Die Kosten des Klimawandels
Der Mensch heizt die Erde auf - was muss er dafür zahlen?
Steigende Temperaturen, steigender Meeresspiegel, sinkendes Land: Die globale Erwärmung ist in vollem Gang, verursacht von Jahr zu Jahr enormere Schäden, welche die Weltwirtschaft in die Rezession treiben können. Dagegen sind die Kosten einer sofortigen Klimaschutzpolitik deutlich geringer – und zwingen die CO2-Verursacher zu Handel und Kooperation.
Der Einfluss des Menschen auf das natürliche Klima war niemals größer als heute, bedeutende Umweltveränderungen durch menschliche Aktivitäten, wie die steigenden Emissionen von Treibhausgasen (THG), sind zu einem wesentlichen Bestandteil des heutigen Lebens geworden. Die Emissionen von Treibhausgasen und damit Treibhausgaskonzentrationen sind in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Der IPCC und der Wissenschaftliche Beirat globaler Umweltveränderung (WBGU) gehen davon aus, dass eine Veränderung der globalen Kohlendioxidkonzentrationen von über 450 ppm und damit eine Temperaturänderung von über 2°C im Jahre 2100 eine gefährliche Beeinflussung des Klimas durch den Menschen bedeuten werden. Die heutige Kohlendioxidkonzentration liegt bereits bei knapp 400 ppm.1 Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen sind Industriestaaten mit hohem Pro-Kopf-Energieverbrauch und Emissionen wie die USA, Europa und Japan. Inzwischen hat das energieintensive Wachstum Chinas dazu geführt, dass dieses Land schon heute Platz 2 der weltweiten CO2-Emissionen einnimmt – so ist abzusehen, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel langfristige, irreversible Schäden verursachen wird, welche die natürlichen Lebensgrundlagen gefährden.
Langjährige Beobachtungen bestätigen, dass sich die Erde erwärmt. Im 20. Jahrhundert hat sich die globale Oberflächentemperatur um 0,2 (± 0,6) Grad Celsius erhöht, der Anstieg der Oberflächentemperatur der Nördlichen Hemisphäre war in dieser Zeit größer als in den vorausgegangenen 1000 Jahren. 1990 war das global wärmste Jahr im 20. Jahrhundert, 2005 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Anzahl der heißen Tage hat zu-, die der kalten Tage abgenommen. Die anthropogenen, also durch den Menschen verursachten Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) sind seit 1750 sehr stark angestiegen; je nach Annahmen über die künftigen Entwicklungen wären Temperaturerhöhungen von 1,5°C bis zu 6,5°C im Jahre 2100 zu erwarten. Allein die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid hat sich von 1750 bis heute um 31 Prozent (± 4 Prozent) erhöht.2 Die CO2-Emissionen werden hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Energien erzeugt – die Erderwärmung der letzten 50 Jahre ist daher zu großen Teilen auf menschlichen Einfluss zurückzuführen. Mit zunehmenden Treibhausgasemissionen und Temperaturen wird der globale Meeresspiegel weiter steigen, und zwar je nach zugrunde gelegten Szenarien um 10 cm bis zu 90 cm bis zum Jahre 2100.
