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01. Nov. 2005

Ratlos am Hindukusch

Nach dem Abschluss des Petersberg-Prozesses hat Berlin kein schlüssiges neues Konzept für seine Afghanistan-Politik

Mit der Ausrichtung der internationalen Afghanistan-Konferenzen und seinem Einsatz vor Ort hat Deutschland gezeigt, dass es bereit ist, internationale Verantwortung zu übernehmen. Doch der „Petersberg-Prozess“ ist nun erfolgreich abgeschlossen. Afghanistan wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte Hilfe brauchen. Wie soll der deutsche Beitrag aussehen?

Mitte September hat Afghanistan zum ersten Mal seit über 30 Jahren wieder ein demokratisches Parlament gewählt. Obwohl Deutschland, das sich selbst gern als „engen Wegbegleiter“ des afghanischen Volkes bezeichnet, in der Reihe der Gratulanten stand, war die Freude geteilt. Mit den Wahlen wurde die letzte Etappe des vor vier Jahren begonnenen „Petersberg-Prozesses“ erfolgreich umgesetzt. Für Berlin fällt damit das Kernstück seiner Afghanistan-Politik weg, ohne dass Ersatz in Sicht wäre.

Die Ziele des Petersberg-Abkommens über den institutionellen Wiederaufbau Afghanistans sind vollständig erreicht worden: Nach einem Vierteljahrhundert Bürgerkrieg regiert am Hindukusch zum ersten Mal ein demokratisch gewählter Präsident. Eine neue Verfassung und ein wenn auch überladenes Kabinett stützen den Regierungsanspruch Kabuls. Neu ernannte, getreue Gouverneure wurden in die Provinzen entsandt, wo jetzt Stützpunkte der nationalen Sicherheitskräfte eingerichtet werden. Den Abschluss bildeten am 18. September 2005 die Wahlen zu den Provinzversammlungen und zum Unterhaus, der „wolesi jirga“. Trotz der relativ geringen Wahlbeteiligung von nur knapp 50 Prozent und einzelnen Wahlbetrugsmeldungen von EU-Beobachtern ist der Petersberg-Prozess insgesamt gelungen.

Deutschland, einer der wichtigsten internationalen Akteure vor Ort, steht seit der Erfüllung des Abkommens vor einem außenpolitischen Dilemma. Seit fast vier Jahren sind deutsche Diplomaten, Soldaten und Entwicklungshelfer am Hindukusch aktiv und unterstützen die afghanische Zentralregierung beim Wiederaufbau. Da sich Berlins bisherige Politik fast ausschließlich auf die Anforderungen des Petersberg-Prozesses konzentriert hat, klafft nun eine konzeptionelle Lücke. Welche Ziele und Interessen will und soll Deutschland künftig in Afghanistan verfolgen? Diese Frage stellt sich um so dringender, als sich die alte Bundesregierung bereits zu einem fortdauernden Engagement am Hindukusch bereit erklärt hat.

Vom Petersberg auf die Weltbühne

Die Beziehungen zwischen Berlin und Kabul reichen bis ins deutsche Kaiserreich zurück. Im Jahr 1915 bemühte sich die wilhelminische Niedermayer-Hentig-Mission um erste politische Kontakte mit Afghanistan. Damals versuchte Berlin das ferne Land als Verbündeten gegen die Kolonialreiche Großbritannien und Russland zu gewinnen. Zwar blieb König Amir Habibullah neutral, doch tat das den wachsenden bilateralen Beziehungen keinen Abbruch. Statt militärisch zu kooperieren, wurden wirtschaftliche und gesellschaftliche Verknüpfungen geschaffen. Seither werden die deutsch-afghanischen Be--ziehungen geradezu mystisch verklärt.1 Im Berliner Engagement beim Wiederaufbau des Landes sieht der Afghane Samad Hamed einen Beweis für die „menschlich emotionalen“ Bindungen beider Länder.2 Der Afghanistan-Einsatz spiegelt vor allem den Anspruch Deutschlands wider, mehr Verantwortung in der Weltpolitik zu übernehmen. Dieser Wandel im Selbstverständnis, den Karl Kaiser als Berlins „dritte große Reorientierung“ in der Außenpolitik bezeichnete,3 wurde ausgelöst durch die Terroranschläge in New York vom 11. September 2001. Deutschland trat der Koalition gegen den internationalen Terrorismus bei und entsandte Bundeswehrsoldaten nach Zentralasien und Afrika. Mit der Verlegung des Kommandos Spezialkräfte (KSK) nach Afghanistan wurden zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten zu einem Kampf-einsatz außerhalb Europas beordert.

