USA: Vom Bremser zum Vorreiter
Der Erfolg des Pariser Gipfels war vor allem eine diplomatische Meister- leistung der US-Regierung. Doch wird der Nachfolger Barack Obamas dessen Klimapolitik fortführen? Das ist derzeit alles andere als sicher.
US-Präsident Barack Obama und seine Regierung feierten das Pariser Abkommen als großen internationalen Erfolg. In der Tat: Dass es zum ersten Mal gelungen ist, die Weltgemeinschaft auf einen gemeinsamen Nenner in der Klimapolitik zu bringen, ist auch das Verdienst einer diplomatischen Glanzleistung der USA. Nach dem Debakel 2009 in Kopenhagen ging Obama in den vergangenen Jahren geschickt auf die größten Emittenten unter den Schwellenländern zu und baute in bilateralen Vereinbarungen etwa mit China und Brasilien internationales Vertrauen auf. Die amerikanischen Verhandlungsführer mauserten sich vom traditionellen Klimabremser zum Klimavorreiter und schufen eine „high ambition coalition“ von rund 100 Staaten. Das sollte zu einem wichtigen Baustein für das in Paris vereinbarte Klimagerüst werden. Zugleich aber ist allen Beteiligten bewusst, dass Paris lediglich ein Auftakt sein konnte. In den nächsten Jahren wird es nicht nur darauf ankommen, die nationalen Emissionsminderungsversprechen von 26 bis 28 Prozent bis 2025 gegenüber dem Basisjahr 2005 einzulösen, sondern auch international das politische Momentum zur Bekämpfung des Klimawandels zu erhalten. Das bedeutet vor allem, dass in den USA der internationale Klimaschutz als innen-, außen- und wirtschaftspolitische Chance verstanden werden muss.
Ohne Zweifel werden die klima- und energiepolitischen Maßnahmen der Obama-Regierung im Wahlkampf 2016 unter Beschuss geraten. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton reagierte zunächst positiv auf den Pariser Durchbruch. Bernie Sanders, dem Linksaußen der demokratischen Kandidaten, geht das Abkommen dagegen nicht weit genug.
Von den republikanischen Bewerbern wurde das Ergebnis mit Stillschweigen, ja fast mit Gleichgültigkeit registriert. Wohl aus zwei Gründen: Zum einen will keiner der Kandidaten Obama den internationalen Erfolg gönnen, zum anderen würde eine Verurteilung des Klimaabkommens viele moderate Republikaner verschrecken, deren Unterstützung man in den Vorwahlen braucht. Nach einer Umfrage von New York Times und CBS News sind zwei Drittel aller Amerikaner für ein internationales Klimaabkommen. 75 Prozent der Befragten – darunter 58 Prozent Republikaner – sehen im Klimawandel eine Gefahr für die Umwelt. Das werden die republikanischen Wahlstrategen einkalkulieren.
Obamas Klimapolitik dürfte innenpolitisch umso größere Aussichten auf Bestand haben, je besser es gelingt, die Vorteile aufzuzeigen, die sich aus der Pariser Übereinkunft für die amerikanische Wirtschaft ergeben. Das Weiße Haus hat bereits im Oktober 2015 die Rolle der Wirtschaft bei der Bekämpfung des Klimawandels im American Business Act on Climate Pledge definiert, um so Rückenwind für die Pariser Verhandlungen zu schaffen. 81 amerikanische Unternehmen mit mehr als neun Millionen Mitarbeitern in den USA und insgesamt etwa drei Billionen Dollar Jahresumsatz haben sich zusammengetan, um ein starkes klimapolitisches Signal zu setzen. Firmen wie American Express, Coca-Cola und Apple haben sich verpflichtet, aktiv an der Dekarbonisierung der amerikanischen Wirtschaft mitzuwirken. Daneben haben Wirtschaftsbosse wie Bill Gates, Mark Zuckerberg von Facebook und Jeff Bezos von Amazon die „Breakthrough Energy Coalition“ gegründet, um gezielt die Erforschung und Entwicklung sauberer Energietechnologien zu fördern.
Nicht zufällig hatte der Verhandlungsführer Todd Stern das erste Auswertungsgespräch nach Paris mit den Vertretern amerikanischer Unternehmen. Die Betriebe sollten, so Stern, das Klimaabkommen nutzen, um die eigene Entwicklung von innovativen und sauberen Technologien und Dienstleistungen voranzubringen. Dahinter steht die Hoffnung, die Pariser Übereinkunft könnte der Wirtschaft einen stabilen Investitions- und Innovationsrahmen für den Ausbau und die Entwicklung sauberer Technologien bieten.
