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01. Juni 2004

Bündnis in Bedrängnis

Die NATO in ihrer größten Bewährungsprobe

Die NATO, die institutionelle Verkörperung des transatlantischen Bündnisses, der noch unlängst die Totenglocke geläutet wurde, ist heute bemerkenswert aktiv. Doch die Allianz, so Constanze Stelzenmüller, Redakteurin der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit, steht jetzt vor größeren Herausforderungen als jemals zuvor. Zwar sei der alte Feind verschwunden, doch sehe sich die NATO einem breiten Spektrum diffuser Risiken und Gefahren gegenüber, von Netzwerken der Organisierten Kriminalität über Terrorismus bis hin zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Für eine Organisation, der vor fast zwei Jahren
allseits das Totenglöcklein geläutet wurde, ist die
NATO heute bemerkenswert aktiv. Sie hat gerade sieben neue
Mitglieder aufgenommen; in der afghanischen Hauptstadt Kabul
leitet sie eine Stabilisierungsoperation, die auf mehrere
Provinzzentren ausgedehnt werden soll; im Mittelmeer
unterhält sie einen maritimen Einsatz; schließlich
unterstützt sie die polnische Führung der
multinationalen Division in Südirak. Auf dem Istanbuler
Gipfel Ende Juni soll – wenn es nach Washington geht
– eine erweiterte Rolle der NATO in Irak diskutiert
werden. Nicht nur das, die USA sähen die NATO am liebsten
als Stabilitätsfaktor im gesamten Nahen und Mittleren
Osten.

Die Frage ist nur: Was geschah hier wirklich? War die
Diagnose falsch? Wurde ein schwer kranker Patient mit Hilfe der
richtigen Behandlung wiederbelebt? Oder handelt es sich um
jenen Zustand von euphorischem Aktivismus, verbunden mit
Sinnestäuschungen, der manchmal kurz vor dem Exitus
auftritt?

Ein Grund für das tragische Händeringen bei jeder
neuen Krise mag an einer verbreiteten Neigung liegen, die
Stabilität des transatlantischen Bündnisses –
dessen institutionelle Verkörperung die NATO ist –
im Rückblick zu verklären. Im Kalten Krieg, so das
Klischee, standen alle für einen und einer für alle
ein, und das ununterbrochen über 40 Jahre hinweg. In
Wahrheit hat die NATO wiederholt heftige Werte-, Meinungs- und
Interessendivergenzen ausgleichen müssen. Der NATO-Rat als
permanentes Verhandlungsforum; das Konsensprinzip; eine eigene
politische und militärische Bürokratie; integrierte
Führungs- und Kommunikationsverfahren;
regelmäßige gemeinsame Übungen; nicht zuletzt
die westliche „security community“, die dadurch mit
entstand: Dies alles machte es möglich, stets aufs Neue zu
einer gemeinsamen Position zu finden. Diese Fähigkeit zur
Anpassung und Selbsterneuerung war mit die größte
Stärke der Allianz. Richtig ist aber auch, dass die NATO
heute vor größeren Herausforderungen steht als je
zuvor.

Da ist zunächst die Erweiterungsdynamik: Mit dem
Warschauer Pakt verschwand auch die Ostgrenze der NATO. Und da
alle in den Club der Sieger wollen, wird der Beitrittsdruck
auch nach den beiden jüngsten Erweiterungsrunden1
fortbestehen. Es ist sogar im eigenen Sicherheitsinteresse der
NATO, ihre Erfolge bei der Westanbindung junger Demokratien
(Griechenland, Spanien, Portugal) nach Südosten (Serbien,
Kroatien, Bosnien, Mazedonien, Albanien) und nach Osten
(Ukraine, möglicherweise Weißrussland)
auszudehnen.

Allerdings schafft die Erweiterung auch neue Probleme,
politisch wie militärisch: Wie soll eine Organisation, in
der jedes Mitglied ein Vetorecht hat, zu 26 oder mehr noch
Entscheidungen treffen können? Die NATO hat zwar reiche
Erfahrung damit, die Vorbereitung von Entscheidungen an
informelle Gremien wie die Kontaktgruppe, die Quart o.ä.
weiterzureichen. Doch das verlangte schon zuvor allen
Beteiligten ein geradezu heroisches Ausmaß an Vertrauen,
gutem Willen und Diplomatie ab – das wird erst recht bei
26 der Fall sein.

Neue Risiken und Gefahren

Der alte Feind ist verschwunden, statt seiner sieht sich die
NATO vor einem breiten Spektrum diffuser Risiken und Gefahren
– von Netzwerken der organisierten Kriminalität, die
Menschen und illegale Güter aller Art schmuggeln,
über Terrorismus bis hin zur Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und ihren Trägersystemen. Am 11.
September 2001 spätestens wurde klar, dass sich auch der
Terror globalisiert hat: Angriffe können in weiter Ferne
vorbereitet werden und uns doch ins Mark treffen. Deshalb hat
die NATO ihren jahrelangen Streit um Out-of-area-Einsätze
beerdigt; seitdem – so die neue Formel – kann die
NATO Streitkräfte einsetzen „wo immer sie gebraucht
werden“.2 Dieser Beschluss macht das Bündnis noch
nicht zum Weltpolizisten. Aber er hat die unausgesprochene
euro-atlantische Interventionsgrenze von einst formell
außer Kraft gesetzt; das allein ist eine immense
Herausforderung für den strategischen Konsens im
Bündnis.

