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01. Juli 2013

Ein gespaltenes Land

Der Verfassungsprozess in Tunesien zeigt die Probleme des Übergangs

Von der Aufbruchstimmung des Arabischen Frühlings ist nicht mehr viel übrig, innen- und sicherheitspolitische Krisen prägen den Übergang zu einer wie auch immer ausgestalteten neuen Ordnung. Die Kluft zwischen islamistischen und säkularen, zwischen progressiven und gegenrevolutionären Kräften wächst.

Tunesien hat Vorbildcharakter: Trotz aller Unterschiede ist es ein Modell, wie nach dem Sturz eines autoritären Regimes friedlich ein demokratisches System aufgebaut werden könnte. Auch wenn sich nach dem Wahlsieg der moderat-islamistischen Ennahda-Partei im Oktober 2011 eine gewisse Enttäuschung breit gemacht hatte – nicht nur bei den liberalen und progressiven Kräften in Tunesien, sondern auch in Europa –, wurden inzwischen doch Meilensteine auf dem Weg zu einem neuen politischen System zurückgelegt: erste freie Wahlen nach 23 Jahren Diktatur, Einrichtung einer verfassunggebenden Versammlung (Assemblée nationale constituante / ANC), eine ungekannte Presse- und Meinungsfreiheit (mit Ausnahmen) und ein Reformprozess in den Bereichen Justiz, Bildung, Wirtschaft und Steuer­gesetzgebung. 

Zugleich hat sich in der tunesischen Gesellschaft jedoch eine gewisse Revolutionsermüdung breit gemacht. Das Alltagsleben hat sich seit dem Sturz Ben Alis für viele eher verschlechtert, politische Querelen verzögern dringende politische und ökonomische Entscheidungen sowie tiefergehende Reformen. Die Troika-Regierung, bestehend aus der islamistischen Ennahda-Partei, dem mitte-links orientierten Congrès pour la République (CPR) und der sozialdemokratisch orientierten Ettakatol-Partei, hat zwar bereits mehrere politische Krisen (Rücktritt des Ennahda- Premiers Hamadi Jebali, Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaid, gewaltsame Konflikte mit radikalen Salafisten) überstanden, aber das politische Geschehen zerfasert, alte und neue Parteien liefern sich Scheingefechte, und die Kluft zwischen islamistischen und säkularen, zwischen progressiven und gegenrevolutionären Kräften wächst. Von der Aufbruchstimmung von 2011 ist nicht mehr viel übrig. Doch trotz aller Schwierigkeiten, trotz der angespannten innenpolitischen und sicherheitspolitischen Lage: Der Transformationsprozess geht weiter.

Kritik am aktuellen Entwurf

Ende April 2013 veröffentlichte die ANC den dritten Verfassungsentwurf, über den im Juli 2013 abgestimmt werden soll. Wenn keine Zweidrittelmehrheit zustande kommt, gibt es eine zweite Lesung, und dann im Falle einer immer noch fehlenden Zweidrittelmehrheit ein Referendum. Kritik an dem Entwurf kommt aus verschiedenen Richtungen, vor allem von tunesischen Juristen, Verfassungsexperten und Intellektuellen wie Yadh Ben Achour oder Abdelwahab Meddeb sowie von Menschenrechtsaktivisten der Ligue Tunisienne des Droits de l’Homme (LTDH) und Human Rights Watch: Der Entwurf beinhalte technische Fehler und sei weit von den ursprünglichen Zielen der Revolution entfernt. Kritisiert wird auch, dass keine Referenz zum Schutz der Menschenrechte, wie sie in von Tunesien unterzeichneten internationalen Abkommen verankert sind, hergestellt wird.1

Besonders widersprüchlich bleiben die Aussagen zum religiösen und/oder zivilen Charakter des Staates. Während Artikel 1 den Islam als Staatsreligion definiert, unterstreicht Artikel 2 den zivilen Charakter des Staates.2  Der tatsächliche Stellenwert der Religion bleibt diffus. Diese Widersprüchlichkeit ermöglicht letztendlich eine spätere Anwendung der Scharia, auch wenn diese im Text nicht explizit genannt wird.3

