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01. Dez. 2007

Ab nach Putrajaya!

Ökonomie

Der IWF muss seinen Sitz nach Asien verlegen, um in der neuen Weltordnung noch eine gewichtige Rolle spielen zu können

Der Internationale Währungsfonds ist ein Kind der Bretton-Woods-Konferenz. Offiziell ist das Bretton-Woods-System fester Wechselkurse 1973 kollabiert. Wechselkursbindungen und Zahlungsbilanzkrisen gab es jedoch auch danach noch. Damit sind viele Aufgaben des Zahlungsbilanzmanagements entfallen. Feste Wechselkurse sind heute vornehmlich ein regionales Phänomen. In der Vergangenheit gerieten Länder durch unseriöse Wirtschaftspolitik oft in eine Schieflage und wurden in Finanzkrisen, die Abwertungsspiralen und Hochzinsphasen auslösten, stark von internationalen Hilfsprogrammen abhängig, so etwa in der -Lateinamerika-Krise in den achtziger Jahren oder in der Asien-Krise 1997/98.

Diese Hilfe wurde – oft durch den IWF organisiert – nur unter strikten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Auflagen gewährt. Die betroffenen Länder empfanden diese externe Disziplinierung häufig als politisch inakzeptabel. Es entstand ausgeprägter Widerstand gegen das, was man den „Washington Consensus“ nannte. Praktisch alle Nehmerländer der letzten Dekaden, vor allem die in Lateinamerika und in Asien, haben sich aus diesem Dilemma durch eine neue Wirtschaftspolitik zu befreien gesucht. Man sicherte mit entsprechender Finanzpolitik einen Abbau der Haushaltsdefizite und einen Aufbau von Leistungsbilanzüberschüssen. Mit dem Ansammeln von Dollarreserven im Zuge von Devisenmarktinterventionen hielt man die eigene Währung – trotz kräftiger ausländischer Direktinvestitionen und privater Portfoliokapitalzuströme – unterbewertet. Und man zahlte Auslandsschulden (auch solche gegenüber dem IWF) zurück, zum Teil sogar vorzeitig.

Damit ist dem IWF die bedeutendste Einnahmequelle, nämlich Zinseinnahmen für herausgegebene Kredite, abhanden gekommen. Da der IWF eine eher schwerfällige Behörde ist, sorgt der Einnahmeverlust für ein bedeutendes strukturelles Finanzierungsdefizit. Zudem: Viele Aufgaben, die der IWF an sich gezogen hat, sind dem Wesen nach Entwicklungshilfe. Diese aber gehören in den Bereich der Weltbank.

Was nun? Da ist seit November ein neuer Chef an Bord, der Franzose -Dominique Strauss-Kahn. Er hat Rodrigo Rato abgelöst, der vor Ende seiner Amtszeit das Handtuch geworfen hat. Bei der Brautschau hat Strauss-Kahn, der die Tradition europäischer Chefs des IWF fortsetzt, den übrigen Mitgliedsländern Avancen gemacht. Aber bereits bei der ersten wichtigen Entscheidung, der Besetzung der Leitung des IMFC (International Monetary and Financial Committee), haben die Europäer mit dem italienischen Finanzminister Tommaso Padoa-Schioppa erneut die Schwellen- und Entwicklungsländer düpiert.

Wie die Finanzmarktkrise in diesem Sommer gezeigt hat, ist es erforderlich, die wichtigen Aufgaben der Überwachung und kooperativen Beeinflussung der internationalen Makropolitik ernst zu nehmen und sie neu zu ordnen. Dazu müssen vor allem die entwickelten Länder ernsthaft bereit sein, die Überwachung ihrer Wirtschaftspolitik dem IWF zu übertragen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer müssen eine angemessen gewichtige Vertretung im IWF institutionell abgesichert bekommen, und das bedeutet eine Abnahme des Stimmengewichts für Europa, die USA und Japan. Dennoch sollte Europa seine Stimme international besser zur Geltung bringen als heute. Eine größere Rolle Europas in den Finanzmärkten liegt allein wegen der zunehmenden Bedeutung des Euro als Anlage- und Reservewährung nahe.

Ohne einen ganz großen, vielleicht ungewöhnlichen Entwurf wird der Neubeginn nicht gelingen. Ohne symbolträchtige Entscheidungen wird keine Überwindung der nagenden Zweifel möglich sein. Was jetzt folgt, mag als Provokation erscheinen. Es macht aber die Dimension der erforderlichen Reformschritte deutlich: Der Sitz des IWF muss verlegt werden. Die Schwellenländer sind der richtige Platz. Putrajaya, der Sitz der malayischen Regierung, wäre hervorragend geeignet. Mit guten effizienten Gebäuden, nahe bei einem effizienten Flughafen und in der Mitte des neuen Schwerpunkts der Weltwirtschaft gelegen – Asien. Dort die Wechselkurs- und Wirtschaftspolitik der Welt zu koordinieren, macht rundherum Sinn. Die reichsten Staatsfonds der Welt sind alle weniger als fünf Flugstunden entfernt.

Mit der Verlagerung des IWF von Washington nach Putrajaya wäre auch der dringende Bedarf nach Abbau des aufgeblähten Bürokratieapparats machbar: Schließlich spricht die Erfahrung dafür, dass nicht alle Mitarbeiter von Organisationen bereit sind, aus der US-Hauptstadt in ein Schwellenland umzuziehen. Damit wäre ein Neubeginn mit einer schlankeren Mannschaft in Richtung der neuen, eher auf makroökonomische und Finanzmarktaufsicht konzentrierten Arbeit durchsetzbar. Für die Gewichtung der Stimmrechte im IWF sollte man neben dem Sozialprodukt und den Handelszahlen den Bestand an Währungsreserven wählen. Schließlich spricht viel dafür, dass Länder mit reichlichen Reserven auch eher als andere in der Lage sind, Mittel zur Zahlungsbilanzhilfe bereitzustellen. Dieser Vorschlag hat Charme gegenüber den Golf-Staaten und China, und er macht es den Europäern und Amerikanern leichter, ihre Stimmrechtsverluste zu verstehen.

Mit dem neuen Sitz, der schlanken Mannschaft und einem wichtigen, aber begrenzten Mandat wäre der neue IWF weniger Schulmeister als Dienstleister.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 12, Dezember 2007, S. 84 - 85.

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