Welche Risiken müssen ertragen, welche bekämpft
werden? Nie waren die Verbündeten so uneins darüber,
welche Gefahren sie derart bedrohen, dass sie mit
militärischer Gewalt bekämpft werden müssen, wie
zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts.

Die Erweiterung um zehn neue Mitglieder bei einem ohnehin
stockenden Integrationsprozess, die noch unverarbeitete neue
Rolle als Protektoratsmacht auf dem Balkan, Wirtschaftsflaute,
Migrationsdruck und Modernisierungsängste: Alles dies
machte das „alte“ Europa introvertiert und wenig
geneigt, neue Aufgaben jenseits der eigenen Grenzen zu sehen.
Es überschätzt noch immer das Ausmaß und die
politische Instrumentalisierbarkeit seiner „zivilen
Macht“. Und in Robert Kagans Vorwurf, die
größere Risikotoleranz (oder geringere
Risikowahrnehmung) der Europäer sei weniger politischen
Prinzipien als militärischer Schwäche geschuldet,
steckt mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Unrecht tut die
amerikanische Kritik den Europäern allerdings da, wo sie
übersieht, dass es diesen auch um ein angemessenes
Verhältnis von Macht und Recht geht.3

Amerikas Regierung unter George W. Bush dagegen war fest
entschlossen, den eigenen Hegemonialstatus zu nutzen, um der
Welt eine neue Ordnung zu geben – notfalls mit Hilfe
präventiver Kriege. Die Attentate vom 11. September und
der frühe Sieg über das afghanische Taliban-Regime
bestärkten Washington auf diesem Kurs und führten es
in den Krieg gegen Saddam Hussein.

Die stetig schlechter werdende Lage der Koalition in Irak
und die Rückschläge im
israelisch-palästinensischen Konflikt überschatten
indes die Tatsache, dass Europa und Amerika sich seitdem auch
aufeinander zu bewegt haben: Die EU hat sich eine eigene
Sicherheitsstrategie verordnet und vertritt gegenüber den
nuklearen Ambitionen Irans eine weit härtere Politik als
zuvor. Washington seinerseits sucht wieder nach
Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Alliierten, der NATO
und den Vereinten Nationen. Dahinter steht nicht nur
Notwendigkeit, sondern auch beginnende Einsicht: in den
begrenzten Nutzen der Präemptionsdoktrin angesichts
unvollständiger oder schlechter Informationen über
den Gegner, sowie in die Fähigkeiten der zuvor gering
geschätzten internationalen Organisationen und
Bündnisse. Dies könnte als Basis eines neuen
strategischen Konsenses dienen – aber werden die
Umstände es zulassen?

Die militärische Kluft wird immer breiter; Amerika ist
im Begriff, mit Hilfe von Innovationen in Doktrin und Technik
die Kriegführung zu revolutionieren; es gibt für
seine Sicherheit mehr Geld aus als alle seine anderen
NATO-Partner zusammen. In Irak ist nun offenbar geworden, wie
maßlos die zivile Führung des Pentagons das
militärische Instrument überschätzt4 und die
Gefahren und Herausforderungen der Nachkriegsbesatzung
unterschätzt hat.

Dies ist, ironischerweise, eine Fähigkeit, welche die
Europäer in zehn Jahren NATO-Stabilisierungsmissionen auf
dem Balkan sehr wohl gemeistert haben (und die Amerikaner,
Reserveeinheiten zumeist, mit ihnen). Wenn es eine Lektion aus
den Interventionen der neunziger Jahre gibt, dann die, dass
westliche Demokratien sich der Aufgabe des „nation
building“ nach dem Eingriff legitimerweise nicht
entziehen können und dass diese Rolle militärisch
mindestens so aufwändig, ja gefährlich sein kann wie
die Intervention selbst. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis
wird der relative Wert von Hochtechnologie einerseits und gut
ausgebildeten Soldaten andererseits in künftigen
militärischen Reformdebatten neu zu bestimmen sein.

Amerikas Innovationen schaffen aber dennoch Tatsachen, denen
die Europäer wenig entgegenzusetzen haben, weil sie (bis
auf Ausnahmen) unfähig oder unwillens sind, einen ihrem
volkswirtschaftlichen Gewicht und ihrem politischen
Geltungsanspruch entsprechenden Teil der Bündnislast zu
tragen. Aber auch, weil die strategische Diskussion auf dieser
Seite des Atlantiks noch immer größtenteils reaktiv,
ja defensiv ist. Das hat schon jetzt höchst praktische
Konsequenzen. Die USA setzen, ob in der NATO oder in
Ad-hoc-Koalitionen, den Standard; ihre europäischen
Verbündeten, die diesen Standard nur noch teilweise
erreichen, werden von Partnern zu Lieferanten von
militärischen Nischenfähigkeiten – mit
entsprechenden Folgen für ihr politisches
Mitspracherecht.

