Das Wetter als Waffe
Wenn die Temperaturen und die Meeresspiegel steigen, dann schadet das unserem Lebensstandard, unserer Gesundheit, unserer Wirtschaft. Doch mittlerweile zeigt sich immer deutlicher, dass die Folgen des Klimawandels auch unsere Sicherheit direkt infrage stellen. Die Bedrohung durch den Klimawandel ist vor allem deshalb sicherheitsrelevant, weil er viele Menschen in unterentwickelten Regionen ihrer Lebensgrundlage beraubt und in die Flucht treibt, oft mit schweren Folgen für die regionale und interregionale Stabilität.
Afrika wird laut den Vereinten Nationen am stärksten vom Klimawandel betroffen sein. Rund 70 Prozent der Afrikaner sind noch immer auf die Landwirtschaft angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Hinzu kommt der prognostizierte Bevölkerungszuwachs in der Region: Bis Ende des Jahrhunderts wird Afrikas Bevölkerung auf vier Milliarden Menschen anwachsen, heute sind es bereits 1,2 Milliarden. Zugleich werden große Ackerflächen versiegen und die Wüsten werden sich aufgrund von Überbeanspruchung und globaler Erderwärmung ausweiten.
Dürre und Überschwemmung – beides direkte Auswirkungen des Klimawandels – lassen auch die globalen Süßwasservorkommen schrumpfen. Ohne Süßwasser stirbt das Leben ab. Etwa 98 Prozent des Erdwassers sind salzig, nur 2 Prozent süß. Von diesen 2 Prozent sind fast 70 Prozent in Schnee und Eis gebunden, 30 Prozent sind Grundwasser, weniger als 0,5 Prozent Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen und weniger als 0,05 Prozent befinden sich in der Atmosphäre. Durch die Erwärmung der Erdoberfläche schmilzt polares Eis im Meer, Süßwasser wird zu Meerwasser. Allerdings hat dies nur einen geringen Einfluss auf die globale Wasserversorgung. Das wesentliche Problem der Süßwasserversorgung ist regional und saisonal. Und dieser Trend lässt sich viel schwerer voraussehen als der globale.
Der Bericht des Weltklimarats IPCC zu Klimawandel und Wasser kommt zum Schluss, dass trotz global steigenden Niederschlags viele Trockenregionen, einschließlich des Mittelmeerraums und des südlichen Afrikas, stark unter einem regionalen Rückgang der Niederschläge und der wachsenden Verdunstung durch höhere Temperaturen leiden werden. Nach IPCC-Schätzungen könnte weltweit rund eine Milliarde Menschen mit Wasserknappheit konfrontiert sein. Ein Drittel der Weltbevölkerung lebt bereits heute in Regionen mit Süßwasserknappheit. Wenn das Wasser immer knapper wird, dürfte der Streit darüber wachsen und neue Konflikte auslösen: Der Klimawandel wird zu einem massiven Sicherheitsproblem.
Darüber hinaus haben die steigenden Temperaturen auch negative Folgen für die Gesundheit der globalen Bevölkerung. Seien es Hitzewellen um und in Europa oder Dengue-Fieber-Epidemien in den Tropen. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe trägt laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation zu jährlich rund sieben Millionen Todesfällen durch Luftverschmutzung bei. Der gesundheitspolitische Aspekt des Klimawandels wird weiterhin übersehen – weltweit werden etwa nur 3 Prozent der Gesundheitsressourcen in die Bekämpfung des Klimawandels investiert.
Hunger und Unterernährung, Dürren und Überschwemmung, gesundheitliche Schäden: Die Lebensbedingungen in weiten Teilen der Welt verschlechtern sich rasant und bringen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. So werden die regionalen Auswirkungen des Klimawandels zum globalen Sicherheitsproblem. Experten der Columbia University warnen schon, dass sich die Zahl der Migranten, die jedes Jahr nach Europa wollen, allein aufgrund der aktuellen Klimatrends und unabhängig von anderen politischen Faktoren bis Ende des Jahrhunderts verdreifachen könnte.
Doch auch wenn sich die sicherheitspolitische Bedeutung des Klimawandels für Migrationsströme heute nicht mehr ernsthaft bestreiten lässt: Dieser Wandel wirkt natürlich nicht allein. Zwar wird in einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Studien überzeugend dargelegt, dass steigende Temperaturen und häufigere extreme Wetterbedingungen die Migrationswellen beeinflussen. Aber es ist schwer, diesen Faktor von den vielen anderen zu trennen, die Menschen zu einer Flucht verleiten. Und so ist es eher eine Vermutung einiger Beobachter, dass eine langanhaltende Dürre in weiten Teilen Syriens 2011 einer der Auslöser für den Bürgerkrieg und die durch ihn verursachte große Fluchtbewegung gewesen sei.