Bundeskanzler Gerhard Schröder kommentierte diesen neuen militärischen Einsatz in einem Interview im Oktober 2001 mit den Worten: „Das ist schon ein qualitativer Unterschied, … der sich aus der gewandelten Rolle Deutschlands und den Erwartungen der Partner in der Welt ergibt.“4

Der gestiegene außenpolitische Anspruch war die Voraussetzung für Deutschlands breites Engagement in Afghanistan. Kurz nach dem Fall des Taliban-Regimes konnte sich die Bundesregierung auf internationalem Parkett als Gastgeber der durch die UN koordinierten Gespräche über die Zukunft Afghanistans profilieren. Dass Deutschland diese Rolle zufiel, hing zum einen von seinem internationalen Image als ehrlicher Makler und seinen im Allgemeinen guten Beziehungen zur islamischen Welt ab. Nur so konnten auch die wichtigen Regionalmächte Iran und Pakistan beim Wiederaufbau mit eingebunden werden. Zum anderen standen 2001 deutsche Diplomaten der internationalen Afghanistan Support Group vor, einem Zusammenschluss wichtiger Geberländer und Partner Kabuls beim Wiederaufbau. Deutschland richtete auch die zwei internationalen Afghanistan-Nachfolgekonferenzen aus – im Dezember 2002 auf dem Petersberg und im April 2004 in Berlin.

Dass der Einstieg als weltpolitischer Akteur sich nicht mit der Ausrichtung von Konferenzen erschöpfen würde, sondern weit größeres Engagement – auch vor Ort – mit sich bringen würde, dessen war man sich in Berlin durchaus bewusst. Im Rahmen des Petersberg-Prozesses ging Deutschland umfassende zivile und militärische Verpflichtungen beim Wiederaufbau Afghanistans ein. Diese Aufgabe war eine Chance, seinen Anspruch als verfügbarer Krisenmanager auch außerhalb Europas unter Beweis zu stellen. Das Petersberg-Abkommen und das Geflecht ergänzender internationaler Resolutionen stellten so nicht nur die Roadmap für den institutionellen Wiederaufbau Afghanistans dar; Berlin verstand das Abkommen mit seiner prozedural einfach abzuarbeitenden Aufgabenliste quasi als Anleitung für die deutsche Afghanistan-Politik. Erst im Herbst 2003 – zwei Jahre nachdem Berlin erste Soldaten an den Hindukusch verlegt hatte – wurde ein ressortübergreifendes Afghanistan-Konzept der Bundesregierung verabschiedet. Inhaltlich gab es den bereits eingeschlagenen und sich am Abkommen orientierenden Weg wieder.

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes verständigten sich Vertreter verschiedener afghanischer Gruppierungen auf dem Petersberg bei Bonn auf einen Dreijahresplan für den politischen Wiederaufbau des Landes.5 Das Abkommen beinhaltete ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm der afghanischen Übergangsverwaltung und ein Bittgesuch an die internationale Gemeinschaft um Unterstützung in den Bereichen Sicherheit und wirtschaftliche sowie politisch-administrative Zusammenarbeit.6

