Herausforderung Amerika
Mit seinem chaotisch wirkenden Handelsprotektionismus hat US-Präsident Donald Trump Neuland betreten. Die EU muss sich auf weiterhin unsichere transatlantische Handelsbeziehungen einstellen – und ihre geoökonomische Abschreckung stärken.
Wirtschaftspolitisch hat die zweite Regierung von US-Präsident Donald Trump bislang weitgehend traditionelle republikanische Prioritäten verfolgt. Dazu gehören die Deregulierung (im Energie- und Finanzsektor) und Regulierungsmaßnahmen zur Unterstützung ausgewählter Sektoren (Kryptowährungen). Eher ungewöhnlich für eine republikanische Regierung, betreibt sie auch eine interventionistische Wirtschaftspolitik in bestimmten Sektoren, die teilweise durch handelsbeschränkende Maßnahmen flankiert wird (bei Seltenen Erden und Halbleitern).
Dagegen war das Interesse an der Dollar- und Wechselkurspolitik bislang überraschend gering; allerdings hat Trump die US-Notenbank Federal Reserve immer wieder scharf kritisiert, drastische Leitzinssenkungen gefordert und zuletzt gar ein Mitglied des Federal Reserve Board of Governors entlassen. Was die Finanzpolitik betrifft, so hat der republikanische Kongress den sogenannten „One Big Beautiful Bill Act“ verabschiedet; er trat am 4. Juli in Kraft. Aufgrund signifikanter Steuersenkungen wird er zu weiterhin hohen Fiskaldefiziten und steigender Staatsverschuldung führen.
Wirklich neu ist dagegen Trumps Politik des „coercive protectionism“: Sie setzt auf protektionistische Maßnahmen und nutzt Handelsabhängigkeiten anderer Länder aus, um wirtschaftliche und politische Konzessionen zu erringen. Infolgedessen hat sich Trumps Wirtschaftspolitik am stärksten auf den internationalen Handel ausgewirkt.
Insgesamt verlaufen die Formulierung und Umsetzung der Handelspolitik oft unkoordiniert, offenbar geleitet von den persönlichen Präferenzen des Präsidenten anstelle eines institutionalisierten „Inter-agency“-Prozesses zwischen beteiligten Ministerien und anderen Regierungsstellen auf der Grundlage eines kohärenten strategischen Planes. Handelspolitische Maßnahmen scheinen im Hinblick auf ihre erklärten Ziele oftmals schlecht konzipiert. Bilaterale Handelsabkommen zur Vermeidung höherer Zölle sind ungenügend detailliert. All dies hat zu andauernder internationaler handelspolitischer Instabilität geführt.
Die neuen Handelsabkommen sind unzureichend detailliert, neue Spannungen sind zu erwarten
Eine Vielzahl von zollbasierten Einfuhrmaßnahmen auf sektoraler, länderspezifischer und globaler Basis hat den durchschnittlichen effektiven Zoll auf US-Importe unter der Trump-Regierung von 2 auf fast 18 Prozent ansteigen lassen, was etwa dem Niveau der 1930er Jahre entspricht. Die Trump-Regierung hat sektorale Zölle eingeführt (z.B. Stahl, Autos, Kupfer, Pharmazieprodukte), und eine große Zahl weiterer sektoraler Beschränkungen werden derzeit in Erwägung gezogen (z.B. Halbleiter, Seltene Erden, Flugzeuge, Industriemaschinen).
Nach der Ankündigung sogenannter „reciprocal tariffs“ gegenüber allen US-Handelspartnern im April veranlasste die daraus resultierende Volatilität an den Finanzmärkten die Trump-Regierung, den „länderspezifischen“ Zoll – nicht aber den 10-Prozent-„Grundzoll“ („baseline tariff“) – vorübergehend auszusetzen, meist bis August, um den Abschluss bilateraler Handelsabkommen zu ermöglichen. Viele der bisher erzielten Handelsvereinbarungen sind allerdings vage, und es bleibt abzuwarten, wie lange sie Bestand haben beziehungsweise inwieweit sie überhaupt umgesetzt werden.
Andere länderspezifische Zölle, die anfänglich hauptsächlich China, Kanada und Mexiko betrafen, wurden zwischenzeitlich ebenfalls teilweise suspendiert oder erlauben Ausnahmen in Bereichen, die vom US-Mexiko-Kanada-Freihandelsabkommen abgedeckt werden. Die Trump-Regierung hat auch aus primär politischen Gründen bilaterale, einschließlich „sekundärer“, Zölle gegen ausgewählte Länder verhängt beziehungsweise angedroht, sie zu verhängen, unter anderem gegen Brasilien, Iran, Kolumbien, Russland und Venezuela.
