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01. März 2008

Es ist noch nicht vorbei

Brauchen wir jetzt Fiskalprogramme zur Konjunkturstimulierung?

Diese Finanzmarktkrise wird wohl unter dem Stichwort „Subprime“ in die Geschichtsbücher eingehen. Dieses vergleichsweise kleine Segment zweitklassiger Hypotheken in den USA hat bereits Schlagzeilenkarriere gemacht. Die Ausleihungen für die Baufinanzierung für Schuldner mit unregelmäßigem Einkommen, negativer Kredithistorie und relativ geringem Vermögensbesitz gerieten in Schwierigkeiten, als die US-Zinsen stiegen und die Häuserpreise – nach sehr langem Anstieg – zu fallen begannen. Durch diese Entwicklung sahen sich einige Schuldner in Schwierigkeiten, die Hypotheken zu bedienen. Das löste Zwangsvollstreckungen aus, die den Verfall der Häuserpreise beschleunigte. Angesichts dieser Marktlage gerieten die Verbriefungen der gebündelten Subprime-Kredite in eine Vertrauenskrise. Ihre in der Regel kurzfristige Refinanzierung über Commercial Papers kam ins Stocken. Besonders große Wertverluste waren in außerbilanziellen Investmentvehikeln – so genannten SIV’s – eingetreten. Das alles führte zu einem außergewöhnlichen Liquiditätsbedarf. Dies sorgte auch bei völlig gesunden Assets für Wertverluste, etwa deshalb, weil man fungible Aktien verkaufte, um rasch Liquidität zu erhalten. Da viele Finanzinstitute nicht genau wussten, welche Liquiditätserfordernisse auf sie möglicherweise zukommen würden, waren sie nicht mehr bereit, vorhandene Liquidität  dem Geldmarkt zur Verfügung zu stellen – nicht einmal kurzfristig.

Bei der Liquiditätsversorgung hat sich die Europäische Zentralbank als die am professionellsten handelnde und kommunizierende Institution erwiesen. Die amerikanische Zentralbank war dagegen langsamer, und es offenbarten sich zudem Unzulänglichkeiten im geldpolitischen Instrumentarium der Fed. In England haben sich die Zentralbank und die Aufsichtsbehörde bei der Lösung der Schwierigkeiten mit der Bank „Northern Rock“ nicht mit Ruhm bekleckert.

Überraschend hat die Subprime-Krise auch schon sehr schnell tiefe Spuren im deutschen Bankengewerbe hinterlassen. Die existenziellen Probleme zweier Banken mit Beteiligung der öffentlichen Hand wurden – was die Eigenkapitalausstattung, die Sicherung der Kundenforderungen und das Auswechseln des Managements betrifft – vergleichsweise geräuschlos und rasch gelöst. Die tiefsten Spuren hinterließ das Subprime-Debakel bei einer Reihe amerikanischer Banken, freilich nicht bei allen. In Europa waren die Einschläge dagegen deutlich selektiver, aber bei besten Schweizer und französischen Adressen durchaus sehr einschneidend. Neues Eigenkapital von (weit) außen, so auch von bislang eher skeptisch betrachteten Staatsfonds, hat die Eigentümerstrukturen dramatisch verändert.

Bis auf wenige Ausnahmen hat die Subprime-Krise bislang auf Asien oder andere Schwellenländer wenig Auswirkungen gehabt. Möglicherweise haben die dort vor Ort guten Investitionsgelegenheiten Verbriefungen aus dem Subprime-Bereich nicht so attraktiv erscheinen lassen wie in den USA oder Europa. Wie geht es weiter? Mehr als ein halbes Jahr nach Ausbruch der Krise sind der Interbankenmarkt und viele Verbriefungsmärkte für strukturierte Finanzierungen noch immer nicht wieder voll funktionsfähig. Nach wie vor greifen Zentralbanken ein, um die Liquiditätsversorgung am Geldmarkt sicherzustellen. Im Januar haben sich erneut krisenhafte Zuspitzungen ergeben, die Aktienmärkte sind eingebrochen. Das gegenseitige Vertrauen der Marktteilnehmer ist noch immer nicht wieder hergestellt, noch immer wird über weitere Forderungsausfälle spekuliert, klemmen wichtige Teile des Kapitalmarkts.

Es ist offenkundig, dass die Finanzmarktkrise Folgen für die Realwirtschaft hat. Der Fokus auf den Subprime-Markt verstellt dabei aber den Blick für die eigentlichen Herausforderungen. Wir sind in der Korrekturphase für viele Immobilienmärkte. Auch die Prime-Märkte leiden unter dem fortgesetzten Verfall der Immobilienpreise. Und die Korrekturbewegung erfasst neben den USA bereits andere Länder wie etwa England, Spanien, Australien und Irland. Die sinkenden Häuserpreise sorgen nicht nur für eine Krise am Immobilienmarkt und in der Bauwirtschaft, sondern auch – wegen der sinkenden Vermögen und der deshalb niedrigeren Kreditwürdigkeit – für eine Schwächung der Konsumausgaben. Das gilt vor allem in englischsprachigen Ländern, wo kreditfinanzierte Konsumausgaben eine vergleichsweise große Bedeutung haben. So nimmt es nicht wunder, dass in diesen Ländern trotz einer Inflation, die oberhalb der Zielmarke der Zentralbanken liegt, die Zinsen herabgesetzt werden.

Immer öfter wird in der konjunkturellen Debatte von einer möglichen Rezession gesprochen, vor allem in den USA. Auch in anderen Ländern wird die Notwendigkeit erörtert, wie in den USA Zinsen zu senken und ein Fiskalprogramm zur Konjunkturstimulierung auf den Weg zu bringen. Der IWF rät zu letzterem, insbesondere in jenen Ländern, die im Verlauf der letzten Jahre ihre Staatsverschuldung erfolgreich in den Griff bekommen haben. Solcher Rat sollte nur nach sehr sorgfältiger Prüfung befolgt werden. Möglicherweise brauchen wir solche stimulierende Makropolitik nicht. Wir sollten nämlich nicht übersehen, dass viele Schwellenländer wirtschaftlich robuster sind als früher und dass viele Überschussländer reichlich anlagebereite Mittel besitzen, um die angeschlagenen Unternehmen zu stabilisieren.

Prof. Dr. NORBERT WALTER,  geb. 1944, ist Chefvolkswirt  der Deutsche Bank Gruppe in Frankfurt am Main; www.norbert-walter.de.