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02. Nov. 2017

Wann Sanktionen wirken

Um dem Völkerrecht Respekt zu verschaffen, braucht es langen Atem

Wie soll die internationale Gemeinschaft reagieren, wenn der nordkoreanische Diktator sein Atomprogramm fortführt? Mit gezielten Sanktionen, basierend auf einer breiten internationalen Kooperation und der Bereitschaft zum Dialog. Nur so können mittel- bis langfristig die Erfolgschancen von Sanktionen maximiert werden.

Giftgasangriffe und gezielte Bombardierungen gegen die syrische Zivilbevölkerung, das russische Vorgehen gegen die Ukraine und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, wiederholte Raketentests durch das nordkoreanische Regime – und wie reagiert die internationale Gemeinschaft? Mit Sanktionen. Aufgrund dieser erheblichen und folgenschweren Verstöße gegen internationales Recht werden Sanktionen als außenpolitisches Instrument wieder intensiv diskutiert. Gerade im Fall Nordkoreas allerdings wird oft bestritten, dass Strafmaßnahmen rasche Wirkung zeigen. Eine Verhängung gilt gar als Eskalation, die einen notwendigen Dialog erschweren und der Bevölkerung des Landes unverhältnismäßige Belastungen auferlegen würde.

Ist der Rückgriff auf Sanktionen ein effektives Mittel der Außenpolitik, um Verstößen gegen das Völkerrecht zu begegnen? Und mit welchen Indikatoren kann die Effektivität von Sanktionen gemessen werden? Die Analyse von vergangenen, aber auch gegenwärtigen Sanktionsregimen soll Antworten auf diese Fragen geben.

Als Misserfolge in der Vergangenheit werden vor allem Kuba und der Irak, aber auch Nordkorea genannt. US-Präsident John F. Kennedy hatte bereits im Frühjahr 1962 ein weitreichendes Handelsembargo gegen Kuba erlassen; nach der Krise um die Stationierung sowjetischer Raketen verbot die US-Regierung auch Finanzhilfen an Kuba und fror kubanisches Eigentum in den USA ein. Doch ihr Ziel hätten die USA nicht erreicht, sagen die Kritiker. Es sei nicht gelungen, die mit Moskau verbündete kommunistische Führung in Havanna zu destabilisieren, um die eigene Sicherheit zu erhöhen.

Stattdessen habe das Embargo die wirtschaftliche Entwicklung Kubas gebremst und das Castro-Regime über Jahrzehnte gefestigt. In der Generalversammlung der Vereinten Nationen stimmte regelmäßig eine breite Mehrheit der Staaten für eine Resolution, mit der die USA zur Aufhebung ihres Embargos aufgefordert wurden.

In ähnlicher Weise werden die Sanktionen kritisiert, die nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait verhängt wurden und die zur damaligen Zeit die umfassendsten seit dem Zweiten Weltkrieg waren. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Invasion im August 1990 verurteilt und den Irak zum „unverzüglichen und bedingungslosen Rückzug“ aufgefordert. Nur vier Tage nach dem Einmarsch beschloss der Sicherheitsrat umfassende Wirtschaftssanktionen. Wenige Wochen später folgte eine umfangreiche Blockade, um jeglichen Güterverkehr mit dem Land zu unterbinden. Doch der Irak zog sich trotzdem nicht aus Kuwait zurück, obwohl seine Zivilbevölkerung litt. Am Ende sah sich deswegen die internationale Gemeinschaft zu einer militärischen Intervention gezwungen. Hinzu kam dann noch der Skandal um das UN-Programm „Oil-for-Food“ nach der Waffenstillstandsvereinbarung. All dies wird als Beleg für das Scheitern von Sanktionen angeführt.

Ein aktuelles Beispiel für den unzureichenden Erfolg dieses Mittels liefert das UN-Sanktionsregime ­gegen Nordkorea. Diese seit 2006 bestehenden und in den Folgejahren sukzessive verschärften Sanktionen haben die nordkoreanische Führung nicht von ihrem Nuklearwaffenprogramm abgebracht. Im Gegenteil: Nordkorea hat im Laufe dieses Jahres wiederholt Raketen getestet, obwohl der UN-Sicherheitsrat die Strafmaßnahmen im November 2016 nochmals verschärft hatte. Die aktuelle Entwicklung – nach einem Atomtest und den scharfen Tönen von US-Präsident ­Donald Trump vor der UN-Vollversammlung im September – macht deutlich, wie nahe Kim Jong-un seinem Ziel ist, eine Nuklearmacht zu sein. Das würde die gesamte ostasiatische Sicherheitsarchitektur verändern.

