Schlusspunkt

01. Jan. 2015

Don’t Mention the War!

Sieben Argumentationshilfen für Putin-Versteher

Liebe Freunde, auf das Jahr 2014 blicken wir als Verein der deutschen Putin-Versteher mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits sind die Sanktionen gegen Russland verstärkt worden. Andererseits bildet sich dagegen eine ansehnliche Bewegung. Gas und Geschäfte stehen auf dem Spiel, und wofür? Für ein Land, das früher zwar als Kornkammer und Panzeraufmarschgebiet interessant war, als Heimat von Joseph Roth und Paul Celan ein paar sentimentale Tränen wert ist. Das aber bei den entscheidenden Kennziffern – als Rohstofflieferant, Absatz- und Investitionsgebiet – dem Vergleich mit Russland nicht standhält, und das viele Deutsche dank der Arbeit der Unionsparteien mit Visumschwindel, Hütchenspielern und Huren assoziieren. So freilich kann man bei Gutmenschen nicht argumentieren. Sie wollen bei der Preisgabe der Ukraine das Gefühl haben, moralisch überlegen zu handeln. Putin-Versteher sollten also bei Aufrufen, Interviews usw. folgende Leitlinien beachten:
 
1. Warnen Sie vor einem neuen Krieg. Es muss Sie nicht stören, dass Russland bereits Krieg in der Ostukraine führt. Das interessiert keinen.
2. Erinnern Sie an Gorbatschows Rolle bei der Wiedervereinigung. Erinnern Sie nicht daran, dass die Sowjetunion 40 Jahre lang Deutschland geteilt und den Osten unterdrückt hielt. Notfalls waren daran die Amis schuld.
3. Beschwören Sie die „gute Nachbarschaft“ mit Russland. Dass zwischen uns und Russland die Polen, Balten und Ukrainer liegen, braucht Sie nicht zu kümmern. Es gibt nun einmal Gestaltungsmächte und, nun ja, zu gestaltende, das war schon immer so.
4. Deuten Sie an, dass es beim Assoziierungsvertrag zwischen der Ukraine und der EU um Geschäfte gegangen sein könnte. Das finden die Deutschen anrüchig. Bei Russland hingegen geht es um Arbeitsplätze.
5. Bei der Krim sollte man das Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigen, also die Annexion. Don’t mention the war in Chechnya.
6. Weisen Sie – „gerade als Deutscher“ – darauf hin, dass die Russen eine „verständliche Furcht“ vor uns hätten, wegen Hitler, Bush usw. Erwähnen Sie auf keinen Fall die Furcht der Osteuropäer vor den Russen und vor deutsch-russischen Abmachungen über ihre Köpfe hinweg. Lassen Sie einfließen, dass die Ukrainer im Zweiten Weltkrieg auch nicht immer sauber gehandelt hätten, worauf man „gerade als Deutscher“ hinweisen müsse.
7. Verwenden Sie nie die Begriffe „Demokratie“, „internationales Recht“, „bestehende Verträge“, Souveränität“. Vermeiden Sie Ländernamen wie „Georgien“ oder „Moldau“. Reden Sie nie über Alexander Litwinenko oder Anna Politkowskaja, und sollten Sie Michail Chodorkowski erwähnen, vergessen Sie nie den Zusatz „Oligarch“.

So kann es gelingen, 2015 die Sanktionen zu Fall zu bringen. Nastrowje!

Alan Posener ist politischer Korrespondent der WELT-Gruppe.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar/Februar 2015, S. 144

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