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01. Sep 2005

Lektionen aus dem Südpazifik

Effektive Intervention in einem scheiternden Staat: ein Fallbeispiel

Die Salomonen sind eine Gruppe von 992 Inseln vor der australischen Nordostküste. Vor zwei Jahren waren dort die staatlichen Strukturen so zerfallen, dass die örtliche Regierung Australien um Hilfe bat. Im Juli 2003 startete die australische Regierung dort ein Statebuilding-Projekt nach völlig neuem Muster. Die Erfolge sind ermutigend.

Auf Ersuchen der Regierung der Salomonen begann am 24. Juli 2003 die von Australien geführte Regional Assistance Mission to Solomon Islands (RAMSI). RAMSI markierte den ersten Schritt eines fundamentalen Politikwechsels der australischen Regierung im Südpazifik hin zu einem größeren Engagement in der Region. Obwohl noch viele Herausforderungen zu bewältigen sind, hat RAMSI beachtliche Erfolge vorzuweisen. Die Hintergründe dieses Erfolges könnten einige nützliche Lektionen für andere gegenwärtige und zukünftige regionale oder multilaterale Interventionen bieten.

In den Monaten vor dem RAMSI-Einsatz hatten die Salomonen aufgehört, als leistungsfähiger Staat zu existieren.1 Sie waren gelähmt durch Krisen des politischen Lebens und der öffentlichen Sicherheit, die die Gesellschaft quasi in die Geiselhaft von Exmilizionären und bewaffneten kriminellen Banden brach- ten. Auf den Salomonen leben rund 500 000 Menschen auf etwa 1000 Inseln. Vom späten 19. Jahrhundert bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1978 war die Inselgruppe ein britisches Protektorat. Für den jungen Staat stellten sich nach 1978 rasch die ersten Krisenzeichen ein. Ende der achtziger Jahre verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum, der interne Druck auf die Bevölkerung nahm zu. Traditionelle Strukturen erwiesen sich als äußerst widerstandsfähig, während die unter britischer Autorität geschaffenen staatlichen Institutionen über die Hauptstadt hinaus kaum Einfluss hatten. Faktisch wurden die meisten Positionen als Instrumente zur Patronatswirtschaft nach traditionellen melanesischen Praktiken genutzt.

Zwischen 1998 und 2000 wurde das Land durch einen Konflikt ethnischer Gruppen der zwei Hauptinseln, Guadalcanal und Malaita, erschüttert. Über mehrere Generationen hinweg hatten Arbeitsmigranten aus Malaita auf Guadalcanal gesiedelt, um in der Hauptstadt Honiara zu arbeiten, wo sie wirtschaftlich recht erfolgreich waren. Über die Jahre hinweg führte dies zu wachsendem Unmut bei den Bewohnern von Guadalcanal. Ende der neunziger Jahre bildeten sich auf beiden Seiten Milizen. Nach ersten Zusammenstößen brachte die Malaitan Eagle Force (MEF), die mit der Royal Solomon Islands Police eng verbunden war, die Hauptstadt unter ihre Kontrolle. Im Juni 2000 erbeutete die MEF mit verbündeten Polizeikräften das Waffenarsenal der Polizei und setzte Premier Bart Ulufa’alu mit einem De-facto-Staatsstreich ab.

Der ethnische Konflikt  konnte durch das Townsville Peace Agreement (TPA) vom 15. Oktober 2000 weitgehend eingedämmt werden. Allerdings wurden Kernpunkte des TPA, wie die Waffenabgabe, nicht durchgesetzt, und das Auslaufen des Friedensabkommens im Oktober 2002 hinterließ eine sich weiterhin in erheblichem Aufruhr befindende Gesellschaft.