Auf diese Eskalation reagierte der UN-Sicherheitsrat mit einer deutlichen Verschärfung der Sanktionen. Ob diese zur erhofften Verhaltensänderung des nordkoreanischen Diktators führen, bleibt abzuwarten. Inwiefern die Weiterentwicklung des Atomwaffenprogramms unterbunden und die Schlagkraft der nordkoreanischen Armee eingeschränkt werden können, hängt vor allem davon ab, wie China die Sanktionen umsetzt. Wird es wirklich bereit sein, gegenüber Nordkorea die Daumenschrauben anzuziehen?

Als größter Handelspartner Nordkoreas kann China jederzeit dafür sorgen, dass das Regime in Pjöng­jang einen Großteil seiner Exporte einbüßt. Bisher war es allerdings nicht willens dazu, auch wenn sich die Beziehungen zum immer unberechenbarer werdenden Nachbarn immer weiter verschlechtert haben. In den bisherigen elf Sanktionsjahren war es China, das sicherstellte, dass Nordkorea wirtschaftlich überleben konnte. Die Angst vor einem Kollaps des Regimes in Pjöngjang und einer massenhaften Flucht von Nordkoreanern nach China, aber auch die Angst vor einem möglichen „Erfolg“ Südkoreas und der USA haben China immer wieder zögern lassen.

Auch jetzt gilt als wahrscheinlich, dass Chi­nas Staatspräsident Xi Jinping einen außenpolitischen Konflikt in der unmittelbaren Nachbarschaft im Umfeld des Parteitags der KP vermeiden will. Tatsächlich steht Xi vor einer schwierigen Entscheidung: Zusammenbruch eines benachbarten Regimes oder nuklearer Wettlauf in der Region.

Beispiele für die Wirksamkeit von Sanktionen hingegen liefern die Entwicklungen in Rhodesien, Südafrika, Libyen und Iran. Um ein Sanktionsregime wirklich bewerten zu können, sollten in einer komplexen und global vernetzten Welt die politischen, sozio­ökonomischen und militärischen Auswirkungen berücksichtigt werden. Dass eine so umfassende Evaluation keineswegs zu jeder Zeit selbstverständlich war, zeigen die Sanktionen gegen Rhodesien.

Der UN-Sicherheitsrat verhängte gegen die ehemalige britische Kronkolonie (das heutige Simbabwe), die sich 1965 unter einem weißen Ministerpräsidenten für unabhängig erklärt hatte, weitreichende Wirtschaftssanktionen und rief zur Nichtanerkennung des rassistischen Regimes auf. Trotz weiterer Verschärfungen der Sanktionen kam es erst 1979 auf Initiative Großbritanniens zu einer Vereinbarung zwischen den rhodesischen Konfliktparteien und daraufhin zu freien Wahlen. Aufgrund der beträchtlichen Dauer dieses Prozesses galten die rhodesischen Strafmaßnahmen lange Zeit als Paradebeispiel für das Scheitern von Sanktionen. Zudem hätten nicht sie das Apartheidregime beendet, sondern der bewaffnete Kampf der schwarzen Guerilla und der südafrikanische Druck auf das rhodesische Regime.

In der neueren Forschung wird diese Sicht als einseitig kritisiert: Sie blende aus, in welchem Maße gerade die Sanktionen zur Stärkung des Widerstands gegen die Regierung beigetragen und die Opposition legitimiert haben. Zugleich hätten die Maßnahmen auch die wirtschaftlichen Lasten für das Regime und die politischen Kosten für die südafrikanischen Unterstützer erhöht. Gerade Letzteres habe dazu geführt, dass die südafrikanische Regierung aufgrund ihrer eigenen Apartheidpolitik dieses Thema von der internationalen Tagesordnung verschwinden lassen wollte.

