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01. Nov. 2009

Investieren und vernetzen

Empfehlungen für effizientere Klimapolitik

Im Vorfeld der Kopenhagener Klimakonferenz lud die Atlantische Initiative Berlin im Rahmen einer Task Force für die Umwelt amerikanische, deutsche und britische Experten ein, Empfehlungen zur Rettung des Klimas zu erarbeiten.

Drei Kernaufgaben identifizierte die Task Force als entscheidend:

1. Für die Finanzierung von Umwelttechnologien müssen neue Einkommensquellen erschlossen werden;

2. der Dialog über bestehende nationale umweltpolitische Maßnahmen sollte intensiviert werden;

3. im Bereich der Umwelttechnologien sollten neue internationale Kooperationen auflegt werden. 1

Money, Money, Money!

Wichtigster Faktor für eine effiziente Klimapolitik ist: Kapital. Im Vergleich zu fossilen Energien sind Umwelttechnologien noch zu teuer, noch nicht wettbewerbsfähig und deshalb auf öffentliche wie private Finanzierung angewiesen. Zwar ist es bequem, nach dem Staat zu rufen. Doch in den nächsten Jahren werden Regierungen wegen der Weltwirtschaftskrise erheblichen Budgetzwängen ausgesetzt sein und sich mit Subventionen zurückhalten. Um trotzdem Finanzierungsquellen für „grüne“ Technologien zu erschließen, empfiehlt die Atlantic Task Force allen Ländern der G-20 folgende Maßnahmen:

• Vorfahrt für erneuerbare Energien: Deutschland, Großbritannien und die USA sollten internationale Finanzinstitutionen anweisen, der Finanzierung von Projekten zu erneuerbaren Energien Vorrang zu geben. Mindestens 20 Prozent der Kredite sollten ausschließlich an Programme zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Förderung erneuerbarer Energien vergeben werden.

• Investitionen in Umwelttechnologie: Bis zum Jahr 2015 sollten mindestens 50 und bis zum Jahr 2020 dann 100 Prozent der Erlöse aus dem Emissionshandel in „grüne“ Projekte innerhalb und außerhalb der mit den Emissionen handelnden Wirtschaftszweige investiert werden.

• Emissionshandel und Steuern: Gelder sollten auch durch den Verkauf nationaler Emissionsrechte unter dem Emissionshandelssystem der UN-Klimarahmenkonvention und durch Steuererhebungen auf Flugtickets und Treibstoffe beschafft werden.

• Markt für „grüne“ Anleihen: Regierungen und Finanzinstitutionen sollten einen Markt für Umweltanleihen schaffen, der eine günstige Refinanzierung ermöglicht und dem Konsumenten steuerliche Anreize verschafft. Gewinne aus diesen Anleihen sollten direkt in erneuerbare Energien investiert werden.

Mit gutem Beispiel voran

Einzelne Länder können enorm von den Erfahrungen anderer profitieren. Es wäre vollkommen überflüssig, Maßnahmen zu ergreifen, die sich bereits als wenig effizient erwiesen haben. Wie können Deutschland, Großbritannien, die USA und die übrigen G-20-Staaten ihren Dialog über ihre nationale Umweltpolitik intensivieren, um Best-Practice-Erfahrungen auszutauschen?

• Mehr saubere Technologie in öffentlichen Institutionen nützen: Regierungen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und möglichst umfassend auf den Gebrauch von Umwelttechnologien setzen. Sie sollten außerdem Städte und andere kommunale Verwaltungseinheiten dazu ermutigen, einen festgelegten Prozentteil ihres Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken – mit Transportmitteln mit niedrigem CO2-Ausstoß (öffentliche Transportmittel und Regierungs- und Militärfahrzeuge), „grüner“ Gebäudetechnik und energiesparender Informationstechnologie. Das „Navy Green Procurement Program“ in den USA oder der „Mayor of Londons Green Procurement Code“ weisen bereits den Weg in diese Richtung.

• Effizienzstandards bestimmen: Der transatlantische Wirtschaftsrat sollte Effizienzstandards festlegen, die sich anhand bestehender Spitzenleistungen dynamisch bemessen. Orientiert sich der Wirtschaftsrat konsequent an den jeweils besten Produkten und Technologien, ließe sich das Effizienzniveau kontinuierlich steigern, so dass globale Marktanteile gewonnen werden könnten.

• Fehler vermeiden, Erfolgsgeschichten wiederholen: Beim nächsten G-20-Treffen sollte ein Runder Tisch zum Austausch von Best-Practice-Erfahrungen in Sachen Umwelttechnologie eingerichtet werden, der sich erstens mit bereits eingerechneten Umweltgebühren befasst – dieses Instrument hat sich als außerordentlich erfolgreich erwiesen, um Investitionen in erneuerbare Energien zu locken – und zweitens auf bereits gelernte Lektionen im EU Emissions Trading Scheme (EU ETS) zurückgreift; Fehler, die bereits bei der Umsetzung des EU ETS gemacht wurden, müssen schließlich nicht anderswo wiederholt werden.

