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30. Juli 2009

Keine Angst vor Staatsfonds

Arabische Investoren als Kapitalquelle

Die Weltwirtschaftskrise verschärft den Wettbewerb um frisches Kapital. Im globalen Kräftespiel um Ressourcen und Einfluss gewinnen arabische Staatsfonds als Investoren zunehmend an Bedeutung. Doch die enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik sowie die Intransparenz vieler Staatsfonds bergen auch Risiken.

Staatsfonds aus den Schwellenländern Asiens und dem arabischen Raum sind Teil des neuen globalen Kräftespiels um Einflusszonen und Ressourcen, das in der Juni-Ausgabe der Internationalen Politik so eindrücklich beschrieben wurde. In diesem Spiel machen die etablierten Industrienationen die Geschicke der Welt nicht mehr unter sich aus; es sind vielmehr die Schwellenökonomien, die sich zusehends behaupten und ihre wirtschaftspolitischen Ambitionen offensiv vorantreiben. Der Einstieg der Investmentfirma Aabar aus Abu Dhabi bei Daimler, die Verhandlungen über einen möglichen Einstieg der Quatar Investment Authority bei Porsche und die rege Reisediplomatie deutscher Politiker in die kapitalexportierenden Länder der arabischen Golf-Region in den vergangenen Monaten sind Anzeichen für die Neujustierung der globalen Machtverhältnisse.

Auch wenn die Größe von Staatsfonds nicht überbewertet werden sollte, steht ihr wachsender Einfluss für einen Paradigmenwechsel in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts. Es geht um die Verschiebung der Machtbalance zwischen Staat und Markt von den führenden Wirtschaftsakteuren des vergangenen zu den womöglich dominierenden Spielern des kommenden Jahrhunderts. Politik und Öffentlichkeit in den westlichen Industrienationen haben allerdings erhebliche Schwierigkeiten, die Bedeutung dieser neuen Akteursklasse einzuschätzen. Das ist nicht verwunderlich, denn der Begriff des Staatsfonds ist relativ neu. Erst 2005 führte der Finanzanalyst Andrew Rozanov den Begriff zur Beantwortung der Frage „Who holds the wealth of nations?“ ein.1 Obwohl die ersten Staatsfonds bereits in den fünfziger Jahren gegründet wurden, tauchten sie in der öffentlichen Diskussion bisher nicht auf.

Deutschlands neues Schreckgespenst

In das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit in Europa und in den USA rückte das Thema erst im Sommer 2007, als Finanzexperten schätzten, dass die Vermögen von Staatsfonds bis zum Jahr 2015 auf bis zu zwölf Billionen Dollar ansteigen könnten.2 Lawrence Summers, inzwischen einer der engsten Wirtschaftsberater Präsident Obamas, warnte damals, der Aufstieg von Staatsfonds bedrohe die Logik des Kapitalismus. Andere folgten seiner Ansicht. Die Debatte eskalierte schließlich, als einige Fonds im Winter 2007/08 ihren Einstieg in westliche Finanzinstitute erklärten. Staatsfonds wurden endgültig zu „Deutschlands neuem Schreckgespenst“.3

Dabei ist das tatsächliche Volumen von Staatsfonds, insbesondere derjenigen aus der arabischen Welt, alles andere als bekannt. Schätzungen gehen von insgesamt rund drei Billionen Dollar aus (davon entfallen 1,5 Billionen auf Staatsfonds der arabischen Welt). Auf welche Summe sich das Vermögen arabischer Staatsfonds genau beläuft, welche Anlagestrategie sie verfolgen und wie ihre Investmentportfolios ausgerichtet sind, ist angesichts ihrer generellen Intransparenz nur in den seltensten Fällen bekannt.

Mit der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich das Blatt gewendet. Der dramatische Abschwung an den Finanzmärkten erfordert in der Konkurrenz nach frischem Kapital ein Umdenken der Politik und Wirtschaft westlicher Industrienationen. Sollte die derzeitige Krise wirklich solch eine tiefgreifende Zäsur für die Weltwirtschaft darstellen, wird die Suche nach neuen Partnern, auch aus kapitalexportierenden Schwellenländern, zu einer strategischen Notwendigkeit.

