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01. Nov. 2017

Autokraten auf dem Vormarsch

Wie Demokratien auf illiberale Einflussnahme reagieren sollten

Autoritäre Staaten versuchen verstärkt, auf liberale Demokratien Einfluss zu nehmen. Dabei profitieren sie von willigen Helfern in Unternehmen, Finanzdienstleistern, PR- und Lobbyfirmen sowie der Zivilgesellschaft. Offene Gesellschaften sollten voneinander lernen, wie man Einflusskanäle beschränken kann, ohne die eigenen Werte zu verraten.

In den ersten 20 Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges war internationale Einflussnahme eine Einbahnstraße: Sie ging von liberalen Demokratien aus, die ihr Regierungsmodell weltweit zu verbreiten suchten. Dank dieser Demokratieförderung, so die Annahme, würden autoritäre Systeme auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.

Seit einigen Jahren erleben wir eine Schubumkehr. Nicht nur haben sich autoritäre Systeme als widerstandsfähig erwiesen; sie versuchen inzwischen in immer größerem Maße, ihrerseits auf westliche Demokratien Einfluss zu nehmen. Damit wollten sie das eigene Regime stärken, die Anziehungskraft liberaler Staaten schwächen und die Welt in eine illiberalere Richtung drängen.

Russlands kühner Versuch, die Präsidentschaftswahlen 2016 in den Vereinigten Staaten zu manipulieren, passt in dieses Muster. Autoritäre Einflussnahme geht aber nicht nur von Russland aus, sondern auch von China, der Türkei und anderen Staaten in Asien, Afrika und dem Mittleren Osten. Viele westliche Demokratien waren schon Ziel solcher Aktivitäten. Dabei geht es nicht nur um Einmischung in politische Fragen und um Propaganda­programme, sondern auch um Einflussnahme mithilfe von politischen Parteien, Nicht­regierungsorganisationen und Unternehmen.

Manche Methoden erinnern an die Zeit des Kalten Krieges – wie „Kompromat“, die Veröffentlichung von kompromittierendem und möglicherweise gefälschtem Material. Doch heute verfügen autoritäre Staaten über weitaus mehr Instrumente, da ihre Eliten und Institutionen eng mit westlichen Volkswirtschaften verknüpft sind. Zur Verbreitung ihrer Inhalte können sie an den etablierten westlichen Medien vorbei digitale Mechanismen nutzen. Die politischen Schwächen demokratischer Systeme, ihre Offenheit für ausländische Ideen und Gelder und die Gier, mit der manche Vertreter der wirtschaftlichen Elite von illiberalen Kunden profitieren, ebnen autoritären Regimen dabei den Weg.

Schon immer haben Staaten versucht, sich gegenseitig zu beeinflussen, auch Demokratien. Manche Länder mögen es sogar nur gerecht finden, dass den westlichen Demokratien nun „mit gleicher Münze“ heimgezahlt wird. Doch die Verfechter offener Gesellschaften haben gute Gründe, sich Sorgen zu machen. Denn autoritäre Einflussnahme kann liberale Staaten schwächen, autoritäre Herrschaft in illiberalen Systemen verfestigen und Gesellschaften von ihrem Weg in die Demokratisierung abbringen. Das lässt sich zum Beispiel auf dem Balkan beobachten, wo Russland versucht, Montenegro und andere Staaten zu destabilisieren.

Die eigene Machtposition stärken

Was alle autoritären Bemühungen um Einflussnahme verbindet, ist die Wahrnehmung, dass das Schicksal ihrer Regime maßgeblich davon abhängt, wie demokratische Staaten ihnen begegnen. Autokratien fühlen sich westlicher Feindseligkeit ausgesetzt. Die primäre Motivation für Einflussnahme ist defensiv. Autokratien streben nach mehr Einfluss in liberalen Demokratien, um westliche Versuche der Delegitimierung zu unterlaufen und ihr eigenes Überleben zu sichern. Autoritäre Regime arbeiten daran, Demokratieförderung, die Unterstützung von Dissidenten und Sanktionen zu verhindern. Sowohl kleine als auch große autoritäre Länder wollen sich einen Schutzschild errichten, indem sie Einfluss im Westen nehmen. Großmächte wie China und Russland versuchen zudem, westliche Übergriffe in „ihre“ Interessensphären zu verhindern.

