Internationale Presse

01. Sep 2017

Das Paralleluniversum

Reichweitestarke US-Medien stehen fest an der Seite von Präsident Trump

Am Ende einer der verstörendsten Wochen seiner schon zuvor skandalträchtigen Amtszeit hatte US-Präsident Donald Trump seinen Chefstrategen verloren – vorerst wohl aber nicht eines der Internetportale, das ihm am treuesten ergeben ist.

Breitbart.com verteidigte den Präsidenten noch, als dessen mäandernde Stellungnahmen zu Charlottesville immer schwerer zu rechtfertigen waren – jenem Aufmarsch von Rechtsradikalen, weißen Nationalisten und Neonazis; einer von ihnen rammte sein Auto in eine Gruppe von linken Gegendemonstranten und tötete dabei eine junge Frau. Richtigerweise hatte Trump darauf hingewiesen, dass in der Stadt in Virginia auch linke Gewalttäter aufmarschiert waren. Aber das Opfer gehörte erkennbar nicht zu dieser Gruppe, und trotzdem hatte Trump die Terrortat zunächst nicht explizit verurteilt.

Wenige Tage später trennte sich Donald Trump von seinem Chefstrategen Steve Bannon. Dessen Rückkehr auf den Vorstandssessel von Breitbart bedeutet wohl aber nicht, dass der Präsident künftig auch von dort ins publizistische Visier genommen wird. Erste Gerüchte behaupten zwar, Bannon, der früher mit dem im Mai verstorbenen, einstigen Fox-Chef Roger Ailes in Kontakt stand, sinne auf Rache und bereite sogar die Gründung eines konservativen Fernsehkanals vor. „Ich werde für Trump in den Krieg ziehen“, stellte Steve Bannon aber gegenüber Bloomberg News klar (18.8.).

Joel B. Pollak, ein Breitbart-Autor, der im Wahlkampf noch gelegentliche Kritik am Kandidaten Trump formuliert hatte, dann aber ein getreuer Präsidentenknappe wurde, schrieb dagegen Stunden nach Bannons Abgang ein erstes Requiem auf Trump: Dessen Entscheidung, sich von Bannon zu trennen, könnte sich „als Anfang vom Ende der Trump-Regierung erweisen, als der Moment, in dem Donald Trump zu Arnold Schwarzen­egger wurde“ (18.8.). Denn, so Pollak, der einstige Bodybuilder und spätere Hollywood-Star Schwarzenegger sei als Hoffnungsträger der Konservativen zum Gouverneur von Kalifornien gewählt worden, habe sich dann aber wegen der Kritik der Medien zum linken Ökologen gewandelt und damit seine Basis verraten.

„Politisch war Schwarzeneggers Schachzug ein Erfolg“, schreibt Pollak. „Er wurde 2006 wiedergewählt. Aber seine zweite Amtszeit war eine Katastrophe. Als er 2010 aus dem Amt schied, war der Bundesstaat finanziell ruiniert und die kalifornische Republikanische Partei hatte einen Abstieg begonnen, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat.“

Zur Erinnerung: Während des gesamten Wahlkampfs musste Trump nicht nur gegen die Demokraten und das Establishment der Republikaner, sondern auch gegen die große Mehrheit der Medien ankämpfen. 243 amerikanische Tageszeitungen veröffentlichten eine Wahlempfehlung zugunsten Hillary Clintons und acht weitere riefen dazu auf, Trump nicht zu wählen. Für den Kandidaten der Republikaner warben hingegen ganze 20 Blätter, und eine weitere Zeitung wandte sich gegen eine ­Clinton-Präsidentschaft.

Unter den 100 auflagenstärksten Tageszeitungen lag das Verhältnis bei 50 Empfehlungen für Clinton (mit einer Gesamtauf­lage von 13 Millionen Exemplaren) zu zwei für Trump (316 000 Exemplare). Selbst Gary Johnson, ­chancenloser Kandidat der Libertarian Party, schnitt mit vier Wahlempfehlungen (739 000 Exemplare) besser ab. Bei den Blättern, die Trump unterstützten, handelt es sich um zumeist kleine Zeitungen mit Auflagen zwischen rund 3000 und 130 000 Exemplaren. In diese unvollständige Liste gehören Santa Barbara News Press (Kalifornien), St. Joseph News (Missouri), Waxahachie Daily Light (Texas), The Times Gazette (Ohio), Las Vegas ­Review Journal (Nevada), Daily Reflector (North Carolina), The News Sentinel (Indiana), Republican-American (Connecticut), Peninsula Clarion (Alaska), Athens Banner-Herald (Georgia), Bowling Green Daily News (Kentucky), The Florida Times-Union (Florida) und The Washington Times (Washington, DC).