Es wurde ein prinzipieller Konsens über die Verankerung der Glaubensfreiheit in der Verfassung gefunden, aber Artikel 5 definiert den Staat als Beschützer „der Religion“ und nicht „der Religionen“ und erwähnt nicht die Gewissens- und Gedankenfreiheit. Auch sollen die Abgeordneten ihren Eid auf die Verfassung „beim allmächtigen Gott“ (Artikel 56) schwören. Mit Artikel 10 wird die Rolle des Staates als Beschützer der Familie festgelegt, wodurch andere Lebensmodelle ausgeschlossen werden. In der Praxis wird sich das negativ für allein lebende Frauen und auf die Interpretation des Erb-, Ehe- und Adoptionsrechts auswirken. So wird durch die Hintertür das Scheidungsrecht eingeschränkt.

Im Bereich der bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechte bieten einige Formulierungen die Möglichkeit einer späteren Einschränkung. Problematisch ist vor allem ein Absatz in der Präambel, der auf die Respektierung der universellen Menschenrechte verweist, aber diese gleichzeitig mit dem Zusatz einschränkt, „soweit sie in Übereinstimmung mit den kulturellen Besonderheiten des tunesischen Volkes sind“.4

Vergleichbare „bedingte Rechte“ finden sich an mehreren Stellen; so legt Artikel 40 das Recht auf Meinungs-, Gewissens-, Ausdrucks-, Informations- und Publikationsfreiheit fest, schränkt diese aber gleichzeitig mit dem Verweis auf die Gefährdung der Rechte Dritter, deren Ansehen, Sicherheit oder Gesundheit ein. Ähnliche Einschränkungen finden sich in Artikel 33 über das ­Streikrecht. 

Menschenrechtsaktivisten der LTDH kritisieren die schwache Verankerung von Rechten und Freiheiten im Verfassungsentwurf sowie die zeitliche Verschleppung des Redaktionsprozesses. Der Entwurf spiegele die aktuelle Lage im Land wider: die Spaltung in die Anhänger eines religiös geprägten und eines säkular geprägten Gesellschaftsmodells. Beide Ansätze stehen im Text nebeneinander.

Der Vorsitzende der tunesischen Anwaltskammer warnt vor legislativen Fallen im Verfassungstext. In Artikel 136 wird definiert, welche Bereiche von einer Verfassungsreform ausgeschlossen sind: an erster Stelle der Islam als Staatsreligion, dann die arabische Sprache als offizielle Amtssprache, das republikanische Modell, der zivile Charakter des Staates, die Menschenrechte wie in der Verfassung definiert sowie die Anzahl und die Dauer der Mandate des Präsidenten.Soziale und wirtschaftliche Rechte sind im Entwurf verankert, allerdings werden die Sozial- und Wirtschaftsordnung nicht weiter definiert. In der Präambel wird das Prinzip des Rechts auf eine saubere Umwelt genannt, in Artikel 38 das Recht auf eine saubere und intakte Umwelt garantiert, in Artikel 39 das Recht auf Wasser.

Wichtig ist auch das Prinzip der Dezentralisierung, das in Artikel 9 eine prominente Erwähnung findet und den Regionen mehr Autonomie zugesteht; Kompetenzen und Rechte der lokalen Verwaltungen, Stadt- und Regionalräte werden gestärkt. Positiv zu erwähnen ist auch die Hervorhebung der Rolle und Partizipation der Jugend für die Entwicklung des Landes und der Gesellschaft (Artikel 12).

Den Artikeln zu Justiz und Verfassungsrecht wird eher viel Raum eingeräumt und der Religion weniger, wie einige Kritiker behaupten. Gleichzeitig bestehen über die Benennung der Verfassungsrichter oder die Kompetenzen des Verfassungsgerichts noch einige Unklarheiten; auch ist nicht vorgesehen, dass ein Staatsbürger sich direkt an das Verfassungsgericht wenden kann. Für Aufregung in Europa sorgt insbesondere ein Absatz in der Präambel über die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus, weil eine Gleichsetzung mit „Zionismus“ erfolgt. Abgesehen von dieser zweifelhaften Gleichsetzung stellt sich die Frage, was ein solcher Punkt unter den Staatszielen der Verfassung zu suchen hat.

