Die Stunde der Staaten
Perspektiven der US-Klimapolitik unter Donald Trump
Die Regierung Trump scheint weiter entschlossen, die Maßnahmen Barack Obamas rückgängig machen zu wollen. Ist damit das Ende auch der US-Klimapolitik besiegelt? Gemach. Vorreiter der amerikanischen Energiewende bleiben die Bundesstaaten. Sie werden sich durch das Sperrfeuer aus dem Weißen Haus nicht stoppen lassen.
Schon im Wahlkampf hatte Donald Trump immer wieder gegen zu strenge Umweltvorschriften gewettert. Ganz oben auf seiner To-do-Liste: die Abschaffung der Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA), die sich unter Barack Obama als wichtigste nationale Institution für die Regulierung von Umwelt, Energie und natürlichen Ressourcen erwiesen hatte. Doch welche Maßnahmen Obamas wird die neue Regierung tatsächlich rückgängig machen können? Und welche Rolle werden Kongress, Justiz und vor allen diejenigen Bundesstaaten spielen, die sich in der Vergangenheit als die Vorreiter der amerikanischen Energiewende etabliert haben?
Raubbau statt Regulierung
Wenn die USA ihre Emissionen im Energiesektor seit 2005 um 12 Prozent verringern konnten, dann liegt das nur bedingt an der Klima- und Energiepolitik Obamas. Entscheidender waren steigende Energieeffizienz, die stetig sinkenden Kosten erneuerbarer Energien und billiges Schiefergas, das in wachsendem Maße die Kohle aus dem Markt verdrängt hat. Das sind Realitäten, gegen die sich das Team des neuen Präsidenten nun stemmt.
In den kommenden Monaten wird sich Trump zunächst darauf konzentrieren, die Herzstücke der Klima- und Energiepolitik Obamas zu demontieren: den Clean Power Plan (CPP), die Brennstoffeinsparung bei PKWs und die Methanregulierung in neugeförderten unkonventionellen Öl- und Gasfeldern. Die Keystone-Pipeline, mit deren Hilfe Öl aus Kanada in den Golf von Mexiko transportiert werden soll – ein Projekt, dessen Verhinderung das Fanal der amerikanischen Umweltbewegung war und das von Obama wegen negativer Auswirkungen auf globale Emissionen gestoppt worden war – ist von Trump per Dekret wieder autorisiert worden.
Dabei kommt der neuen Mannschaft zugute, dass Obama wegen des hinhaltenden Widerstands des Kongresses seine Umweltpolitik mit dem verwundbaren Mittel von präsidentiellen Dekreten betreiben musste, die nun auf gleichem Wege wieder aufgehoben werden können.
Der wohl prominenteste Baustein von Obamas Klima- und Energiepolitik, der Clean Power Plan, mit dem der Präsident den amerikanischen Kraftwerkspark regulieren wollte, steht nicht erst seit Trump auf der Kippe. Bereits im Februar 2016 hatte Amerikas Oberster Gerichtshof den Plan gestoppt, bis die Rechtmäßigkeit einer Reihe von Klagen gegen das Vorhaben u.a. von Bundesstaaten und Unternehmen ausreichend geprüft sei.
Laut Angaben der EPA hätten Amerikas Emissionen bis 2030 um 32 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden sollen. Jedem Bundesstaat war dabei ein eigenes Klimaziel vorgeschrieben, allerdings ohne Festlegung, wie dieses Ziel zu erreichen sei – ob durch einen höheren Anteil an Erneuerbaren, den Abbau oder die effizientere Ausgestaltung der Kohlekraftwerke oder ihren Ersatz durch effizientere Gaskraftwerke. Mit dem CPP wäre es wirtschaftlich praktisch unmöglich geworden, in den USA neue Kohlekraftwerke zu bauen. Der Plan war daher politisch hoch umstritten und wurde im Präsidentschaftswahlkampf von Trump als „War on Coal“ verteufelt.
Die zweite Umweltregulierung Obamas, die im Visier des neuen Präsidenten steht, betrifft die Brennstoffeinsparung bei PKWs. 2012 hatte man der US-Automobilbranche zum ersten Mal seit 25 Jahren neue Effizienzstandards auferlegt: Bis 2025 sollte sich der Spritverbrauch halbieren. Davon erhoffte sich Obama eine Emissionseinsparung von 6000 Millionen Tonnen, was etwa den heutigen Jahresemissionen der USA entspricht. Im März 2017 kündigte Trump auf der Detroiter Automobilmesse medienwirksam die Streichung der Vorschrift an.
Die dritte Regulierung Obamas, die nun zurückgedreht wird, betrifft die Methanemissionen aus neuen unkonventionellen Öl- und Gasfeldern. Methan ist eines der stärksten Treibhausgase, 25 Mal so konzentriert wie Kohlendioxid. Präsident Obama hatte sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 die Methanemissionen um 40 bis 45 Prozent gegenüber 2012 zu reduzieren – allerdings zunächst nur für neue, nicht für bestehende unkonventionelle Öl- und Gasförderungen. Die weit wichtigere Aufgabe einer Methanregulierung bei den rund 700 000 vorhandenen Öl- und Gasbohrungen blieb unberücksichtigt. Seit Trumps Amtsantritt sind die betreibenden Unternehmen nicht einmal mehr dazu verpflichtet, ihre Methanemissionen öffentlich zu machen. Damit entfällt die Grundlage für jegliche weitere Methanregulierung durch die EPA.
