. Deutschland ist, was globale Wirtschaftspolitik anbelangt, ein eher unerfahrener Anführer. Natürlich, das Land ist Exportweltmeister und spielt wirtschaftlich ganz oben mit – aber nennenswertes Interesse an multilateraler Wirtschaftspolitik hat es nur selten gezeigt, schon gar nicht an der globalen Handelspolitik. Die deutsche Außenhandelspolitik hat seit Ende des Zweiten Weltkriegs einen deutlich regionalen Charakter, ihre wirtschaftlichen Ambitionen waren immer stark auf die europäische Integration ausgerichtet. Eine erfolgreiche Strategie: Die wirtschaftliche europäische Integration hat das Wirtschaftswachstum beflügelt, es folgte die erfolgreiche politische Integration, deren Ausdruck zwei große Erweiterungen waren.

Nun gibt es natürlich auch mit Blick auf die europäische Wirtschaftsintegration noch einiges zu tun; aus dem globalen Blickwinkel betrachtet aber würde Deutschland wesentlich stärker von einer weltweiten Ausweitung seiner Wirtschaftspolitik profitieren. Deutschlands Handel findet heute in einem anderen Kontext statt als während und unmittelbar nach dem Kalten Krieg. Der führende Exportmotor Europas ist heute global engagiert, doch seine Politik bleibt den Zielen der europäischen Integration aus den Zeiten Adenauers oder Kohls verhaftet.

Die deutsche G-8-Präsidentschaft dokumentiert die Unerfahrenheit des Landes als globaler Akteur. Seine G-8-Agenda etwa ist, angefangen mit dem vorläufigen Plan vom Oktober 2006, ein beliebiges Dokument ohne klare Prioritäten und Strategien geblieben, mit wahllos aus allen Politikbereichen herausgepflückten Themen und Zielen, denen ständig neue Punkte hinzugefügt wurden.1 Eine Inflation dieser Art ist sicherlich ein allzu häufig anzutreffendes Phänomen. Doch im Falle der deutschen G-8-Präsidentschaft hat es einen Beigeschmack, da die G-8-Prioritäten häufig in einem Atemzug mit denen der deutschen Ratspräsidentschaft diskutiert werden. In vielen Fällen fällt es Beobachtern schwer zu verstehen, ob bestimmte Entwürfe und Ideen in einem EU- oder in einem G-8-Kontext betrachtet werden sollen. Natürlich gibt es Themen, die sich überschneiden, jedoch hat die deutsche Regierung großen Wert darauf gelegt, beide Agenden nicht zu vermischen. Das ist durchaus verständlich, denn breit angelegte Agenden mit mehreren Aufgaben und Schwerpunkten bergen die Gefahr, die eigentliche Strategie zu unterminieren. Doch es ist nur bis zu einem bestimmten Grad nachvollziehbar. Denn die Trennung ist auch das Produkt eines geradezu exzessiven Schubladendenkens der deutschen Bürokratie. Indem Deutschland „Yin“ und „Yang“ im Jahr seiner Präsidentschaften überhaupt nicht miteinander verbunden hat, hat das Land eine Chance versäumt, beide Agenden miteinander zu verflechten.

Ebenso problematisch ist die Tatsache, dass Themen in das G-8-Programm aufgenommen worden sind, die zeigen, dass man die komplizierten Mechanismen der Koordinierung von internationaler Politik ignoriert hat. Nur sehr wenige Elemente der deutschen G-8-Agenda bestehen den Lackmustest für erfolgreiches politisches Handeln auf der internationalen Bühne. Das trifft besonders auf die Programmpunkte zu, die Kanzlerin Merkel als Kernstücke der Agenda hervorgehoben hat: Innovation und Investition, Verminderung des globalen Ungleichgewichts, Verbesserung der transatlantischen Beziehungen und Partnerschaftsabkommen zwischen afrikanischen Ländern und G-8-Staaten.