Selbst wenn sich die bilateralen Handelsabkommen, die vor dem Hintergrund der Drohung von „reciprocal tariffs“ abgeschlossen wurden, als robust erweisen sollten – und die erneuten Drohungen Trumps, aufgrund der Behandlung von US-Technologiekonzernen Europa weitere Strafzölle aufzuerlegen, lässt daran berechtigte Zweifel aufkommen –, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Trump-Regierung davon absehen wird, ihren „coercive protectionism“ weiterhin als Mittel zur Verfolgung wirtschaftlicher und anderer Ziele zu nutzen. Das bedeutet, dass die US-Handelspolitik disruptiv und unberechenbar bleiben wird.
Widersprüchliche Ziele
Die US-Handelspolitik scheint eine Vielzahl von nicht immer konsistenten wirtschaftlichen Zielen zu verfolgen. So ist die Reduktion des US-Handelsdefizits ein besonderes Anliegen der Trump-Regierung. Die breit angelegten „reciprocal tariffs“, deren länderspezifische Höhe die jeweils bilaterale Warenhandelsbilanz widerspiegelt, zielten darauf ab, das US-Handelsdefizit zu reduzieren. Nachfolgende, unter Androhung der neuen Zölle ausgehandelte bilaterale Handelsabkommen führten in der Regel zu höheren Zöllen für US-Importe als bisher, zu verbessertem Marktzugang für US-Exporte und zu Versprechen der Verhandlungspartner, die Einfuhren von US-Waren zu erhöhen.
Das Ziel, in- und ausländische Investitionen sowie die Beschäftigung in der heimischen Industrie zu erhöhen, wird ebenfalls oft als Grund für die Einführung von Zöllen genannt. Das Argument lautet: Wenn sich ausländische Unternehmen mit höheren Zöllen konfrontiert sehen, werden sie Produktionskapazitäten in den USA aufbauen. Zugleich werden US-Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz geschützt, was Anreize schafft, die eigene Produktion in den USA auszuweiten.
Aber auch die Steigerung von Staatseinnahmen durch höhere Zölle steht oben auf der Prioritätenliste. Höhere Zölle mögen das Niveau der Importe verringern, aber die Staatseinnahmen insgesamt erhöhen. Das Ziel, die Einnahmen zu steigern, steht dennoch im Widerspruch zu dem Ziel, ausländische Unternehmen zur Verlagerung ihrer Produktion in die Vereinigten Staaten zu bewegen.
Zudem wird oft „nationale Sicherheit“ als Grund für die Verhängung sektoraler Handelsbeschränkungen angeführt. In einigen Fällen ist dies nicht der wirkliche Beweggrund, sondern dient der juristischen Rechtfertigung, die zur Aktivierung des sektoralen Handelsinstruments notwendig ist (bekannt als „Section-232-Handelsbeschränkungen“). In manchen Fällen bestand der eigentliche Grund für sektorale Zölle darin, importkonkurrierende Sektoren in wichtigen, zwischen Republikanern und Demokraten umkämpften Swing States wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania zu unterstützen (vor allem die Automobil- und Stahlindustrie). Dennoch ist in anderen Fällen die sicherheitspolitische Begründung glaubwürdig, auch wenn man sich über die Effektivität der Maßnahmen streiten mag (Halbleiter, Seltene Erden, Kupfer).
Schließlich hat die US-Regierung Handelsbeschränkungen verhängt (oder damit gedroht), um politische Konzessionen zu erzwingen, unter anderem gegenüber Brasilien und Kolumbien. Selbst die umfassenden Zölle gegen Kanada und Mexiko wurden auf der Basis von politischen statt von wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt – vor allem mit Verweis auf angeblich mangelnde Grenzsicherheit. Dies liegt wiederum auch daran, dass es einer solchen Rechtfertigung bedarf, um ein handelspolitisches Instrument zu mobilisieren, das der Regierung große handelspolitische Flexibilität ermöglicht: der International Emergency Economic Powers Act (IPEEA) von 1977. Nach dem amerikanischen Court of International Trade hat im August auch ein Federal Appeals Court die unter dem IPEEA erlassenen Zölle als rechtswidrig erklärt. Der Fall wird voraussichtlich bis Ende des Jahres vom Supreme Court entschieden werden.