Tabula Rasa der Fundamente
Ohne den Clean Power Plan, die Brennstoffeinsparung bei PKWs und eine weitere Methanregulierung werden die USA die in Paris 2015 verkündeten nationalen Klimaziele – denen zufolge man die Emissionen spätestens 2025 um 26 Prozent unter das 2005er Niveau drücken will – aller Voraussicht nach nicht erreichen können.
Doch es kommt noch schlimmer: Die neue Regierung wird nicht nur bestehende Umweltvorschriften aufheben, sondern auch versuchen, die Rahmenbedingungen für eine wissenschaftsfundierte Klima- und Energiepolitik insgesamt zu zersetzen.
Diese Absicht manifestiert sich in der Spitzenbesetzung und den Budgetplänen für die beiden wichtigsten Behörden der US-Klima- und Energiepolitik, die Umweltbehörde EPA und das Energieministerium. Scott Pruitt, ehemaliger Justizminister in Oklahoma und neuer Leiter der EPA, ist bekannt für seine Nähe zur fossilen Energienbranche. In seiner damaligen Position hatte er die Behörde wegen ihrer Umweltstandards nicht weniger als 17 Mal verklagt. Rick Perry, Ex-Gouverneur von Texas und heute Leiter des Energieministeriums, hat sich in der Vergangenheit für die völlige Abschaffung seiner jetzigen Behörde ausgesprochen.
Das ist umso problematischer, als das Ministerium eine maßgebliche Rolle bei der Förderung von Forschung und Entwicklung neuer Energietechnologien spielt. Perry könnte jetzt wichtige Energiebereiche aus der staatlichen Förderung streichen.
Zugleich stehen beide Behörden, sollte es bei den Budgetplänen des Präsidenten bleiben, vor erheblichen Einsparungen. Der EPA sollen die Mittel um 31 Prozent gekürzt werden – mehr als bei allen anderen Behörden. Damit würde von den derzeit 15 000 Arbeitsplätzen rund ein Drittel entfallen; die Handlungsfähigkeit der Behörde würde erheblich beeinträchtigt. Zudem stünde weniger Personal für den komplizierten Rückkopplungsprozess von Obamas Klima- und Energiepolitik zur Verfügung.
Darüber hinaus hat die Regierung verkündet, dass sie das Konzept der so genannten „sozialen Kosten von Kohlendioxid“ überdenken wird. Mit dieser Budgetierungseinheit hatten Obamas Wirtschaftsberater 2009 errechnet, wie die „sozialen“ Kosten einer Tonne Kohlendioxid – ausgelöst durch Klimawandel in Form von Dürre und Überflutungen – in den Kosten-Nutzen-Analysen neuer Bundesvorschriften berücksichtigt werden könnten. Dieser Betrag lag 2015 bei rund 36 Dollar pro Tonne CO2, würde aber mit der Zeit weiter ansteigen. Die Trump-Regierung wird diesen Wert nun neu berechnen und höchstwahrscheinlich reduzieren. Damit würden die sozialen Kosten von Industriezweigen wie der Kohleindustrie weit unter dem realen Preis für die sozialen Kosten des globalen Klimawandels angesetzt.
Die wohl problematischste Entwicklung ist jedoch, dass EPA-Chef Scott Pruitt die Klimawissenschaft offen infrage stellt. In einem Land, in dem der Klimawandel trotz großem wissenschaftlichen Konsens als nicht bewiesen gilt, gießt der neue Chef der EPA weiter Öl ins Feuer. Vielleicht wird er auch die 2009 vom Obersten Gerichtshof entschiedene Frage wieder aufrollen, ob Kohlendioxid überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit der Amerikaner darstellt. Bei einer erfolgreichen Anfechtung des Urteils droht die rechtliche Grundlage für die Klima- und Energievorschriften der EPA zu entfallen.
Derzeit ist auch unklar, ob und wie die USA sich künftig am internationalen Klimaprozess beteiligen werden. Obama hatte Amerika zum Vorreiter in den internationalen Klimaverhandlungen gemacht; ohne die USA wäre das Pariser Klimaabkommen nicht zustande gekommen. Jetzt, wo der Clean Power Plan als Garant für die Pariser Klimaziele der USA wegbricht und die Regierung eine Abkehr von der bisherigen Klimapolitik in Aussicht stellt, ist fraglich, ob Amerika sich weiterhin an der Klimadiplomatie beteiligt.
Nun wird diese Diplomatie allerdings vom US-Außenministerium organisiert, und der neue Außenminister und ehemalige Chef von Exxon Mobil, Rex Tillerson, gilt in Sachen Klimapolitik als gemäßigt. Er hat sich für eine aktive Rolle der USA im internationalen Klimaprozess ausgesprochen.