Erweiterungsdruck, neue Gefahren, Dissens in
Grundsatzfragen, schrumpfende Fähigkeit zur
militärischen Zusammenarbeit: Herausforderung genug,
würde man meinen. Doch die NATO hat sich seit dem 11.
September 2001 – und der ursprünglichen
Zurückweisung durch Washington – so viel auf einmal
vorgenommen wie noch nie zuvor in ihrer inzwischen
55-jährigen Geschichte. Sie hat im April 2004 sieben neue
Mitglieder aufgenommen, sie hat sich selbst eine umfassende
organisatorische und militärische Reform verordnet und sie
hat, obwohl sie nach wie vor mit Zehntausenden Soldaten auf dem
Balkan engagiert ist, in kurzer Folge mehrere neue, schwierige
Operationen begonnen.

Erweitern ohne Scheitern?

Die Selbstverständlichkeit – um nicht zu sagen:
Beiläufigkeit – mit der Ende März die sieben
Neuzugänge aus Osteuropa in die NATO hereingewinkt wurden,
belegt schon für sich, wie spektakulär sich das
Bündnis und die sicherheitspolitische Weltlandschaft
verändert haben. Die Angriffe auf Amerika am 11. September
beendeten einen jahrelangen Territorialpoker um die
Osterweiterung – weil Russland, das sich von einer
Zusammenarbeit mit dem Westen im Antiterrorkrieg viel
versprach, abrupt seine Blockadehaltung aufgab. Doch was
bedeutet diese größte und anspruchsvollste
Erweiterungsrunde aller Zeiten für die NATO – und
was für Folgen hat sie für die Neuen?

Der offensichtlichste Bonus für das Bündnis ist
der strategische. Zum einen wegen der Umorientierung der
Allianz auf Einsätze jenseits ihrer Grenzen, denn die
Neuen bieten eine günstige Lage, Stützpunkte und
sonstige Infrastruktur sowie ihren Luftraum; und zum anderen,
weil sie ab jetzt eine Sicherheits-Pufferzone für
vormalige Frontstaaten wie Deutschland bilden.5 Für die
Sieben, die in angespannter Nachbarschaft mit ihren ehemaligen
„Bruderstaaten“ im Warschauer Pakt leben und deren
politischen Kurs mit Argwohn verfolgen, ist der entscheidende
Gewinn natürlich der Wechsel ins Lager des Westens,
komplett mit Nothilfegarantie.

Der politische Zugewinn für beide Seiten ist bereits
weniger offensichtlich. Soviel ist sicher: Diese zweite
Erweiterung hat (zusammen mit jener der EU) schon deshalb einen
festen Platz in den Geschichtsbüchern, weil sie die
Nachkriegsteilung Europas beendet. Aber die NATO, der die Neuen
im Jahr 2004 beigetreten sind, ist – aus den oben
beschriebenen Gründen – eine in vieler Hinsicht
andere Organisation als jene, der sie zu Beginn der neunziger
Jahre ihre Beitrittsanträge schickten. Und auch der
Graben, der sich vor dem Beginn des Irak-Kriegs zwischen
„altem“ und „neuem“ Europa aufzutun
schien, ist so eindeutig nicht mehr. Fünf der Sieben sind
seit dem 1. Mai 2004 auch Mitglieder der EU.6 Sie wollen
beides, eine starke EU und eine starke NATO – und sie
wollen von niemandem genötigt werden, sich zwischen Europa
und den USA entscheiden zu müssen. Und obwohl sie aus
historischen Gründen starke Loyalitäten zu Amerika
hegen, ist der global-interventionistische Anspruch der
Regierung Bush ihnen keineswegs geheuer; sie haben dringendere
Sorgen in ihrer unmittelbaren Nähe. Außerdem ist der
demokratische Transformationsprozess – vorsichtig
gesprochen – nicht bei allen gleichermaßen
fortgeschritten; das lässt ahnen, dass einige von ihnen
provinzieller, ja introvertierter sein werden. Der
wahrscheinlichste Fall ist daher, dass die Neuen sich gerade
nicht einem Lager zurechnen lassen, sondern ihren
außenpolitischen Kurs von Fall zu Fall bestimmen werden.7
All dies wird die Entscheidungsprozesse im NATO-Rat kaum
erleichtern. Es wird vielmehr die Bedeutung der erwähnten
informellen Beratungsgremien erhöhen – und den Trend
zu einer Delegierung konkreter Einsätze durch den NATO-Rat
an fallweise zusammengestellte Koalitionen verstärken.

Die militärischen Meriten der Neuen sind ebenfalls sehr
unterschiedlich. Einige der Sieben haben hart gearbeitet, um
ihre Streitkräfte den NATO-Standards anzupassen.8 Zustand
und Zuschnitt ihrer einst dem Warschauer Pakt eingegliederten
Truppen, niedrige Verteidigungsetats und die mit den Prager
Gipfelbeschlüssen erneut hochgeschraubten
Transformationsvorgaben der NATO haben jedoch bei den meisten
dazu geführt, dass sie sich wohl oder übel auf
Nischenfähigkeiten („boutique capabilities“)
spezialisiert haben. Dies passt bestens zum amerikanischen
Modell der Koalitionskriegführung, bei dem der politische
Legitimitätsgewinn durch sichtbare Unterstützung
mindestens ebenso wichtig ist wie der eigentliche
militärische Beitrag.9 Aber für die Bemühungen
der Neuen, ihre Streitkräfte insgesamt zu reformieren (sie
müssen den größten Teil demobilisieren und
dabei riesige Mengen schweren Geräts verschrotten, den
kleinen Rest modernisieren, demokratisieren und effektiver
ziviler Kontrolle unterwerfen), ist es gleichzeitig eine
gewaltige Hypothek.10 Die jetzt schon ungleiche
militärische Lastenverteilung innerhalb des
Bündnisses wird dadurch kurz- und mittelfristig nicht etwa
gemildert, sondern verstärkt.