Für den Investitionsstandort Deutschland besteht allerdings beträchtliches Potenzial, Kapital aus arabischen Staatsfonds anzuziehen, zumal deren Investitionen in Deutschland bislang relativ zurückhaltend ausfielen. Für einen Kaufpreis von rund 1,35 Milliarden Euro ist seit Mai 2007 zum Beispiel das Dubai International Financial Center Investments (DIFCI) mit 2,2 Prozent an der Deutschen Bank beteiligt; Dubai International Capital (DIC) übernahm im Juni 2007 für 850 Millionen Euro den Industrieverpackungshersteller Mauser und im Juli 2007 für rund 600 Millionen Euro 3,12 Prozent der Anteile an der europäischen EADS; die Kuwait Investment Authority (KIA) ist derzeit mit 6,9 Prozent und Aabar für rund 1,9 Milliarden Euro mit 9,1 Prozent an Daimler beteiligt. Insgesamt belaufen sich die bekannten Direktinvestitionen arabischer Staatsfonds in deutsche Unternehmen oder den deutschen Wirtschaftsstandort auf wohl nicht mehr als sieben bis acht Milliarden Euro. Die Frage lautet also nicht, aus welchem Grund arabische Staatsfonds in den vergangenen Monaten verstärkt in Deutschland investieren, sondern eher, warum das bisherige Anlagevolumen so gering ist.

Zähfließender Finanzverkehr

Auch wenn ihre Liquidität beachtlich bleibt, ist die Weltwirtschaftskrise an arabischen Volkswirtschaften und ihren Staatsfonds nicht spurlos vorübergegangen. Der Internationale Währungsfonds geht für 2009 vor allem wegen des starken Verfalls des Ölpreises und wegen der Kreditkrise von einem Rückgang des Wirtschaftswachstums in den meisten Ländern des arabischen Golfs aus: Die Volkswirtschaft Saudi-Arabiens soll demnach um 0,9 Prozent sinken, die der Vereinigten Arabischen Emirate um 0,6 Prozent und Kuwaits gar um 1,1 Prozent. Nur Katar, angetrieben durch das rasante Wachstum seiner Erdgasproduktion, wird dieses Jahr möglicherweise ein beachtliches Wachstum von 18 Prozent erreichen.4

Wegen ihrer zunehmend offensiven Anlagestrategie und insbesondere ihres verstärkten Engagements in der internationalen Finanzwirtschaft mussten auch arabische Staatsfonds im Zuge der Finanzkrise teilweise schmerzhafte Verluste hinnehmen. Die ADIA und die Kuwait Investment Authority (KIA) waren noch vor 15 Monaten bei Citigroup (ADIA 7,5 Milliarden Dollar, KIA drei Milliarden Dollar) und KIA mit zwei Milliarden Dollar bei Merrill Lynch eingestiegen. Mit diesen und anderen Investitionen haben sich arabische Staatsfonds erheblich die Finger verbrannt. Nach eigenen Angaben hat die KIA im Zeitraum von März bis Dezember 2008 einen Wertverlust von rund 30 Milliarden Dollar hinnehmen müssen. Die Qatar Investment Authority (QIA) hat für 2008 einen Verlust von bis zu 20 Prozent zu verzeichnen, die Mubadala Development Company aus Abu Dhabi einen Verlust von 4,5 Milliarden Dollar. Nur die Saudi Arabian Monetary Agency (SAMA) konnte sich angesichts seiner konservativen Anlagestrategie behaupten.

Noch vor Monaten bewegten Vermutungen die Öffentlichkeit, dass der weltgrößte Staatsfonds, die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), über ein Volumen von rund 875 Milliarden Dollar verfüge. Neuere Schätzungen gehen eher von 330 Milliarden aus.5 Das ergibt eine beachtliche Diskrepanz von rund 500 Milliarden Dollar – immerhin die Hälfte des von der G-20 im April beschlossenen „Stimulus Package“ zur Bekämpfung der weltweiten Finanzkrise.