Mittlerweile sind die Petersberg-Etappen, etwa die Verabschiedung einer neuen afghanischen Verfassung im Januar 2004 oder die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen im Oktober desselben Jahres, vollständig implementiert. Mit „offenkundigem Enthusiasmus“ der afghanischen Bevölkerung, so beschrieb es der Zentralasien-Experte Ahmed Rashid, wurde auch der letzte Schritt, die Parlamentswahlen vom 18. September 2005, getan.7

Die Verpflichtungen, zu denen sich die Afghanen und die internationale Gemeinschaft in dem Abkommen bekannt haben, sollten Motor des Wiederaufbaus sein. Die Internationale Geberkonferenz für Afghanistan, die so genannte Tokio-Konferenz im Januar 2002, auf der finanzielle Unterstützung in Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden Dollar zugesagt wurde, brachte den nötigen Antrieb. Auf der Berliner Konferenz im April 2004 wurde die Hilfe durch Zusagen einzelner Staaten und internationaler Finanzorganisationen um weitere 8,2 Milliarden Dollar für die nächsten vier Jahre aufgestockt.

Zur besseren Koordination der internationalen Bemühungen im Sicherheitsbereich verständigten sich die G-8-Staaten am Rande der Tokio-Konferenz auf eine Verteilung von fünf Schwerpunktaufgaben. Unter dem Begriff der Sicherheitssektor-reform übernahmen die USA die Führung beim Wiederaufbau einer nationalen Armee; Deutschland koordiniert den Aufbau der Polizei, Italien den eines rechtsstaatlichen Justizwesens. Großbritannien hat sich verpflichtet, die internationalen Bemühungen zur Drogenbekämpfung zu überwachen, und Japan finanziert  die Entwaffnung und Reintegration ehemaliger afghanischer Milizen.8

Fünf Führungsnationen haben so das an die internationale Gemeinschaft gerichtete Ersuchen im Anhang des Petersberg-Abkommens aufgegriffen, „die Eingliederung der Mudschaheddin in die neuen afghanischen Sicherheits- und bewaffneten Streitkräfte zu unterstützen“ und „den internationalen Terrorismus sowie den illegalen Drogenanbau und -handel zu bekämpfen.“9

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen begleitete durch entsprechende Resolutionen die Bemühungen und schickte als koordinierenden Akteur der Weltgemeinschaft die United Nations Assistance Mission for Afghanistan (UNAMA) ins Feld. Mit den Sicherheitsratsresolutionen 1386 und 1401 wurden die International Security Assistance Force (ISAF) sowie die Einrichtung der UNAMA beschlossen.10

Die Herausforderung des afghanischen Wiederaufbaus wurde in eine multilaterale Kraftanstrengung übersetzt, bei der Deutschland bereitwillig Führungsverantwortung übernahm. Um den Anspruch eines globalen Mitspielers zu unterstreichen, stellte es substanzielle Beiträge zu dessen Umsetzung zur Verfügung. So akzeptierte die Bundesrepublik zum Beispiel die Führungsfunktion für die Aufstellung einer afghanischen Polizei;11 bei ISAF ist Berlin mit durchschnittlich 2000 Soldaten schon seit längerem der größte Truppensteller und richtete in Kunduz das erste NATO-geführte regionale Wiederaufbauteam ein. Auch beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes ist die Bundesrepublik führend: Zusammen mit den USA und Japan gehört sie zu den wichtigsten Geberländern für Afghanistan.

Den Petersberg-Vorgaben folgend, hangelten sich in den letzten vier Jahren deutsche Initiativen von einem Spiegelstrich des Abkommens zum nächsten: von der Koordinierung der eigenen Sicherheitssektorsparte bis hin zu militärischen Stabilisierungsaufgaben unter NATO-Befehl; von der tatkräftigen Begleitung einer Großen Ratsversammlung zur Einsetzung einer Übergangsregierung, der „emergency loya jirga“, bis hin zur Unterstützung der Präsidentschaftswahlen.

