Gegen den Strich

01. Mai 2021

Bewaffnete Drohnen: Ja, nein, vielleicht?

Über kaum ein sicherheitspolitisches Thema wird in Deutschland seit Jahren so intensiv diskutiert wie über bewaffnete Drohnen. Diese 8 Thesen erklären den Stand der Dinge – und räumen mit hartnäckigen Mythen auf.

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Bild: Drohne beim Start in Iran
Zweischneidige Geschosse: Bewaffnete Drohnen (hier ein Start im Iran) können das Leben der eigenen Truppe schützen; sie könnten aber auch bei ihren Besitzern die Bereitschaft erhöhen, Krieg zu führen.
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„Durch Drohnen werden mehr Zivilisten getötet als durch andere Waffensysteme“

Nicht, wenn man Drohnen richtig einsetzt. Die Angst vor höheren Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung treibt viele Drohnengegner um. Berichte über amerikanische Drohnenangriffe auf Hochzeitsgesellschaften in Pakistan oder im Jemen haben zu Recht Entsetzen hervorgerufen. Es gibt allerdings bisher keine belastbaren Daten dafür, dass beim Einsatz von Drohnen grundsätzlich mehr zivile Opfer zu beklagen seien als bei Einsätzen bemannter Systeme; zudem sind solche Vergleiche schwierig und die Datenlage ist problematisch. Die Forschung kann jedoch zeigen, dass die Art und Weise, wie Drohnen eingesetzt werden und welchen Regeln ihr Einsatz unterliegt, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob Zivilisten zu Schaden kommen.



Es gibt, vereinfacht gesagt, vier Gründe, warum es beim Einsatz von bewaffneten Drohnen zu zivilen Toten kommen kann: das Versagen der Technik; falsche oder fehlerhafte Daten; das Auftreten unerwarteter Ereignisse; die Inkaufnahme von zivilen Opfern aus politischen oder militärischen Gründen.



Fälle, in denen Drohnenangriffe aufgrund technischer Mängel wie Flugbahnabweichungen oder Fehlinformationen der Überwachungsinstrumente zu zivilen Schäden geführt haben, sind weitestgehend unbekannt. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Drohnen technisch schlechter sind als bemannte Systeme oder dass ihre Sensoren fehleranfälliger sind – viele bemannte Systeme tragen übrigens dieselbe Sensorik wie unbemannte.



Wenn es also keine relevanten technischen Unterschiede gibt, sind es dann vielleicht fehlerhafte Daten, die Drohnenangriffe potenziell weniger genau machen? Informationen werden mithilfe technischer Mittel (Signals Intelligence) und durch Informanten vor Ort (Human Intelligence) gesammelt und ausgewertet. Bei der Signals Intelligence sind Drohnen anderen Systemen überlegen, da sie länger vor Ort sind. Die Qualität der Informanten vor Ort hängt vom Einsatzkontext ab, bleibt aber davon unbeeinflusst, ob bei der Operation bemannte oder unbemannte Systeme eingesetzt werden.



Letztendlich besteht für alle militärischen Operationen die Herausforderung, vorab gute Daten zu beschaffen. Das gilt auch für den dritten Aspekt, das Auftreten unerwarteter Ereignisse. Diese sind in gewissem Rahmen unvermeidlich. Die Streitkräfte können ihnen nur mit bestmöglicher Aufklärung und Vorsichtsmaßnahmen begegnen. Drohnen haben an dieser Stelle einen Vorteil: Bei unvorhergesehenen Ereignissen spielt die Zeitdauer zwischen Aufklärung und Waffeneinsatz eine Rolle; durch die Kombination der Aufklärungs- und Wirkungsfunktion in der Drohne wird diese Zeitspanne minimiert.



Der vierte Grund, warum es bei Drohnenangriffen zu zivilen Opfern kommen kann, ist, dass zivile Opfer zum Erreichen bestimmter militärischer Zwecke in Kauf genommen werden. Ob dies völkerrechtlich zulässig ist, ist kontext- und situationsabhängig und daran zu prüfen, ob die erwarteten zivilen Schäden im Verhältnis zum militärischen Vorteil exzessiv sind.