Im Jahr 2003 hatte sich der ursprünglich ethnische Konflikt in eine Krise der öffentlichen Ordnung verwandelt. Mitglieder vormals militanter Banden unterhielten Verbindungen zu Politikern und korrupten Elementen innerhalb der Polizeikräfte, wodurch die die Kriminalität steil anstieg. Politiker und Beamte wurden eingeschüchtert und erpresst. Sogar der Premier wurde bedroht, seine Residenz beschossen. Gefälschte Ausgleichsforderungen sowie die Durchsetzung solcher Zahlungen wurden zu einer lukrativen Industrie für Kriminelle, die in der Vernichtung des Staatsvermögens gipfelte. Die Regierung konnte die Krise nicht unter Kontrolle bekommen, die Wirtschaft verharrte in der Depression, staatliche Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheit kamen nahezu zum Erliegen.

Australiens Politikwechsel

In dieser Lage baten mehrere Führungspersönlichkeiten der Salomonen um internationale Unterstützung. Insbesondere fragten sie beim Nachbarstaat Australien an. Die australische Regierung war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht zur Intervention bereit. Stattdessen bot sie verstärkte Entwicklungszusammenarbeit und Konfliktvermittlung an, die auch angenommen wurde. Im April 2003 schrieb Allan Kemakeza, Premierminister der Salomonen, an den australischen Premier John Howard und bat erneut um Hilfe bei der Bewältigung des politischen Konflikts. Diesmal entschied die australische Regierung, dass umfassendere Hilfe notwendig und somit die Grundlage für eine direkte Intervention gegeben sei.

Mehrere Faktoren bedingten diesen Wandel. Primär wuchs in Canberra die Erkenntnis, dass die Situation auf den Salomonen die nationalen Interessen Australiens direkt gefährdete, da deren Instabilität eine Sicherheitsbedrohung darstellte. Ein Staat mit schwacher Sicherheitsinfrastruktur und unzureichenden Fähigkeiten zur Regulierung von Reisebewegungen könnte sich zu einem potenziellen Stützpunkt für transnationale kriminelle Netzwerke entwickeln, z.B. in den Bereichen Waffen-, Drogen- und Menschenhandel und Geldwäsche.

Der zweite Faktor ergab sich aus dem veränderten globalen Kontext. Die Ereignisse des 11. September hatten Sorgen verstärkt, zerfallende Staaten könnten attraktive Basen für transnationale Kriminalität darstellen. Drittens kam die Erkenntnis, dass Veränderungen in Australiens Politik gegenüber den Salomonen, sowie dem Südpazifik allgemein, notwendig waren. Jahrelang hatte Australien den Ländern im Südpazifik – häufig großzügige – Summen für Entwicklungshilfe bereitgestellt, jedoch gab es einen Widerwillen, direkt zu intervenieren. Der Hands-off-Ansatz gründete sich auf dem Respekt vor der Souveränität anderer Staaten und der Aversion dagegen, im Falle stärkeren Engagements als neokolonialistisch eingestuft zu werden. Australiens Entwicklungshilfe an die Salomonen hatte sich über vier Jahre hinweg auf 37 Millionen australische Dollar (AUD) im Jahr 2003 vervierfacht, jedoch wurde jeder mögliche Effekt durch den nahezu vollständigen Kollaps der Regierung der Salomonen zunichte gemacht. Weitere Erhöhungen hätten wenig dazu beigetragen, den Verfall aufzuhalten.

Viertens gab es auch eine moralische und humanitäre Dimension. Australien stand in der Verantwortung, gegen das Elend in einem Nachbarland anzugehen. Der fünfte Faktor betraf Australiens diplomatisches Ansehen. Australien ist die größte Macht in seiner unmittelbaren Umgebung. Daher besteht dort die Erwartung, dass Australien seinen Nachbarn in Krisenzeiten beisteht. Die stetige Verschlechterung der Situation auf den Salomonen hatte negative Auswirkungen auf Australiens Fähigkeit, ein stabiles Sicherheitsumfeld für die Region zu gewährleisten.

Vom Schreiben des Premierministers der Salomonen bis zur Entsendung von RAMSI vergingen nur drei Monate. Einen Einsatz von über 2000 regionalen Polizeikräften, Militär- und Entwicklungsberatern innerhalb kürzester Zeit zu planen und in Gang zu setzen, war ein erhebliches Unterfangen.