Offen ist auch noch, was die Erweiterung der NATO auf 26
Mitglieder für ihre sonstigen Außenbeziehungen
bedeuten wird – insbesondere zu den verbleibenden
Partnerschaft-für-den-Frieden-(PfP)-Staaten. 1994 als
Kooperations- und Stabilisierungsrahmen für die
Beziehungen des Bündnisses östlich des alten Eisernen
Vorhangs eingeführt, ist PfP vor dem Hintergrund der neuen
Bedrohungen und Aktivitäten der NATO aktueller denn je. Es
ist aber auch dringend revisionsbedürftig – schon
wegen der höchst heterogenen Interessen und Orientierungen
der 20 beteiligten Staaten (und zwei Anwärtern, Bosnien
und Serbien-Montenegro): von den Neutralen (Finnland, Irland,
Österreich, Schweden, Schweiz) über die
NATO-Kandidaten (Albanien, Kroatien, Mazedonien),
Anwärtern auf Kandidatenstatus (Ukraine),
Kaukasus-Partnern (Armenien, Aserbaidschan, Georgien),
zentralasiatischen Partnern (Kasachstan, Kirgistan,
Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan), bis hin zu
Weißrussland, Moldau; schließlich Russland selbst,
das zwar ausdrücklich eine NATO-Mitgliedschaft ablehnt,
aber an Zusammenarbeit sehr interessiert ist.11

Die zentrale Frage lautet auch hier: Betrachtet die NATO
ihre nahen und fernen Nachbarn als Partner bei dem Versuch,
rechtsstaatlich-demokratische Transformationsprozesse jenseits
ihrer (europäischen) Grenzen zu unterstützen und so
Stabilität und Sicherheit ostwärts zu exportieren
– oder primär als Verbündete im
Antiterrorkrieg?12 Diese beiden Ziele müssen sich
prinzipiell nicht ausschließen – aber sie
miteinander zu verbinden dürfte eine heikle Gratwanderung
werden.

Reformieren, um „relevant“ zu bleiben

Die NATO musste sich nach dem 11. September verändern,
um ihre Glaubwürdigkeit als Verteidigungsbündnis des
Westens zu erhalten – oder, in einer
Lieblingsformulierung des damaligen Generalsekretärs Lord
Robertson, „relevant“ zu bleiben. Darüber
herrschte in der Allianz Konsens, auch ohne die
unüberhörbar herablassende Warnung in der Nationalen
Sicherheitsstrategie der USA vom September 2002. „Wenn es
der NATO gelingt, die Reform zu vollziehen“, heißt
es dort, „wird die Belohnung eine Partnerschaft sein, die
für die Sicherheit und die Interessen ihrer Mitglieder so
zentral ist wie im Kalten Krieg“.13

Der politischen Bürokratie des Bündnisses, dem
Hauptquartier in Brüssel, ist Lord Robertson mannhaft zu
Leibe gerückt. Es gelang ihm, ein Drittel der 467 Komitees
und Arbeitsgruppen zu streichen und seinen Stab umzubauen. Er
hat ein wenig mehr Spielraum für das Management des
Tagesgeschäfts im Generalsekretariat erstritten und sich
bemüht, die rigiden Entscheidungsverfahren ein wenig zu
ölen, unter anderem durch die Delegierung von
Detailentscheidungen. Andere, nicht minder dringende Reformen
– Haushalt, Personal – harren noch der
Ausführung. Und spätestens im obersten politischen
Exekutivorgan des Bündnisses, dem NATO-Rat (NAC),
stößt das Ringen um Effizienz an die Mauer des
Souveränitätsgrundsatzes: Am Vetorecht jedes der
nunmehr 26 Mitgliedstaaten führt kein Weg vorbei.14

Im Gegensatz dazu findet auf der militärischen Seite
des Bündnisses gegenwärtig so etwas wie eine
konzeptionelle Revolution statt, von der Programmatik über
die Führungsstrukturen bis hin zur Truppenorganisation.
Die bloße Tatsache dieses Umdenkens ist schon für
sich bemerkenswert, zumal vor dem Hintergrund der zähen
Kämpfe vor fünf Jahren um das Neue Strategische
Konzept und das Konzept der Allierten Streitkräftegruppe
(CJTF). Sie wäre undenkbar gewesen ohne die Anschläge
vom 11. September; die Entscheidung der Regierung Bush, trotz
des am 12. September ausgerufenen Bündnisfalls die NATO an
der militärischen Operation gegen die Taliban nicht zu
beteiligen – sondern die von vielen Bündnispartnern
angebotene Hilfe auf bilateraler Basis anzunehmen; das
transatlantische Zerwürfnis über einen Waffengang
gegen Irak, bei dem Washington vergeblich versuchte, der NATO
eine unterstützende Rolle aufzunötigen; und die
Erleichterung der Europäer über die Rückkehr der
USA zum Bündnis im Zusammenhang mit der Stabilisierung
Afghanistans.15

Das Resultat dieser beiderseitigen Rückbesinnung waren
die Beschlüsse des Prager Gipfels im November 2002: Das
Militärische Konzept zur Bekämpfung des Terrorismus,
die neue „NATO Response Force“, sowie ein
Maßnahmenbündel zur Verbesserung der
militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten, zur
Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, zum Schutz gegen
Massenvernichtungswaffen und zur Katastrophennachsorge. Alles
in allem ein energischer Versuch, den globalen Antiterrorkampf
zur Hauptaufgabe der Allianz zu machen. Aber wie wirksam ist
er?