Das künftige politische System

Der Verfassungsentwurf sieht eine Mischform aus einem präsidialen und parlamentarischen System vor, eine „präsidiale Republik“. Ziel ist eine demokratische und partizipative Republik, ein ziviler Staat, der auf Gewaltenteilung und Volkssouveränität beruht. Staatschef ist der Präsident der Republik; er wird für fünf Jahre gewählt, muss zwischen 40 und 75 Jahre alt und muslimisch sein (Artikel 72 und 73), er darf das Amt maximal zwei Mal innehaben. Der Präsident hat weitreichende Rechte, kann aber auch von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments, mit Zustimmung des Verfassungsgerichts, abgewählt werden. Kritiker des Entwurfs, wie Yadh Ben Achour, hätten ein parlamentarisches System mit eingeschränkten Rechten für den Präsidenten befürwortet, insbesondere aufgrund der schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Das Amt des Regierungschefs hat nach dem Verfassungsentwurf einen mehr ausführenden Charakter. Das Parlament, die „Assemblée des représentants du peuple“, wird für eine Legislaturperiode von fünf Jahren gewählt. Die Kompetenzen der Exekutive und Legislative sind einerseits sehr detailliert formuliert, andererseits etwas kompliziert, was in der Praxis schnell zu einer Einschränkung der politischen Handlungsfähigkeit der Regierung führen könnte. 

Als Wahlrecht ist ein allgemeines, freies, direktes und geheimes Wahlrecht (Artikel 54) vorgesehen. Die Vorbereitung der nächsten Wahlen (es ist noch unklar, ob Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen), die auf der Grundlage der neuen Verfassung stattfinden sollen, gestaltet sich schwierig. Die unabhängige Wahlkommission (ISIE), die bereits die ersten freien Wahlen der verfassunggebenden Versammlung (ANC) im Oktober 2011 erfolgreich organisiert hatte, soll personell anders aufgestellt werden. Aber das Verwaltungsgericht suspendierte aufgrund von Unregelmäßigkeiten die Arbeit der ANC-Kommission, die für die Auswahl der Mitglieder der ISIE zuständig war. In die letzte Vorrunde waren Ennahda-Mitglieder und ein Regierungsmitglied gekommen, was den unabhän­gigen Charakter der ISIE in Frage stellte. 

Das Verwaltungsgericht übernimmt in der aktuellen Übergangsphase de facto die Rolle eines Verfassungsgerichts. Der Übergang gestaltet sich auch insofern schwierig, als in vielen Bereichen eine Art Rechtsvakuum herrscht, das sich manche Akteure zunutze machen, und eine tatsächliche Unabhängigkeit der Justiz nicht immer gegeben ist. Viele wünschen sich einen baldigen Abschluss des Verfassungsprozesses.

Sechs verschiedene Kommissionen der ANC haben den Verfassungsentwurf erarbeitet, der 139 Artikel enthält. Die Kommissionen spiegeln die Mehrheitsverhältnisse der ANC wider. In der Präambel- und Grundwertekommission wurde laut der Ettakatol-Abgeordneten Lobna Jribi insbesondere das Thema Identität diskutiert. Umso enttäuschender ist, dass der Entwurf nur die arabisch-muslimische Identität nennt, aber andere kulturelle Identitäten und Referenzen (punisch, afrikanisch, amazigh, mediterran) und ethnische oder religiöse Minderheiten (Juden, Christen) außen vor lässt – anders als zum Beispiel die neue Verfassung Marokkos von 2011. 

Zivilgesellschaftliche Akteure wur­den nur wenig und punktuell in den Prozess eingebunden. Im Rahmen eines „nationalen Dialogs“, der in den vergangenen Monaten zweimal rund 500 Vertreter der politischen Parteien, Gewerkschaften, Verbände und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammenbrachte, wurde einigermaßen erfolgreich versucht, einen möglichst breiten Konsens für die neue Verfassung zu schaffen. Doch viele beklagen, dass die endgültige Ausrichtung des politischen Systems – präsidial oder parlamentarisch – zu sehr von den potenziellen Mehrheitsverhältnissen der nächsten Wahlen und der politischen Konjunktur abhängig gemacht werde. 

