Schlusspunkt

01. März 2021

Schein und Sein

Ein Schlusspunkt von Alan Posener

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Bild: Karrikatur von Heiko Maas als Superheld
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Es gab mal eine Zeit, da wollte Deutschland außenpolitisch mehr sein als scheinen. Dieses preußische Prinzip gilt nicht mehr.



Außenminister Heiko Maas, der „wegen Auschwitz“ in die Politik ging, liebt die tönende Phrase. Im Herbst 2019 rief er mit seinem französischen Kollegen eine „Allianz für den Multilateralismus“ ins Leben. Auch wenn Maas von „über 50 Mitgliedern“ spricht, so besteht die Allianz zur Hälfte aus den Staaten der EU, ein weiteres Viertel aus so gewichtigen Entitäten wie Tonga, Nauru und Kiribati. Und wenn Maas behauptet, seine „Allianz“ beruhe auf der gemeinsamen Überzeugung, dass „globale Probleme nicht von einem Land allein gelöst werden“ könnten, plauderte ein EU-Diplomat gegenüber Reuters den wahren – nämlich französischen – Zweck der Übung aus: „Europa hat nur eine Chance, wenn es zum einen geeint auftritt und zum anderen eng mit den Staaten zusammenarbeitet, die von den Supermächten nicht in eines der beiden Lager gezwungen werden wollen.“ Mit den „Supermächten“ sind China und die USA gemeint.



Schon als Präsidentschaftskandidat hatte Joe Biden einer solchen Neuauflage der Blockfreien-Bewegung eine Absage erteilt und die Schaffung eines Netzwerks für die Demokratie unter US-Führung angekündigt. Kaum war Biden gewählt, bot ihm Maas großspurig an, gemeinsam einen globalen „Marshallplan für die Demokratie“ zu entwickeln. Maas ist, wohlgemerkt, Außenminister eines Landes, das es nicht schafft, 2 Prozent des BIP für die Verteidigung aufzubringen; das hilflos zusieht, wie in den EU-Ländern Ungarn, Polen, Bulgarien und Malta die Demokratie abgebaut wird; das trotz der Unterdrückung der Opposition durch Wladimir Putins Kleptokratie und dringender Vorhaltungen aus Frankreich – so viel zu „Multilateralismus“ – an der Gaspipeline Nord Stream 2 festhält; und das die EU drängte, ohne Absprache mit der neuen US-Regierung – so viel zu „Multilateralismus“ – ein Investitionsabkommen mit China abzuschließen. Welches moralische und politische Kapital glaubt Maas, in seinen „Marshallplan“ einbringen zu können?



Weniger Worte, mehr Substanz; mehr Sein, weniger Schein: Das wäre was.

 

Alan Posener ist politischer Korrespondent der WELT-Gruppe.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2021, S. 128

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