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01. März 2005

Transatlantische Trippelschritte

Mainz, wie es singt und lacht: Präsident Bushs Versöhnungstour hatte hohen Symbolwert

Partnerschaft als Programm. Präsident Bush betonte beim Treffen mit seinem Kollegen Schröder in Mainz die Gemeinsamkeiten. Der Amerikaner ließ keine nette Geste aus. Schröder konnte sich über die Sympathie für die EU freuen, über Kooperationsbereitschaft in der Iran-Politik oder dem Klimaschutz, sogar über das Lob für seine NATO-Initiative aus München.

Präsident Bush hat damit die Tonart festgelegt. Den Amerikanern geht es um eine Stärkung der transatlantischen Bindung. Es liegt im Interesse der USA, möglichst viele Partner in Europa auf ihrer Seite zu haben, wenn über das Vehikel der Freiheit prowestliche Kräfte in der Welt gestärkt werden sollen. Auch Condoleezza Rice hatte diese Offensive nicht nur mit Charme, sondern mit klaren Signalen nach Europa getragen: In der neuen Phase der transatlantischen Beziehungen wollen die USA eine starke EU als Partner sehen, als wichtigste Verbündete in der Gemeinschaft der Demokratien.

Schröder hat Bush beim Wort genommen. In seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz ging es um zwei Dinge – die Neudefinition der transatlantischen Beziehungen mitsamt der Überprüfung der alten Kanäle, und um die Aufwertung der EU. Dieses europäische Selbstbewusstsein darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Union selbst ihre außenpolitischen Instrumente noch entwickeln muss und außerdem keineswegs einig ist in ihrer Haltung gegenüber den USA. Die Differenzen über den Einsatz militärischer Gewalt und die Rolle des Völkerrechts blieben weiter ungelöst.

Das Besuchsprogramm der Amerikaner soll zu dem Ziel führen, sich gegenseitig wieder als Partner anzuerkennen. Noch fehlt die Gewissheit, dass jede Seite die Stärke der anderen als ihre eigene Stärke versteht. Diese Annäherung ist vor allem zwischen Berlin und Washington wichtig, will Deutschland wieder seine Mittlerrolle einnehmen. Auf diesem Weg liegen aber noch Hindernisse.

Keine Frage: Den wichtigsten sicherheitspolitischen Herausforderungen können die Europäer besser begegnen, wenn sie dies gemeinsam mit den USA tun. Dies stimmt auch, wenn Säbelrasseln aus Washington den leisen Gang der europäischen Diplomatie zu stören scheint, denn noch ist das außenpolitische Gewicht der EU nicht stark genug, um selbst Einfluss auf brisante Krisenentwicklungen nehmen zu können. Doch die Irak-Krise wirkt nach. Aus der Sorge der Amerikaner vor dem Heranwachsen eines strategischen Rivalen und der Angst der Europäer, als Verbündete der USA in schlecht begründete, unethische und gefährliche Kriegsabenteuer gezogen zu werden, ist ein enormes Misstrauen entstanden. Die Mehrheit der Europäer will sich nicht als strategische Rivalen der USA aufbauen, will eine starke Partnerschaft, aber eben nicht als Erfüllungsgehilfe einer militärisch gestützten Machtpolitik der USA. Und: Auf beiden Seiten des Atlantiks kann man aus der Freund-Feind-Unterscheidung politisches Kapital schlagen.

Unterhalb der freundschaftlichen Rhetorik konsolidieren sich die unterschiedlichen Positionen. In den USA bleiben neokonservative Positionen auf der Agenda. Dies zeigen die Personalentscheidungen der zweiten Präsidentschaft, aber auch das außenpolitische Leitmotiv der Freiheit in Bushs Inaugurationsrede. Der pragmatische Zug der amerikanischen Außenpolitik dürfte durch den schwierigen Wiederaufbau im Irak allerdings gestärkt werden.

Die EU bemüht sich mit ihrer Sicherheitsstrategie und auch mit der Verfassung um eine eigene außenpolitische Identität. Ein breites Spektrum von Einflussmöglichkeiten soll mit den militärischen Fähigkeiten in Einklang gebracht und für aktives Krisenmanagement eingesetzt werden. Dieses Projekt kann gelingen, wenn die EU sich außenpolitisch weiter reformiert, die Europäer mehr Geld in Außenpolitik und Verteidigung stecken – und sich im Einzelfall nicht zu sehr mit den Amerikanern anlegen. Auf diesem Wege ist es für die Europäer aber politisch einfacher, auf langfristig angelegte Einbindungspolitik und facettenreiches Vorgehen der EU zu setzen, als sich mit den USA auf konfrontative Strategien einzulassen. Der Schatten wird immer länger, über den beide Seiten springen müssen.

Will Deutschland, will Europa die neue amerikanische Offenheit nutzen, muss es selbst etwas anbieten. Die EU muss eine gemeinsame Haltung gegenüber der Freiheitsideologie der amerikanischen Außenpolitik finden. Sie muss bei der Verbreitung von Freiheit und Demokratie – auch auf der Agenda der EU – Strategien finden, die aus amerikanischer Sicht Erfolg versprechen. Das Programm des „wirkungsvollen Multilateralismus“ klingt erst dann in Washington interessant, wenn die gestärkten Institutionen effektiv gegen Terrorismus und Proliferation vorgehen können.

Der symbolische Wert des Besuchsprogramms ist nicht hoch genug zu bewerten. Was sind aber die nächsten Schritte? Die Idee eines neuen Vertrags, von guten Transatlantikern oft geäußert, ist wohl wenig hilfreich. Nicht nur sind neue institutionelle Festlegungen kaum im Interesse der Regierung Bush. Auch wäre es schwer, die Gegenleistungen in überprüfbarer Weise festzuschreiben – sollen die Europäer sich zu höheren Verteidigungsausgaben verpflichten, und im Gegenzug die USA die Vereinten Nationen wieder lieb gewinnen? Der neue „Transatlantizismus“ muss pragmatisch auf der erfolgreichen Zusammenarbeit in vielen Politikfeldern aufbauen. Diese existiert schon jetzt im Kampf gegen den Terrorismus oder bei der Stabilisierung Afghanistans, vielleicht im Vorgehen gegen das iranische Nuklearwaffenprogramm, wo, so Bush, die Diplomatie erst begonnen habe.

Die Anpassung der erweiterten NATO könnte das zentrale Projekt sein, auf dessen Grundlage die transatlantische Bindung wächst. Die wirkliche NATO-Reform steht noch bevor, hier hat Schröder Recht. Der angelaufene Transformationsprozess muss durch politische Konsultation und verbesserte Verfahren der Bereitstellung von Truppen und Ressourcen ergänzt werden. Eine strategische Diskussion über den Einsatz der NATO gegen neue Risiken muss folgen. Dabei muss es um den Kernbereich der Verteidigungspolitik gehen, nicht um Klimapolitik oder Gentechnik. Deutschland dient diesem Prozess am besten, indem es doppelt klar macht, dass die EU nicht als Gegenmodell zum Bündnis gedacht ist und ihre außenpolitischen Bemühungen der Stärkung der Allianz und der Lösung gemeinsamer Probleme dienen. Kanzler Schröder hat in München die Reform der NATO gefordert und gleichzeitig die EU als außenpolitische Akteurin in den Vordergrund geschoben. Das Mainzer Treffen hat diese Doppelstrategie den Amerikanern nahe gebracht.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, März 2005, S. 68 - 69.

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