Wirksam gegen Rassismus

Gegen Südafrika hatte der UN-Sicherheitsrat bereits 1963 zu einem Waffen­embargo aufgerufen und diesen Sanktionsaufruf später um einige Wirtschaftsbereiche erweitert. Doch erst 1977 verhängte die Staatengemeinschaft umfassende Sanktionen. Auch hier gilt, dass die internationale Isolation, die der südafrikanischen Führung nicht gleichgültig war, die wirtschaftlichen Kosten der Sanktionen und die Aussicht auf weitere Verschärfung einen wichtigen Beitrag zur Überwindung des Apartheidsystems leisteten. Auch Nelson Mandela hatte ausdrücklich umfassende Sanktionen gefordert und sie im Rückblick als wesentlich für die Überwindung der Apartheid ab 1990 bezeichnet.

Die Sanktionen gegen Libyen gelten ebenfalls als wirksam: Seit 1979 hatten die USA Strafmaßnahmen gegen Libyen verhängt, ab 1992 auch der UN-Sicherheitsrat, insbesondere wegen des Lockerbie-Anschlags und massiver Terrorismusvorwürfe gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi. Nachdem Libyen die Verdächtigten des Attentats gegen die Pan-Am-Maschine ausgeliefert hatte, lockerte der Sicherheitsrat 1999 einige Sanktionen. Dem Versuch Libyens, Chemiewaffen zu erhalten, folgten 2002 weitere US-Sanktionen. Anfang 2003 bot Libyen Verhandlungen zur Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen an. Die USA stellten bei diesen Gesprächen die Aufhebung der Strafmaßnahmen in Aussicht. Nachdem sich Libyen zur Entschädigung der Lockerbie-Opfer bereiterklärt hatte, hob der UN-Sicherheitsrat im September 2003 die Sanktionen auf. Im Dezember 2003 gab der libysche Außenminister zu, dass in seinem Land Massenvernichtungswaffen existierten, und er versprach – aufgrund der Verhandlungen mit den USA und Großbritannien –, dieses Programm und die Chemiewaffen zu beseitigen.

Zweigleisiges Vorgehen

Auch das Sanktionsregime gegen den Iran kann gegenwärtig in die Reihe erfolgreicher Beispiele eingeordnet werden. Seit 2003 versuchten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die so genannten E3, den Iran auf dem Verhandlungsweg dazu zu bewegen, Zweifel an der rein friedlichen Nutzung des Atomprogramms auszuräumen und das Land zu einem transparenten Kon­trollregime zu bewegen. Trotz intensiver Bemühungen kündigte der iranische Präsident Machmud Achmadinedschad jedoch 2006 die Wiederaufnahme der Urananreicherung an. Im selben Jahr verstärkten die USA, Russland und China die Verhandlungsgruppe der E3 und bildeten, mit der EU als Koordinatorin, das bis heute bestehende Format der EU-3+3. Dabei wird ein „dual track approach“ verfolgt, um einerseits Verhandlungen anzubieten, andererseits aber den Einsatz weiterreichender Sanktionen anzudrohen.

Wegen des begründeten Verdachts, dass der Iran kontinuierlich ein militärisches Atomprogramm verfolge, brachte die Internationale Atom­energie-Organisation (IAEO) 2006 den Fall vor den UN-Sicherheitsrat. Noch im selben Jahr verabschiedete dieser zwei Resolutionen zum iranischen Nukleardossier, erließ erste Sanktionen und verschärfte in den Folgejahren schrittweise seine Gang­art. Dennoch betrieb der Iran sein Nuklearprogramm weiter, nahm unter anderem 2010 die unterirdische Anreicherungsanlage Fordo in Betrieb und reicherte Uran bis auf 20 Prozent an. Nachdem ein IAEO-Bericht 2011 erneut Hinweise auf eine mögliche militärische Dimension enthielt, verschärfte der Sicherheitsrat mehrfach seine Sanktionen, ebenso wie die USA, die Europäische Union, Russland, Kanada und Japan.

Die Sanktionen lösten eine schwere Wirtschaftskrise im Iran aus: Inflation und Binnenverschuldung stiegen, Exporteinnahmen und Ölpreis sanken, die Arbeitslosigkeit blieb hoch. Vor allem die Sanktionen gegen den Öl- und Finanzsektor wirkten sich negativ aus. 2013 sank das BIP-Wachstum um 1,9 Prozent, im Laufe des Jahres 2013 verringerte sich der Ölexport des Iran um mehr als 60 Prozent. Parallel zum Rückgang der Exporte war das Land mit einem dramatischen Wertverlust seiner Währung konfrontiert: Die Inflationsrate lag 2013 bei 34,7 Prozent.