Extreme Naturereignisse nehmen zu – auch die -volkswirtschaftlichen Schäden
Die Anzahl und Stärke extremer Naturkatastrophen, wie durch extreme Regenfälle verursachte Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürme mit steigenden Intensitäten, nehmen immer weiter zu. Die Tabelle (S. 40) zeigt die möglichen extremen Klimaereignisse, die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und ihre möglichen Auswirkungen. Manche Regionen in der Welt werden und sind schon heute stärker von dem Klimawandel betroffen als andere. In den Regionen Nordamerikas sind vermehrt Stürme und Tornados mit extremen Windintensitäten zu erwarten, während in Asien Überschwemmungen wahrscheinlicher sind. In Europa wiederum ist in Zukunft neben extremen Hitzeereignissen und Fluten auch mit starken Stürmen wie Tornados und Hurrikanen zu rechnen. Extreme Hitzephänomene und Regenfälle waren in den vergangenen Jahren in Europa deutlich sichtbar: In Mittel- und Osteuropa traten im Jahre 2002 extreme Regenfälle und Überflutungen auf. Im Osten und Süden Deutschlands, im Südwesten Tschechiens sowie in Österreich und Ungarn kam es zu starken Überschwemmungen von Donau, Elbe, Moldau, Inn und Salzach. Das „Jahrtausendhochwasser“ hat neben Österreich und Tschechien vor allem Deutschland stark getroffen: Die Schäden haben sich allein in Deutschland auf 9,2 Milliarden Euro belaufen.3 Im Jahre 2003 litt ganz Europa unter einer extremen Hitzewelle. Die volkswirtschaftlichen Schäden umfassen zum einen Hitzetote, wie sie vor allem in Frankreich aufgetreten sind, und auch Gesundheitsschäden durch erhöhte Krankheitsgefahren, zum anderen Ernteausfälle, Störungen in der Energiebereitstellung und ein Anstieg der Waldbrände.4 Insgesamt können für das Jahr 2003 Schäden in Höhe von 10 bis 17 Milliarden Euro für Europa geschätzt werden.5
Die Schäden des Hurrikans Katrina wurden von der amerikanischen Regierung auf 200 Milliarden Dollar beziffert, allein durch dieses extreme Klimaereignis kam es zu Wachstumseinbußen in den USA in Höhe von 0,2 bis 0,4 Prozent im Jahre 2005. Die Beschädigung von Ölbohrplattformen führte darüber hinaus zu Ölangebotsausfällen, zu kräftigem Ölpreisanstieg und damit zu weiteren Wachstumseinbußen. Versicherungsunternehmen bewerten zumeist die direkt versicherten Schäden. In wenig versicherten Gebieten, wie in armen Ländern und Regionen der Welt, werden die wirtschaftlichen Schäden jedoch durch eine solche Bemessung unterbewertet. Zusätzlich zu den direkt messbaren Schäden müssen darum die Schäden der Infrastruktur, Krankheit durch das Ausbrechen von Seuchen, Todesfälle, Schäden der Landwirtschaft (bei Überflutungen) und Ökologie berücksichtigt werden. Diese Schäden sind vom Staat aufzuwenden, es sind Ausgaben, die an anderer Stelle der Volkswirtschaft fehlen. Allerdings können auch Branchen profitieren – durch den Wiederaufbau beschädigter Infrastruktur und Immobilen konnte beispielsweise die Baubranche der USA positive Wachstumseffekte verzeichnen; dies führte zu einer Steigerung des Bruttosozialprodukts (BSP) um 0,1 Prozentpunkte im Jahr 2005. Würde man all diese Schäden bewerten, wären die ökonomischen Schäden auf ca. 450 Milliarden Dollar zu beziffern, ca. zwei bis drei Prozent des BSP der USA im Jahre 2005.6
Die Schäden wachsen um das Zehn- bis Hundertfache
Die ökonomischen Schäden extremer Wetterereignisse sind in den letzten drei Jahrzehnten um den Faktor 15 gestiegen.7 Der kräftige Anstieg der Schäden ist auch damit zu erklären, dass die vom Klimawandel besonders betroffenen Küstenregionen immer stärker besiedelt werden. In der weiteren Fortschreibung des ökonomischen Trends der Daten der Münchener Rück würden die Schäden bis zum Jahre 2050 um das Zehnfache steigen und dann einen Wert von über 600 Milliarden Euro erreichen. In den gefährdeten Gebieten (wie etwa Hochwasserregionen oder Küstenzonen) werden Versicherungen bei steigenden Eintrittswahrscheinlichkeiten von Naturkatastrophen immer weniger bereit sein, mögliche Schäden zu versichern.8
Der für große Aufmerksamkeit sorgende Bericht der britischen Regierung unter der Schirmherrschaft von Sir Nicolas Stern9 untersucht ebenfalls die möglichen volkswirtschaftlichen Effekte des Klimawandels. Er kommt zu dem Schluss, dass der Klimawandel erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen wird, in der Höhe von bis zu 20 Prozent des BSP bis zum Jahre 2100. Damit kann der Klimawandel die weltweiten Volkswirtschaften in eine Rezession führen. Die Kosten des Handelns, d.h. der Emissionsminderung, sind deutlich geringer – kooperieren etwa die Weltnationen im Rahmen eines internationalen Emissionsrechtehandels, können die Kosten auf bis zu ein Prozent des weltweiten BSP reduziert werden, so der Stern-Bericht. Allerdings variieren die Bewertungen der ökonomischen Kosten des Klimawandels stark, andere Studien zeigen, dass gerade die Abschätzung solcher Schäden extrem unsicher sind.10 So gehen Berechnungen von Naturwissenschaftlern eher von einer pessimistischen, Sozialwissenschaftler eher von einer optimistischen Einschätzung über die volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels aus.