Vergleicht man amerikanische und britische Drohneneinsätze, so zeigt sich, dass politische Vorgaben und die militärische Operationalisierung dieser Vorgaben einen großen Einfluss auf die Zahl ziviler Opfer haben. So scheint es, dass die britische Vorgabe, keinerlei zivile Opfer in Kauf zu nehmen, in Afghanistan zu einer geringeren Zahl ziviler Opfer pro Einsatz geführt hat als etwa die US-Drohneneinsätze in Pakistan, die unter anderen politischen Vorgaben stattfanden. Und vergleicht man amerikanische Einsätze unter unterschiedlichen politischen Vorgaben, wird etwa in Bezug auf Afghanistan deutlich, dass hier ein Politikwechsel unter Präsident Barack Obama zu einer Reduzierung der zivilen Opfer führte.



Besieht man sich die vier Faktoren, bleibt festzustellen: Auf Grundlage überprüfter Daten, guter Vorbereitung der Einsätze und auf Basis klarer politischer Vorgaben, zivile Opfer zu vermeiden, können Drohnenangriffe nicht nur genauso gut, sondern sogar präziser sein als die bemannter Systeme. Ihr Einsatz kann also zu einer Reduzierung ziviler Verluste beitragen. Das ist aber kein Automatismus – es kommt auf Vorgaben, Einsatzregeln und militärische Praktiken an. Es ist wichtig, über die für Deutschland geplanten Einsatzmodalitäten zu streiten; es braucht jedoch auch ein Vertrauen in die politische Mehrheit, in politische Kontrollinstrumente und in die Bundeswehr.



„Wenn Deutschland bewaffnete Drohnen kauft, befeuert es das Drohnenwettrüsten“

Nein. Das Argument ist aus zwei Gründen nicht stichhaltig. Erstens, weil augenscheinlich kein Wettrüsten stattfindet, zweitens, weil Deutschland eine solche Vorbildfunktion nicht hat.



Es ist wichtig, hier präzise zu sein. Ja, die Zahl der Nutzer bewaffneter Drohnen ist in den vergangenen Jahren angewachsen. Setzten in den frühen 2000er Jahren nur die USA, Israel und Großbritannien solche Drohnen ein, so liegt die Zahl der Staaten mit bewaffneten Drohnen heute bei über 20 Ländern, Tendenz steigend. Selbst Länder wie Georgien, ein Land mit weniger Einwohnern als Rheinland-Pfalz, hat zuletzt seine eigene bewaffnete Drohne entwickelt.



Insofern soll die Aussage, dass es kein Wettrüsten gibt, nicht suggerieren, dass es keinen Anstieg an Nutzern gebe. Aber es muss unterschieden werden zwischen der Beschaffung eines Systems im Rahmen der Weiterentwicklung der Streitkräfte und einem Wettrüsten, das einer Eskalationslogik unterliegt.



In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass bewaffnete Drohnen erhebliche militärischen Vorteile bringen können. Kein Wunder also, dass viele Staaten sich welche beschaffen. Von einem Wettrüsten spricht man allerdings nur dann, wenn diese Anschaffungen sich gegenseitig antreiben. Eine derartige Eskalationsdynamik lässt sich bei Drohnen bisher nicht feststellen – die wenigsten Staaten kaufen sich bewaffnete Drohnen, weil es verfeindete Länder tun.



Dass Deutschland eine Vorbildfunktion zukommt und eine deutsche Entscheidung gegen bewaffnete Drohnen andere Staaten dazu veranlassen könnte, ebenfalls vom Kauf abzusehen, erscheint wenig überzeugend. In dem Zeitraum, in dem Deutschland über bewaffnete Drohnen diskutiert hat, haben sich viele Länder Drohnen beschafft, einschließlich europäischer Partner. Es deutet wenig darauf hin, dass eine Entscheidung Deutschlands für oder gegen die Beschaffung eines bewaffneten Drohnensystems einen Einfluss auf die weitere Proliferation hätte.



„Drohnen töten auf Befehl von Computerspielern, die in klimatisierten Büroräumen sitzen“

Das ist unfair den Drohnenoperateuren gegenüber. Die aktuelle Generation bewaffneter Drohnen wird von einer mehrköpfigen Crew gesteuert. Sie ist für den Flug, die Datenanalyse und die Operation der Nutzlast – also auch der Bewaffnung – zuständig.



Es stimmt, dass diese Crew sich erstmal nicht direkt in der Gefahr des Einsatzes befindet – auch wenn etwa die deutschen Drohnenpilotinnen und -piloten in Afghanistan im Masar-e Scharif-Feldlager stationiert waren und damit allen mit Auslandseinsätzen verbundenen Widrigkeiten ausgesetzt waren.



