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01. Dez. 2006

Immobilienpreise und Konjunktur

Profitiert bald auch Deutschland von steigenden Wohnungspreisen?

Die Preise für deutsche Wohnimmobilien stagnieren seit zehn Jahren; vielerorts gingen sie sogar spürbar zurück. Die Gründe für diese unbefriedigende Entwicklung sind vielfältig: geringe Einkommenszuwächse, rückläufige Baupreise im Zuge der anhaltenden Baurezession sowie ein verlangsamter Zuwachs der Haushaltszahlen. Dies konnten die niedrigen Zinsen nicht kompensieren. Hat diese Immobilienkrise die Konjunkturschwäche mitgeprägt?

Zunächst: Wenn man in Deutschland über Immobilienpreise nachdenkt, entsteht selten die Assoziation mit der Konjunktur. Dies ist bemerkenswert, denn es gibt sogar eine wechselseitige Beziehung zwischen Konjunktur und Immobilienpreisen: Expandierende Einkommen lassen die Immobilienpreise steigen. Im nächsten Schritt beflügeln die Wertzuwächse den privaten Konsum. Dies hört sich reichlich theoretisch an. Ist es aber nicht. Ein Blick über die Landesgrenzen kann dies veranschaulichen: In den USA haben sich die Hauspreise binnen zehn Jahren verdoppelt. Ähnliches ereignete sich auch in Spanien, Frankreich, Schweden sowie in zahlreichen osteuropäischen und asiatischen Ländern. Dass in einigen Ländern der Bogen mittlerweile überspannt ist, wird wohl nur noch von den professionellen Optimisten der Immobilienbranche bezweifelt. Und in diesen Ländern sank die Sparneigung und expandierte der Verbrauch außerordentlich munter.

Ganz besonders offenkundig ist dieser Wirkungszusammenhang in den USA. Dort ist nicht nur die Datenlage besonders gut und sind Immobilien- und Finanzsektor sehr professionell. Die vielfach mit flexiblen Zinsen vereinbarten Hypothekenverträge und eine stark wachsende Angebotspalette bei Finanzierungsinstrumenten ermöglichten den privaten Haushalten attraktive Umschuldung und neue Beleihungen ihrer werthaltigen Häuser. Die US-Notenbank unterstützte dies lange Zeit mit sehr günstigen Refinanzierungskonditionen. Die amerikanischen Konsumenten konnten also steigende Immobilienpreise direkt durch Hypothekenauszahlungen in höheren Konsum übersetzen.

Weil der Trend steigender Hauspreise in den USA über ein Jahrzehnt andauerte, hielt man ihn wohl bereits für ein allgemeingültiges Gesetz. Jetzt aber weiß man, dass dies eine Täuschung war: Die US-Preise haben ihren Höhenflug beendet, und prompt reagierten die Häuslebauer und Auto- und Möbelkäufer mit Kaufzurückhaltung. Da erfahrungsgemäß die volle Wirkung der Hauspreisentwicklung auf die Konsumausgaben erst ein Jahr später eintritt, dürfte uns die schlimmste Kaufabstinenz sogar noch bevorstehen.

Dennoch: Ein Schreckensszenario, in dem die Abkühlung des Wohnungsmarkts die US-Wirtschaft in eine Rezession zieht, ist keineswegs zwangsläufig. Mehrere automatische Stabilisatoren werden die Preisrückgänge auf den Wohnungsmärkten dämpfen. So wird die stark rückläufige Bautätigkeit zwar für 2007 und 2008 zunächst zur Last; sie reduziert jedoch den Angebotsüberhang und bringt so auf Sicht einiger Jahre einen Marktausgleich auf den Wohnungsmärkten. Darüber hinaus bestimmen die Zinsen das weitere Geschehen. Die weitere Zinsentwicklung hängt entscheidend vom Anlageverhalten der asiatischen Überschussländer (insbesondere der japanischen und chinesischen Zentralbank) und den (neu)reichen Rohstoff- und Energieexporteuren ab. Werden diese weiterhin bevorzugt liquide US-Rentenwerte erwerben, bleibt dem amerikanischen Wohnungsmarkt der Ernstfall erspart, denn dann bleiben die Zinsen niedrig. Würde sich dieses Anlageverhalten jedoch ändern und käme der Dollar unter Druck, müsste der Immobilienmarkt deutlich höhere Zinslasten tragen und würde die ausgelöste Konsumschwäche ausgeprägter.

Wie werden sich nun die anderen heiß gelaufenen Wohnungsmärkte entwickeln? Erzwingt die Schieflage in den USA automatisch eine noch schmerzvollere Anpassung in Ländern wie Spanien oder Großbritannien, wo ja die Wohnungspreise noch viel stärker gestiegen sind? Die Antwort darauf ist eher nein. Insbesondere in Euroland werden Zinssteigerungen durch die Eurostärke wohl vermieden. Daraus abzuleiten, eine mögliche Rezession in den USA würde die Weltkonjunktur nur wenig treffen, wäre indessen falsch. Die Beeinflussung erfolgt über andere Kanäle, so vor allem über die Exporte und die Stimmungsverschlechterung bei den Investoren. Und dies würde das Hauspreiswachstum in vielen Ländern – im günstigen Fall – deutlich abschwächen.

Und Deutschland? Bei uns nähert sich eine langjährige Schwächephase in der Immobilienwirtschaft ihrem Ende. Sind nun die konjunkturellen Besserungstendenzen Anlass für eine trendmäßige Genesung der Wohnungsmärkte und somit auch des Konsumklimas? Dies wäre wahrlich wünschenswert. Und in der Tat: Nicht nur die mäßige Bautätigkeit spricht für mittelfristig steigende Wohnungspreise. Auch die zunehmende Konkurrenz auf den Hypothekenmärkten öffnet vielen Konsumenten neue Möglichkeiten. Das Produktangebot wird breiter und flexibler. Dadurch werden neue Käufergruppen erschlossen, und diese zusätzliche Nachfrage wirkt tendenziell preissteigernd. Ob jedoch bereits 2007 signifikante Preiszuwächse zu erwarten sind, ist fraglich. Denn die Bundesregierung belastet mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte den Konsum und lässt die Bürger mit dem Reformstillstand in Unsicherheit über ihre Zukunft.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 12, Dezember 2006, S. 88-89

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