Anhand des globalen Simulationsmodells WIAGEM,11 das ein detailliertes Ökonomie- und Handelsmodell mit einem Klimamodell koppelt, können die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels geschätzt werden. Neben direkten ökonomischen Auswirkungen auf Energieerzeugung, Landwirtschaft und Industrie werden hier zusätzlich Auswirkungen auf die Ökologie (wie etwa die Zunahme von Waldbränden und Verluste an Artenvielfalt), aber auch gesundheitlich-ökonomische Aspekte von Krankheiten und Sterblichkeitsänderungen berücksichtigt. Wir untersuchen ein Szenario, das eine Temperaturänderung von 4,5°C bis zum Jahre 2100 unterstellt (Treibhausgaskonzentration steigt auf 650 ppm): Global können in einem solchen Szenario Schäden von bis zu vier Prozent des globalen BSP auftreten. Diese Ausgaben fehlen in der Volkswirtschaft an anderer Stelle, was die ökonomischen Wachstumseffekte mindert und wiederum zu zusätzlichen Wohlfahrtseinbußen führt. Die Ergebnisse für Deutschland zeigen, dass zudem erhebliche Kosten entstehen – bis zu 800 Milliarden Dollar müsste die deutsche Volkswirtschaft in den kommenden 50 Jahren nur für die Behebung von Klimaschäden aufwenden, jährlich ca. drei Prozent des BSP in dieser Zeit.
Die Kosten des Handelns, damit der Treibhausgasminderung, sind deutlich geringer: Wenn die Hauptverursacher des Klimawandels Kooperationen eingehen, um technologische Innovationen zu erzielen, und gemeinsam einen Emissionshandel etablieren, können die Kosten auf bis zu einem Prozent des BSP reduziert werden. Damit sind die Kosten des Handelns deutlich geringer als die Kosten des Nichthandelns. Beginnen wir sofort mit einer Klimaschutzpolitik, könnten wir enorme Schäden vermeiden. Eine Klimaschutzpolitik, die erst im Jahre 2030 beginnt, führte hingegen zu einer gefährlichen Beeinflussung des Klimas.
Klimaschutzpolitik mit Kooperationen
Um den Klimawandel abzumildern oder gar zu verhindern, müssen die Treibhausgasemissionen drastisch gesenkt werden – Klimaexperten gehen davon aus, dass eine Reduktion um 60 bis 80 Prozent bis zum Jahre 2100 notwendig wäre. Aufgrund der Langlebigkeit der Treibhausgase in der Atmosphäre müssen die verantwortlichen Staaten möglichst schnell damit beginnen. Allen voran die USA, die für den Großteil aller weltweit emittierten Treibhausgase verantwortlich sind, gefolgt von China, Europa, Russland und Japan. Eine wirksame Klimaschutzpolitik muss vor allem Ländern mit hohen Treibhausgasemissionen verbindliche Ziele zur Emissionsvermeidung abverlangen. Mit dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls haben sich zwar die meisten Industrieländer zu einer – insgesamt sehr moderaten – Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen bis 2012 verpflichtet. Allerdings verlaufen die Bemühungen um wirksame, international abgestimmte Klimaschutzmaßnahmen zäh und es erscheint zweifelhaft, ob es gelingen wird, konkrete und verbindliche Emissionsziele auch für die Zeit nach dem Ende der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls durchzusetzen. Während Deutschland und die Europäische Union auf bindende Verpflichtungen zum Klimaschutz drängen und selbst bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen haben, verweigern sich andere Länder, wie die USA und China, diesen Forderungen. Dabei wäre es im Rahmen internationaler Klimaschutzabkommen dringend notwendig, dass die Industrienation USA sich an einem Klimaabkommen beteiligt, um damit auch Länder wie China und Indien vom Handeln zu überzeugen.