Der Einfluss von Drohnenoperationen auf die Psyche der Operateure ist noch unzureichend erforscht; anekdotische Berichte sind widersprüchlich. Einige US-Drohnenpiloten berichten in der Tat von einer „Playstation-Mentalität“, die Einsätze zu Computerspielen verkommen lässt. Andererseits gibt es Berichte und erste Studien, die auf eine höhere psychische Belastung von Drohnenpiloten schließen lassen – bewirkt durch die psychologische, wenn auch nicht geografische Nähe der Pilotinnen und Piloten zu ihren Zielpersonen und der Tatsache, dass Drohnenoperateure nach einem Angriff „vor Ort“ bleiben und die Auswirkungen der Angriffe so direkt vor Augen haben.



Die meisten psychologischen Studien zu Belastungsstörungen bei Drohnenpiloten wurden in den USA durchgeführt. Amerikanische Piloten waren aber in den vergangenen Jahren einem besonderen Druck ausgesetzt, da es in erheblichem Maße an Piloten mangelte. Zudem waren sie in den USA stationiert und nicht im Einsatzgebiet, wie es etwa bei den Franzosen der Fall und auch für Deutschland geplant ist. Insofern ist unklar, inwieweit die amerikanischen Ergebnisse übertragbar auf andere Länder sind.



Klar ist: Ein gutes Training und eine gute Betreuung von Drohnenpilotinnen und -piloten sind wichtig und notwendig, um sicherzugehen, dass sie weder durch ihre Arbeit zu sehr belastet noch abgestumpft werden. Klare Einsatzregeln sichern, dass Drohnenpiloten und -operateure sich legal und dem Mandat entsprechend verhalten. Drohnenoperateure generell als Computerspieler zu diffamieren, ist den Soldaten gegenüber unredlich.



„Bewaffnete Drohnen sind der erste Schritt zum autonomen Krieg“

Nur, wenn man nach den Drohnen autonome Waffensysteme kauft. In der deutschen Diskussion ist das Missverständnis entstanden, dass es sich bei den Drohnen, welche die Bundeswehr beschaffen will, um autonome Systeme handele. Das ist nicht der Fall. Die Heron TP, die von der Luftwaffe geflogen werden soll, ist ein ferngesteuertes System, das von einer Crew kontrolliert wird, die aus Pilot, Datenanalysten und Nutzlastoperateur besteht. Letzterer ist zuständig für die Nutzlast (darunter die Bewaffnung) und bedient die TV- oder Infrarot-Kamera. Die Entscheidung, Waffengewalt einzusetzen, wird eben nicht von einem Computer, sondern von Menschen getroffen. Das gilt genauso für den amerikanischen Reaper und für die aktuelle Generation chinesischer und türkischer Drohnen.



Insgesamt geht die Entwicklung in der Tat zu mehr Autonomie in Waffensystemen. Diese Entwicklung beobachten wir allerdings auch bei bodengestützten Systemen, und es spielt auch in nicht direkt kampfrelevanten Funktionen wie der Datenanalyse eine Rolle. Ob und wie Autonomie im Militärischen eingesetzt werden soll, ist eine richtige und wichtige Diskussion. Diese Diskussion mit der Debatte über den Erwerb eines nichtautonomen Systems zu verknüpfen, ist allerdings wenig zielführend. Sollte Deutschland sich für die Beschaffung bewaffneter Drohnen entscheiden, ist damit noch keine Entscheidung über autonome Waffensysteme verbunden.



„Der Besitz bewaffneter Drohnen erhöht die Bereitschaft, Krieg zu führen“

Vielleicht. Wer bewaffnete Drohnen einsetzt, kann das aus sicherer Entfernung tun, muss also keine eigenen Soldaten gefährden. Dadurch könnte es für politische Entscheidungsträger einfacher sein, militärische Mittel zu wählen, statt nach politischen Lösungen zu suchen. In manchen Szenarien ist das vorstellbar.