Experten vernetzen

Auf der Grundlage von Artikel 27 des G-20-Kommuniqués sollten folgende Schritte unternommen werden, um ein effizienteres Netzwerk für eine neue internationale umweltpolitische Kooperation in den Bereichen Energieeffizienz, Elektromobilität, Energiespargebäude, Solartechnik und CO2-Abscheidung und -Speicherung-(CCS)-Technologien zu knüpfen:

• Vernetzung im Internet: In Anlehnung an die Transatlantic Climate Bridge sollte das Außenministerium eine Web 2.0-Plattform gründen, um Firmen und Unternehmen mit potenziellen Geldgebern zu vernetzen. Dieses Forum könnte dank einer effizienten Suchfunktion öffentliche Geldgeber, private Investoren und Produzenten sauberer Technologien nach Bedarf vermitteln. Eine solche Online-Plattform müsste drei Funktionen enthalten: eine nutzerfreundliche zentrale Datenbank, in der alle öffentlichen Fördermittel für erneuerbare Energien in den G-20-Staaten oder zumindest in den USA, Großbritannien und Deutschland verzeichnet wären; eine Vermittlungsfunktion für Privatinvestoren weltweit; und einen Vermittlungsservice für Dienstleistungen rund um den Sektor der erneuerbaren Energien.

• Angleichung von Normen und Standards: Es sollte analysiert werden, in welchen Bereichen eine größere Harmonisierung von Technologiestandards, Normen und Prinzipien wirklich sinnvoll wäre. Zudem sollte die Entwicklung gemeinsamer Patentstandards vorangetrieben werden und gemeinsam gegen Produktfälschung und Piraterie vorgegangen werden. Im Rahmen eines transatlantischen oder G-20-Workshops sollten Vertragsprinzipien für Unternehmen entwickelt werden, die im Bereich „grüner Technologie“ und Lizenzvergabe in Entwicklungsstaaten tätig sind. Insbesondere sollte Eco-Patent Commons unterstützt werden; Umweltpatente würden so der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Auch bilateral sollte Konstruktionsnormen und Qualitätsstandards höchste Priorität eingeräumt werden. Unterschiede in Normierung und Standards sind das größte Hindernis für Technologiefirmen, die auf dem ausländischen Markt Fuß fassen wollen.

• Expertenpanel schaffen: In einem transatlantischen Panel sollten existierende Umwelttechnologie-Initiativen und ihre potenziellen Kosten und Vorteile für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft analysiert werden. Das Panel sollte Vorschläge vorlegen, wie gegenwärtige Programme in den teilnehmenden Staaten verbessert und wie bewährte Konzepte auch in anderen Staaten und Politikfeldern am besten übernommen werden können.

• Expertise bündeln: Forschungsergebnisse und Expertenwissen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Finanzwelt und Politik aus allen G-20-Staaten sollten gebündelt werden. So lassen sich Normen, Mechanismen und Regeln für Märkte für „saubere“ Technologie entwickeln. Schwerpunkte sollten günstige Photovoltaiktechnologien, Energiespeichertechnik, Elektromobilität und Brennstoffelemente sein.

• Transparenz und Nichtdiskriminierung: „Grüne“ staatliche Förderung wie Steuererleichterungen, Subventionen und ähnliche Fördermaßnahmen sollte nicht-diskriminierend sein. Jegliche staatliche Unterstützung, Vergabepolitik und Subventionen sollten mit einem Höchstmaß an Transparenz harmonisiert werden.

• CO2-Fußabdruck von Firmen evaluieren: Man sollte das Carbon Disclosure Project (www.cdproject.net) unterstützen. Dabei handelt es sich um ein Projekt, bei dem die CO2-Emissionsbilanzen, der so genannte CO2-Fußabdruck, von Firmen veröffentlicht und evaluiert werden.

• Partnerschaften und Pilotprojekte: Staaten sollten öffentlich-private Partnerschaften eingehen, um in den G-20-Staaten öffentlichkeitswirksame Pilotprojekte in den Bereichen Elektromobilität, Energiespeicherung, Stromerzeugung, Effizienz und CCS-Technologien zu beginnen.

• Handelspolitik: Märkte für Umwelttechnologie sollten nachhaltig geöffnet und unmittelbare und indirekte Subventionen für klimaschädliche Wirtschaftsaktivitäten müssen gestoppt werden. Die Staaten der G-20 sollten „grüne“ Förderung auf WTO-Ebene zur höchsten Priorität erklären.

• Klimaschutz national und global aufeinander abstimmen: Entwicklungspolitik, die mit Klimaschutz in Verbindung steht, sollte unter dem Dach des UNFCCC-Prozesses erweitert und reformiert werden. Insbesondere sollten nationale Umweltzielsetzungen mit globalen Klimavorgaben harmonisiert werden.

• Energie- und Klimasherpas im G-20-Prozess: In dieser Runde sollten sich die ranghöchsten Mitarbeiter von nationalen Regierungschefs und Ministern regelmäßig treffen, um ihre Bemühungen um das Klima aufeinander abzustimmen und ihre Prioritäten auf den unterschiedlichen Ebenen anzugleichen.

Die Experten waren Ron Benioff, Dr. Philip von Boehm-Bezing, Nancy Checklick, Helga Flores-Trejo, Dr. Jochen Harnisch, Arne Jungjohann, Michael Mehling, Jack Rivkin, Dr. Lutz-Guenther Scheidt, Michael Schultz, Albrecht von Sydow, Dennis Tänzler.

JAN-FRIEDRICH KALLMORGEN ist einer der Gründer des Think Tanks Atlantische Initiative in Berlin.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 11/12, November/Dezember 2009, S. 92 - 95.

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