Ennahda und die Salafisten

Der politische Kontext, in dem sich der verfassunggebende Prozess abspielt, ist nicht einfach. Die ANC, die ursprünglich nur für ein Jahr gewählt wurde, muss nicht nur als verfassunggebende Versammlung fungieren, sondern gleichzeitig auch als ein legislatives Übergangsparlament und Kontrollorgan der Exekutive. Neben politischen Krisen und sozioökonomischen Schwierigkeiten ist die Sicherheitslage angespannt. 

Seit dem Rücktritt der Regierung Hamadi Jebalis (Ennahda) im Februar 2013 ist es Premierminister Ali Lara­yedh (Ennahda) nur zum Teil gelungen, die Zuspitzung der gewaltsamen Konflikte mit der verbotenen radikal-salafistischen Bewegung Ansar al-Sharia in den Griff zu bekommen. Nachdem der Ennahda-Partei und der Vorgängerregierung immer wieder eine zu laxe Haltung gegenüber den Extremisten vorgeworfen wurde, hat sich die amtierende Regierung im Mai 2013 erstmals klar und deutlich von den religiösen Extremisten distanziert. Das Innenministerium hat das dritte, für Mai 2013 in Kairouan geplante Jahrestreffen der Ansar-al-Sharia-Bewegung verboten, woraufhin es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, einem Toten und zahlreichen Festnahmen kam. Der Ansar-al-Sharia-Anführer Abu Iyadh droht Tunesien mit Krieg; seine Anhänger verbreiten im Internet neben hetzerischer Propaganda auch Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen. 

Angesichts der Zuspitzung in den vergangenen Monaten hat sich Ennahda für die Anwendung des Antiterrorgesetzes von 2003 ausgesprochen, das in einer abgeänderten Fassung reaktiviert werden soll. Das ist insofern bemerkenswert, als Ennahda-Mitglieder unter dem Ben-Ali-Regime mit Hilfe dieses Gesetzes verfolgt, eingekerkert und gefoltert wurden. Auch das Notstandsgesetz, das Militär und Sicherheitskräften besondere Befugnisse verleiht, wurde seit der Revolution nicht aufgehoben. Die Aktivitäten der Ansar-al-Sharia-Salafisten beschränken sich nicht auf gewaltsame Aktionen, sie missionieren auch vor Schulen, Universitäten und Cafés. Sie wollen Schülerinnen und Studentinnen überzeugen, den schwarzen Gesichtsschleier (Niqab) zu tragen, fordern mehr Korankindergärten und organisieren karitative Hilfskonvois in arme Regionen. 

Die Grenzen zwischen moderat- und radikalislamischer Ideologie, der Positionierung zum Einsatz von Gewalt und zur Eingliederung in ein parlamentarisches System bleiben bei vielen politisch Aktiven fließend. So wurde Religionsminister Nourredine El Khademi (unabhängig) in der ANC dafür kritisiert, dass er in seinen Ansprachen die tunesische Jugend zum Dschihad in Syrien aufgerufen habe, den Abbruch der Beziehungen zu Israel gefordert habe, Auftritte radikaler ausländischer Prediger in Tunesien fördere und die Moscheen keineswegs unter Kontrolle habe. Die Mehrheit der Bevölkerung hält diese (sehr medienwirksame) Form des radikalen Islam für vollkommen überflüssig und unislamisch, lehnt ­gewaltsame Aktionen entschieden ab und besonders jüngere Frauen beschweren sich über Einschüchterungs­versuche der Salafisten im öffentlichen Raum.

