Mitt ohne Plan
Romneys Wirtschaftspolitik besteht aus leeren Versprechen
Kein Schwung vom Parteitag, haltlose und unüberlegte Äußerungen zum Mord am US-Botschafter in Libyen, die Abqualifizierung fast der Hälfe der US-Bevölkerung: Mitt Romneys Fehltritte scheinen kein Ende zu nehmen. Da hilft nur die Konzentration auf die Wirtschaftspolitik. Das Problem ist nur: Der Kandidat der Republikaner hat gar keine.
Harte Zeiten für Mitt Romney: Erst brachte der Nominierungsparteitag der Republikaner Ende August nicht den erhofften Schub, dann ließ sich der Präsidentschaftskandidat zu übereilten und haltlosen Kommentaren zum Angriff islamistischer Extremisten auf die US-Botschaft in Libyen hinreißen, die sogar seine konservativsten Berater zusammenzucken ließen. Und nun ist ein „47-Prozent-Problem“ dazugekommen – die Veröffentlichung seiner im Kreis von Großspendern gemachten Äußerungen über die angeblich praktisch auf Staatskosten lebenden 47 Prozent der amerikanischen Bevölkerung. Unterdessen rückt die erste öffentliche Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten am 3. Oktober immer näher.
Romney versucht händeringend, seine Fehltritte vergessen zu machen, indem er seinen Wahlkampf auf die Themen ausrichtet, die für die Amerikaner die höchste Priorität haben: die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt. Ein kluger Schachzug, der allerdings gleich das nächste Problem aufwirft. Denn bislang bestanden Romneys Vorschläge zur Belebung der US-Wirtschaft in wenig mehr als Angriffen gegen Obamas Politik. Doch es fehlt seinen eigenen Plänen zur Arbeitsplatzschaffung an Substanz – eine Meinung, die immer mehr Kritiker teilen. Sogar prominente Republikaner drängen ihn mittlerweile, seine Worthülsen endlich mit Inhalt zu füllen.
Abhilfe sollte der „Fünf-Punkte-Wirtschaftsplan“ von Romney und seinem Vizekandidat Paul Ryan schaffen, der innerhalb von vier Jahren rund zwölf Millionen Arbeitsplätze schaffen soll. Nur: Hochrechnungen des unhabhängigen Haushaltsbüros des Kongresses (Congressional Budget Office) prognostizieren ohnehin einen Zuwachs von bis zu zehn Millionen neuen Stellen zwischen 2013 und 2016, wenn sich die Wirtschaft weiterhin in der gegenwärtigen Geschwindigkeit erholt; die Ratingagentur Moody’s erwartet rund zwölf Millionen neue Jobs. Wie das Wall Street Journal schrieb, spiegelt die Ankündigung der Schaffung von zwölf Millionen Arbeitsplätzen also lediglich die aktuellen Entwicklungen des Arbeitsmarktes wider.
Kommt so der Tanker "USS Amerika" wieder auf Kurs?
So sehen sie aus, Romneys fünf Punkte für mehr Wachstum und Arbeitsplätze: Erstens die Entlastung des gewerblichen Mittelstandes durch Steuersenkungen und die Abschaffung bestehender Regulierungen, insbesondere die Abschaffung der als „Obamacare“ bezeichneten Krankenversicherung; zweitens die Eindämmung unfairer Handelspraktiken gemäß Romneys Ankündigung: „Ich werde China als Währungsmanipulator entlarven und die Chinesen davon abhalten, amerikanische Jobs zu vernichten“; drittens eine Verbesserung der beruflichen Ausbildung und des Bildungssystems durch veränderte Einstellungs- und Bewertungskriterien für Lehrer sowie die Schwächung der Rolle von Gewerkschaften; viertens die Senkung des Staatsdefizits durch die Reduzierung der Staatsausgaben auf unter 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (um diesen Punkt zu untermauern, greift Romney auf Griechenlandschelte zurück: „Man wird niemanden dazu bewegen können, ein Unternehmen zu gründen, solange man nicht zusichern kann, dass wir uns nicht in die Richtung von Griechenland bewegen.“); und fünftens nordamerikanische Energieautarkie durch erhöhten Zugriff auf eigene fossile Brennstoffe, das Schleifen von Vorschriften, die Freigabe von Offshore-Bohrungen in arktischen Naturschutzgebieten und den Bau der umstrittenen Keystone-Pipeline aus Kanada. Romney glaubt, dass die Förderung heimischer Energieproduktion „Millionen Jobs“ schaffen wird.
Und das war’s. Fünf Punkte, die den großen Tanker „USS Amerika“ wieder auf Kurs bringen sollen. Ab und an wird Romney tatsächlich konkreter, aber seine Kritiker sind damit nicht zufrieden. Sie weisen darauf hin, dass Vorschläge wie binnenländische Ölbohrungen, ein hartes Vorgehen gegen China, das Zurückdrehen von Regierungsplänen wie „Medicaid“, Steuersenkungen und die Aufhebung von Obamas Gesetzen zur Gesundheitsvorsorge zwar durchaus eine Debatte wert sind. „Es ist aber absurd, diese Pläne als Maßnahmen zur Arbeitsplatzschaffung zu verkaufen“, schrieb das progressive Magazin The American Prospect. Im besten Fall würden sie langfristig Jobs schaffen, kurzfristig die Jobflaute aber nicht beheben. Matt Miller, ein Kolumnist der Washington Post, brachte es so auf den Punkt: „Das alles zeigt nur, wie wenig man auf präsidialer Ebene anbieten muss, damit es heißt, man ‚habe einen Plan‘.“
In einem Interview mit George Stephanopoulos im Fernsehsender ABC wies Romney zuletzt die Kritik zurück, dass seine Wirtschaftspolitik zu vage sei. Schließlich habe er bereits ein 150 Seiten dickes Buch veröffentlicht, das in 59 Schritten beschreibe, wie man die Wirtschaft ankurbeln könne. Als Stephanopoulos erwiderte, seine Botschaften hätten die Öffentlichkeit aber bislang nicht erreicht, fiel Romney nichts Besseres ein, als auf die anstehenden TV-Debatten mit Obama zu verweisen: „Dort werden uns substanzielle Fragen gestellt, und dort werde ich sie in umfassender Weise beantworten, in der Weise, wie ich glaube die Leute es erwarten.“
Romney bleibt also sogar vage, wenn es um die eigene Vagheit geht.
STEVEN HILL ist Publizist in San Francisco. Zuletzt erschien von ihm „10 Steps to Repair American Democracy“(www.10Steps.net) und „Europe’s Promise: Why the European Way is the Best Hope in an Insecure Age“ (www.EuropesPromise.org).
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