Die massiven Wertverluste und Neubewertungen arabischer Staatsfonds haben zu lebhaften Diskussionen auch in der arabischen Welt geführt. Schließlich sollen die Fonds den wirtschaftlichen Wohlstand am Golf langfristig auch jenseits zurückgehender Öleinnahmen und schwankender Kapitalmärkte sichern. Dementsprechend sind arabische Fondsmanager erheblich in das Kreuzfeuer der Öffentlichkeit geraten. Die Kompetenz der KIA wurde durch das kuwaitische Parlament öffentlich hinterfragt. Weniger offen, aber sicher nicht weniger kritisch dürften die Diskussionen um die Bilanz der ADIA verlaufen sein. Die QIA hatte angekündigt, sich zunächst mit Investitionen zurückzuhalten und danach ihre Strategie zu überprüfen.

Industriestaaten bisher skeptisch

Arabische Investoren haben sich allerdings auch wegen der erhöhten politischen Risiken, denen sie in Europa und den USA ausgesetzt waren, in den letzten Monaten mit Investitionen zurückgehalten. Die Revision des deutschen Außenhandelsgesetzes in diesem Jahr ist ein Element in der neuen Risikobewertung arabischer Staatsfonds. Das Gesetz erlaubt es der Bundesregierung, den Kauf von mindestens 25 Prozent eines Unternehmens durch einen ausländischen Investor zu verbieten, sofern dieser nicht aus der EU oder der Europäischen Freihandelszone stammt und sofern eine Gefährdung der „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ absehbar ist. Der Impuls für das Gesetz stammt aus einer Zeit, als die tatsächliche Dimension der Weltwirtschaftskrise erst zu erahnen war. Heute haben sich die Vorzeichen fundamental verändert.

Aber auch andere Industrienationen tun sich mit den neuen Investoren schwer. Zwar hat Großbritannien bislang die höchsten Direktinvestitionen aus der arabischen Welt angezogen, doch Fondsmanagern aus Schwellenökonomien ist nicht entgangen, auf welchen Widerstand arabische und chinesische Investoren in den vergangenen Monaten bei ihren Versuchen gestoßen sind, ihre Anteile an britischen Unternehmen zu erhöhen.

Den Anteilserhöhungen der QIA und Mitgliedern des Königshauses aus Abu Dhabi an einer der größten britischen Banken, Barclays, ging ein langwieriger und schwieriger Verhandlungsprozess zwischen Unternehmensführung, bestehenden Anteilseignern und den neuen Investoren voraus. Ähnlich verhielt es sich mit der geplanten Erhöhung der Eigentumsanteile des chinesischen Metallverarbeitungsunternehmens Chinalco von neun auf 18 Prozent an Rio Tinto, einem der größten Bergbauunternehmen der Welt, was die Übernahme letztlich zum Scheitern brachte.

Dagegen wurde die Investition Aabars bei Daimler geräuschlos abgewickelt und erhielt im Nachgang Beifall von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Auch die Übernahme der MAN Ferrostaal durch die IPIC verlief problemlos. Damit beginnt sich der Investitionsstandort Deutschland als ein zusehends verlässlicher Partner für Investoren aus der Golf-Region zu positionieren.

Auf einer kurzfristigen, taktischen Ebene ist Deutschland im Wettbewerb mit anderen westlichen Investitionsstandorten derzeit relativ gut aufgestellt. Jenseits taktischer Erwägungen sollte es jetzt angesichts der tiefgreifenden Machtverschiebungen auf dem geoökonomischen Tableau darum gehen, die Beziehungen mit arabischen Investoren auf der Basis langfristiger and strategischer Überlegungen auszubauen.

Rendite – aber auch Entwicklung

Wie der Einstieg von Aabar in Daimler zeigt, rücken arabische Investoren weitreichende wirtschafts- und industriepolitische Erwägungen zunehmend in das Zentrum ihrer Investitionsentscheidungen. Khadem Al Qubaisi, Chairman von Aabar, wies beim Kauf der Daimler-Anteile explizit darauf hin, dass diese Kooperation auch sozialen und wirtschaftlichen Nutzen für Abu Dhabi und die VAE bringen sollte. Gemeinsame Projekte sehen die Entwicklung von Elektrofahrzeugen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes, die Entwicklung hochwertiger Materialien für den Automobilbau, aber auch Bildungsprojekte für Nachwuchsführungskräfte vor.