Eine zweite Motivation autoritärer Regime besteht darin, ihre Machtposition zu stärken. Westliche Gesellschaften sollen zu sicheren Häfen für die eigenen Interessen werden, wobei man auch auf Netzwerke in Politik und Wirtschaft zurückgreift. Das gilt insbesondere für Staaten, deren Eliten sich durch illegale Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen bereichern – wie in Angola, wo die Eliten von westlichem Kapital enorm profitieren.

Autokraten bezahlen Banker, Buchhalter und Bilanzprüfer, um Geldwäsche zu betreiben. Sie umwerben Politiker, die bereit sind, sich für sie einzusetzen. Sie beauftragen westliche PR-Unternehmen, um ihr Image aufzubessern, Anwälte aus dem Westen, um Verleumdungsklagen gegen Kritiker einzureichen, und westliche Immobilienfirmen, um unrechtmäßig erworbene Gelder in legale Werte umzuwandeln. Sollte die Lage für Autokraten brenzlig werden, dann können ausländische Immobilien, Bankkonten und Pässe den Zugang zum Westen erleichtern.

Die Politikwissenschaftler Ale­x­ander Cooley und John Heathershaw haben beschrieben, wie wichtig solche Dienste für Autokraten in Zentralasien sind: Sie tragen dazu bei, ihre Legitimität gegenüber dem Ausland zu erhöhen und die Herrschaft daheim zu sichern. Eine Untersuchung von amerikanischen und europäischen Medien hat gezeigt, dass aserbaidschanische Eliten zwischen 2012 und 2014 rund 2,9 Milliarden Dollar für persönliche Zahlungen, Geldwäsche und den Kauf von Luxusgütern in Europa verwandt haben.

Schließlich wollen manche autoritären Staaten auch mehr Einfluss nehmen, um die globale Ordnung insgesamt in eine illiberalere Richtung zu wenden. Zu ihren Angriffszielen gehören nationale Institutionen westlicher Staaten ebenso wie internationale Organisationen wie die UN, die EU und die NATO. So versucht Russland, westliche Gesellschaften und Regierungen zu spalten und das Vertrauen in liberale Demokratien zu untergraben, indem es Institutionen und Amtsträger diskreditiert. Letztlich sollen auf diese Weise die westlichen Regierungen so geschwächt werden, dass sie Russland gegenüber keine Macht mehr ausüben können oder wollen.

Viele dieser Bemühungen sind eher pragmatischer als ideologischer Natur: So ist der Kreml überzeugt, dass er die Europäische Union blockieren muss, um den russischen Einfluss in Ost- und Mitteleuropa zu erhalten. Insofern ist es für die russische Machtelite in erster Linie Mittel zum Zweck, wenn sie die Botschaft verbreitet, dass Russland die westliche Zivilisation gegen kulturelle Dekadenz verteidigt. Dabei sollte man jedoch die ideologische Affinität vieler rechtsnationalistischer Bewegungen in Europa nicht unterschätzen.

Die Regierung in China konzen­triert sich auf hartes Durchgreifen gegen westliche Ideen im eigenen Land und verbreitet auf aggressive Art und Weise autoritäre Normen in internationalen Institutionen. So nutzt sie beispielsweise die Internationale Fernmeldeunion, um ihr Vorgehen gegen die Freiheit des Internets zu decken. Westlichen Wissenschaftsverlagen wie der Cambridge University Press versucht China, seine harten Zensurbestimmungen aufzuzwingen. Dagegen hat die Volksrepublik bislang wenig Interesse an einer Destabilisierung anderer Staaten gezeigt. Vielmehr versucht Peking, ein positives Image des Landes und seiner Einparteienherrschaft in der westlichen Öffentlichkeit zu fördern. Im Gegensatz zu Russland verfolgt China wirtschaftliche Interessen, für die eine stabile, wenn auch nachgiebige und uneinige EU nützlich ist.