Der RAMSI-Einsatz verfolgte mehrere Ziele:

  • die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit,
  • Unterstützung bei der Staatsführung und wirtschaftlichen Reformen,
  • Hilfe beim Wiederaufbau der Salomonen-Institutionen.

RAMSI war als umfassender Statebuilding-Einsatz mit mehreren Phasen konzipiert, wobei die Wiederherstellung und Stabilisierung von Recht und Ordnung als vordringlichste Aufgaben bewertet wurden. RAMSI-Personal sollte an wichtigen Schnittstellen und in beratenden Funktionen in den Behörden der Salomonen tätig werden und ein ziviler Special Coordinator wurde beauftragt, die gesamte Operation zu überwachen.

RAMSI hatte von Anfang an mehrere bemerkenswerte Aspekte. Erstens wurde die Wiederherstellung von Recht und Ordnung als die erste – und nicht die aufwändigste – Phase eines längeren Projekts angesehen, das den Aufbau effektiver Institutionen zur Staatsführung unterstützen sollte. Entsprechend erklärte Australien sich bereit, eine langfristige Verpflichtung über einen Zeitraum von mindestens fünf bis zehn Jahren einzugehen.

Zweitens stand der Einsatz unter ziviler Führung mit erheblicher Beteiligung der Polizei: Die Wiederherstellung von Recht und Ordnung wurde vorrangig als Aufgabe der Polizei, nicht des Militärs, angesehen. 300 Polizeibeamte, darunter 200 Australier, wurden auf die Salomonen entsandt, um diesen Auftrag auszuführen. Nötig war die Einsammlung von Waffen im Privatbesitz sowie die „Neutralisierung“ krimineller Banden durch aktive polizeiliche Ermittlungen und strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen, die während der Spannungen begangen worden waren. Ein großes Militärkontingent wurde entsandt, um der Polizei logistische Unterstützung zu gewähren. Der Großteil dieses Kontingents ist seither wieder abgezogen worden.

Das dritte bemerkenswerte Charakteristikum war das Element des Konsenses: Der Einsatz fand auf Bitten der Regierung der Salomonen und mit einstimmiger Billigung des Parlaments der Salomonen statt. Er genoss darüber hinaus die Unterstützung der Bevölkerung der Salomonen. Viertens ist zu erwähnen, dass auch das maßgebliche regionale Forum den Einsatz befürwortete. Beim Treffen der Außenminister des Pacific Islands Forum (PIF) im Juni 2003 wurde die Operation in den Kontext der Biktawa-Erklärung des Forums gerückt, die kollektive Maßnahmen zur Krisenbewältigung vorsieht. RAMSI war darüber hinaus regional verankert: Alle elf Mitgliedsstaaten des PIF haben sich bis jetzt an dem Einsatz beteiligt.

Vorläufige Bilanz von RAMSI

Die Intervention auf den Salomonen weist bis jetzt eine Reihe wichtiger Erfolge auf. So gelang es binnen kurzer Zeit, den Teufelskreis der Gesetzlosigkeit auf den Salomonen zu durchbrechen. Selbst RAMSI-Angehörige waren von der zügigen Wiederherstellung von Recht und Ordnung überrascht. Kinder und Lehrer gingen wieder zur Schule, in Honiara wurde gestohlenes Eigentum zurückgegeben, der Aufbau in der Hauptstadt begann. Das Gefühl von Sicherheit ist weitgehend erhalten geblieben; fast 3600 Waffen wurden sichergestellt und 6300 Verhaftungen vorgenommen.