Einen grundlegenden Wandel erfuhren die EU-3+3-Verhandlungen nach der Wahl von Staatspräsident Hassan Rohani im Jahr 2013. Er wurde insbesondere wegen seines Versprechens gewählt, die Isolation seines Landes zu überwinden und die Wirtschaftslage zu verbessern. Im November 2013 einigten sich die EU-3+3 im Nuklearstreit auf ein Interimsabkommen. Im April 2015 folgte die Vereinbarung von Lausanne, die die Aufhebung der Sanktionen und positive Impulse für die iranische Wirtschaft vorsah.

Finanzsanktionen beibehalten

Auch die seit März 2014 gegen Russland erlassenen Sanktionen zeigen Wirkung. Aufgrund der ­Annexion der Krim und der Besetzung großer Teile der Ost­ukraine verhängten die USA, ebenso wie die EU, gezielte Wirtschaftssanktionen in den Bereichen Finanzen, Dual-Use-Technologie, Waffen und Ölausrüstung. Im Verlauf des Konflikts wurden diese immer schärfer – mit einer Verlängerung der sektoralen Wirtschaftssanktionen durch EU/G7-Individualsanktionen und separaten Krim-Wirtschaftssanktionen. Die Folgen sind in der russischen Volkswirtschaft deutlich spürbar. Das US-Außenministerium schätzt, dass die Sanktionen zu einem Rückgang des russischen Bruttoinlandsprodukts um etwa 1 Prozent geführt haben; der Internationale Währungsfonds geht sogar von bis zu 1,5 Prozent des BIP aus.

Besonders effektiv sind die Finanzsanktionen. Sie führen zu höheren Zinsen, dadurch zu geringeren Investitionen und zu schwächerem Konsum. Ferner schränken sie die Möglichkeiten der Regierung zur Kreditfinanzierung ihrer Ausgaben ein. Nicht zuletzt dadurch ist Russland gezwungen, eine sehr restriktive Haushaltspolitik zu betreiben: Das Defizit soll gering bleiben, damit die Reservefonds möglichst lange halten.

Die Sanktionen im Bereich Ölausrüstung tragen dazu bei, dass dringend erforderliche Investitionen in die Erschließung neuer Vorkommen in schwer zugänglichen Erdschichten unterbleiben. Insgesamt ist jedoch zu berücksichtigen, dass Russland seine Importe auch ohne die Sanktionen hätte drosseln müssen. Dies wäre notwendig gewesen, weil die Zentralbank auf den Ölpreisverfall, den Kursverlust des Rubels und die Inflationswelle Ende 2014 mit einer massiven Erhöhung der Zinsen reagiert hatte. Insofern wurde die Wirkung der Sanktionen natürlich abgeschwächt.

Für die Regierung in Moskau sind die Sanktionen trotzdem ein wichtiges Thema. Sie erklärt sie zu einer der wesentlichen Ursachen für die Wirtschaftsprobleme des Landes – was von der Bevölkerung so akzeptiert wird. Auch die Idee von „Neurussland“, einer Union der proklamierten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, mit der eine Landverbindung von Odessa nach Transnistrien geschaffen werden sollte, ist vom Tisch.

Damit die Minsk-Vereinbarungen schließlich doch noch zu einem Erfolg führen und die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt werden kann, müssen die Sanktionen aufrechterhalten werden.

Mittel- und langfristige Wirkung

Trotz positiver Beispiele hält sich das Vorurteil, Sanktionen würden ihr Ziel verfehlen. Auch nach der massiven Verschärfung des russischen Einsatzes in Syrien hörte man immer wieder, Sanktionen gegen Russland seien von vornherein wirkungslos. Heute wird eine solche Auffassung in der Forschung kaum noch vertreten. Das gilt genauso wenig für das Argument, dass Sanktionen zu unmittelbaren Verhaltensänderungen führen müssen, um effektiv zu sein.