Berlin in der Pflicht

Nach dem Ende des Petersberg-Prozesses forderte die Washington Times, sozusagen als „Belohnung“, eine neue Geberkonferenz für Afghanistan.12 Ohne fortgesetzte internationale Hilfe, so die amerikanische Zeitung, würde die afghanische Regierung unter Präsident Karzai die  Lasten des Wiederaufbaus und der Aussöhnung des Landes nicht bewältigen können. Auch der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs in Afghanistan, Jean Arnault, warnte, dass die Erfolge des Petersberg-Prozesses jetzt nicht durch das Zurückfahren der internationalen Hilfe gefährdet werden dürften.13

Gegenüber Berlin, so scheint es, bedurfte es weder von afghanischer noch von internationaler Seite großer Überzeugungsarbeit. Deutsche zivile und militärische Helfer bleiben am Hindukusch. Deutschland ist viel daran gelegen, dass Afghanistan, und damit verbunden der Name „Petersberg“, nicht den Stempel des Scheiterns erhalten. Das namensgebende ehemalige Hotel und jetzige Gästehaus der Bundesregierung bei Bonn ist zum Symbol für ein neues außenpolitisches Selbstverständnis und den deutschen Anspruch auf weltpolitische Mitgestaltung geworden. Eine langfristige Präsenz ist daher bereits anvisiert, und für den damaligen Außenminister Joschka Fischer stand fest: „Die Bundesregierung wird Afghanistan auf diesem Weg auch weiterhin eng zur Seite stehen.“14

Dass dieser Weg sich noch hinziehen wird, darüber macht man sich in Berlin keine Illusionen. In der Berliner Erklärung vom April 2004 bestätigte die Bundesrepublik, dass ein fortgesetztes internationales Engagement bis mindestens 2015 notwendig sein werde, um Afghanistan in die Lage zu versetzen, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen.15

Ein ähnlicher Zeitrahmen wird der militärischen Planung zugrunde gelegt. Für die NATO-geführte ISAF-Mission rechnete der NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer mit einer schrittweise räumlich ausgedehnten Präsenz von mindestens noch acht bis zehn Jahren. Die Bundeswehr übernahm vor wenigen Wochen die Führungsverantwortung über die ISAF-Wiederaufbauteams im gesamten Norden des Landes.16 Mit großer Mehrheit stimmte der Deutsche Bundestag am 28. September 2005 der Erhöhung der Truppenstärke auf bis zu 3000 Soldaten und der Erweiterung des Einsatzgebiets auf ganz Afghanistan zu.

Darüber hinaus nehmen eine Reihe von so genannten Petersberg-left-overs die internationale Gemeinschaft weiter in die Verantwortung. Diese „Überbleibsel“ entstammen Zusagen auf Nachfolgekonferenzen, wie der ebenfalls auf dem Petersberg ausgetragenen Konferenz vom 2. Dezember 2002 und der Berliner Afghanistan-Konferenz vom 31. März/1. April 2004. Einer dieser Punkte ist die noch unvollständige Aufstellung von Armee- und Polizeikräften. Die Staaten, die an den beiden Militärmissionen in Afghanistan beteiligt sind, erklärten 2004, dass die International Security Assistance Force (ISAF) und Operation Enduring Freedom so „lange fortgesetzt werden, bis die neuen afghanischen Sicherheits- und Streitkräfte hinreichend etabliert und funktionsfähig sind“.17

Im Juli 2005 verfügte die Afghanische Nationalarmee (ANA) erst über rund 31 000 Soldaten.18 Zur Erreichung der Sollstärke von 70 000 Mann, die das zweite Petersberg-Abkommen für eine einsatzfähige Armee vorsieht, ist es also noch weit. Auch die Ausbildung der Polizeikräfte, deren Koordinierung Deutschland übernommen hat, ist zur Zeit noch voll im Gange.19 Hier wird ein Zeitrahmen bis 2009 veranschlagt.