Eine neue politische Kultur

Doch abgesehen von der politischen Abgrenzung zwischen moderatislamistischen und radikalsalafistischen Kräften und sicherheitspolitischen Fragen hat sich die politische Kultur in Tunesien verändert. Es geht nicht nur um den Wettbewerb unterschiedlicher Weltanschauungen und Gesellschaftsmodelle, sondern auch um die Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern eines tiefgreifenden Regimewandels (in welche Richtung auch immer), im Sinne einer neuen Ordnung, und den Gegenrevolutionären, die der alten Ordnung nachtrauern und sie wiederherstellen möchten. Eine neue politische Debatten- und Kompromisskultur ist entstanden, eine dynamische Parteien­landschaft, eine Heterogenisierung und Pluralisierung, bei gleichzeitiger Polarisierung zwischen der islamistischen Ennahda-Partei und der konservativen Nida Tounès-Partei (um Beji Caid Essebsi), unter deren Mitgliedern und Anhängern sich auch Vertreter des alten Regimes wiederfinden. 

Der schwindende Zuspruch für die Ennahda-Partei wird unter anderem auf ihre zu konziliante Haltung gegenüber dem gewaltsamen Dschihadismus interpretiert. Gleichzeitig äußert sich die interne Spaltung der Ennahda-Partei in einen moderaten und einen radikaleren Flügel insofern, als die Parteiführung eher kompromissbereit ist, während die Mehrheit der Mitglieder politische Kompromisse ablehnt und sich eine stärker islamisch-konservative Politik wünscht. Die Oppositions- und Mitte-Links-Parteien wiederum verlieren sich oft in der Kritik an der Ennahda als einzig gemeinsamem Nenner und formulieren kaum alternative Ansätze, Lösungsmöglichkeiten oder Arbeitsprogramme für Gegenwart und Zukunft. 

Dass Ennahda mithilfe demokratischer Taktik versucht, einen theokratischen Staat zu errichten, wie dies islamkritische Stimmen suggerieren, mag übertrieben sein. Aber berechtigt ist die Kritik an den Zweideutigkeiten des Verfassungsentwurfs und an der Tatsache, dass zwei Hauptanliegen der Revolution – Freiheit und Gleichheit – zu wenig Berücksichtigung finden. So fehlt tatsächlich ein Artikel über den Staat als Garant der Freiheit und Gleichheit jeden Bürgers, ohne Diskriminierung des Geschlechts, der Ethnie, der Sprache, des Glaubens.

Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die alle Parteien in ihr Wahlprogramm geschrieben hatten, wird von der Ennahda-Partei so nicht mehr vertreten. Der Verfassungsentwurf schließt durch seine Formulierungen zur Religion all jene aus, die eine andere oder keine Reli­gion haben. 

Eine Verfassung gibt nicht nur den rechtlichen Rahmen, sondern auch die politische Identität eines Gesellschaftssystems vor. Doch noch mehr wird letztendlich davon abhängen, wie die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Akteure die Umsetzung der Verfassung ausfüllen werden, wie groß die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter und der Justiz sein wird und in welchem Maße die tatsächliche Trennung der Staatsgewalten im politischen Alltag eingehalten werden wird. 

Dr. Isabel Schäfer ist Senior Research-Fellow und Dozentin am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin und leitet dort das Projekt „Mittelmeer-Institut Berlin (MIB)“ .

  • 1Hier wird der Text „Projet pour la constitution de la Tunisie“ zugrundegelegt, der in der Version vom 22.4.2013 vom Programme des Nations Unis pour le développement en Tunisie (PNUD) übersetzt und publiziert wurde.
  • 2Artikel 1 wurde aus der tunesischen Verfassung von 1959 übernommen: „La Tunisie est un état libre, indépendant, souverain, l’islam est sa religion, l’arabe sa langue, la république son régime.“
  • 3Die Scharia sieht im Extremfall für die Apostasie, den Abfall vom Islam, die Todesstrafe vor; in abgeminderter Form kann es vor allem zu zivilrechtlichen und strafrechtlichen Folgen für die angeklagte Person kommen.
  • 4„Sur la base des constantes de l’Islam et de ses finalités characterisées par l’ouverture et la modération, des nobles valeurs humaines et des principes des droits de l’Homme universels, dans la mesure où ils sont en harmonie avec les spécificités culturelles du people tunisien.“
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli/August 2013, S. 88-94

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