Der konservative ­Fernsehsender Fox News wird heute zu Recht als Trump-Plattform wahrgenommen. Doch im Wahlkampf setzte er zunächst auf andere Republikaner, darunter die Senatoren Marco Rubio und Ted Cruz, während Trump alle Chancen auf einen Wahlsieg abgesprochen wurden. Der bereits zitierte Breitbart-Journalist Pollak beklagt sich darüber in seinem trotz aller Parteilichkeit lesenswerten Buch „How Trump Won“ (erschienen im Dezember 2016) und behauptet, allerdings ohne jeden Beleg: „Vor allem Fox News hatte eine Neigung, jederzeit die schlechteste Umfrage für Trump auszuwählen und Umfragen zu ignorieren, in denen er besser abschnitt.“

Dabei verschweigt Pollak, dass Sean Hannity, Starmoderator von Fox News, nicht nur seine tägliche Show in der Primetime nutzte, ausgiebig für Trump die Werbetrommel zu rühren, sondern den Kandidaten auch nebenbei beriet. Hannity, der sich selbst nicht als Journalist versteht, nutzte auch nach Trumps Einzug ins Weiße Haus seine Show, um den Präsidenten gegen die „Lügen von Fake-News-­Medien“ zu verteidigen.

Nach Charlottesville hielt Hannity an seiner Linie fest. „Die Linke ist verstört, weil Präsident Trump die Wahrheit gesagt hat über die Gewalt in Charlottesville“, twitterte er am 17. August und bekam dafür 12 000 Likes. Seine „Hannity Show“ wird täglich von gut zwei Millionen Amerikanern gesehen.

Dem Präsidenten ebenfalls in Freundschaft fest verbunden ist der Fox-Journalist Bill O’Reilly. Zwar musste der konservative Bestsellerautor im April 2017 den Sender verlassen wegen des Vorwurfs, seine Machtposition für sexuelle Zudringlichkeiten gegenüber Kolleginnen ausgenutzt zu haben. Aber im Wahlkampf war O’Reilly, dessen Show unter allen Fox-Sendungen den Spitzenplatz hielt, Trumps zuverlässiger Für­sprecher. Die Trump-Präsidentschaft hat an Fox News’ starker Stellung nichts geändert. In der Primetime blieb der Sender in den beiden ersten Quar­talen 2017 das meistgesehene Kabelprogramm in den USA – im zweiten Quartal mit einem Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Enorm wichtige Unterstützer Trumps sind zudem populäre Radio­moderatoren, deren Programme oft US-weit weiterverkauft werden und gerade im Mittleren Westen beliebt sind. An der Spitze dieser Talker steht Rush Limbaugh, die „Ein-Mann-Armee“ des konservativen Hörfunks, wie eine Biografie den 66-Jährigen nennt. Mitunter kritisiert Limbaugh Aktionen von Trump, etwa dessen öffentliche Rügen an seinem Justizminister Jeff Sessions, der sich wegen Befangenheit aus den Russland-Untersuchungen herausgezogen hat und diese dem Sonderermittler Robert S. Mueller überlässt.

Aber der einflussreichste Hörfunker der USA beschwichtigte selbst nach dem Abgang von Bannon seine Zuhörerschaft, das Weiße Haus werde auf Kurs bleiben. Denn dort gebe es weitere Berater, die so dächten wie der alte und neue Breitbart-Chef. „Stephen Miller ist noch da, und Stephen Miller ist ein Juwel“, lobte Limbaugh einen Redenschreiber, dem große Nähe zur so genannten „Alt-Right“-Bewegung nachgesagt wird, am 18. August. Miller leiste „hervorragende Arbeit, das ist nicht zu bezweifeln“.