Vorbeugen und Anpassen
Weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist, das nicht an nationalen Grenzen Halt macht, erfordert auch die von ihm ausgehende sicherheitspolitische Bedrohung eine globale Strategie, sowohl bei der Bekämpfung des Klimawandels als auch bei der Anpassung an ein verändertes globales Klima. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 hat hier eine wichtige Weichenstellung vorgenommen, die nun allerdings von der Staatengemeinschaft auch umgesetzt werden muss.
Bei der Anpassung an die Auswirkungen sind Lösungsansätze gefragt, um den von Dürre, Überschwemmung, Süßwasserknappheit betroffenen Menschen ihre Lebensgrundlage zu erhalten oder zurückzugeben. Das wird nicht ohne massive finanzielle Hilfe der reichen Staaten gehen, auch wenn bisher kein Konsens darüber besteht, wie viel die Klimaanpassung genau kosten wird und wie die Lasten verteilt werden sollen. Die Weltbank berechnet die notwendigen Anpassungsinvestitionen in Entwicklungsländern bis 2050 auf jährlich 70 bis 100 Milliarden Dollar. Doch am Ende wird der Preis sehr viel höher ausfallen, weil er von der Schwere der klimatischen Veränderungen und dem Umfang der gewählten Maßnahmen abhängt.
Die teuersten Anpassungsmaßnahmen umfassen die Änderung der Infrastruktur und die Verbesserung des Küsten- und Hochwasserschutzes. Daher sind die Kosten nicht unbedingt dort am höchsten, wo die Verwundbarkeit am größten ist, sondern da, wo besonders viel bestehende Infrastruktur klimaneutral umgestellt werden muss. Kostengünstigere Maßnahmen umfassen Verhaltensänderungen, die Umstellung der landwirtschaftlichen Praktiken und die Durchführung von Regulierungsreformen. Die Kosten werden geringer ausfallen, wenn Länder im Voraus planen – wenn etwa schon der Bau von Straßen mit Entwässerungssystemen zusammengedacht wird, die starkem Regen standhalten können. Eine Reihe von Finanzierungsmechanismen besteht bereits, um die internationale Hilfe zu kanalisieren, etwa der Anpassungsfonds und der Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder. Weitere Fonds wurden über multilaterale Agenturen wie die Weltbank geschaffen. Bislang decken die zugesagten Beträge jedoch beileibe nicht die voraussichtlichen Kosten. Zudem klafft noch immer eine erhebliche Lücke zwischen den zugesagten und den tatsächlich eingezahlten Beträgen.
Rhetorische Pflichtübungen
Obwohl die Verbindung zwischen Klimaschutz und Sicherheitspolitik inzwischen offensichtlich ist und es auch in sicherheitspolitischen Gremien nicht an entsprechenden Beteuerungen fehlt, ist man bisher über rhetorische Pflichtübungen kaum hinausgekommen. Der NATO-Rat hat bereits im Jahre 2014 erklärt, dass der Klimawandel und der steigende Energiebedarf das zukünftige Sicherheitsumfeld der Organisation prägen und die Planung und den Betrieb der Organisation erheblich beeinflussen würden. Doch es fehlt an einer konkreten Strategie, die die Problematik umfassend angeht und NATO-spezifische Lösungen formuliert.
Auch im UN-Sicherheitsrat fehlt es weiterhin an nennenswertem Engagement für die Thematik. 2007, 2011 und 2013 fanden zwar erste Debatten in öffentlicher Sitzung darüber statt, doch mündeten sie nur in unverbindlichen Erklärungen. Zu groß waren stets die unterschiedlichen nationalen Sichtweisen. Zwar sind sich die meisten Staaten inzwischen darüber einig, dass der Klimawandel eine gewisse internationale Priorität hat – wie der Erfolg der Pariser Konferenz im Jahr 2015 zeigt –, doch es besteht noch kein Konsens darüber, welche Rolle der Sicherheitsrat (wenn überhaupt) in dieser Thematik einnehmen sollte. Deutschland kann hier als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats 2019 und 2020 wichtige Impulse setzen und auf der Vorarbeit von Schweden aufbauen, das als nichtständiges Mitglied bereits 2017 und 2018 das Thema auf die Tagesordnung setzte. Das Auswärtige Amt hat erkannt, dass Klimawandel und Sicherheit zusammengedacht werden müssen.
Der Klimawandel ist eine Bedrohung für die internationale Sicherheit. Er kann zu humanitären Katastrophen führen, zu politischer Gewalt beitragen und schwache Regierungen untergraben. Sich dessen bewusst zu sein, ist ein wichtiger erster Schritt. Sicherheitspolitiker müssen sich mit Klimapolitikern verbünden und ihre Anstrengungen bei seiner Bekämpfung und der Anpassung an die Folgen aus eigenem Interesse unterstützen.
Rebecca Bertram ist Referentin für Europas Energiewende bei der Heinrich-Böll-Stiftung.
Internationale Politik 1, Januar/Februar 2019, S. 37-40