Verfehlte Politik
Es ist also oft unklar, welche Ziele Trump eigentlich erreichen will, wenn er zu einer bestimmten handelspolitischen Maßnahme greift. Ob man die Worte der Regierung für bare Münze nimmt oder nicht, lohnt es sich dennoch zu fragen, ob die vorge-
gebenen (oder angeblichen) wirtschaftlichen Ziele realisiert werden können.
Erstens sollen Zölle wie dargelegt eine Verringerung des US-Handelsdefizits bewirken. Allerdings hat eine Studie des Internationalen Währungsfonds von 2019 gezeigt, dass die Auswirkungen von Zöllen auf die Handelsbilanzdefizite bestenfalls gering sind. Richtig ist, dass sich bilaterale Zölle auf das bilaterale Defizit auswirken können. Aber so lange die Zölle nicht breit und hoch genug sind, um das Saldo zwischen heimischen Ersparnissen und heimischen Investitionen einer Volkswirtschaft zu beeinflussen, wird das Handelsdefizit weitgehend unverändert bleiben. Abgesehen davon, dass Zölle negative Auswirkungen auf Produktivität und Wachstum haben, wird Trumps Fiskalpolitik, die zu hohen Budgetdefiziten führt, den bestenfalls geringen Effekt höherer Zölle auf das Handelsdefizit begrenzen, wenn nicht mehr als nivellieren.
Die Forschung zeigt, dass die Effekte höherer Zölle auf die Handelsbilanzdefizite minimal sind
Zweitens sollen höhere Zölle die in- und ausländischen Investitionen in der Industrie steigern. Aber selbst in Sektoren, in denen solche Investitionen nach der Einführung von Zöllen profitabel werden, werden die Unternehmen angesichts der Ungewissheit, ob die Zölle langfristig bestehen bleiben, zögern, große Beträge zu investieren. Viele der von in- und ausländischen Unternehmen angekündigten Investitionen basieren auf Fantasiezahlen oder sind schlicht Augenwischerei. Tatsächlich werden Unternehmen in vielen Fällen versuchen, Trump „auszusitzen“ oder zumindest abzuwarten, ob die Zölle unter der nächsten US-Regierung weiter in Kraft bleiben.
Drittens werden die Zölle, selbst wenn sie eine signifikante Ausweitung der Industrieproduktion zur Folge hätten, nicht zu einer spürbaren Erhöhung der Beschäftigung führen. Die Beschäftigung in Industrie und verarbeitendem Gewerbe ist in allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit Jahrzehnten rückläufig, und die Art der Industrieproduktion, die in den Vereinigten Staaten wettbewerbsfähig ist (oder wäre), ist sehr kapital- und nicht arbeitsintensiv. Die Beschäftigungszuwächse aufgrund höherer Zölle werden vernachlässigbar klein bis negativ sein.
Viertens sollen höhere Zölle auf Importe dazu beitragen, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Anders als im Fall der anderen Ziele, wo die Effekte erst in den nächsten Jahren sichtbar werden, ist es bereits zu einem Anstieg zollbezogener Einnahmen gekommen. Darüber hinaus schätzt das Congressional Budget Office, dass die höheren Zölle (bereinigt um deren Sekundäreffekte) das US-Haushaltsdefizit kumulativ um 3,3 Billionen Dollar reduzieren werden – oder gar um vier Billionen, wenn man die sich daraus ergebenden niedrigeren Zinsausgaben einrechnet. Die Berechnungen setzen voraus, dass die derzeitigen Handelsbeschränkungen in den nächsten zehn Jahren unverändert bestehen bleiben.
Im Vergleich dazu steht das US-Haushaltsdefizit 2025 bei 1,9 Billionen Dollar, die Staatseinnahmen für 2024 beliefen sich auf 4,9 Billionen Dollar. Abgesehen davon, dass ein erheblicher Teil der Erhöhung effektiv von US-Unternehmen und Verbrauchern bezahlt wird, werden die Zölle die Einnahmen dennoch steigen, zumindest so lange der Supreme Court die Zölle, die unter dem IEEPA erlassen wurden, nicht ebenfalls für rechtswidrig erklärt. Allerdings wird dies wirtschaftliche Wohlfahrtsverluste mit sich bringen.