Öffentliche Meinung beeinflussen

Autoritäre Einflussnahme spielt sich vor allem in drei Bereichen ab: der öffentlichen Meinung, den politischen Parteien und der Wirtschaft. Zum ersten Bereich gehören auch die Institutionen, die die öffentliche Meinung prägen und verbreiten: Medien, Nichtregierungsorganisationen, Think Tanks und Universitäten.

Einige autoritäre Regierungen haben westliche Medienunternehmen aufgekauft; ein Beispiel dafür ist ­Angola, das auf diese Weise Einfluss auf Portugal nimmt. Zudem verbreiten autoritäre Staaten ihre Weltanschauungen auch über eigene Fernsehsender im Westen, so wie Russland mit RT und China mit CGTN. Zu solchen Fernsehprogrammen gehören natürlich Nachrichten; aber auch (insbesondere bei den russischen TV-Sendern) Lügen und Gerüchte, die über soziale Medien noch weiter gestreut werden.

Einflussnahme kann ebenso die Form von Medienpartnerschaften annehmen. Ein prominentes Beispiel ist die Kooperation zwischen privaten australischen Medien und chinesischen Staatsmedien, die während eines Besuchs des chinesischen Propagandachefs Liu Qibao 2016 in Sydney beschlossen wurde. Sie führte dazu, dass australische Zeitungen eine englischsprachige Beilage der kommunistischen China Daily veröffentlichten. Solche Maßnahmen dienen der vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping vorgegebenen Richtlinie, Chinas internationalen Einfluss durch „Propaganda in ausländischen Leitmedien“ zu stärken.

China lässt Think Tanks umfangreiche Zuwendungen zukommen. Im Jahr 2014 spendeten wohlhabende, der Kommunistischen Partei nahestehende Unternehmer außerdem 2,2 Millionen Dollar für die Gründung eines Think Tanks in Sydney, des Australia-China Relations Institute. Kremlnahe Sponsoren haben Gelder für Organisationen mit Sitz in Paris bereitgestellt, zum Beispiel für das ­Institute of Democracy and Cooperation. 2016 unterstützten sie auch den Aufbau eines neuen Think Tanks in Berlin, des Dialogue of Civilizations Research Institute. Die Golf-Staaten haben erhebliche Summen an Think Tanks in Washington gezahlt.

Auch durch Zuwendungen an Universitäten versuchen Staaten, sich Ansehen zu verschaffen. Der bekannteste Fall betrifft wohl die Spenden des Regimes von Muammar al-Gaddafi an die London School of Economics vor knapp zehn Jahren. Zuwendungen von Staaten oder staatsnahen Gruppen aus China, Katar, Russland und Saudi-Arabien gehören mittlerweile zum Alltag von Universitäten, gerade wenn es für sie (besonders in Großbritannien) immer schwieriger wird, ausreichend öffentliche Förderung zu erhalten. Manchmal wird mit solchen Geldern echte Lobbyarbeit für autoritäre Staaten finanziert, manchmal geht es darum, die Kritik gegenüber autoritären Staaten zugunsten einer Haltung der normativen Äquidistanz zurückzufahren. So spricht die von einem Oligarchen finanzierte Oxford Blavatnik School of Government nur von „besserer Regierungsführung“ und nicht mehr von liberaler Demokratie und offener ­Gesellschaft.