Auch von der Berliner Konferenz im Frühjahr 2004, bei der eines der zentralen Themen der wirtschaftliche Wiederaufbau war, lassen sich Erwartungen gegenüber Deutschland ableiten. Im UN-Ranking der ärmsten Länder der Welt liegt Afghanistan immer noch auf dem sechstletzten Platz von 178 Staaten. Seit Ende 2001 hat Deutschland über 650 Millionen Euro für den Wiederaufbau und humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt.20 Die zarten Anfänge wirtschaftlicher Entwicklung sind allerdings stets gefährdet durch Drogen- und „Gewaltwirtschaft“.21 Bereits jetzt beläuft sich das Geschäft mit Schlafmohn und Opium auf ca. 2,8 Milliarden Dollar, was rund 60 Prozent des in Afghanistan erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts ausmacht.22 Für Antonio Maria Costa, Leiter des UN-Büros zur Drogenbekämpfung, ist die Gefahr, dass Afghanistan zu einem „Narco-State“ wird, sehr reell.23 Um das zu verhindern, wird fortdauernde Hilfe der internationalen Gemeinschaft beim Wiederaufbau des Landes auf hohem Niveau erforderlich sein. Deutschland hat auf der Berliner Konferenz bestätigt, dass Kabul für einen nachhaltigen Aufbau geschätzte 28 Milliarden Dollar in den nächsten zwölf Jahren benötigen wird.24

Deutschland sieht sich in der Pflicht, seine Anstrengungen in Afghanistan fortzusetzen. Dabei wird übersehen, dass mit dem Wegfall des Petersberg-Prozesses eine konzeptionelle Grundlage für das weitere Engagement bisher noch fehlt.

Post Petersberg?

Berlins Auftreten am Hindukusch in den letzten vier Jahren wirkte routiniert – was auch daran lag, dass sich die deutsche Außenpolitik eng an den Vorgaben des Petersberg-Abkommens orientierte. Das verspätete, im Herbst 2003 verabschiedete Afghanistan-Konzept der Bundesregierung übernahm diese Linie. Mit den Wahlen zur „wolesi jirga“ fällt nun das Kernstück der deutschen Afghanistan-Politik weg. Dabei wird deutlich, dass es in Berlin kaum Vorstellungen gibt, wie es weitergehen könnte.

Einige Aufgaben, die noch nicht vollständig umgesetzt wurden – vor allem im Bereich der Sicherheitssektorreform – werden eiligst herangezogen, um die weitere Präsenz zu legitimieren. Diese reichen aber kaum als Ersatz für eine tragbare und langfristige Politik. Aus wirtschafts- und sicherheitspolitischer Sicht lassen sich Gründe für ein fortgesetztes deutsches Engagement in Afghanistan ableiten. Doch eine Debatte über die deutschen Interessen und Ziele des umfangreichen Einsatzes am Hindukusch findet hierzulande bisher nicht statt. Wenn überhaupt öffentlich diskutiert wird, dann geht es meist um Einzelaspekte, die eher mit der aktuellen Sicherheitsagenda oder den transatlantischen Beziehungen zu tun haben. So wird etwa geargwöhnt, die Bundesregierung erweitere ihr Engagement in den Provinzen Afghanistans, um sich bei den USA für die Verweigerung eines Irak-Einsatzes „freizukaufen“.

Eine hochrangige französische Diplomatin entgegnete kürzlich auf die Frage, warum ihr Land kaum in Afghanistan tätig sei: „Frankreich hat keine Interessen in Afghanistan zu wahren.“ Es ist höchste Zeit für eine Debatte darüber, wofür und auch wie Deutschland in Afghanistan einzutreten gedenkt. Denn mit der Wahl am Hindukusch bekamen die Afghanen nicht nur ein demokratisches Parlament, sondern auch einen ratlosen Wegbegleiter: Deutschland.

1 Selbst der damalige Außenminister Joschka Fischer berief sich bei der Eröffnung der Petersberg-Konferenz im November 2001 auf ganz besondere Bande beider Länder.