Die Argumentation ist allerdings schwer zu be- oder zu widerlegen. Denn eine Militäroperation, die ausschließlich mit Drohnen durchgeführt wird, ist per Definition sehr begrenzt: Mit Drohnen lässt sich kein Territorium erobern. Es lohnt sich, in diesem Kontext auf eine Überlegung der Politikwissenschaftler Zack Beauchamp und Julian Savulescu zu verweisen: Sollte es durch Drohnen tatsächlich mehr Militäreinsätze geben, so argumentieren sie, dürfte das auch dazu führen, dass Einsätze aus humanitären Gründen wahrscheinlicher würden.



Besteht die Gefahr, dass Deutschland nach der Beschaffung bewaffneter Drohnen mehr Militäreinsätze starten wird? Alle Einsätze der Bundeswehr benötigen ein Mandat des Bundestags. Die deutsche Politik ist ebenso wie die deutsche Gesellschaft generell sehr vorsichtig, was den Einsatz militärischer Gewalt angeht. Insofern erscheint es unwahrscheinlich – wenn auch nicht unmöglich –, dass politische Entscheidungsträger in Deutschland aufgrund der Verfügbarkeit einer Handvoll von Heron TP-Drohnen bisherige Bedenken über Bord werfen und vermehrt Militäreinsätze mandatieren. Zudem ist Deutschland bisher weder in der Lage, Drohnenoperationen aus Deutschland zu steuern, noch hat es entsprechende Pläne entwickelt. Die Drohnenoperateure müssten also in das Einsatzgebiet entsandt werden und sind damit weiterhin einer gewissen Gefahr ausgesetzt.



„Das Beispiel Berg-Karabach hat gezeigt, dass man sich gegen Drohnen kaum verteidigen kann“

Jein. Drohnenabwehr ist ein komplexes Unterfangen. Denn Drohne ist nicht gleich Drohne. Ein System zu finden, das in der Lage ist, die handtellergroße Drohne Black Hornet zu entdecken und abzuwehren und gleichzeitig auch gegen die verkehrsflugzeuggroße Global Hawk einsetzbar ist, ist praktisch unmöglich.



Generell gibt es drei große Herausforderungen für die Drohnenabwehr. Die erste Herausforderung ist, die Drohne(n) zu finden. Das ist schwierig, da Drohnen nicht nur kleiner und langsamer sind, sondern in der Regel auch tiefer fliegen als Flugzeuge, auf die bestehende Erfassungssysteme eingestellt sind.



Die zweite Herausforderung besteht in der Art und Weise der Drohnenabwehr. Abschießen ist oft keine Option, da herabfallende Drohnenteile zur tödlichen Gefahr für Zivilisten werden können. Elektronische Störmaßnahmen können nur eingesetzt werden, wenn sie nicht gleichzeitig andere (lebens-)wichtige Signale unterbrechen. Eine Frage ist auch, ob das Abwehrsystem stationär – etwa in einem Feldlager – oder mobil sein soll, was seine Größe und Gewicht begrenzt.



Und dann ist da noch das Thema Kosteneffizienz. Militärisch mag es sinnvoll sein, eine Drohne buchstäblich „um jeden Preis“ abzuwehren. Aber Fälle wie 2016 in Kanada, wo gleich zwei Kampfflugzeuge in die Luft stiegen, als eine Drohne nahe des Flughafens Ottawa gesichtet wurde, oder 2013, als Israel eine Drohne der Hisbollah mithilfe eines F-16-Kampfflugzeugs abschoss, sind aus finanzieller Sicht langfristig keine Lösung. Die Abwehr von Drohnen darf nicht deutlich teurer sein als die Drohne selbst. Preiswerter sind elektronische Störmaßnahmen oder der Einsatz von Lasern.



Schließlich kämpfen alle Drohnenabwehranstrengungen mit der technischen Entwicklung. So hat sich in Berg-Karabach gezeigt, dass die Abwehr der sogenannten „Kamikazedrohnen“ auch deshalb besonders schwierig ist, weil diese Systeme einen vergleichbar hohen Grad an Autonomie haben. Autonome Systeme sind schwerer zu entdecken, weil sie weniger Verbindungen zum Boden haben. Mittelfristig wird es zudem auch Drohnen geben, die in der Lage sind, sich gegen Drohnenabwehrsysteme zu verteidigen. Je dynamischer sich die Entwicklung von Drohnen gestaltet, desto intensiver wird man sich mit den Abwehrsystemen beschäftigen müssen.