Das Antiterrorkonzept sowie die dazugehörigen
Initiativen haben bei Militärs beiderseits des Atlantiks
wenig Enthusiasmus ausgelöst, und das mit gutem Grund.
Terrorismus ist – es sei denn, er geht von einem Staat
aus oder wird staatlich unterstützt (und Al Khaïda
sowie ihre Sponsoren dürften aus dem Waffengang gegen die
Taliban ihre eigenen Lehren gezogen haben) – effektiver
mit justiziellen, polizeilichen und nachrichtendienstlichen
Mitteln zu bekämpfen als mit militärischen. Die
Entwicklung des unter dem Etikett „Operation Enduring
Freedom“ (OEF) laufenden Antiterroreinsatzes legt nahe,
dass Militärschläge oder gar Kriege gegen Terroristen
künftig die Ausnahme bleiben werden.

Bei sämtlichen anderen Aufgaben können
Streitkräfte allenfalls eine unterstützende Rolle
spielen; die Prager Initiativen sollen dafür sorgen, dass
sie dabei ein wenig besser gegen neue Risiken wie den Einsatz
von Massenvernichtungswaffen geschützt sind (etwa durch
das neue ABC-Schutzbataillon). In der Praxis – etwa beim
Marineanteil der OEF, der die Gewässer um das Horn von
Afrika und den Ausgang der Straße von Hormus
überwacht oder der NATO-Patrouillen und -Eskorten im
Mittelmeer – werden solche Operationen allerdings
unverkennbar nach glorifizierten Polizeiaktionen aussehen.

Zur Bündelung von nichtmilitärischen
Antiterror-Aktivitäten (die oft Geheimhaltung und schnelle
Koordinierung über Grenzen hinweg verlangen) wiederum ist
die NATO als Bündnis souveräner Staaten weit weniger
geeignet als die supranational organisierte EU. Die Prager
Antiterrorbeschlüsse belassen die primäre
Verantwortung für diesen Bereich wohlweislich bei den
Mitgliedstaaten und geben dem Bündnis nur eine kleine,
zumeist unterstützende Rolle – verdienstvoll,
gewiss, aber nicht sehr gewichtig.

Die NATO Response Force (NRF) soll ein altes Problem des
Bündnisses lösen: Sie verfügt über
Hunderttausende Soldaten, aber über wenig schnell
verlegbare Kampfeinheiten – und schon gar nicht solche,
bei denen alle Truppengattungen mit Hilfe von elektronischer
Vernetzung und modernsten Waffensystemen zusammen operieren.
Die NRF ist gedacht als neue Spitze für den alten Speer,
als eine stehende Interventionstruppe von 21 000 Mann
(zusammengesetzt aus einem Heereskontingent in
Brigadegröße sowie Luftwaffen- und Marineanteilen),
die innerhalb von fünf Tagen an jeden Punkt der Welt
ausrücken kann; spätestens im Herbst 2006 soll sie
voll einsatzfähig sein.

Für die USA hat die NRF noch eine andere, kaum weniger
wichtige Funktion: als Transmissionsriemen für den Export
der eigenen Militärrevolution. Dafür wird die
militärische Organisationsstruktur der NATO derzeit
radikal umgebaut: Für die Einspeisung der Theorie ist der
neue „Allied Command Transformation“ in Virginia
zuständig. Der europäische Stützpunkt SHAPE im
belgischen Mons dagegen wird in ein reines
Operationshauptquartier umgewandelt – mit einem Kranz
spezialisierter Institutionen ringsum (in Staaten wie Norwegen,
Portugal, Polen – nicht zufällig alle atlantisch
gesonnen). Auch den Europäern, alten wie neuen, erscheint
die NRF als eine hoffnungsvolle Investition. Sie soll die USA
an das Bündnis binden und sie hilft, schwerfällige
nationale Reformprozesse unter Druck zu setzen.

So schnell der Aufbau bisher ging, und so viel politischer
Wille erkennbar dahinter steckt: die wichtigsten Hürden
stehen der NRF noch bevor. Es ist keineswegs sicher, dass die
Staaten, die Truppenkontingente oder Fähigkeiten für
die NRF angeboten haben (Deutschland war so mutig, gleich 5000
Soldaten zu versprechen), ihre Zusagen einhalten können;
denn alle Truppensteller in Europa ächzen schon unter der
Last ihrer bestehenden Verpflichtungen. Einige Staaten,
darunter ebenfalls Deutschland, müssen sogar noch ihre
verfassungsrechtlichen Spielregeln ändern, um Truppen in
so kurzer Frist entsenden zu können. Es ist auch noch
nicht klar, worin der amerikanische Anteil bestehen soll
– außer im Recht, die Truppe zu führen. Ist
Amerikas Verteidigungstransformation überhaupt das
richtige Modell für ein Bündnis, das mehrheitlich aus
europäischen Nationen besteht? Und wozu soll die NRF
eigentlich eingesetzt werden? Für einen Kampfeinsatz wie
in Irak ist sie zu klein, für einen Antiterrorschlag recht
groß. Schließlich müssten sich nach dem
geltenden Konsensprinzip sämtliche Mitgliedstaaten, selbst
wenn sie nicht alle Truppensteller der NRF sind, über das
Ob eines Einsatzes einigen; nach der Irak-Krise erscheint das
weniger wahrscheinlich denn je.