Bei den Begriffen Innovation und Investition geht es vorrangig um die Freiheit zu investieren und die Durchsetzung von geistigem Eigentumsrecht. Beides sind durchaus Themen von Belang, aber nicht so sehr für die G-8-Mitglieder – ausnahmslos entwickelte Länder –, sondern eher für die Entwicklungsländer. Themen, deren Reformen praktisch ausschließlich die Nicht-G-8-Staaten angehen. Für solche Ziele braucht man ein anderes Umfeld.

Das Ziel der Verminderung des globalen Ungleichgewichts geht auf die Tradition der G-8-Staaten zurück, in laufende Kredit- und Währungsangelegenheiten einzugreifen. Doch wie groß ist die Relevanz einer G-8-Agenda, wenn es unter den Mitgliedern eine deutliche Meinungsverschiedenheit über die Ursache und Bedeutung dieses Problems gibt? Und welche Mittel haben die G-8-Staaten zur Verfügung, um das Ungleichgewicht zu korrigieren, ohne die Weltwirtschaft zu schädigen?

Angeschlagene Weltordnung

Anders verhält es sich mit dem dritten Thema, der Verbesserung der transatlantischen Beziehungen. Es ist kein G-8-Thema, aber Angela Merkel hat die G-8-Präsidentschaft genutzt, um für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit auf beiden Seiten des Atlantiks zu werben, eine Zusammenarbeit, die entscheidend dazu beitragen soll, das transatlantische Verhältnis generell zu verbessern. Merkels Bemühungen waren erfolgreich: Ihre Initiative wurde auf beiden Seiten des Atlantiks befürwortet und stand bereits auf der Agenda des EU-USA-Gipfels im April.

Diese Initiative muss man im Kontext eines angeschlagenen Systems für WTO-Verhandlungen und deutscher wirtschaftlicher Strategien im Außenhandel betrachten. Die Doha-Runde befindet sich nahezu seit ihrer Gründung in einer Krise. Sie ist das Produkt einer besonderen Neigung zu internationaler Zusammenarbeit nach dem 11. September. Ein Zyniker könnte sagen, ohne die Tragödie des 11. September hätte es die Doha-Runde niemals gegeben. Jedoch war der „Post-9/11-Kitt“ nicht imstande, die Runde dauerhaft zusammenzuhalten. Abgesehen von der erheblichen Verlangsamung externer Liberalisierungsprozesse in den vergangenen Jahren gibt es weitere strukturelle Probleme in der Weltwirtschaftsordnung, die das Erreichen von ehrgeizigen multilateralen Zielen deutlich unwahrscheinlicher machen.

Als erstes strukturelles Problem ist die Beeinträchtigung der Beschlussfähigkeit der WTO zu nennen – eine Folge der beträchtlichen Erweiterung des Mitgliederkreises in den letzten zwei Jahrzehnten. Die multilaterale Handelsordnung der Nachkriegsjahre war eindeutig westlich bestimmt und stützte sich auf Europa und die Vereinigten Staaten. Das GATT-Abkommen, der Vorgänger der WTO, war eine kleine, „klubähnlich“ organisierte Vereinigung von Ländern, die auf einer Entwicklungsstufe standen und ähnliche Produktionsstrukturen besaßen. In diesem Rahmen funktionierten die Mechanismen der Gegenseitigkeit ziemlich gut: Länder tauschten untereinander „Konzessionen“ für den Marktzugang aus. Die Dillon-Runde der frühen und insbesondere die Kennedy-Runde der späten sechziger Jahre führten zu erheblichen Zollsenkungen, und die Verhandlungen dauerten nur wenige Jahre.

Die Erweiterung der WTO-Mitgliedschaft bezieht sich nicht nur auf die Anzahl der Teilnehmer. Ebenso wichtig ist die daraus resultierende Zunahme von unterschiedlichen Interessen. So ist die WTO eine Vereinigung für den Abbau von Handelsbarrieren; das aber ist ein Ziel, das viele Mitglieder nicht guten Gewissens befürworten können. Die WTO ist auch ein Marktplatz für Geschäfte, aber ein erheblicher Teil der Mitgliedsstaaten sieht in der Organisation eher einen Marktplatz für Rechte – einen einseitigen Zuteilungsmechanismus von Handelsvergünstigungen und Unterstützungsmaßnahmen. Solche Rahmenbedingungen machen die multilaterale Liberalisierung von Handel äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich.