„Bewaffnete Drohnen schützen das Leben der eigenen Soldaten“

Das können sie. Es ist weitestgehend unumstritten, dass bewaffnete Drohnen helfen können, Soldaten zu schützen, die sich in feindlichem Gebiet befinden. Drohnen tragen unterschiedliche Formen der Überwachungstechnologie wie etwa Video- und Wärmebildkameras. Dank ihrer langen Flugzeiten (je nach System bis zu 30 Stunden) können sie Patrouillen begleiten und vor Gefahren warnen – sei es der Verdacht auf eine Bombe am Wegesrand oder, alltäglicher, ein Verkehrsstau. Seit die Systeme zur Verfügung standen, verließ in Afghanistan keine deutsche Patrouille das Feldlager ohne die Begleitung einer Überwachungsdrohne.



Es war im Kontext solcher Einsätze, dass bei der Bundeswehr der Wunsch nach der Bewaffnung aufkam. Denn wurden Soldaten attackiert, konnten Drohnenoperateure nur zusehen und Informationen geben, allerdings nicht helfend eingreifen.

Sind Überwachungsdrohnen bewaffnet, ist Hilfe direkt zur Stelle – denn andere bemannte Systeme, wie Kampfflugzeuge, sind oft nicht sofort verfügbar und können aufgrund ihrer sehr viel kürzeren Verweildauer auch keinen durchgängigen Schutz sicherstellen. Ein weiterer Vorteil des Einsatzes von Drohnen in nächster Nähe zu eigenen Soldaten ist, dass sie im Vergleich zu den meisten bemannten Systemen Bewaffnung mit vergleichbar geringer Sprengkraft tragen.



„Die Frage, ob die Bundeswehr bewaffnete Drohnen erhalten soll, wurde noch nicht ausreichend diskutiert“

Das lässt sich kaum noch ernsthaft behaupten. Derzeit ist die Drohnenbeschaffungs-Entscheidung wieder auf Eis gelegt. SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans sagte, er halte die bisherige Debatte nicht für ausreichend, weswegen die SPD der Beschaffung bewaffneter Drohnen nicht zustimmen könne. Diese Aussage hat einen Déjà-vu-Charakter, da die SPD bereits vor vier Jahren die geplante Zustimmung zur Beschaffung mit derselben Begründung ablehnte.



Nun ist die Frage, wann es dann auch mal gut ist mit einer Debatte, subjektiv – was die Forderung politisch opportun macht. Nach über acht Jahren Diskussion muss allerdings die Frage gestellt werden, wie mehr Diskussion aussehen sollte und was sie bewirken kann. Die aktuelle Debatte begann 2012, als sich der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière für den Erwerb bewaffneter Drohnen aussprach. Seitdem wurden hunderte Kleine und Große Anfragen zu dem Thema im Bundestag gestellt und beantwortet. Im Januar 2013 gab es eine Diskussion im Bundestagsplenum.



Im Koalitionsvertrag 2013 einigten sich CDU/CSU und SPD darauf, vor der Entscheidung über die Beschaffung von „unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben“, alle „damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig (zu) prüfen“. Im Juni 2014 fand eine Anhörung des Verteidigungsausschusses des Bundestags mit Experten und Interessensgruppenvertretern statt. Nachdem die Entscheidung im Juni 2017 vertagt wurde, einigten sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag 2018 darauf, dass der Bundestag über die Bewaffnung für die Drohne „nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert“ entscheiden würde.



2020 organisierte das Verteidigungsministerium im Zuge der „Drohnendebatte 2020“ mehrere öffentliche Podiumsdiskussionen, und im Oktober gab es erneut eine Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Auch die Medien begleiteten die Drohnendebatte so umfangreich wie kaum ein anderes verteidigungspolitisches Thema in Deutschland.



Vor diesem Hintergrund müssen sich diejenigen, die mehr Debatte fordern, die Frage gefallen lassen, ob es jemals „genug Debatte“ geben wird oder ihre Forderung letztendlich eine Aufschiebetaktik ist. Auf Basis der existierenden Daten und Informationen sollte die deutsche Politik in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen – für oder gegen bewaffnete Drohnen.   

 

Dr. Ulrike Franke ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR). Sie befasst sich mit Fragen der deutschen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, insbesondere  dem Einfluss neuer Technologien. Daneben ist sie Teil des „Sicherheitshalber“-Podcast-Teams.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, Mai-Juni 2021, S. 102-107

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