Fünftens soll durch Handelsbeschränkungen die nationale Sicherheit gestärkt werden. Höhere Zölle erhöhen die Kosten einzelner kritischer Güter. Aber wenn sie zu einer Ausweitung der inländischen Produktionskapazitäten führen, können sie die Abhängigkeit von aus dem Ausland gelieferten Waren verringern. Abgesehen davon, dass viele die nationale Sicherheit betreffende sektorale Beschränkungen schlecht konzipiert scheinen, wird es Zeit brauchen, inländische Produktionskapazitäten auf- oder auszubauen (z.B. Seltene Erden, Kupfer). Nichtsdestotrotz können sektorale Beschränkungen dazu beitragen, die längerfristige Versorgungssicherheit zu erhöhen, auch wenn dies höhere Kosten nach sich zieht.
Die Beschäftigung in Industrie und verarbeitendem Gewerbe ist in fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit Jahrzehnten rückläufig. Trumps Zölle werden daran nichts ändern
Höhere Zölle werden nicht zu einer Renaissance der amerikanischen Industrie und des verarbeitenden Gewerbes führen, zumal die US-Wirtschaft nun auf teurere Zwischenimporte angewiesen sein wird und geringerer internationaler Wettbewerb langfristig weniger Produktivitätsfortschritt generieren wird.
Auch werden die höheren Zölle die Investitionen in Industrie und im verarbeitenden Gewerbe nicht signifikant erhöhen. Selbst wenn sich das US-Handelsdefizit etwas verkleinern sollte: Das bilaterale Handelsdefizit im Warenverkehr zwischen der EU und den USA, das sich zuletzt auf rund 2o0 Milliarden Euro belief, wird sich nicht dramatisch ändern. Höhere Zölle werden europäische Exporte in die USA in einigen Fällen dennoch weniger wettbewerbsfähig machen, vor allem gegenüber der inländischen Produktion, nicht notwendigerweise gegenüber der von Drittländern, insoweit letztere weniger günstige Abkommen mit den USA aushandeln.
Von sektoralen Effekten einmal abgesehen, bleibt hinsichtlich des längerfristigen Effekts höherer Zölle zu bedenken, dass der Dollar seit Jahresbeginn gegenüber dem Euro um weit mehr als 1o Prozent abgewertet hat, was bedeutet, dass zukünftige Dollar-Euro-Schwankungen das Potenzial haben, die erhöhten US-Zölle auf europäische Importe auszugleichen (auch wenn die Erhöhung der US-Zölle und die Abwertung des Dollars derzeit einen doppelten Schlag für die europäischen Exporteure bedeutet).
Transatlantischer Handelskonflikt
Wie wirkt sich all das auf die Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union aus? Neben der Einführung beziehungsweise Verschärfung sektoraler Handelsrestriktionen (wie bei Stahl und Automobilen) hat die US-Regierung im April im Kontext der „reciprocal tariffs“ Zölle von insgesamt 30 Prozent auf die Einfuhr eines Großteils europäischer Waren erlassen, die dann suspendiert wurden, um bilaterale Verhandlungen zu ermöglichen. Obwohl die EU Vergeltungszölle als Reaktion auf sektorale und „reciprocal tariffs“ vorbereitete, verzichtete sie auf deren Verhängung, um die Verhandlungen nicht zu belasten.
Die EU versäumte es auch, ihr „Anti-
Coercion Tool“ zu aktivieren, das die Verhängung eines breiteren Spektrums an wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen ermöglicht hätte. Beispielsweise bedeutende Beschränkungen für US-Dienstleistungsexporte androhen zu können, hätte die Verhandlungsmacht der EU gestärkt, nicht zuletzt da der amerikanische Überschuss an Handelsdienstleistungen mit der EU fast so groß ist wie der Überschuss der EU im Warenhandel mit den Vereinigten Staaten (siehe die Grafik auf S. 24). Zugegeben: Die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen kann rasch zu einer ungewollten Eskalation führen. Aber eine erfolgreiche geoökonomische Abschreckungspolitik kann ein sehr effektives Instrument sein, um kostenreiche Handelskonflikte zu vermeiden oder zumindest eine Einigung zu günstigeren Bedingungen zu erzielen. Die EU war zu wenig risikofreudig in ihren Verhandlungen mit der Trump-Regierung.
Die EU versäumte es, ihr „Anti-Coercion Tool“ zu aktivieren; es hätte ein breiteres Spektrum an Gegenmaßnahmen ermöglicht
China, zum Beispiel, scheute sich nicht, Vergeltungsmaßnahmen gegen die Erhöhung von US-Zöllen zu ergreifen. Als die jeweiligen Zölle auf weit über 100 Prozent gestiegen waren, stimmte Washington einer Deeskalation und der Suche nach einer Verhandlungslösung zu. Inwiefern Pekings Bereitschaft, den Export kritischer Rohstoffe in die USA einzuschränken, zur Deeskalation beigetragen hat, ist eine offene Frage. Tatsache ist jedoch, dass die Trump-Regierung auf die aus dem Ruder laufenden Kosten des Konflikts reagiert hat. Eine ähnliche Reaktion zeigte sich auch im April, als die US-Regierung die „reciprocal tariffs“ vorübergehend außer Kraft setzte, nachdem deren Ankündigung eine erhebliche Volatilität an den US-Finanzmärkten ausgelöst hatte.
