Fit für Asien
Wie Europa von Asiens Dynamik profitieren kann
Keine Angst vor dem Aufstieg Asiens! Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion plädiert energisch für eine neue Asien-Strategie, mit der sich Deutschland und Europa den neuen Herausforderungen stellen und von der asiatischen Dynamik sogar profitieren können.
Der Aufstieg und die zunehmende Integration Asiens führen zu tektonischen Veränderungen in der Welt. Sie sind das epochale Ereignis unserer Zeit. Asien ist die mit Abstand dynamischste Region der Welt. Auf dem flächenmäßig größten Kontinent lebt etwa die Hälfte der Weltbevölkerung. Mit China und Indien liegen die bevölkerungsreichsten Länder der Erde in Asien, ebenso mit Indonesien das größte islamische Land und mit Indien die größte Demokratie.
Dieser Aufstieg, vor allem von China und Indien, hat nicht nur ökonomische Folgen, sondern inzwischen auch große politische, geopolitische und sicherheitsrelevante Auswirkungen auf die gesamte globale Ordnung. Europa und die USA müssen ihre Stellung in einer immer weniger euro-atlantisch geprägten Welt neu definieren.
Ähnlich heterogen wie der asiatische Kontinent sind die deutschen und europäischen Interessen in der Region. Es lassen sich drei übergeordnete Interessenfelder der deutschen Asien-Politik unterscheiden: wirtschaftliche Interessen (u.a. Handel, Investitionen, Wissenschaftskooperation), politische und geostrategische Interessen (u.a. Friedenssicherung, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Achtung der Menschenrechte) sowie globale Interessen (u.a. Ressourcen- und Klimaschutz, Global Governance). Grundsätzlich muss sich die deutsche und europäische Asien-Politik an unserem langfristigen Interesse orientieren, in Asien verlässliche Partner zu gewinnen. Solche Partnerschaften können auf Dauer nur auf der Basis gemeinsamer Werte und Überzeugungen gedeihen. Nur wenn Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Achtung der Menschenrechte sich in Asien weiter ausbreiten und verfestigen, können wir erwarten, dass in einer zukünftigen Weltordnung, in der der asiatische über den euro-atlantischen Einfluss dominiert, unsere Vorstellungen geteilt und verwirklicht werden und die Interessen der Menschen in Deutschland und Europa angemessene Berücksichtigung finden.
Die Herausforderung durch Asien annehmen
Asien ist zu einer strategischen Herausforderung und Chance für uns geworden. Die traditionellen Pfeiler der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik – transatlantische Beziehungen und europäische Integration – müssen um einen dritten „asiatischen“ Pfeiler ergänzt werden. Wir brauchen eine vielschichtige Asien-Politik, die sich in ihrer Breite an den transatlantischen und den Beziehungen zu unseren EU-Partnern orientiert. So wie es sich heute kaum mehr ein Unternehmen erlauben kann, die Entwicklungen in Asien nicht in ihrer vollen Breite zu beobachten, brauchen wir in unserer Außen-, Außenwirtschafts- und Sicherheits-, aber auch in unserer Bildungspolitik einen strategischen Blick auf Asien. Asien ist inzwischen ein Wettbewerber auf Augenhöhe. Dem wachsenden Konkurrenzdruck aus Asien kann und darf aber nicht mit protektionistischen Maßnahmen begegnet werden, weil wir uns damit von der Dynamik Asiens abkoppeln würden. Wir müssen vielmehr der strategischen Herausforderung für die europäische Wettbewerbsfähigkeit mit eigenen Anstrengungen begegnen.
- Europa stärken Um in der sich globalisierenden Welt bestehen zu können, müssen wir Europäer unsere gemeinsamen Interessen und Werte klar formulieren und bereit sein, entschlossen für ihre Durchsetzung einzutreten. Dazu müssen wir alle Bereiche europäischer Politik – Bildung und Forschung, Arbeitsmarkt, Technologie und Raumfahrt, Geld und Energie – so konzipieren, dass sie der globalen Wettbewerbsfähigkeit Europas dienen.
- Unsere Wirtschaft und Gesellschaft „Asien-fit“ machen Um von dem Wirtschaftsboom Asiens profitieren zu können, müssen wir die Menschen bei uns besser qualifizieren und die Innovationskraft unserer Unternehmen weiter stärken. Wir müssen uns anstrengen, um die Ziele der Lissabon-Agenda zu erreichen und Europa zur weltweit wettbewerbsfähigsten Region zu machen. Dazu brauchen wir die technologische Partnerschaft mit Japan und Nordamerika. Wir müssen unsere Institutionen – Universitäten, Arbeitsmärkte und die Unternehmen selbst – fit machen für die asiatische Herausforderung. In vielen Unternehmen wie auch in staatlichen Institutionen mangelt es an ausreichender Asien-Kompetenz. Wir benötigen mehr und bessere Kenntnisse über Asien. Dazu brauchen wir interkulturell kompetente Fachleute und Thinktanks, die die Entwicklungen in Asien genau verfolgen und verstehen.
- Die wirtschaftliche Vernetzung mit Asien fördern Mit dem enormen Wirtschaftswachstum in Asien sind neue Märkte für unsere Exportprodukte, vor allem Investitionsgüter, entstanden. Deutsches und europäisches Know-how und asiatische Dynamik lassen sich zum Vorteil beider Seiten verknüpfen. Dazu sollten wir gegenseitige Investitionen fördern und zugleich für einen fairen Wettbewerb sorgen, bei gleichzeitigem Abbau volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte. Wir treten für einen Ausbau von Technologiepartnerschaften ein – allerdings auf rein freiwilliger Basis.
- Die politische und sicherheitspolitische Vernetzung mit Asien fördern Die Globalisierung führt dazu, dass Asien und Europa nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in anderen Bereichen enger zusammenwachsen müssen, um zusammen zu wachsen. Diesen Prozess müssen wir politisch gestalten durch ein selbstbewusstes Eintreten für unsere Werte und Überzeugungen. Wir haben in Asien sicherheitspolitische Interessen, auch wenn unsere Mittel zu ihrer Durchsetzung begrenzt sind. Wir fördern die regionale Integration in Asien, auch um die strategische Stabilität Asiens zu sichern. Dazu müssen wir mehr politische und notfalls – wie in Afghanistan – auch militärische Verantwortung übernehmen. Wir treten für eine bessere Integration der asiatischen „Aufsteiger“ in die bestehenden internationalen Strukturen ein und streben Partnerschaften zur Durchsetzung von Anliegen ein, die nur im globalen Rahmen verhandelt werden können, wie der Ressourcen- und Klimaschutz. Wir wollen den strategischen Dialog mit Asien ausbauen, aber auch den transatlantischen Dialog über den Umgang mit den Transformationsprozessen in Asien.
Asiens Aufstieg muss nicht unseren Abstieg bedeuten. Wenn wir uns mehr anstrengen, wird die von Asien ausgehende Dynamik auch für Europa von Vorteil sein.
Internationale Politik 11, November 2007, S. 22 - 25.
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