Der Unterpfand für Obamas Glaubwürdigkeit bei den internationalen Klimaverhandlungen in Paris war sein Clean Power Plan (CPP), das ehrgeizigste Vorhaben, das der Präsident in seiner nationalen Klima- und Energiepolitik formuliert hat. Mit einem Emissionsreduktionsziel von 32 Prozent bis 2030 gegenüber 2005 ist der Plan das Rückgrat der amerikanischen Klima- und Energiepolitik. Er hat de facto einen amerikanischen Kohleausstieg zugunsten von Gas und Erneuerbaren zur Folge. Der Plan umgeht, wie so oft, den Kongress, der sich klimapolitisch weiter im Nichtstun übt, und wird in den kommenden Jahren von seinen Gegnern politisch und juristisch bekämpft werden.
Betroffen sind etwa 1000 Kraftwerke, darunter rund 600, die mit Kohle betrieben werden. Anfang Februar hat der Oberste Gerichtshof den CPP jedoch vorübergehend gestoppt. Und das in einem für den CPP entscheidenden Jahr: Bis September 2016 waren die Bundestaaten ursprünglich aufgerufen, ihre Pläne zur Erreichung dieser Ziele bei der Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) einzureichen. Das ist nun durch den Stopp erst einmal hinfällig geworden. Das Vorhaben könnte im Laufe der kommenden Jahre entscheidend konterkariert werden. Ein republikanischer Präsident könnte den CPP möglicherweise aushebeln, ebenso ein abträgliches Gerichtsurteil. 29 Bundesstaaten, darunter Texas, Oklahoma und Louisiana, sind bereits juristisch gegen den Plan vorgegangen und könnten ihn damit weiter erheblich verzögern; immerhin dauerte es acht Jahre, bis der Supreme Court der EPA das Recht zusprach, CO2-Emissionen überhaupt zu regulieren.
Was kann Barack Obama bis zum Ende seiner Amtszeit für das Klima noch erreichen? Ohne einen funktionierenden Kongress wird er weiterhin auf seine Exekutive – insbesondere die EPA – setzen. Viele klima- und energiepolitische Vorhaben werden ohnehin auf der Ebene der Bundesstaaten ausformuliert und dort umgesetzt. Die Chefin der EPA, Gina McCarthy, hat für das Jahr 2016 drei zentrale klimapolitische Vorhaben genannt, die zur Begrenzung von Methan- und HFC-Emissionen beitragen und die Effizienz des so genannten Brennstoffwirkunggrads von Schwerlastkraftwagen steigern sollen.
Darüber hinaus hat das Innenministerium, zuständig für die Verwaltung von staatseigenen Liegenschaften, ein Moratorium für die weitere Verpachtung dieser „Public Lands“ für die Kohlegewinnung beschlossen, wo etwa 40 Prozent der amerikanischen Kohle abgebaut werden – oft zu Konditionen, die für die Unternehmen ausgesprochen günstig sind. Das Moratorium soll erst dann wieder aufgehoben werden, wenn klar ist, welche Pacht angesichts der Risiken für Umwelt und Bevölkerung angemessen wäre. De facto untermauert das Moratorium damit Obamas Bestreben, aus der heimischen Kohle auszusteigen.
Durch seinen Einsatz für Paris ist Obama quasi der erste Klimapräsident der USA. Ob sein Land diesem Vermächtnis treu bleiben wird, bleibt ungewiss. Es ist aber schwer vorstellbar, dass Obamas Bemühungen vergeblich bleiben werden, denn sie haben schon jetzt in weiten Teilen des Landes den Strukturwandel und die damit verbundene Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionen eingeläutet. Die Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung – getrieben von der Dürre und Waldbränden in Kalifornien, der Verschärfung von Wassermangel sowie den immer häufigeren Orkanen – wird zusammen mit den wachsenden Erkenntnissen der US-Wirtschaft zu den Vorteilen klimafreundlicher Betriebsführung ihre Wirkung entfalten, allem juristischen und politischen Streit zum Trotz. Der besondere Wert des Pariser Abkommens liegt für die USA darin, dass es diese Bemühungen nun international stützt.
Rebecca Bertram, Leiterin Energie- u. Umweltprogramm, Heinrich-Böll-Stiftung, Washington, D.C.
Internationale Politik 2, März/April 2016, S. 49-52