Es geht also darum, nicht nur die Renditeerwartungen arabischer Investoren zu erfüllen, sondern auch einen Beitrag zur Diversifizierung und Entwicklung arabischer Industriestrukturen zu leisten. Technologietransfer, Bildung und Ausbildung der eigenen Arbeitskräfte stehen auf der arabischen Prioritätenliste weit oben. Zudem entsteht in der arabischen Wirtschaft ein zunehmend klares Bild der sich verändernden Weltmärkte. Auch arabische Staaten möchten vom Aufstieg Chinas, Indiens sowie ihrer eigenen Volkswirtschaften profitieren.

Interessante Zukunftsthemen sind für arabische Investoren daher die Befriedigung der weltweit steigenden Energienachfrage, die Bewirtschaftung knapper Umweltressourcen und die Schaffung globaler Nahrungsmittelsicherheit. Hoch im Kurs stehen auch metallverarbeitenden Industriezweige und der Ausbau von Petrochemie, Logistik und Transportwesen, Tourismus oder Finanzdienstleistungen.

Wie strategisch durchdacht arabische Diversifizierungsstrategien aussehen können, hat die Führung Abu Dhabis mit der Vorstellung der „Abu Dhabi Economic Vision 2030“ gezeigt. Andere arabische Staaten werden wohl ähnliche strategische Entwicklungspläne vorlegen. Obwohl der Umsetzung solcher Visionen angesichts der derzeitigen globalen Marktschwankungen ein gewisses Maß an Unsicherheit zugrunde liegt, sind sie doch für die deutsche Wirtschaft Ansatzpunkte, entsprechende Angebote zu machen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Staatsfonds dem Spiel politischer Kräfte und damit natürlich auch weitergehenden politischen Risiken ausgesetzt sind. Viele arabische Staatsfonds bleiben intransparente Institutionen, da die Eigentumsrechte des Staates oftmals mit denen des Herrschaftshauses verflochten sind. Steigende Staatsausgaben bei relativ niedrigem Ölpreis können die Liquidität arabischer Staatsfonds weiter belasten. Arabische Fondsmanager müssen sich zunehmend vor der eigenen Öffentlichkeit verantworten. Zudem bleiben unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten auf der europäisch-arabischen Agenda ein schwieriges und potentiell belastendes Thema.

Es ist gerade diese Verbindung zwischen Politik und Finanzmärkten, die Staatsfonds zu einem Testfall für die Gestaltung der Weltwirtschaft und der internationalen Politik jenseits der Finanzkrise macht. Die Trennschärfe zwischen Politik und Wirtschaft verwischt und damit die Dominanz marktliberaler Ordnungskonzepte. Schwellenländer stärken ihre Positionen als Kapitalexporteure und neue Abhängigkeiten entstehen, die bislang nicht Teil des Selbstverständnisses westlicher Industrienationen waren. Nur wer sich schnell auf diese neue, unübersichtliche Lage einstellen kann und in Schwellenländern die Partner der Zukunft sieht, kann sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.

Dr. SVEN BEHRENDT leitet den Forschungsbereich „Arabische Staatsfonds“ des Nahost-Büros des Carnegie Endowment for International Peace in Beirut.

  • 1Andrew Rozanov: Who Holds the Wealth of Nations?, Central Banking Journal, Nr. 4/2005.
  • 2Steven Jen: How Big Could Sovereign Wealth Funds Be by 2015?, Morgan Stanley Research, London (2007); Steffen Kern: Staatsfonds - Staatliche Auslandsinvestitionen im Aufwind, Deutsche Bank Research, Frankfurt (2007).
  • 3Arvid Kaiser: Staatsfonds - Ungeliebtes Kapital, Manager Magazin, 1.10.2007, http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,506329,00.html.
  • 4International Monetary Fund, World Economic Outlook: Crisis and Recovery, Washington (April 2009).
  • 5Brad Setser und Rachel Ziemba, GCC Sovereign Funds: Reversal of Fortune, Council on Foreign Relations, New York (2009).
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 7/8, Juli/August 2009, S. 119 - 125.

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