Es kommt noch hinzu, dass sich die Transformation des GATT-Abkommens in die Welthandelsorganisation mit Blick auf die betroffenen Sektoren schwierig gestaltete. Diente das GATT-Abkommen dem Zollabbau und der Einschränkung der außertariflichen Zölle im Güter- und Industriesektor, so hat die WTO wesentlich breiter angelegte Aufgabenbereiche. Sie bezieht sowohl den Agrar- als auch den Dienstleistungssektor mit ein und berücksichtigt regulative Strukturen. Diese Ausweitung spiegelt die generelle wirtschaftliche Entwicklung wider, insbesondere die wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors.

Geschäft auf Gegenseitigkeit

Die Doha-Runde beruht auf der Idee eines umfassend angelegten Geschäftsabkommens auf Gegenseitigkeit. Entwicklungsländer sollen besseren Zugang zu den Märkten der reichen Länder für landwirtschaftliche und halbindustrielle Produkte bekommen; im Gegenzug sollen die Industrieländer sowohl besseren Zugang zu den Märkten anderer reicher Länder für Dienstleistungen und Hightech-Produkte erhalten als auch zu den entsprechenden Märkten der Entwicklungsländer. Das liest sich gut auf dem Papier, doch es hat sich als äußerst schwierig erwiesen, diesen multisektoralen Austausch in die Praxis umzusetzen. Nur ein Beispiel: In der GATT-Ära war es arbeitslos gewordenen Arbeitnehmern recht leicht möglich, neue Jobs im selben Industriezweig zu finden. Dabei handelte es sich um einen Transfer innerhalb desselben Sektors, sodass keine Umschulungen für andere Wirtschaftsbereiche notwendig wurden. Der multisektorale Transfer hingegen, der in den neuen Handelsstrukturen vorgesehen ist, erfordert einen Arbeitsplatzwechsel zwischen verschiedenen Wirtschaftszweigen; d.h. zum Beispiel, dass ein arbeitsloser Bauer einen Beruf im Industrie- oder Dienstleistungssektor finden müsste.

In Wirklichkeit ist der Transfer zwischen Handel und Arbeit keineswegs so sauber und geradlinig wie es sich in der Theorie liest. Doch Handelspolitik ist ohnehin keine direkte Umsetzung von Handelstheorie und beruht auch nicht auf Erfahrungswerten. Handelspolitik wird in einem zunehmend politisierten Umfeld betrieben, in dem die Auswirkungen von Handel auf die Arbeitswelt immer wieder Anlass für Polemiken sind. Dies hat die technischen Schwierigkeiten beim Übergang von einer intersektoralen hin zu einer multisektoralen Struktur erheblich verstärkt.

Leichtfertiges Versäumnis

Die deutsche Regierung hat es versäumt, die Doppelpräsidentschaft zum Vorwärtskommen der Doha-Runde zu nutzen – das war ein Fehler. Deutschland hat eine Schlüsselrolle in der EU-Außenhandelspolitik und ist gleichzeitig eines der Länder, die ihre Position substanziell verändern müssen, vor allem in der Agrarpolitik, da sonst kein echter Fortschritt erzielt werden kann. Doch das ist ein Fehler, der ganz bewusst begangen wurde – teilweise sogar aus verständlichen Gründen: Die Verhandlungsnotlage kann nicht allein durch ein Eingreifen der deutschen Regierung beseitigt werden.

