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01. Febr. 2007

Elite hier, Einfalt dort

Ökonomie

Welche Konsequenzen hat die Viergliederung des Hochschulsystems?

Die Exzellenz-Center, die von einem Wissenschaftlergremium unter Umgehung der üblichen Proporzverteilungen der Politik ausgewählt wurden, beginnen, die deutsche Hochschullandschaft zu verändern. Jetzt kommen plötzlich Ideen wie die auf, alle Hochschulen NRWs in einer einzigen zu fokussieren, um Schlagkraft für die Bildung von Exzellenz-Centern zu bekommen – eine Idee, die vor Jahren noch in der Tabuzone lag, unberührbar wie die Frage, ob Hochschullehrer Beamte sein müssen. Seit der Umstellung von C- auf W-Besoldung ist auch dieses Thema in Angriff genommen worden. Es bewegt sich etwas; die zweite große Änderungslinie läuft über den Bologna-Prozess.

Forschungspolitik: Was Edelgard Bulmahn als Bildungsministerin eingeleitet hatte, beginnt jetzt Früchte zu tragen. Plötzlich kann die deutsche Universität sich auf Forschung umstellen, und zwar in der konzentriertesten Form eines fakultätsübergreifenden Centers. Alle Forscher werden von der Lehre befreit (was Studenten an forschungsintensiven Universitäten insofern nicht auffällt, als die Lehre nichts von der Exzellenz versprüht, die die Forschung zugeschrieben bekommen hat), mit der Folge einer Viergliederung des Hochschulsystems: 1. in den Exzellenz-Centern wird, wahrscheinlich, exzellente Forschung betrieben; 2. in den Phd-Studies wird der wissenschaftliche Nachwuchs ausgebildet, mit ausgewählten Elitestudenten. 3. Die Master-Kurse werden auch noch an der Universität gehalten, schon vermehrt mit Lecturers – eine neue Kategorie, die die Trennung von Forschung und Lehre personell zum Ausdruck bringen wird. 4. Das Bachelorstudium, mengenmäßig der größte Teil, wird an die Fachhochschulen delegiert (und an jene Universitäten, die man jetzt schon als „für den regionalen Bedarf ausbildend“ zu bezeichnen beginnt).

Damit sind wir bereits im zweiten Politikfeld: dem Bologna-Prozess. Die Trennung der Diplomstudiengänge in BA und MA wird ein Zwei-SchichtenModell forcieren, wobei die Bachelors tatsächlich nur noch ausgebildet werden, in drei Jahren, für irgendeine imaginäre Praxistauglichkeit. Denn Universitäten bilden nicht für die Praxis aus (also, lautet der Umkehrschluss, sind die Anstalten, die BA ausbilden, auch keine Universitäten mehr). Die Master sind dann schon reselected students, die daraufhin geprüft werden im Studium, ob sie als Wissenschaftler in die Privilegien eines Phd-study kommen können. Das wird der Zweck der MA-Ausbildung.

Nun hat die Politik etwas bewerkstelligt, was zum einen als Kostensenkungsstrategie läuft: Wenn die Studiendauer verkürzt wird und wenn der Übergang in die MA-Studien erschwert ist, fallen viele Studenten heraus und entlasten die Hochschulen, in der Folge die Bildungsbudgets. Der relative Anstieg der Forschungsbudgets ist marginal; im weltweiten Vergleich ist die Investitionssumme für die Exzellenz-Initiative klein und kaum wirklich forschungstreibend. Die Politik hat aber jetzt, indem sie die Exzellenz-Auswahl vorgenommen hat, erstklassig beglaubigte Adressen für gezielte Forschungssubvention. Jetzt bietet sich ihr die Chance, vom gießkannenartigen Wässern der Hochschullandschaft abzurücken und nur solche Projekte zu forcieren, die andere für exzellent befinden. Eine neue, audit-gelenkte Bildungspolitik kann entstehen, mit negativen Folgen für die regionalen Flächen-Massenuniversitäten (wenn sie nicht sowieso mit Fachhochschulen fusionieren). Der Staat kann jetzt – aus seiner Sicht rational – die Bildungsbudgets gezielter dort einsetzen, wo sie schneller positive Wirkungen entfalten. Wenn allerdings die Politik wieder beginnt, ihre Proporzspiele zu spielen, wird der qualitätssichernde externe Audit absinken zur gewöhnlichen Netzwerk-umverteilung, ohne Relevanz für die Forschungsexzellenz. Hier ist die Politik in eine Selbstmäßigungsanforderung hineingenommen, die sie so eigentlich nicht mehr kennt. Wird sie standhalten? Wahrscheinlich ja, aber anders, als man meint: mit einer politischen Proporzbesetzung der Wissenschaftlerbegutachtungsgremien, was man nur verhindern kann mit einer Regel, mindestens zwei Drittel aus dem Ausland zu besetzen.

Unter den Tisch fällt allemal die Förderung der Bildung. Unter dem Mantel der Forschungs-Exzellenz leisten wir uns in deren Schatten eine Umstellung von Restbildung auf Ausbildung, mit verkürzten Kurszeiten. Denn die Forschungsfinanzierung ist keine Bildungsfinanzierung. Und der Bologna-Prozess wird seltsamerweise als Reorganisation/Zertifikationsangleichungsprozess interpretiert, wo er doch die Form der Lehre neu definieren müsste: die Frage, was die jungen Leute lernen sollen im Hinblick auf welche Kompetenzen. Für die Praxis auszubilden ist eine eher unsinnige Aussage, weil Universitäten dafür natürlich nicht geeignet sind: Sie sind Wissensorganisationen, keine Lehrwerkstätten. Vor allem ist die Praxis im Jahre X eine andere als die im Jahre XY, wenn die Studenten fertig sind: Die Differenz ist kaum zu ermessen und vor allem nicht in der Ausbildung dynamisch mitzuvollziehen. Hier läuft die politische Strategie leer – man hat reformiert, weiß aber letztlich nicht, wozu. Nur Zeit und Geld werden gemindert: ein knappes Budgetargument, aber keine politische Strategie. So werden die leuchtenden Sterne der Exzellenz zu schwarzen Löchern, die alle Energie absorbieren, die für die flächendeckenden Universitäten nicht mehr übrig bleibt. Da helfen dann nur Privatuniversitäten.

Prof. Dr. BIRGER P. PRIDDAT, geb. 1950, ist Head of Department for Public Management & Governance an der Zeppelin University Friedrichshafen; er lehrt dort Politische Ökonomie.
 

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, Februar 2007, S. 108 - 109.

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