2 Siehe Samad Hamed: Die afghanisch-deutsche Beziehung: aus afghanischer Sicht, www.afghan-german.de.

3 „During this third reorientation, Germany is assuming responsibility in the context of global strategies.“, Karl Kaiser: German Perspectives on the New Strategic Landscape after September 11, American Institute for Contemporary German Studies, Washington 2002, S. 4. Zu finden unter www.aicsg.org/publications/transnational.shtml

4 Eine neue Form der Selbstverteidigung, Die Zeit, 18.10.2001.

5 Matin Baraki: Afghanistan nach Petersberg, Blätter für deutsche und internationale Politik, 2/2002, S. 147–150.

6 Siehe Übereinkommen über vorläufige Regelungen in Afghanistan bis zur Wiederherstellung dauerhafter staatlicher Institutionen („Petersberg Abkommen“) vom 5.12.2001, über: www.auswaertiges-amt.de.

7 Ahmed Rashid: Afghan election raises the bar, BBC, 22.9.2005.

8 Japan ist die Führungsnation des so genannten DDR-Prozesses für Disarmament, Demobilisation und Reintegration von Milizen.

9 Afghanistan-Übereinkommen (Anm. 6).

10 Weitere UN-Resolutionen: Resolution 1278 des Sicherheitsrats vom 22.12.2001 (Unterstützungszusage für neue Interimsbehörde), Resolution 1510 des Sicherheitsrats vom 13.10.2003 (ISAF-Ausdehnung auf ganz Afghanistan).

11 Siehe auch Lutz Diwell: Die deutsche Führungsrolle beim Aufbau der afghanischen Polizei, in Claudia Gomm-Ernsting, Annett Günther (Hrsg.): Unterwegs in die Zukunft. Afghanistan – drei Jahre nach dem Aufbruch vom Petersberg, Berlin 2005.

12 A parliament for Afghanistan, The Washington Times, 23.9.2005.

13 UN News Service vom 22.3.2005, über: www.un.org.

14 Bundesminister Fischer gratuliert Hamid Karzai, 6.12.2004, über: www.auswaertiges-amt.de.

15 In der Abschlusserklärung werden die Ergebnisse der Studie „Securing Afghanistan’s Future“ des damaligen afghanischen Finanzministers Ashraf Ghani ausdrücklich bestätigt, in der ein detaillierter Aufbauplan bis 2015 aufgezeigt wird. Deutschland und seine Partner erklärten ihren festen Willen „im Wege einer gemeinsamen Anstrengung des afghanischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft die Aufgaben des Wiederaufbaus und der Reform der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen Afghanistans fortzuführen“, Berliner Erklärung vom 1.4.2004, www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/friedenspolitik/afghanista…

16 Siehe „Risiko am Hindokusch“, Der Spiegel, 29.9.2005.

17 Berliner Erklärung (Anm. 15).

18 Angaben der US-geführten Koalitionstruppen in Afghanistan (OMC-A) vom 30.6.2005.

19 Im Juni 2005 wurden rund 50 000 im Einsatz gezählt. Die Obergrenze von 62 000 voll ausgebildeten und einsatzfähigen Polizisten und Polizistinnen soll 2009 erreicht werden.

20 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, „Zusammenarbeit und Entwicklung: Afghanistan“, www.bmz.de.

21 Conrad Schetter: Afghanistan: Gewaltwirtschaft und „Warlords“, Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2003, S. 1233–1236.

22 Afghanistan ist weltweit der größte Produzent von Rohopium; eine unrühmliche Position, die paradoxerweise während der letzten vier Jahre internationaler Präsenz ausgebaut wurde. United Nations Office on Drug and Crime: Afghanistan Opium Survey Report 2004, November 2004.

23 Siehe BBC, 18.11.2004, über: www.news.bbc.co.uk.

24 Diese Zahl entstammt der Studie „Securing Afghanistan’s Future“ des damaligen afghanischen Finanzminister Ghani, www.af/recosting.