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01. Nov. 2008

Teure Tortillas

Arme Bauern, hohe Importpreise – Mexico steckt in der Maiskrise

Um fast 50 Prozent sind die Preise für die wichtigsten Produkte des täglichen Lebens in Mexiko seit Ende 2006 gestiegen, so eine Studie der Bankengruppe Banamex vom Juli 2008. Besonders dramatisch ist der Anstieg beim Mais, Basis der Ernährung für rund 60 Prozent der Mexikaner. Als Ende 2006 das Kilo Tortilla auf einmal doppelt so viel kostete wie zwei Monate zuvor, versammelten sich in Mexiko-Stadt Zehntausende zu Protesten. Die Bilder der „Tortilla-Krise“ gingen um die Welt.

Die Proteste legten sich, die Krise hält an. Im Sommer dieses Jahres lag der Tortilla-Preis im Durchschnitt immer noch bei 8,7 Peso (0,5 Euro), weit über den lange Jahre üblichen fünf Peso. Schuld sind vor allem die hohen Weltmarktpreise: Weil die USA Mais zunehmend für die Produktion von Biotreibstoff nutzen, kostet das Getreide an der Rohstoffbörse heute dreimal so viel wie vor drei Jahren. Mexiko ist gegenüber Schwankungen des Weltmarktpreises besonders empfindlich: Seit die Regierung in den achtziger Jahren begann, das zuvor staatlich gestützte Nahrungsmittelsystem in den freien Markt zu überführen, importiert das Land rund ein Drittel seines Bedarfs an Mais aus den USA.

Am stärksten betroffen ist die arme Bevölkerung in den Städten. Aber auch Landwirte wie Ana María leiden unter den hohen Preisen. Über die letzten Jahre sei alles stetig teurer geworden, klagt die Bäuerin: Die Lebensmittel, die sie zukaufen muss, die Kleidung, das Öl für die Lampen. Zum Handeln bringt das kleine Feld nicht genug ein. Und selbst wenn, wo sollte sie verkaufen? Ana María zeigt auf den Schotterweg, der in Richtung des nächsten größeren Dorfes führt. Die „Straße“ zerfällt seit Jahren, Erdrutsche machen sie oft für Tage unpassierbar, ein Auto besitzt niemand.

„Mexiko hat seit den achtziger Jahren darauf verzichtet, seine Landwirtschaft zu unterstützen und stattdessen auf billige Importe gesetzt“, sagt Victor Suárez vom Kleinbauernverband ANEC. „Die Infrastruktur liegt am Boden, es fehlt den Bauern an Zugang zu Finanzmitteln und an Wissen darüber, welche Preise sie verlangen könnten.“ Profiteure der Krise seien allein die Nahrungsmittelkonzerne. Die Folgen: Die Zahl der Hungernden wird laut FAO in Lateinamerika um 15 Millionen steigen.

JULIANE SCHUMACHER  lebt als freie Journalistin in Berlin

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 11, November 2008, S. 38 - 39

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