Ganz im Gegenteil: Sanktionen werden zumeist als mittel- bis langfristig wirkende Elemente eines umfassenden Ansatzes in der Außenpolitik betrachtet. Zudem kam es spätestens mit den desaströsen humanitären Folgen der Irak-Sanktionen zu einer Weiterentwicklung in Richtung „smart sanctions“. Diese richten sich nicht nur gegen einen definierten Personenkreis bzw. Individuen, sondern verknüpfen die Sanktionierung mit dem unerwünschten Verhalten des Adressaten. Damit ermöglichen sie – mitunter bereits durch glaubhafte Androhung – eine unmittelbare Veränderung des Kosten-Nutzen-Kalküls der jeweiligen Akteure. Und sie reduzieren die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung.

Die Beispiele Libyen, Iran und Russland zeigen deutlich, wie erfolgreich Sanktionen sein können. Das gilt erst recht, wenn sie als Teil politischer Prozesse verstanden werden (in Kombination mit militärischen Drohungen wie beim amerikanischen „All Options on the Table“-Vorgehen gegen den Iran). Und wenn sie mit klar definierten Zielen und Zielgruppen die Dialog- und Verhandlungsbereitschaft gegenüber der internationalen Gemeinschaft fördern.

Umgekehrt wird an den Beispielen Kuba und Nordkorea deutlich: Wenn die entscheidenden Akteure keine Nachteile durch restriktive Maßnahmen in Kauf nehmen müssen, ändern sie ihr Verhalten auch nicht. Die unvollständige Umsetzung internationaler Sanktionen und fehlende internationale Geschlossenheit ermöglichen ihnen ein solches Verhalten. Die Legitimation von Sanktionen kann erodieren, wie bei den US-Sanktionen gegen Kuba, oder auch, wie in Nordkorea, wenn der Leidensdruck der Bevölkerung für die Führung keine Rolle spielt . Allerdings zeigt der Fall Südafrika, dass Sanktionen – erst recht, wenn sie längerfristig angelegt sind – auch das Kosten-Nutzen-Kalkül derjenigen verändern können, die zwar nicht selbst für unerwünschte Handlungen verantwortlich sind, aber für die Aufrechterhaltung eines Regimes unverzichtbar sind.

Sender und Empfänger

Sanktionen sind ein Gradmesser für die Ernsthaftigkeit, mit der die internationale Gemeinschaft unterhalb der militärischen Schwelle auf Verstöße gegen internationale Normen reagiert. Bleiben entschiedene Reaktionen auf massive Regelverstöße aus, untergräbt dies die Glaubwürdigkeit, mit der die betroffenen Normen verteidigt und aufrechterhalten werden. Im Zusammenhang mit dem Iran und Syrien ist der Hinweis wichtig, dass diese Reaktionen unterhalb der Schwelle des Militärischen liegen. Denn im Fall Iran bestand die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens durch Israel und die USA. Wenn Grenz­überschreitungen einfach hingenommen werden, verlieren auch andere Grenzen des Völkerrechts an Bedeutung – und zwar nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für Dritte, die der Einhaltung internationaler Normen dann weniger Bedeutung beimessen könnten.

Ein Eintreten für das Völkerrecht, insbesondere das humanitäre Völkerrecht, und das Werben für einen Dialogprozess sind jedoch nur Floskeln, wenn die Bereitschaft fehlt, das Sanktionsinstrument auch zu nutzen. Sowohl für Konfliktparteien als auch für Außenstehende muss deutlich werden, dass die Sanktionierung von der Bereitschaft getragen wird, alle außenpolitischen Mittel und Wege entschlossen auszuschöpfen.

Wichtig ist das Verhältnis zwischen den Sendern und den Empfängern von Sanktionen: Im Empfängerstaat gilt es, mittels gezielter Sanktionen erhebliche Wirkungen zu erzielen, ohne aber die Bereitschaft zum Dialog zu untergraben. Die Senderstaaten wiederum sollten auf der Grundlage internationaler Kooperation und mit realistischen Erwartungen zusammenwirken. Das sind die ausschlaggebenden Faktoren, um die Erfolgschancen von Sanktionen zu maximieren.

Dr. Christoph Heusgen ist deutscher ­Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York.

Antonia Reimelt ist Rechtsreferendarin am Kammergericht in Berlin.

Beide Autoren vertreten hier ihre persönlichen Ansichten.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November-Dezember 2017, S. 81 - 87

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