Politische Parteien bilden den zweiten Bereich, in dem autoritäre Staaten Einfluss nehmen wollen. Manche autoritären Systeme unterstützen sympathisierende Organisationen und Politiker direkt. So pflegt Russland enge Beziehungen zu rechten Gruppierungen in Europa, sofern sie nützlich erscheinen, auch wenn es sie nicht selbst gegründet hat. Rechtsextreme Parteien wie der französische Front National und der ungarische Jobbik haben Finanzhilfen aus Russland erhalten. Der Kreml hat auch die rechtsgerichtete Alternative für Deutschland politisch gestärkt und Kooperationsverträge mit der österreichischen Freiheitlichen Partei und Italiens Lega Nord unterzeichnet.

China beschränkt sich nicht auf ideologisch nahestehende ­Parteien. Peking will auch die etablierten Parteien beeinflussen, damit sie für eine Politik eintreten, die den chinesischen Interessen dient. In diesem Jahr kam es in Australien zu einem Eklat, weil australisch-chinesische Geschäftsleute, die der Kommunistischen Partei nahestehen, die wichtigsten Parteien des Landes mit Zuwendungen in Millionenhöhe bedacht hatten. In Neuseeland wurde jüngst ein Abgeordneter überprüft, der in China geboren und dort an einer Geheimdienstakademie ausgebildet worden war. Über diesen Fall sagte der China-Experte Christopher Johnson der Financial Times, China richte seine Bemühungen darauf, „bestimmte Leute an der politischen Basis westlicher Demokratien zu gewinnen und ihnen dann zu helfen, einflussreiche Positionen zu erreichen“.

Journalisten in Frankreich haben darüber hinaus berichtet, dass die Partei des ehemaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, die Union pour un Mouvement Populaire, im Wahlkampf 2007 illegale Unterstützung aus Libyen und Katar erhalten habe; eine Untersuchung ist im Gange.

Ganz normale Kunden

Der dritte Bereich, den autoritäre Staaten zur Einflussnahme nutzen, ist die Wirtschaft. Ihre Regierungen investieren in wichtige Sektoren, nicht nur um Gewinne zu erzielen, sondern auch, um politischen Druck ausüben zu können. Ein Beispiel sind die chinesischen Investitionen in die griechische Infrastruktur. In den vergangenen Jahren hat Peking dem überschuldeten Land mit einer Großinvestition in den Hafen von Piräus, dem größten Griechenlands, einen finanziellen Rettungsanker geboten.

Diese Investition ordnete sich auch in den Rahmen des von China verkündeten Infrastrukturprojekts der Neuen Seidenstraße ein. Tatsächlich verschaffte sie den Chinesen Zugang zu wichtigen Entscheidungsträgern in Griechenland. Dies eröffnet auch Möglichkeiten zur Beeinflussung der europäischen Außenpolitik, da die griechischen EU-Vertreter natürlicherweise die Interessen der Hauptinvestoren ihres Landes mitberücksichtigen. Ein weiteres Beispiel ist Angolas Ankauf von Mehrheitsbeteiligungen an portugiesischen Banken während der Finanzkrise, was der Volksrepublik privilegierten Zugang zu hochrangigen Politikern in Portugal verschaffte.

Ressourcenreiche Staaten vertrauen darauf, dass Erdöl- und Bergbauunternehmen westliche Entscheidungsträger in ihrem Sinne beeinflussen. Auch ohne direkte Beteiligungen kann schon die Abhängigkeit eines Unternehmens oder Sektors von autokratischen Kunden die nationale Politik prägen. So errichtete Russland in Ungarn zwei Atomkraftwerke. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass Präsident Putin in Ungarn auf freundliches Verständnis zählen konnte – und das in einem Land, in dem die meisten Menschen über lange Zeit hinweg Russland misstrauten.