Brüssel und Washington haben Ende Juli ein „politisches“, rechtlich noch nicht verbindliches Handelsabkommen geschlossen. Demnach werden die USA einen Zoll auf EU-Einfuhren von maximal 15 Prozent, einschließlich auf Autos und Autoteile, einführen. Dieser Satz soll auch für zukünftige Zölle auf Pharmazieprodukte und Halbleiter gelten, die derzeit Gegenstand von Untersuchungen hinsichtlich sektoraler Handelsbeschränkungen sind. Die Zölle auf eine Vielzahl anderer Güter, einschließlich Flugzeuge und Flugzeugteile, sollen auf ihr früheres Niveau verringert werden. Zollkontingente für EU-Stahlexporte werden auf ihr „historisches Niveau“ zurückgeführt.
Die EU hat sich außerdem verpflichtet, im Umfang von 600 Milliarden Dollar in den USA zu investieren und Energieimporte im Wert von 750 Milliarden Dollar zu tätigen, wobei unklar bleibt, wie genau die EU diese Versprechen erfüllen kann. Darüber hinaus sollen alle EU-Zölle auf Industriegüterimporte aus den USA abgeschafft werden. Beide Seiten verpflichteten sich außerdem zum Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse. Es bestehen weiterhin Meinungsverschiedenheiten beziehungsweise Unklarheit hinsichtlich wichtiger Details, was zu weiteren Streitigkeiten und Instabilität in den Handelsbeziehungen führen könnte.
Geoökonomische Abschreckung
Protektionistische Handelsmaßnahmen können zur Verfolgung einer Vielzahl von Zielen eingesetzt werden. „Coercive protectionism“ wird sich deshalb – in den Händen der derzeitigen US-Regierung – als ein zu unwiderstehliches Instrument erweisen. Schon deshalb werden die internationalen Handelsbeziehungen weiterhin von Instabilität, Unberechenbarkeit und Unzuverlässigkeit geprägt sein.
Die USA werden allerdings die meisten ihrer vorgeblichen wirtschaftlichen Ziele nicht erreichen, einschließlich der signifikanten Verringerung des Handelsdefizits, der Wiederbelebung der heimischen Industrie und des Anstiegs der Beschäftigung in Industrie und verarbeitendem Gewerbe. Allenfalls werden die mit höheren Zöllen verbundenen Staatseinnahmen steigen, aber auf Kosten eines geringeren langfristigen Wirtschaftswachstums. Sektorale Beschränkungen können dazu beitragen, kritische wirtschaftliche Abhängigkeiten zu verringern, jedoch zu nicht unerheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Kosten.
Die EU sollte weiterhin Anstrengungen unternehmen, handelspolitische Spannungen mit den USA abzubauen, flankiert von einer wirksameren geoökonomischen Abschreckungs- und Verteidigungspolitik. Die EU sollte zugleich Bemühungen beschleunigen, ihre wirtschaftliche Sicherheit zu erhöhen und sich so weniger anfällig für „coercive protectionism“ zu machen. Dies sollte durch Export-Diversifizierung und die Verringerung importbedingter Verletzlichkeiten geschehen, wobei letztere durch Diversifizierung und gegebenenfalls dem Aufbau heimischer Produktionskapazitäten gemindert werden kann.
Das bedeutet nicht, dass die Möglichkeit handelspolitischer Kooperation mit den USA, vor allem, was wirtschaftliche und nationale Sicherheit betrifft, nicht eingehend geprüft werden sollte. Aber die US-Handelspolitik wird weiter durch ein geringes Maß an wirtschaftlicher und strategischer Kohärenz gekennzeichnet sein, und sie wird nicht davor zurückschrecken, Abhängigkeiten opportunistisch auszunutzen. Angesichts einer stark transaktionsorientierten US-Regierung muss die EU davon ausgehen, dass die Bereitschaft der derzeitigen US-Regierung, zu verlässlichen und dauerhaften Vereinbarungen zu kommen, gering bleiben wird.
Internationale Politik Special 6, November 2025, S.20-26