Das RAMSI-Programm zur Stabilisierung des öffentlichen Haushalts erbrachte ebenso wichtige Erfolge. Ein arbeitsfähiger Haushalt wurde aufgestellt, strenge Ausgabekontrollen erlassen und keine weiteren unberechtigten Ausgleichszahlungen oder Beihilfen gezahlt. Die Einnahmesicherheit erhöhte sich, so dass Polizisten, Lehrer und andere öffentliche Bedienstete schon kurz darauf wieder pünktlich bezahlt werden konnten. Phase zwei, die das ganze Jahr 2004 umfasste, zielte auf die Konsolidierung von Rechtsstaatlichkeit, die Einleitung institutioneller Reformen und Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft. RAMSI hat bei der Reorganisation der Royal Solomon Islands Police (RSIP) erhebliche Fortschritte gemacht. Schätzungsweise 25 Prozent der Polizeikräfte – ungefähr 400 Polizeibeamte – wurden aus dem Dienst entfernt, 88 von diesen (einschließlich zweier stellvertretender Polizeipräsidenten) inhaftiert und wegen Korruption, Mord oder sonstigen schweren Verbrechen angeklagt. Die paramilitärische Einheit der RSIP, die bei dem Staatsstreich im Jahr 2000 eine Schlüsselrolle gespielt hatte, wurde aufgelöst.

Die Participating Police Force (PPF) der RAMSI führte gemeinsam mit der RSIP Polizeikontrollen sowie Überwachungs- und Sicherungstätigkeiten und strafrechtliche Ermittlungen durch. Eine strategische Bewertung des RSIP wurde vorgenommen, 150 neue Rekruten wurden in fünf Schulungen ausgebildet. RAMSI unterstützte auch die Justiz und Strafvollzugsanstalten, etwa beim Bau von Gebäuden. Rund 35 Rechtsexperten fungieren u.a. als Generalstaatsanwalt sowie als Richter und Staatsanwälte. Darüber hinaus haben Berater mit der Regierung ein wirtschaftliches Reformprogramm zur Förderung von Investitionen erstellt. Seit der Ankunft von RAMSI wird auf den Salomonen wieder positives Wirtschaftswachstum verzeichnet. Weitere Vorhaben betreffen die Regierungsmaschinerie, darunter Arbeitsabläufe des Kabinetts, der Verwaltung, des Parlaments und der Wahlsysteme. RAMSI bemüht sich, Verantwortlichkeit und Transparenz in der Regierung zu stärken und Institutionen zur Korruptionsbekämpfung zu schaffen, darunter einen Ombudsman und einen obersten Rechnungsprüfer.

Die dritte Phase des Einsatzes hat in diesem Jahr begonnen. Obwohl es ein gewisses Maß an Überschneidung zwischen Phase zwei und Phase drei gibt, zeichnet sich die dritte Phase eher durch Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und Eigenständigkeit aus. Der Schwerpunkt liegt auf Ressourcenaufbau und Ausbildung sowie auf der operativen Umsetzung der Reformen. So hat RSIP mittlerweile einen größeren Anteil der alltäglichen Polizeiarbeit übernommen, während die PPF sich auf Ausbildung und Betreuung der RSIP, Beratung bei Ermittlungen und bei der Korruptionsbekämpfung konzentriert.

Die Joint Corruption Targeting Task Force der PPF und RSIP hat bis jetzt mehrere Minister der Salomonen sowie weitere hochrangige Personen inhaftiert. Das erste Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den ethnischen Spannungen wurde vor kurzem beendet; es ergingen lebenslange Haftstrafen für den früheren Warlord Harold Keke und zwei Beteiligte wegen Mordes an einem Parlamentsabgeordneten. Kekes Gerichtsverfahren hatte eine insgesamt aufrüttelnde Wirkung. Diese Schiedsgerichte zur Lösung ethnischer Spannungen erweisen sich als ein integraler Bestandteil zur Konsolidierung von Rechtsstaatlichkeit.

Trotz der Fortschritte gab es auch Rückschläge. Der Mord an einem australischen PPF-Mitglied durch einen Scharfschützen zeigte nur allzu deutlich, dass weiterhin Sicherheitsprobleme bestehen. Einige Bewohner der Salomonen sind RAMSI nicht wohl gesonnen – insbesondere diejenigen, die durch die kriminellen Ermittlungen und RAMSI-Aktivitäten im Bereich der Korruptionsbekämpfung etwas zu verlieren haben.2

Kritik an RAMSI wurde insbesondere nach dem Mord laut, als erhöhte Sicherheitsmaßnahmen erlassen wurden. Teile dieser Kritik lassen sich klar denjenigen zuordnen, die von RAMSI-Ermittlungen und der Überprüfung der öffentlichen Finanzen betroffen sind. Jedoch kann diese Kritik als Beleg dafür gelten, dass die Honeymoon-Phase von RAMSI vorüber ist.