Operationen ohne Ende

Noch nie war die NATO an so vielen Orten weltweit im Einsatz
– und in so vielfältigen Varianten. Auf dem Balkan
steht sie noch mit zwei großen
Stabilisierungsoperationen, SFOR in Bosnien und KFOR in
Kosovo.16 Allein seit dem 11. September hat sie drei neue
Einsätze begonnen: die Stabilisierungsoperation ISAF in
Afghanistan, die maritime Überwachungsoperation
„Active Endeavour“ im Mittelmeer und an der
Meerenge von Gibraltar sowie die Unterstützungsaktion
für die polnische Führung der zur US-geführten
Koalition gehörenden Multinationalen Division in
Irak.17

Bis auf den Luftkrieg über Kosovo im Frühjahr 1999
sind sämtliche NATO-Aktionen Friedenssicherungs- oder
Stabilisierungseinsätze gewesen. Der Krieg zum Sturz des
afghanischen Taliban-Regimes sowie der daraus entstandene
Antiterroreinsatz hingegen wurden bzw. werden von einer von den
Vereinigten Staaten geführten Koalition betrieben.
Dasselbe gilt für die „Operation Iraqi
Freedom“, die Intervention in Irak samt
anschließender Besatzung. Für den Afghanistan-Krieg
hatte das nordatlantische Bündnis seine Unterstützung
angeboten (durch die feierliche Erklärung des –
jüngst um ein Jahr verlängerten –
Bündnisfalls sowie konkrete Truppenofferten), war aber von
Washington zurückgewiesen worden; vor dem Irak-Krieg
wiederum hatte Washington zwar nicht um die Beteiligung der
NATO als solcher, wohl aber nachdrücklichst ihre
Unterstützung gefordert – und seinerseits von den
Europäern eine rüde Absage erhalten.

Dennoch steckt selbst da, wo nicht „NATO“
draufsteht, oft viel NATO drin: Sowohl in Afghanistan als auch
in Irak waren und sind eine beträchtliche Zahl von
Mitgliedstaaten sowie PfP-Partnerstaaten an der Seite der USA
dabei.

Beendet wurde bisher nur ein einziger NATO-Einsatz im
engeren Sinne, der kleinste von allen: „Allied
Harmony“ in Mazedonien, der im Mai 2003 an die
Europäische Union übergeben wurde. Die
Bosnien-Mission soll zwar nach dem Willen der Europäer im
Jahr 2005 auf die EU übergehen, doch die NATO will eine
Präsenz dort behalten. Bei KFOR wie ISAF steht eine
Beendigung derzeit nicht zur Debatte.

Die Habenseite dieser zehnjährigen Bilanz ist
eindrucksvoll. Die Serie der Balkan-Operationen
repräsentiert einen kollektiven Lernprozess des Westens,
der von einem späten und widerwilligen Einsatz und
gewaltigen politisch-militärischen Koordinierungsproblemen
(Bosnien) bis zu einer schnellen, nahezu reibungslos zwischen
NATO und EU koordinierten und erfolgreichen präventiven
Aktion (Mazedonien) reicht. Ohne diese Interventionen wäre
der Balkan zweifellos im Chaos versunken.18 In Afghanistan
stützt die ISAF das Regime von Hamid Karzai in Kabul
gegenüber den Warlords in den Provinzen und hat so dem
Land einen zaghaften Frieden beschert. Kein anderes
Bündnis der Welt wäre zu solchen gewaltigen
Anstrengungen bereit und im Stande gewesen; die über ein
halbes Jahrhundert aufgebauten gemeinsamen Institutionen und
Verfahren haben wesentlich dazu beigetragen, diese
überhaupt möglich zu machen.

Doch auch die Grenzen dessen, was die NATO leisten kann,
werden anhand dieser Liste überdeutlich. Das Phänomen
des „mission creep“ auf dem Balkan – die
Übernahme nicht-militärischer Aufgaben durch Soldaten
– ist eine Folge des Fehlens von eingespielten
internationalen Mechanismen zur Verwaltung von Protektoraten.
Die NATO hat ebenso wie die entsandten nationalen Truppen hier
viel Lern- und Improvisationsgabe bewiesen; Soldaten und
Bündnis sind damit aber letztlich überfordert. Die
Lage auf dem gesamten Balkan bleibt zudem fragil; dafür
gibt es mancherlei lokale Ursachen, aber eine sprunghafte
Politik des Westens und der noch immer offene Status Kosovos
tragen erheblich dazu bei. Ohne eine koordinierte Anstrengung
zur Übergabe der beiden Balkan-Protektorate an deren
eigene Bevölkerung laufen die Einsätze in Bosnien und
Kosovo Gefahr, zu militärischen Stillhalteoperationen zu
werden – die Soldaten des Bündnisses werden so zu
Lückenbüßern der Politik.