Die größten Gefahren autoritärer Einflussnahme in westlichen Volkswirtschaften gehen jedoch von Geschäftsleuten aus, die von den Aufträgen solcher Regime abhängig sind. Banker, Immobilienhändler, Finanzdienstleister, Anwälte, Bilanzprüfer, PR- und Lobbyfirmen stellen Autokraten nur zu gerne ihre Dienste zur Verfügung. Diese Entwicklung ist vielerorts zu beobachten – nicht nur in London, wo sie gut dokumentiert ist, sondern in jeder westlichen Hauptstadt. Das gilt auch für Wa­shington, wo Lobbyisten wie Paul Manafort und die Podesta-Gruppe im Auftrag des ehemaligen ukrainischen Präsidenten und Putin-Verbündeten Viktor Janukowitsch gearbeitet haben.

Solche Lobbyisten vertreten die Interessen von autoritären Regimen und ihrer Eliten, indem sie ihnen Zugang zu einflussreichen Personen verschaffen und ihren Ruf verbessern. Auf diese Weise haben wohlhabende Russen Firmen in London als Niederlassungen genutzt und die Stadt nicht nur zu einer Hochburg für die Ausbildung ihrer Kinder, sondern auch zu einem Zentrum für Geldwäsche gemacht. Viele der noch nicht offengelegten Beziehungen zwischen Russland und der Präsidentschaftskampagne Donald Trumps basieren auf wirtschaftlichen Interessen der Putin-Kleptokratie.

Westliche Dienstleister behandeln Autokraten wie jeden anderen Kunden. Ihre Beziehungen gründen weniger auf ideologischen Vorstellungen, sondern auf gemeinsamen Interessen: Die Unternehmer wollen Geschäfte machen; ihre Kunden erhalten Dienstleistungen und es eröffnen sich ihnen neue Zugänge.

Neue Machtstrukturen

Es sind nicht die spektakulären Aktionen wie die russische Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf 2016, die die größte Wirkung zeigen. Am erfolgreichsten sind vielmehr jene Machtstrukturen, die Autokratien langfristig durch politische und wirtschaftliche Investitionen aufgebaut haben. Ein Beispiel dafür lieferte die EU im vergangenen Jahr, als sie es nicht schaffte, sich auf eine gemeinsame Erklärung zu verständigen, die die Rolle Chinas in den Konflikten im Südchinesischen Meer verurteilt hätte. Ungarn und Griechenland, zwei Länder, in denen China umfangreich investiert hat, lehnten einen scharf formulierten Entwurf anderer EU-Staaten ab. In ähnlicher Weise blockierte im Juni dieses Jahres die griechische Regierung eine Stellungnahme der EU, mit der Menschenrechtsverletzungen in China verurteilt werden sollten.

Einflusskanäle können auch helfen, das Prestige autoritärer Regime zu stärken. Davon haben Russland und China profitiert, aber auch Katar. Die Regierung in Doha nahm deutlichen Einfluss auf Frankreichs Nahost-Politik: Sie setzte günstigere Regeln für ausländische Direktinvestitionen durch, weitete ihren Einfluss in den französischen Vorstädten aus und konnte mehrere prestigeträchtige Übernahmen verkünden, zum Beispiel die des Fußballvereins Paris St. Germain.

Um westliche Gesellschaften in Richtung Illiberalität zu drängen, versuchen ausländische Regime bevorzugt solche Entwicklungen in der Innenpolitik zu verstärken, die das Vertrauen in die liberale Demokratie bereits untergraben. Wenn westliche Eliten mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sie seien käuflich (wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Ende September zum Aufsichtsratsvorsitzenden des russischen Ölkonzerns Rosneft gewählt wurde), stärkt dies den Verdacht, dass das Führungspersonal in Demokratien auch nicht tugendhafter sei als die Eliten kleptokratischer Systeme.