Trotz der Erfolge bleibt die RAMSI-Operation anfällig. Wie sich an den Beispielen Irak, Afghanistan, Haiti, Kosovo, Bosnien und Osttimor zeigt, ist Statebuilding ein schwieriges Unterfangen. Statebuilding-Einsätze weltweit hatten oft erhebliche Schwierigkeiten bei der Wiederherstellung oder bei der Stabilisierung der Sicherheitslage. Die Arbeit der RAMSI ist noch nicht beendet. Nach zwei Jahren können jedoch einige Lehren gezogen werden, die auch für Statebuilding-Einsätze anderswo von Belang sein könnten.

1. Lokale Verantwortung und Unterstützung sind entscheidend.

Die Intervention von RAMSI fand auf Bitten von und mit der Unterstützung der Salomonen statt. Die Anfrage der Regierung der Salomonen hatte die parteiübergreifende Zustimmung des Parlaments der Salomonen. Vor der Entsendung von RAMSI fanden Beratungen mit der Zivilgesellschaft und beiden politischen Lagern statt, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung über den geplanten Einsatz informiert war und diesen unterstützte. Obwohl RAMSI anfänglich von einigen dafür kritisiert wurde, sich nicht weit genug mit der Zivilbevölkerung abzustimmen, ist die öffentliche Vermittlung ein Schwerpunkt der RAMSI-Aktivitäten. Die Beteiligung von Interessenvertretern und eine effiziente Kommunikation bleiben von entscheidender Bedeutung für die Aufrechterhaltung öffentlicher Unterstützung.

Australien war auch bestrebt, die Grundlagen für die Intervention der internationalen Gemeinschaft zu vermitteln, um deren Unterstützung zu erreichen. Im Einklang mit Kapitel VIII der UN-Charta wurde der UN-Sicherheitsrat laufend über die Aktivitäten von RAMSI gemäß den Richtlinien für Regionale Abmachungen informiert. Im August 2003 äußerten sich der UN-Generalsekretär und der UN-Sicherheitsrat in einer förmlichen Erklärung lobend über die regionale Unterstützungsmission auf den Salomonen.

2. Zusammenarbeit in der Region ist wesentlich.

Obwohl die Führung bei Australien liegt, ist RAMSI eine pazifische Operation: Es hatte von Beginn an eine deutliche regionale Dimension, 11 der 16 Mitglieder des Pacific Islands Forum stellten Personal zur Verfügung.

Statebuilding-Einsätze können immer nur so gut sein wie die beteiligten Personen. Eine wichtige Lektion von RAMSI war die Bedeutung von örtlich verfügbarem Fachwissen und qualifiziertem Personal. Der Einsatz von Personen in Führungsrollen, die aus der Region stammen, hat sich als echter Vorteil erwiesen: So hat Verständnis für das kulturelle und politische System Melanesiens die Vertrauensbildung bei der Bevölkerung erleichtert. Weitere Vorteile brachte der Einsatz von Personen mit Erfahrungen im Bereich Statebuilding, u.a. in Osttimor und bei anderen UN-Einsätzen.

3. Ein klares Mandat minimiert Unsicherheiten.

Ein schlecht definiertes Mandat war der Untergang vieler Interventionen. Im Fall von RAMSI waren die Ziele klar umrissen. Es war von Anfang an mit der Regierung abgesprochen, dass die Intervention wirtschaftliche und politische Reformen sowie die Wiederherstellung von Sicherheit abdecken würde. Gemäß diesem Ansatz war der Planungsprozess einheitlich. Er umfasste die Polizeikräfte, das Militär und offizielle Vertreter der Bereiche Entwicklung, Wirtschaft und Finanzen.