Am Hindukusch ist die Lage indes noch weit dramatischer. In
Afghanistan hat die Bevölkerung (anders als in Irak) nicht
nur die gewaltsame Vertreibung der Taliban, sondern auch die
Soldaten der NATO begrüßt. Schon vor fast einem Jahr
hat das Bündnis – im Bewusstsein, dass die
Stabilisierung misslingen muss, wenn die ISAF sich weiter auf
die Aufgabe einer Stadtwache für Präsident Karzai
beschränkt – beschlossen, kleine mobile Einheiten
aus zivilen Helfern und Soldaten („Provincial
Reconstruction Teams“) als zusätzliche
Stabilitätsfaktoren in die Regionen zu schicken. Ein
halbes Dutzend Nationen hat versprochen, Truppen dafür zu
entsenden – und kaum eine hat ihre Zusage bisher
eingehalten. Eine neue Rekordopiumernte und die im Herbst 2004
bevorstehenden landesweiten Wahlen drohen nun, die
Sicherheitslage erheblich zu verschärfen. Wenn es nicht
gelingt, die ISAF wie geplant aufzustocken, besteht die Gefahr
eines Scheiterns, gar eines erzwungenen Rückzugs ihrer
Truppen.

Anhand der Chronologie der Operationen wird außerdem
ein größerer Trend erkennbar: Die NATO führt in
der „post-9-11 world“ als Bündnis keine Kriege
mehr, sondern dient allenfalls als militärischer
Werkzeugkasten, aus dem sich die Führungsmacht der
Koalition bedient. Für Friedenssicherungs- und
Stabilisierungsoperationen ist die NATO dagegen begehrter denn
je.19 In gewisser Hinsicht ist diese neue Arbeitsteilung, die
in Wahrheit eine Aufweichung des Bündnisses ist, nur die
logische Folge seiner Reorientierung von kollektiver
Verteidigung zur kollektiven Sicherheit und eine Anerkennung
der Tatsache, dass die enge Werte- und Interessengemeinschaft
des Westens im Kalten Krieg vermutlich eine historische
Anomalie war. Ob diese Arbeitsteilung aber auf Dauer
funktionieren kann, ist eine andere Frage; die plötzliche
Bereitschaft der NATO-Mitgliedstaaten im Sommer 2003, die
ISAF-Mission zu übernehmen, dürfte zumindest ebenso
aus dem Schock der vorangegangenen Krise (und aus der Furcht,
sonst von den USA für einen Einsatz in Irak in Anspruch
genommen zu werden) wie aus Enthusiasmus über eine weitere
neue Herausforderung entstanden sein. Ein in 55 Jahren
gewachsenes Kapital an Erfahrungen und gemeinsamen Strukturen
hilft ihnen jetzt (noch). Aber es wird in dem Maße
schwinden, wie die Bindungen des Bündnisses sich weiter
lockern.

Weiter, nur wie?

Neue Herausforderungen, neue Operationen und ein
Bündnis, das ächzt unter seinen Lasten und den vielen
Fliehkräften, die an ihm zerren – kein idealer
Moment, ihm neue Aufgaben aufzubürden. In Washington
lautet die offizielle Linie nach wie vor, dass man sich eine
größere Rolle der NATO nach der Übergabe der
Souveränität in Irak wünscht, außerdem ein
breiteres Engagement in der Region. Indes mehren sich die
Anzeichen, dass der Istanbuler Gipfel mehr einer
Wetterbeschwörungszeremonie ähneln wird als einem
Arbeitstreffen – zu ungewiss ist die Zukunft Iraks, zu
groß die Verärgerung arabischer Staaten über
bisherige, als allzu ungeschickt unilateral empfundene Versuche
Washingtons, sie in eine „Greater Middle East
Initiative“ einzuschnüren.

Diskussionsstoff bleibt genug. Scheitert die NATO in
Afghanistan, ist sie diskreditiert; dann dürfte der Schutz
der Olympischen Spiele in Athen auf absehbare Zeit ihre letzte
große Aufgabe sein. Auf dem Balkan droht ihr die
schleichende Delegitimierung, wenn es nicht gelingt, die
Kosovo-Statusfrage zu regeln. Die sich abzeichnende neue
Arbeitsteilung, wonach USA-geführte Koalitionen
(einschließlich vieler NATO-Mitgliedstaaten) Kriege
führen und das Bündnis für die umfassende
Nachsorge zuständig ist, ist gewiss eine Debatte wert. Ist
die schnelle Eingreiftruppe NRF ein Versuch, die Europäer
als Vasallen zu instrumentalisieren – oder sie als
Verbündete zu beteiligen an weltweiten
Risikovorsorgeaufgaben? Investiert die NATO genug in die
politisch-militärische Transformation ihrer neuen
Mitglieder und in ihre neuen Nachbarschaftsbeziehungen? Ist es
möglich, in einer gemeinsamen Anstrengung zu einem neuen
strategischen Einverständnis im Bündnis zu finden?
Und was für Folgen hat der Trend zu militärischen
Koalitionen der Willigen für den ehernen Konsensgrundsatz
im NATO-Rat? Ist es wünschenswert, gar unausweichlich, das
Vetorecht der 26 zu beerdigen zugunsten von politischen
Koalitionen, etwa in der Form eines „committee of
contributors“, wie dies jüngst vorgeschlagen
wurde?20 Oder wäre dies womöglich das Ende des
strategischen Konsenses im Bündnis?