Aktives Eingreifen, wie die russische Einmischung in die Präsidentschaftswahlen in den USA, kann eine bereits bestehende politische Polarisierung noch verschärfen. Die Propaganda von Sendern wie RT fällt nämlich bei jenen Zuschauern auf besonders fruchtbaren Boden, die den etablierten Medien ohnehin schon misstrauen. In diesem Zusammenhang versuchen autoritäre Staaten auch, ethnische Minderheiten zu instrumentalisieren. So hat Moskau Teile der russlanddeutschen Bevölkerung in Deutschland mit der Geschichte von Lisa, einer jungen Russlanddeutschen, mobilisiert, die vorgab, von Flüchtlingen vergewaltigt worden zu sein. Auch der türkische Präsident Erdogan versucht immer wieder, die türkischsprachige Gemeinschaft in Europa gegen ihre Regierungen aufzubringen und für seine autoritären Zwecke zu instrumentalisieren.

All dies gibt natürlich Anlass zur Sorge. Zugleich kann man aber auch feststellen, dass viele Versuche der Einflussnahme erfolglos bleiben, und zwar häufig deswegen, weil sie nach hinten losgehen. Katars Nähe zum damaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und die Vorteile, die dem Golf-Staat daraus erwuchsen, führten dazu, dass die französischen Medien ihre investigative Berichterstattung verstärkten. Katar wurde dadurch zum schwarzen Schaf für die französische Öffentlichkeit.

Das unverhohlene Machtstreben Angolas im krisengeschüttelten Portugal hatte ein juristisches Nachspiel. Ab 2012 brachten portugiesische Staatsanwälte zahlreiche Fälle ans Licht, in denen angolanische Oligarchen dank portugiesischer Komplizen Geldwäsche betrieben hatten. Und trotz aller Bemühungen Moskaus um enge Beziehungen zu deutschen Unternehmen und Politikern trat die Bundesregierung dafür ein, wegen der Krim-Annexion und des Krieges in der Ostukraine Sanktionen gegen Russland zu verhängen.

Auch die russischen Eingriffe in die US-Wahlen 2016 hatten unbeabsichtigte Nebenwirkungen. Diese waren zunächst positiv für Russland, da Trumps Entscheidungen – etwa die Einmischung Russlands nicht konsequent zu verfolgen – einen Keil zwischen den neuen Präsidenten und seine Geheimdienste trieben. Doch mittlerweile überwiegen die Nachteile durch Gegenreaktionen in der Demokratischen Partei und von großen Teilen des politischen Establishments. Inzwischen hat der amerikanische Kongress sogar neue Sanktionen gegen Russland beschlossen.

Die besten Gegenmittel

Es wird nicht gelingen, China, Russland und andere Staaten durch Abschreckung davon abzuhalten, in liberalen Demokratien Einfluss nehmen zu wollen. Die Androhung von massiven Vergeltungsmaßnahmen ist unrealistisch und unangemessen, wenn es um die zahlreichen technisch legalen Versuche der Einflussnahme geht. Kriminelle Handlungen sollten strafrechtlich verfolgt werden. Politiker sollten sich darauf konzentrieren, nur bei schwersten Übergriffen Gegenschläge anzudrohen, zum Beispiel wenn Abstimmungsprozesse durch Hacker-Angriffe auf Wahlcomputer manipuliert werden sollen.

Demokratien sollten die Kanäle und Mechanismen autoritärer Einflussnahme direkt angehen. Dazu brauchen sie neue Regeln für mehr Transparenz, vor allem für ­Parteien, Think Tanks, Universitäten, Anwaltskanzleien, PR- und Lobbyfirmen sowie Finanzdienstleister. NGOs sollten Kampagnen gegen die Steigbügelhalter autoritärer Einflussnahme lancieren. Bestimmte Schlüsselbereiche – von der Hochtechnologie bis zur Parteienfinanzierung – sollten genauer unter die Lupe genommen und geregelt werden, um sie vor Einfluss von außen zu schützen. Das Ziel sollte sein, einige Kanäle der autoritären Einflussnahme zu schließen, zugleich aber die Offenheit von Demokratien zu bewahren.