Dieser Ansatz unterstreicht, dass es eine Weiterentwicklung der außenpolitischen Instrumente der australischen Regierung gegeben hat. Sie erkennt an, dass die vielfältigen Aufgaben von Statebuilding am besten diejenigen Organisationen durchführen, die am besten dafür qualifiziert sind. Strafrechtliche Ermittlungen und der Wiederaufbau der lokalen Polizei beispielsweise können am besten durch die Polizei – nicht durch das Militär – bewältigt werden. Obwohl das Militär zu Wiederaufbaumaßnahmen durchaus in der Lage ist, sind Entwicklungsprojekte von Entwicklungsorganisationen betreut worden, die mehr Erfahrung darin besitzen.

Ebenso waren sich die Beteiligten der Grenzen von Statebuilding bewusst. Einige Bewohner der Salomonen sahen RAMSI als Allheilmittel für alle Probleme ihres Landes. Ein Statebuilding-Einsatz kann aber nicht alle Übel einer Gesellschaft beseitigen. Statebuilding-Einsätze haben zweifellos einen fundamentalen transformativen Einfluss auf die betroffenen Gesellschaften. An- dere Probleme, darunter wichtige Fragen nationaler Identität, sollten jedoch außerhalb ihres Wirkungsbereichs bleiben.

Auf den Salomonen müssen u.a. die Bereiche von Landbesitz, Versöhnung und Zentralisierung versus Dezentralisierung behandelt werden. RAMSI hat entschieden, dass diese Themen außerhalb seines Aufgabenbereichs liegen, denn sie müssen von den Einwohnern der Salomonen selbst bewältigt werden. Das Ziel von RAMSI ist es, der Bevölkerung ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem wichtige nationale Fragen diskutiert werden können, und den Salomonen einen effizienten Staatsapparat für die Erörterung dieser Themen zu gewährleisten.

Ohne Reformbestrebungen seitens der Bevölkerung sind die Möglichkeiten von Statebuilding-Einsätzen begrenzt. Um dauerhaften Wandel zu verankern, ist es notwendig, mit lokalen Reformkräften zusammenzuarbeiten, um diese Bestrebungen zu fördern. RAMSI, seinerseits ein gemeinsames regionales Unterfangen, unterstreicht die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Regierung und Bevölkerung der Salomonen. Es ist offensichtlich, dass dauerhafter politischer Wille nötig ist, um Reformen über den Zeitraum von RAMSIs direkter Präsenz im Land hinaus zu verankern.

4. Die Koordinierung verschiedener Elemente der Intervention wird durch weisungsbefugte zivile Kommandostrukturen verbessert.

In engem Zusammenhang mit einem klaren Mandat stand die Sicherstellung, dass die verschiedenen Elemente – Polizei, Beamte, Diplomaten, Entwicklungsexperten und das Militär – an einem Strang zogen. Dies bedeutete, dass RAMSI von Anfang an reibungslos funktionieren konnte, da jede einzelne Behörde ein genaues Bild über ihre Aufgaben und die Zusammensetzung des Gesamteinsatzes hatte.

Eine einheitliche Führung brachte darüber hinaus die Behörden zusammen und die Koordinierung durch eine einzelne Person hat sich auch als Erfolgsfaktor für RAMSI erwiesen. Der Civilian Special Coordinator hat alle Elemente der Operation beaufsichtigt, und der Titel ist Ausdruck des Mandats, mit dem die Regierung die Position ausgestattet hat, u.a. die Notwendigkeit, zwischen Koordinierung und operativer Autonomie der Militär- und Polizeikomponenten die Balance zu halten. So konnten viele Überschneidungen, Doppelstrukturen, fehlende Abstimmungen und Grabenkämpfe vermieden werden, die Statebuilding-Missionen zu häufig belasten.

5. Die Aufteilung des Einsatzes in mehrere Abschnitte gewährleistet leistbare Aufgaben; nachweislicher Erfolg entwickelt Eigendynamik.