Angela Merkels Außenhandelsstrategie steht eher im Zeichen einer Erneuerung des wirtschaftlichen Zusammenschlusses der transatlantischen Beziehungen. Dies ist bezeichnend für die auswärtige Wirtschaftspolitik Deutschlands: Dem Regionalismus der Zeit nach dem Kalten Krieg folgt keine multi-laterale Strategie, stattdessen entscheidet man sich erneut für einen regionalen Kontext, um Handelspolitik zu betreiben. Nun ist eine transatlantisch geregelte Harmonisierung durchaus eine ansprechende Idee. Dennoch wäre es naiv zu glauben, dass solche Verhandlungen einfach wären. In der Vergangenheit sind die Bemühungen, die transatlantische wirtschaftliche Integration zu vertiefen, immer wieder gescheitert. Seit dem EU-USA-Gipfeltreffen in Madrid im Jahr 1995 steht der transatlantische Markt auf der Agenda, aber jegliche Bemühungen um ernsthafte Verhandlungen haben gezeigt, dass es sich um zwei verschiedene Kulturen handelt, was die Einstellung zu Regelung generell und zur Harmonisierung von Regelungen angeht.

Transatlantische Gespräche haben auch darunter gelitten, dass das ganz große Ziel fehlte. Bescheidene Ambitionen im kleineren Rahmen sind technisch gesehen wahrscheinlich realisierbarer als das umfassende Ziel eines gemeinsamen Marktes. Aus dem Blickwinkel der Politik jedoch können begrenzte Agenden schwerer voranzutreiben sein, da sie insgesamt weniger Gewinn abwerfen. Und auch die begrenzte Strategie führt, selbst wenn sie behutsam umgesetzt wird, zu Verlusten von Arbeitsplätzen oder Privilegien für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Solche Verluste sind politisch schwer zu „verkaufen“, da sie nicht durch einen größeren Gewinn für alle aufgewogen werden.

Die Schaffung eines gemeinsamen Marktes ist deshalb eine Alternative zu einer begrenzten Strategie. Offenbar gehen Kanzlerin Merkels Bemühungen in diese Richtung, aber technisch gesehen ist es die wesentlich mühsamere Variante. Es würde nicht nur zu einer umfangreichen Harmonisierung in sensiblen Politikbereichen führen (Umweltregelungen, Kartellpolitik etc.), sondern auch zur Liberalisierung auf dem Agrarsektor, und das in einem Ausmaß, das weder die amerikanischen noch die europäischen Bauern befürworten würden. Mit einer solchen Agenda wären auch multilaterale Vorbehalte verbunden. Ein Präferenzabkommen zwischen den beiden weltgrößten Handelsblöcken würde die Bedeutung der WTO erheblich untergraben. Eine offene Einladung an andere Länder, sich solch einem gemeinsamen Markt anzuschließen, oder eine Multilateralisierung eines solchen Abkommens würde die Gefahr einer Handelsumlenkung und eines transatlantischen „Handelsbollwerks“ verringern. Jedoch müssten sich andere Länder an den Bedingungen der Amerikaner und Europäer orientieren und sich ihren Maßstäben unterordnen.

Das alles soll keine Ablehnung eines transatlantischen Marktes bedeuten – ein gemeinsamer Handel würde zweifellos erhebliche wirtschaftliche und politische Vorteile haben.2 Aber Ziele dieser Art sollten realisierbar und förderlich für die Handelsliberalisierung und die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik sein. Es gilt, eine Strategie zu entwickeln, die die negativen Auswirkungen auf die WTO und Drittländer abfedert. All das fehlt bis jetzt noch in der Initiative von Kanzlerin Merkel. Wenn es die deutsche Regierung wirklich ernst meint mit dieser Initiative als erstem Schritt zu einem gemeinsamen Markt, dann wird es höchste Zeit, eine überzeugende Strategie zu entwickeln und einen Maßstab für die deutsche Außenhandelspolitik zu bestimmen.

FREDRIK ERIXON, geb. 1973, ist Direktor des European Centre for International Political Economy (ECIPE).

Prof. Dr. ANDREAS FREYTAG,   geb. 1962, ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Jena und Senior Fellow am ECIPE.
 

  • 1Fredrik Erixon und Andreas Freytag: Germany and the G8 Presidency, ECIPE Policy Briefs 02/2007, Brüssel.
  • 2Juergen B. Donger, Andreas Freytag und Ralf Zimmermann: TAFTA: Assuring its Compatibility with Global Free Trade, The World Economy, 1997 Supplement: Global Trade Policy, August 1997, S. 567–580.
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, Juni 2007, S. 58 - 65.

Teilen

Mehr von den Autoren