Die NATO ist nach dem 11. September 2001 zu Unrecht
totgesagt worden; im Gegenteil – sie hat, trotz
angeschlagener Gemütsverfassung – heroische
Anstrengungen auf sich genommen, um sich selbst in Form zu
bringen. Aber sie ist vermutlich jetzt an der Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit angelangt. Ob und welche Antworten die
Mitgliedstaaten auf die oben genannten Fragen finden, wird
für die Lebensdauer des Patienten entscheidende Bedeutung
haben. Für die Soldaten schließlich, die der Allianz
zwischen Balkan und Hindukusch dienen, sind diese Fragen von
Leben und Tod alles andere als metaphorisch – sie sind im
wahrsten Sinne des Wortes existenziell.

Anmerkungen

1 Polen, Ungarn und die Tschechische
Republik am 12. März 1999; Bulgarien, Estland, Lettland,
Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien am 29.
März 2004.

2 Schlusskommuniqué des
NATO-Außenministerrats von Reykjavik vom 14. Mai
2002.

3 Robert Kagan, Power and Weakness, in:
Policy Review, Nr. 113, Juni/Juli 2002, S. 3–26.

4 Lehrreich dazu ist Barry Posen,
Command of the Commons,in: International Security, Winter 2003,
S. 5–46.

5 Dabei geht es nicht so sehr um die
inzwischen vernachlässigbare Gefahr eines konventionellen
Angriffs wie um die vielfältigen und realen neue Risiken
(Schmuggel, organisierte Kriminalität, usw.). Siehe zum
Thema Erweiterung Helga Haftendorn und Benjamin Gaul, Eine neue
NATO? Der Beitritt der sieben mitteleuropäischen Staaten
zum Bündnis, SWP-Aktuell, 16. April 2004.

6 Estland, Lettland, Litauen, die
Slowakei und Slowenien.

7 Heather Grabbe, The Constellations of
Europe: How enlargement will transform the EU, Center for
European Reform, April 2004. Auf lange Sicht ist es allerdings
durchaus möglich, dass „die Geographie über die
Geschichte siegt“ (Ivan Krastev), also der
europäische Sog sich als stärker erweist als der
atlantische.

8 Zu Einzelheiten siehe Timothy Edmunds,
NATO and its New Members, in: Survival, Bd. 45, Nr. 3, Herbst
2003, S. 145–165 sowie Haftendorn/Gaul (a.a.O.).

9 Sieben der zehn nach dem Ende des
Kalten Krieges hinzugekommenen Neumitglieder sind an den
Stabilisierungsoperationen in Irak beteiligt; alle haben
Truppen an UN- oder NATO-Missionen entsandt. Einzelheiten siehe
Haftendorn/Gaul.

10 Sehr kritisch hierzu Edmunds, a.a.O.,
S. 160: „The NATO accession process … has
encouraged states to concentrate their reform efforts on
expensive showcase units that meet NATO targets and that
sometimes serve to camouflage more fundamental modernisation
challenges in their armed forces as a whole.“

11 Ausführlich dazu Jeffrey Simon,
Strategic Forum Nr. 206, National Defense University,
Washington, DC, März 2004.

12 Viele PfP-Partner beteiligen sich
schon jetzt an einem breiten Spektrum von internationalen
Einsätzen, vgl. Simon, a.a.O. (Anm. 11).

13 Nationale Sicherheitsstrategie der
USA vom 17. September 2002, leicht gekürzt abgedruckt in
Internationale Politik, 12/2002, S. 113 ff.

14 George Robertson, Transforming NATO
to Meet the Challenges of the 21st Century, in: Daniel Hamilton
(Hrsg.), Transatlantic Transformations: Equipping NATO for the
21st Century, Johns Hopkins University, 2004, S. 25 ff. ,
insbes. S. 34.

15 Dazu ausführlich: Nora Bensahel,
The Counterterror Coalitions: Cooperation with Europe, NATO,
and the European Union, RAND, Santa Monica, 2003, S. 5 ff.

16S FOR zählt rund 12 000 Soldaten,
KFOR rund 19 000.

17 An ISAF – der
größten der drei Operationen – sind derzeit
rund 6500 Soldaten aus 29 Nationen beteiligt; Active Endeavour
wird abwechselnd von den maritimen NATO-Einheiten STANAVFORMED
und STANAVFORLANT gestellt, mit je rund einem Dutzend Schiffen
und Überwachungsflugzeugen. Die Unterstützung
für die polnische Divisionsführung in Irak bezieht
sich auf Aufklärung, Logistik, Truppengestellung und
Koordinierung und Kommunikation.

18 Ausführlich dazu Dana Allin,
NATO’s Balkan Interventions, Adelphi Paper Nr. 347, IISS,
2002.

19 Siehe Bruno Tertrais, The Changing
Nature of Military Alliances, in: The Washington Quarterly,
Frühjahr 2004, Bd. 27, Nr. 2, S. 135 ff. und Kurt
Campbell, The End of Alliances? Not So Fast, ebenda, S. 151
ff.

20 Vgl. Hans Binnendijk und Richard L.
Kugler, The Next Phase of Transformation: A New Dual-Track
Strategy for NATO, in: Hamilton, a.a.O. (Anm. 14), S. 37
ff.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, Juni 2004, S. 1-2

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