Das Rätsel der „Zebra Killings“
Kultur
Hollywood macht einen Fall von schwarzem Rassismus zum Thema. Aber die hässliche Realität dieser Mordserie wird wohl ausgeblendet bleiben
Jede Wette wäre ich eingegangen, dass dieser Stoff nie verfilmt wird. Dass keine Hollywood-Dramatik nach Art von „Mississippi Burning“ die Erinnerung an die Toten und die Schwerverletzten bewahrt, die an der amerikanischen Westküste zwischen 1972 und 1974 einer Gruppe zum Opfer fielen, die sich „Death Angels“ nannte. Der Grund liegt nahe. Ist in den Zeitungen von „Rassismus“ die Rede, dann kann man sicher sein, dass weiße, vermutlich männliche Akteure und Mentalitäten gemeint sind, im Idealfall ein hässlicher Kerl aus dem Ku-Klux-Klan. Die „Zebra-Killings“ aber, als die die kalifornische Mordserie in die Geschichte des Massenverbrechens einging, waren Taten, die ausschließlich schwarze an ausschließlich weißen Amerikanern verübten.
Der Name „Zebra“ stammte anfangs aus der Funkfrequenz, die jene Sondereinheit der Polizei von San Francisco benutzte, die mit der Aufklärung der Fälle befasst war. Bald aber bekam er einen zusätzlichen Sinn: Er passte auf unheimliche Weise wie angegossen auf das schwarzweiße Tatmuster, das sich in den Ermittlungen ergab. Die „Death Angels“ waren eine geheime, fanatisierte Gruppe mit meist kriminellem Hintergrund innerhalb oder am Rande der „Nation of Islam“, die man auch als „Black Muslims“ kennt. Ihr Ziel war es schlicht, so viele Weiße zu töten wie nur möglich. Zur besonderen Perfidie gehörte dabei, dass zum Aufstieg innerhalb der „Death Angels“ ein Punktesystem verwendet wurde, bei dem der Mord an Frauen mehr galt als der an Männern, der an Kindern mehr als der an Frauen – wegen des größeren inneren Widerstands, der bei den Taten an Wehrlosen zu überwinden war.
Der schwarze Islam in den Vereinigten Staaten, dessen Kultur die Täter geprägt hatte, gehört dabei weniger zur Geschichte des eigentlichen Islams als vielmehr zur Geschichte der spezifisch amerikanischen Religionen; zum orthodoxen Islam hat er so viel oder so wenig Beziehung wie etwa die Mormonen zu den Lehren des Vatikans, und eine pseudowissenschaftliche Mythologie macht seine Ideenwelt eher der Scientology vergleichbar als den herkömmlichen Religionen. Denn entscheidend ist für diese Mythologie ein bösartig-verrückter Wissenschaftler namens Yacub, der irgendwann in der Vorzeit, als die Menschheit rein schwarz war, mit der Züchtung einer weißen, verderbten Rasse begonnen habe. Nach dieser Lehre waren die Weißen ein dekadentes Kollektiv, das sich usurpatorisch der Weltherrschaft bemächtigte. Malcolm X, wohl der bedeutendste Führer der afroamerikanischen Muslime, beschrieb in seiner Autobiographie die geistige Anstrengung, die es ihn kostete, nach seiner frühen Bekehrung durch die „Black Muslims“ später den echten Islam zu entdecken und ihn von seiner amerikanisierten Version zu unterscheiden, in der es mindestens so sehr um die Hautfarbe ging wie um das Bekenntnis.
Die Opfer – mindestens 15, möglicherweise bis zu 70 – kamen aus allen Schichten der Gesellschaft, unter ihnen waren bürgerliche Paare wie Richard und Quita Hague, die ersten, die es traf; oder der spätere Bürgermeister von San Francisco, Arthur Agnos, der überlebte; weiter der gerade aus dem Gefängnis entlassene Junkie Paul Dancik oder eine übergewichtige ältere Dame, die keuchend ihre Einkaufstaschen nach Hause bringen wollte. Wo immer den Tätern bei ihren Autofahrten ein „weißer Teufel“ ins Auge fiel und wo immer die Lage ungefährlich schien, dort schlugen sie zu. Dass die Mordserie überhaupt literarisch aufgearbeitet wurde, ist das Verdienst von Clark Howard, einem auf Kriminalfälle spezialisierten Sachbuchautor. 1979 erschien sein Buch „Zebra. The true account of the 179 days of terror in San Francisco“, eine Mischung aus Dokumentation und Literatur – das Vorbild war Truman Capotes „In cold blood“.
Ich hatte Howards Buch über den Fall gelesen und konnte mir nicht vorstellen, dass der Fall je den Nischenplatz bei den kriminalistisch Interessierten verlassen könne. Ich habe mich geirrt, wenn auch nur halb. Denn nicht Howards Buch wird nun verfilmt. Sondern „The Zebra Murders: A Season of Killing, Racial Madness, and Civil Rights“ von Prentice Earl Sanders und Bennett Cohen, vor gut einem Jahr erschienen. Nicht mehr die beiden griechischstämmigen Ermittler Gus Coreris und John Fotinos sind die Haupthelden wie bei Howard. Sondern Earl Sanders, der Autor selbst, der als erster Afroamerikaner die Polizei von San Francisco in den Jahren 2002/03 für 14 Monate leitete, bis er seinen Sessel räumen musste. Schon 1989 hatte man ihn erstmals der Vertuschung bei Mordermittlungen beschuldigt. Vor wenigen Wochen verwarf der Oberste Gerichtshof eine Berufungsklage, die Sanders in dieser Sache angestrengt hatte. Bennet Cohen, der Mitverfasser des neuen Buches über die „Zebra-Killings“, war Sanders’ Rechtsanwalt. Um die aktuellen Filmpläne wirklich verstehen zu können, muss man noch etwas wissen: 1973, zur Zeit der „Zebra Killings“, befand sich Sanders in einem Rechtsstreit mit seinem Dienstherrn, der Polizei von San Francisco, weil er sich diskriminiert fühlte.
Nun also wird Jamie Foxx die Rolle von Earl Sanders übernehmen, und Brad Pitt produziert das Ganze. Und jetzt weiß man, warum der Stoff überhaupt verfilmt werden kann, und wie. Wir werden eine erbauliche Geschichte zu sehen bekommen, mit viel Bürgerrechtsbewegung, Menschheitspathos, musikunterlegt, verkitscht. Rauschender Beifall ist sicher.
Internationale Politik 12, Dezember 2007, S. 106 - 107.
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