Denn für liberale Staaten ist es wichtig, dass sie sich nicht aus Furcht vor Einflüssen von außen selbst zu geschlossenen Gesellschaften verwandeln. Diesen Fehler haben in jüngster Zeit Ungarn und Israel gemacht, die Gesetze gegen NGOs verabschiedeten, die vom Ausland finanziert werden und häufig kritisch sind. Es wäre aber auch ein Fehler, gegenüber autoritären Staaten zu sehr auf Gegenseitigkeit zu bestehen. Das wäre der Fall, wenn westliche Staaten es chinesischen Medien nur dann erlauben würden, im Westen zu arbeiten, wenn Peking westlichen Journalisten die gleiche Freiheit einräumt. Damit würden liberale Staaten ihre eigenen Werte untergraben, indem sie ihre offenen Gesellschaften auf eine Ebene mit autokratischen Systemen stellen, ohne deren Kalkül wesentlich verändern zu können. Denn werden sie zu einer Entscheidung gezwungen, wählen die meisten illiberalen Regierungen den restriktiveren Weg.

Für den richtigen Umgang mit diesem Problem braucht es Transparenz, klare Regeln und Kampagnenarbeit, um ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen. Diese Faktoren machen von einer wesentlichen Stärke der ­Demokratie Gebrauch: der kritischen öffentlichen Debatte. Wenn die Mechanismen und Folgen autoritärer Einflüsterung aufgedeckt werden, lassen sich diese politisieren, was die weitere Einflussnahme erschwert. Um dafür die Voraussetzungen zu schaffen, braucht es klare Regeln. Die USA und die Europäische Union sollten von allen Unternehmen und Beratern, die sich für Regierungsaufträge bewerben, verlangen, dass sie ihre Geschäftsbeziehungen offenlegen, auch die zu autoritären Staaten. Das Gleiche sollte für Lobbyisten und PR-Agenturen gelten. Auch gemeinnützige Organisationen, Sportvereine, Religionsgemeinschaften, Universitäten und politische Parteien sollten über ihre Finanzierung und damit verbundene Konditionen Auskunft erteilen.

Der Fall des britischen PR-Unternehmens Bell Pottinger zeigt, dass eine kritische Öffentlichkeit durchaus eine durchschlagende Wirkung haben kann: Bell Pottinger musste Konkurs anmelden, nachdem aufgedeckt wurde, dass das Unternehmen eine rassistisch motivierte Kampagne in Südafrika mitgetragen hatte. Da Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit allein aber nicht alles zutage bringen können, sollten Journalisten, Analysten und Wissenschaftler verstärkt zusammenarbeiten, um Licht ins Dunkel autoritärer Einflussnahme zu bringen.

Öffentliche Aufmerksamkeit ist zwar kein Allheilmittel, kann aber dazu beitragen, Gesellschaften widerstandsfähiger zu machen. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich bereiteten Politiker und Geheimdienstvertreter die Öffentlichkeit auf mögliche russische Einflussnahme auf die Wahlen in diesem Jahr vor. Dies nahm russischen Versuchen (wie etwa in Form von #Macronleaks) den Wind aus den Segeln.

Zudem gilt es, sich besser gegen Falschinformationen in sozialen Netzwerken zu wappnen. Parteien und Regierungsstellen sollten imstande sein, Falschmeldungen umgehend durch effektive Gegenkommunikation zu widerlegen. Dies setzt außerdem voraus, dass die Regierung neue Strategien entwickelt, um beispielsweise russisch- oder türkischstämmige Minderheiten zu erreichen. Dies war bislang ein Manko, das es Russland im „Fall Lisa“ überhaupt erst ermöglichte, effektiv Lügen zu streuen. Qualitätsmedien sollten imstande sein, ge­leakte Informationen sorgfältig zu prüfen, um klar kennzeichnen zu können, welche Teile verfälscht wurden.

