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01. Juli 2007

Im Westen doch Neues

Die veränderten Konstellationen ermöglichen eine bessere Kooperation

Heiligendamm hat es gezeigt: Die transatlantischen Beziehungen haben sich aufgrund von Veränderungen sowohl in der Bush-Administration als auch in Europa verbessert. Eine bedeutende Rolle spielen dabei die Rückkehr der USA zum Multilateralismus sowie die Einheit der Europäer.

Der G-8-Gipfel von Heiligendamm hat Konstellationen deutlich werden lassen, die schon seit einiger Zeit wirksam waren und deren Weiterentwicklung längerfristige Folgen für das transatlantische Verhältnis haben dürften. An erster Stelle sind hier die Veränderungen auf amerikanischer Seite zu vermerken. Vor allem nach der Wiederwahl von George W. Bush hat das dramatische Scheitern der neokonservativen Revolution in der Außenpolitik eine Wende bewirkt. Das sich als Illusion herausstellende Ziel, die Welt nach eigenen Vorstellungen mit amerikanischer Macht neu zu gestalten, Regime abzulösen oder Demokratie zu verordnen, mündete in die Katastrophe des nicht enden wollenden Irak-Krieges, die Stärkung des Iran, die drohende Destabilisierung des Nahen Ostens und einen Langzeit-Konflikt mit dem radikalen Islam, ganz zu schweigen von der Abwahl der republikanischen Mehrheit und der Rebellion in den eigenen Reihen.

Seitdem hat Präsident Bush, die Grenzen der amerikanischen Macht spürend, den Wert der Verbündeten wiederentdeckt, das früher wenig beachtete NATO-Bündnis aufgewertet – vor allem in der Auseinandersetzung um Afghanistan –, die von Neokonservativen angegriffene Unterstützung der europäischen Einigung wiederbelebt und Schritte in die Richtung des vorher verteufelten Multilateralismus gemacht, z.B. bei der Kooperation mit den „EU-Drei“ zum Iran oder der internationalen Gerichtsbarkeit. Mehrere Architekten der alten Politik haben in der Zwischenzeit die Administration verlassen. Auch war der innenpolitische Druck gegen die Verweigerung jeglicher Klimapolitik gewaltig gewachsen.

Aber im Vorfeld des G-8-Gipfels hatte sich auch auf europäischer Seite eine neue Konstellation ergeben. Dort hatten die gravierenden Folgen des Irak-Konflikts für die Interessen des gesamten Westens die früheren Meinungsverschiedenheiten über den Kriegsausbruch in den Hintergrund treten lassen und angesichts der gewachsenen Bedrohung die Bereitschaft zur Verbesserung der transatlantischen Beziehungen, die im wirtschaftlichen Bereich unter der politischen Krise ohnehin nie gelitten hatten, nachhaltig gestärkt.

Die zweite Veränderung ergab sich durch die Wahl von Amerika-freundlichen Führungen in Deutschland und Frankreich, was eine neue Atmosphäre transatlantischer Kooperation schuf. Angela Merkel kam mit geschickter Diplomatie dem amerikanischen Wunsch nach einer Verbesserung der Beziehungen entgegen; mit Nicolas Sarkozy wird das Ende jener altgaullistischen Allüren signalisiert, unter französischer Ägide die prinzipielle Opposition Europas gegen die USA anführen zu wollen.

Die entscheidende Wende in der amerikanischen Klimapolitik, die im Beschluss des G-8-Gipfels zum Ausdruck kam, bestand in der Anerkennung des Klimawandels als politisches Problem globalen Überlebens, der Verpflichtung auf substanzielle Reduktionen von Treibhausgasen und der Zustimmung zur Weiterverfolgung von Maßnahmen im multilateralen UN-Rahmen – alles Positionen, die vorher von der Bush-Administration abgelehnt worden waren. Diese Wende kam nur zustande, weil es die Einheit unter den drei großen Verbündeten Deutschland, Frankreich und Großbritannien gab, ihre Amerika-freundliche Einstellung und Anerkennung der amerikanischen Führungsrolle. Hinzu kamen die Unterstützung durch Japan, Russland, Kanada und Italien sowie die Meisterleistung der deutschen Kanzlerin und ihrer Diplomaten, die mit Diskretion sowie öffentlichem Druck den schwierigen Kompromiss zustande brachten. Bush, der in dieser Frage ohnehin unter innen-politischem Zugzwang stand, bot diese Lösung die Gesicht wahrende Möglichkeit, auf dem schon von ihm eingeschlagenen Weg der Rückkehr zum Multilateralismus und zum transatlantischen Konsens einen weiteren und entscheidenenden Schritt zu machen.

Damit ist noch nicht das Zeitalter transatlantischer Harmonie angebrochen. Dafür sorgen schon die Meinungsverschiedenheiten über die Türkei, die weitere Liberalisierung des Handels und möglicherweise auch das Problem der Raketenabwehr, wenn das von Präsident Putin gemachte Angebot nicht zu einer Entspannung führt. Jedoch haben die Rückkehr der USA zu einem multilateralen Ansatz bei einem Problem von globaler Bedeutung, die Erneuerung einer kooperativen Atmosphäre zwischen den USA und Europa sowie die Wiedergewinnung der Einheit der Europäer in einer entscheidenen politischen Frage bessere Voraussetzungen für eine vertiefte transatlantische Kooperation geschaffen. Der Druck der internationalen Probleme wie auch der amerikanischen Innenpolitik bis hin zu den nächsten Präsidentschaftswahlen dürften in die gleiche Richtung wirken.

Prof. Dr. Dr. h.c. KARL KAISER, geb. 1934, ist Visiting Professor am Weatherhead Center for International Affairs/ John F. Kennedy School of Government, Harvard. Von 1973 bis 2003 war er Direktor des Forschungsinstituts der DGAP.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 7/8, Juli/August 2007, S. 120 - 121.

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