Der Widerstand formiert sich
Auch ansonsten gibt es Gründe für die Hoffnung, dass wichtige Teile der bisherigen Umweltbemühungen der USA Bestand haben könnten – wenn auch nicht in der Form, so doch in der Wirkung. Die schiere Kraft der Fakten drängt die Energieproduktion Amerikas immer stärker in Richtung Erneuerbare. Und wichtige Bundesstaaten werden ihre bisherige Vorreiterrolle in diesem Bereich nicht aufgeben, sondern eher noch ausbauen. Zudem wird sich die Regierung Trump auf Widerstand im Kongress und bei den Gerichten einstellen müssen.
Die Technologiekosten der Erneuerbaren sind in den vergangenen fünf Jahren teils drastisch gefallen und machen fossilen Energien immer stärker Konkurrenz. Die Kosten von Photovoltaik etwa sind in den USA in diesem Zeitraum um 62 Prozent gesunken. Inzwischen sind hier mehr Menschen in der Erneuerbare-Energien-Branche tätig als in der fossilen. Und es sind gerade energieintensive Unternehmen wie Facebook, Google oder IKEA, die von den Energieversorgern Strom aus Erneuerbaren fordern. 22 der US-Fortune 500-Unternehmen drängen auf eine komplette Energieversorgung durch Erneuerbare.
Die Verwirklichung von Trumps Wahlversprechen, der heimischen Kohle wieder zu altem Glanz zu verhelfen, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil Kohle vorrangig von billigem Schiefergas und erneuerbaren Energien aus dem Markt gedrängt wird.
Die Wende in der Klima- und Energiepolitik Washingtons hat zudem nur bedingt Auswirkung auf die Bundesstaaten. In 29 von ihnen geht die Energiewende trotz der Rückschläge aus Washington weiter: Sie haben sich „Renewable Portfolio Standards“ gesetzt, wann sie welchen Anteil aus Erneuerbaren im Strommix erreichen wollen. Vorreiter sind Kalifornien, New York oder auch Oregon mit einem 50-Prozent-Ziel; Hawaii hat sich bis 2045 ein 100-Prozent-Ziel gesetzt.
Einige Bundesstaaten widersetzen sich durch eigene Brennstoffregulierungen im Automobilsektor dem Liberalisierungstrend aus Washington. So hat sich Kalifornien für weitere Brennstoffbeschränkungen entschieden, die dank der Größe seines Automobilmarkts (etwa ein Drittel des US-Autosektors) auch über den Bundesstaat hinaus Auswirkungen haben. Zwölf weitere Bundesstaaten übernehmen bereits diese Standards. Und obwohl das Herzstück von Obamas Klima- und Energiepolitik, der Clean Power Plan, so gut wie tot ist, wollen sich nun auch einige republikanische Bundesstaaten, die ursprünglich gegen den Plan geklagt hatten, an der Energiewende beteiligen.
Schließlich sind weder die im Umweltbereich von Trumps Budgetvorschlag vorgesehenen Haushaltskürzungen Gesetz noch seine anderen Abrissvorhaben gerichtsfest. Manche der Rückschläge, die der Präsident bei anderen seiner Dekrete vor den Gerichten erlitten hat, könnten ihm auch im Umweltbereich bevorstehen. Viele Umweltorganisationen haben bereits angekündigt, gegen die Rückkopplungen beim Clean Power Plan und den Brennstoffeinsparungen zu klagen.
Anlass zur Beruhigung ist das alles nicht. Auf föderaler Ebene sind viele wichtige Maßnahmen und Regulierungen Obamas von der neuen Regierung ausgehebelt worden. Zugleich – und wohl viel verheerender – werden aus Washington die Rahmenbedingungen einer wissenschaftsbasierten Klima- und Energiepolitik zerstört, mit negativer Auswirkung auf die Regulierungshoheit der EPA. In der internationalen Klimapolitik werden die USA unter Trump wohl keine positive Rolle mehr spielen.
Aber es gibt auch keinen Grund zur Panik, keinen Anlass, in der Auseinandersetzung mit der neuen amerikanischen Umweltpolitik klein beizugeben. Vielleicht gelingt es zumindest, sie hier und da in ihren Auswirkungen zu korrigieren. Die Dynamik der amerikanischen Energiewende gewinnt dank günstiger Technologie- und Marktentwicklungen den notwendigen unideologischen Schwung. Sie wird auch durch das Sperrfeuer aus dem Weißen Haus nicht gestoppt. Zu lange haben Trump und seine Anhänger übersehen, dass die ökonomische und technologische Wirklichkeit in ihrem Land ihre ideologischen Verbissenheiten längst links liegen gelassen haben.
Rebecca Bertram ist Referentin für europäische Energiepolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Zuvor war sie Leiterin des Energie- u. Umweltprogramms der Böll-Stiftung in Washington, D.C.
Internationale Politik 3, Mai/Juni 2017, S. 90-94