Nur wenn es gelingt, im Rahmen internationaler Klimaschutzpolitik so zu kooperieren, dass Klimaschutzziele zu möglichst geringen Kosten erreicht werden, wird es mittel- bis langfristig möglich sein, Nationen mit hohen Emissionen und damit hohen Vermeidungskosten – wie die USA und China – davon zu überzeugen, einem Klimaschutzabkommen beizutreten. Dabei sind verschiedene Anreizmechanismen denkbar: Länder, die zur Klimaschutzkooperation bewegt werden sollen, können entweder direkt über so genannte „side payments“ – monetäre Zahlungen wie auch gezielte Klimaschutz-Fonds – dazu bewegt werden, Klimaschutzziele einzugehen.12 Denkbar wären hier konkrete finanzielle Entlastungen bei gezieltem Klimaschutz; ebenso, zögernde Nationen zum Beitritt eines Klimaschutzabkommens zu bewegen, indem Sanktionen auferlegt werden wie beispielsweise Handelsbeschränkungen (etwa von Kohle der USA). Quantitative Untersuchungen zeigen aber, dass dies nicht nur zu negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen der betroffenen Nationen führt, sondern auch für diejenigen Nationen, die die Handelssanktionen eingeführt haben.13
Im Rahmen internationaler Klimaschutzpolitik erfolgversprechender sind solche Maßnahmen, die Emissionsminderungsziele zu minimalen volkswirtschaftlichen Kosten erreichen. Durch den Emissionshandel können die Vermeidungskosten der Industriestaaten erheblich vermindert werden, Länder, die sich einem internationalen Klimaschutzziel verschreiben, können dies mit der Einführung eines Emissionsrechtehandels kosteneffizient erreichen. Zudem ist es sinnvoll, gemeinsam technologische Verbesserungen zur Energieeffizienz zu erforschen, die ebenso die Emissionsminderungskosten reduzieren14 – dies -sichert jenen Ländern einen Wettbewerbsvorteil, die sich durch gezielte Kooperation daran beteiligen.
CLAUDIA KEMFERT, geb. 1968, leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und ist Professorin für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität Berlin.
- 1Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC): Climate Change 2001, Third Assessment Report, Synthesis Report, Cambridge University Press, Cambridge 2001. WBGU: Wissenschaft-licher Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen: Welt im Wandel. Energiewende zur Nachhaltigkeit, Berlin 2003, S. 94–98.
- 2Heute sind 150 Gigatonnen (Gt) an Kohlendioxidemissionen mehr in der Atmosphäre als noch vor der Industrialisierung. Die Menge an Kohlendioxid wächst jährlich um drei Prozent. Im Jahre 2050 würde bei unveränderter Wachstumsrate die Menge an Kohlendioxid schon 300 Gt betragen.
- 3Münchener Rück: Jahresrückblick Naturkatastrophen 2005, München 2005.
- 4Hohe Flusswassertemperaturen bringen die Gefahr einer unzureichenden Kühlung der Atomreaktoren mit sich. Im Jahre 2003 führte dies dazu, dass Atommeiler in Deutschland und Frankreich stillgelegt werden mussten.
- 5Claudia Kemfert und Dietmar Pfeifer: The Economic Impact Assessment of Extreme Weather Events, Zeitschrift für Versicherungswirtschaft, 2004, im Druck.
- 6Claudia Kemfert: Weltweiter Klimaschutz – Sofortiges Handeln spart hohe Kosten, Wochenbericht des DIW Berlin, Nr. 12/2005.
- 7Vgl. Münchener Rück (Anm. 3).
- 8Zum Beispiel Gebäudeversicherungen bei Hochwasser oder Stürmen an küstennahen Gebieten.
- 9Nicolas Stern: The Stern Review: The Economics of Climate Change, Cambridge University Press, 2006.
- 10OECD: Estimating the Benefits of Climate Change Policy, ENV/EPOC/GSP (2003) 3, Paris.
- 11Claudia Kemfert: An Integrated Assessment Model of Economy-Energy-Climate – The model WIAGEM, Integrated Assessment, 4/2002, S. 281–299; Claudia Kemfert: Global Economic Impli-cations of alternative Climate Policy Strategies, Environmental Science and Policy, 5/2002, S. 367–384.
- 12Carlo Carraro: International Environmental Agreements on Climate Change, Dordrecht 1999.
- 13Susanne Dröge und Claudia Kemfert: Trade Policy to Control Climate Change: does the stick beat the carrot?, DIW Vierteljahreshefte „Economic Costs of Climate Change and Climate Policy“, 2/2005 und Claudia Kemfert: International Climate Coalitions and trade – Assessment of cooperation incentives by issue linkage, Energy Policy, 4/2003, S. 455–465.
- 14Claudia Kemfert (Anm. 13).
Internationale Politik 2, Februar 2007, S. 38 - 45.