Einflusskanäle kappen

Politiker sollten Gesetze verabschieden und Maßnahmen ergreifen, die die Anfälligkeit reduzieren und Einflusskanäle kappen. Vor allem gilt es, die kritische Infrastruktur der Demokratien zu stärken: die politischen Parteien, die Gesetzgebung und die Ministerien. Demokratien sollten Regeln einführen, die umfangreiche Cybersecurity-Maßnahmen vorsehen, um diese Institutionen vor Hacker-Angriffen zu schützen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Schutzmaßnahmen nicht ausreichend. Und obgleich westliche Staaten vom Ausland finanzierte NGOs nicht von vornherein stigmatisieren sollten, dürfen sie doch nicht zögern, jene Institutionen zu schließen, die gegen demokratische Spielregeln verstoßen. Dazu zählen Organisationen, die Kritiker ihrer Verbündeten drangsalieren, wie es im Auftrag des türkischen Präsidenten Erdogan in Deutschland und Österreich geschehen ist.

Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollten es ihren politischen Parteien verbieten, Spenden aus dem außereuropäischen Ausland anzunehmen. Und auch wenn offene Gesellschaften natürlich ausländische Direktinvestitionen willkommen heißen sollten, braucht es doch besondere Vorkehrungen gegen Übernahmen in Schlüsselsektoren (Hightech, öffentliche Infrastruktur und Medien). Durch solche Maßnahmen können liberale Staaten geistiges Eigentum schützen, fremden Regierungen politische Machtinstrumente vorenthalten und die Unabhängigkeit der Medien wahren. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass sich die EU für eine strengere Kontrolle von ausländischen Investitionen ausgesprochen hat.

Liberale Demokratien sollten den Zufluss von schmutzigen Geldern aus Autokratien stoppen. Genauso müssen sie verhindern, dass westliche Helfer sich an Geldwäsche beteiligen. Unklare oder gefälschte Eigentumsausweise, mit deren Hilfe Autokraten ihren Besitz im Westen verschleiern, sind abzuschaffen. Schließlich ist es auch notwendig, juristische Maßnahmen einzuleiten, um die Spur von Transaktionen – wie bei dem bereits erwähnten angolanischen Beispiel in Portugal – zurückverfolgen zu können. Demokratien dürfen kein sicherer Hafen für Geld und Anlagen sein, die der Bevölkerung autoritärer Staaten gestohlen wurden.

Autoritäre Einflussnahme ist ein Phänomen, das alle liberalen Demokratien betrifft. Deshalb ist es wichtig, dass offene Gesellschaften voneinander lernen, wie man eine solche Einflussnahme erfolgreich zurückdrängen kann, ohne die eigenen Werte zu verraten. Gerade in Europa ist es höchste Zeit, Analysten und Entscheidungsträger aus verschiedenen EU-Staaten auf längere Sicht zusammenzubringen, um strukturiert Erfahrungen auszutauschen und neue Strategien zu entwickeln. Vor 20 Jahren erklärte der deutsch-britische Soziologe Ralf Dahrendorf: „Ein Jahrhundert des Autoritarismus ist keineswegs die unwahrscheinlichste Prognose für das 21. Jahrhundert.“ Es ist heute eine wesentliche Aufgabe von offenen Gesellschaften zu verhindern, dass Dahrendorfs Prophezeiung eintritt.

Hausgemachte illiberale Kräfte innerhalb des Westens sind die größte Gefahr für unsere Demokratien. Ihnen müssen wir Einhalt gebieten. Deswegen gilt es zu verhindern, dass sie durch die Unterstützung autoritärer Staaten gestärkt werden. Nur dann werden unsere offenen Gesellschaften in der Lage sein, für unsere Werte einzustehen und weltweit den Einfluss von Autokraten zurückzudrängen.

Thorsten Benner ist Direktor des Global Public Policy ­Institute in Berlin. ­Forschung für diesen Artikel wurde gefördert von der Stiftung ­Mercator.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November-Dezember 2017, S. 38 - 47

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