Die „Rush Limbaugh Show“, die von über 90 Radiosendern und 5500 Radiodiensten ausgestrahlt wird, ist das einschaltstärkste Hörfunkprogramm der USA mit bis zu 26 Millionen wöchentlichen Zuhörern. Auf Platz fünf dieser Liste folgt „The Savage ­Nation“ (elf Millionen wöchentliche Hörer). Moderator Michael Savage nahm für sich unlängst in Anspruch, durch seine Kritik an dessen „zu unreifen“ Tweets Trump dazu gebracht zu haben, nunmehr „präsidialer“ und eher über Nordkorea als über angebliche Fake News zu twittern.

Verschwörungstheorie geht immer

Differenzierter argumentiert der ebenfalls konservative Moderator Mark Levin (zehn Millionen Hörer), zugleich Chefredakteur der Mediengruppe „Conservative Review“. Levin warb für die Nominierung des texanischen Senators Ted Cruz als Präsidentschaftskandidat der Republikaner und unterstützte die „NeverTrump“-Bewegung der gemäßigten Republikaner. Doch nach Trumps Amtsantritt brachte Levin die Verschwörungstheorie in Umlauf, Barack Obama habe den damaligen Kandidaten während des Wahlkampfs im Trump Tower abhören lassen. Inzwischen erklärt Levin, die Untersuchung von Sonderermittler Mueller zu Russland-Kontakten des Trump-Teams liefen auf einen Staatsstreich hinaus.

Glenn Beck, einer der populärsten Radiomoderatoren im konservativen Lager, kritisierte Trump im Wahlkampf als „vulgär“ und „unmoralisch“, versicherte aber nach dem Wahlsieg Trump seine Unterstützung. Beck, bis 2011 Star-Moderator bei Fox, kommt auf 10,5 Millionen wöchentliche Hörer.

Darüber hinaus sind die Aktivitäten der Internetportale für Trump ausgesprochen wichtig. Konservative Websites wie „Drudge Report“, „Daily Caller“ oder „The Gateway Pundit“ sind nicht durchgängig unkritisch, stehen aber im Zweifel auf der Seite des Präsidenten. Während der „Daily Caller“ professionellen Regeln folgt, nimmt es „Gateway Pundit“ mit den Fakten nicht so genau und berichtet auch schon mal über einen angeblichen „Hitman“ von Clinton, was den Eindruck erweckte (und sicher erwecken sollte), die Demokratin verfüge über einen Auftragskiller. Trotzdem erhielt ein 29-jähriger „Korrespondent“ dieses Mediums zum Verdruss der seriösen Kollegen nach dem Machtwechsel eine Akkreditierung für das Weiße Haus.

Alex Jones, der Chef des zum Teil videobasierten Internetportals „InfoWars“, erste Adresse von Amerikas Verschwörungstheoretikern, behauptet, Trump habe auch ihm die Akkreditierung angeboten. Jones’ Radioshow (5,9 Millionen wöchentliche Hörer) gehört zu den zwölf erfolgreichsten Talk-Programmen in den USA. Es ist schon bezeichnend, dass der US-Präsident regelmäßig CNN oder die New York Times als Fake News beschimpft, aber einem Moderator Interviews gewährt, der Washington als Drahtzieher hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 ausmacht.

Dennoch mag man staunen: Wie können solche Radio- und Internetprogramme, selbst im Verein mit Fox News und einigen kleineren Zeitungen, die politische Haltung eines Großteils der amerikanischen Bevölkerung prägen, wenn doch sämtliche Qualitätsblätter sowie CNN, ABC, CNBC oder MSNBC immer wieder über falsche Behauptungen, unethische Handlungen und die unprofessionelle Politik des Präsidenten berichten? Die Antwort lautet: Wer eine Woche nur Fox News schaut, Breitbart liest und Rush Limbaugh hört, lebt in einer gänzlich anderen Welt als die Leser der Washington Post oder auch des Wall Street Journal und die Zuschauer von CNN. Das erklärt, warum die Zustimmung zu Trump bei nur rund einem Drittel der Bevölkerung liegt, trotz aller Skandale aber bislang nicht rapide weiter sinkt.

Die medialen Paralleluniversen der USA, in denen es kaum gemeinsame Grundinformationen gibt, haben die Wahl Donald Trumps ermöglich, und sie sichern dem Präsidenten bis auf Weiteres seine Basis.

Ansgar Graw ist Chefreporter der WELT-Gruppe. Bis Juli 2017 berichtete er für die Zeitung aus Washington, DC.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, September-Oktober 2017, S. 130 - 133

Teilen

Mehr von den Autoren