Die Bedeutung frühzeitiger, nachweisbarer Erfolge spielte bei der Operation eine wichtige Rolle. Der Ersteindruck von RAMSI stellte sich als sehr wichtig heraus. Die schnelle Entsendung von über 2000 Polizisten und Militärs war ein klares Signal an die Bevölkerung der Salomonen, dass sich die Lage ge- ändert hatte. Eine intensiv propagierte Waffenamnestie wurde von der Öffentlichkeit gut aufgenommen und führte zur Abgabe von über 3000 Waffen binnen drei Wochen. Einiges Glück war vielleicht dabei, als sich Harold Keke, einer der gefährlichsten Exmilizführer, auf geräuschlose, fast unspektakuläre Weise ergab. In jedem Fall halfen entscheidende Erfolge, RAMSI in der wichtigen Frühphase zu stabilisieren – auf den Salomonen, in Australien und in der Region, bei allen wichtigen Akteuren also.

Die Salomonen befanden sich in einer akuten Staatskrise und viele ihrer Probleme hingen miteinander zusammen. Es hätte wenig genützt, beispielsweise nur die Probleme im Bereich Recht und Ordnung anzugehen, ohne den Mangel an wirtschaftlichen Chancen einzubeziehen, der sie verstärkte. Dementsprechend war RAMSI als umfassende Paketlösung konzipiert, die Recht und Justiz, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe und Unterstützung bei der Bereitstellung von öffentlichen Leistungen umfasste. RAMSI trug der Bedeutung des Aufbaus von Kapazitäten in den Provinzzentren Rechnung, ebenso wie der Verteilung von wirtschaftlichen Gewinnen auch auf der Dorfebene. Die Komponente der Aufteilung in Abschnitte wurde aufgrund der Erfahrungen von RAMSI mit der Präsenz vor Ort entwickelt; sie ist von großer Bedeutung in einem Land, in dem 85 Prozent der Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Strukturen leben.

Die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung war die Voraussetzung für alle anderen Aktivitäten. Aber Statebuilding-Operationen benötigen deutlich mehr als nur die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und den Aufbau neuer Einrichtungen, so wichtig diese Aktivitäten auch sein mögen. Notwendig ist auch der Wiederaufbau von Institutionen, u.a. bei der Gestaltung neuer Arbeitsprozesse, beim Wandel von Verhaltensmustern sowie bei der Vertrauensbildung. Dies sind schwierige Aufgaben, und sie dauern lange. Statebuilding-Einsätze müssen langfristig ausgerichtet werden. Im Fall von RAMSI wird von einer Verpflichtung von fünf bis zehn Jahren ausgegangen, und die australische Regierung hat kürzlich weitere 840 Millionen AUD über einen Zeitraum von vier Jahren bis Juni 2009 bereitgestellt – zusätzlich zu den 500 Millionen AUD, die bereits aufgewendet wurden.

Es ist gut möglich, dass ein noch längerer Zeitrahmen – eine Generation oder mehr – nötig ist, um die staatlichen Prozesse aufzubauen, die für effektive Staatlichkeit notwendig sind. Politiker aus Australien und der Region haben sich wiederholt dafür ausgesprochen, die Salomonen mit Hilfe von RAMSI weiter zu unterstützen – so lange, bis „der Job getan ist“. Eine so lange Verpflichtung birgt potenziell Probleme sowohl für die Unterstützerstaaten als auch die örtliche Bevölkerung, da beide Seiten der anhaltenden Aktivitäten überdrüssig werden könnten. Rufe nach einer exit strategy könnten Druck zur Festlegung von spezifischen Fristen für einen Abzug aufbauen.

Was also sind die wesentlichen Lehren dieser Intervention bisher? Wohl die Erkenntnis, dass eine Verpflichtung über den politischen Tageshorizont hinweg Not tut, welche anerkennt, dass der Wiederaufbau eines Staates eine Kunst und keine Wissenschaft ist und dass die Entscheidung für einen Abzug von der Erfüllung von Aufgaben statt von Terminplanungen abhängt. Dies ist wahrscheinlich der wichtigste Faktor bei der Schaffung stabiler Institutionen und eines effektiven Staates nach einem Konflikt.