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01. Nov. 2010

Das deutsche Energiekonzept

Die neue Strategie der Bundesregierung

Am 28. September 2010 beschloss die Bundesregierung ein Energiekonzept, das den Weg zu einer „umweltschonenden, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung“ aufzeigen soll. Ziel des Konzepts ist, die CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu senken und den Anteil der erneuerbaren Energien (EE) am Energiemix auf 80 bis 95 Prozent zu erhöhen. Die Kosten werden auf rund 20 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Erneuerbare Energien

Der unbegrenzte Einspeisevorrang der EE bleibt bestehen, jedoch sollen die Förderung stärker an marktwirtschaftlichen Kriterien orientiert und die Einspeisung effizienter gestaltet werden.

Windenergie: Offshore

Ausbau. Bis 2030 sollen Offshore-Windanlagen 25 Gigawatt Strom erzeugen, was der Jahresleistung von 20 Kernkraftwerken entspricht. Der Ausbau der Offshore-Windenergie wird mit insgesamt 75 Milliarden Euro gefördert.

Förderung. Für die Errichtung der ersten zehn Offshore-Windparks wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau 2011 ein Sonderprogramm mit einem Kreditvolumen von insgesamt fünf Milliarden Euro auf den Weg bringen.

Windenergie: Onshore

Repowering. Aufgrund des technologischen Fortschritts der vergangenen Jahre bietet Onshore-Windenergie kurz- und mittelfristig das wirtschaftlichste Ausbaupotenzial. Der Bundesverband Windenergie schätzt, dass 20 000 Anlagen aus dem Jahr 2008 (1,2 Megawatt durchschnittliche Leistung) bis 2020 durch 19 000 Anlagen mit doppelter Leistung ersetzt werden können.

Bioenergie

Nachhaltiger Ausbau. Da Bioenergie breit einsetzbar und gut zu speichern ist, soll sie in allen drei Sparten – Wärme, Strom und Kraftstoff – ausgebaut werden. Da die heimischen Anbaupotenziale aufgrund des konkurrierenden Nahrungs- und Futtermittelanbaus begrenzt sind, will man vermehrt auf die Gewinnung von Energie aus organischen Rest- und Abfallstoffen (z.B. Gülle, Grünschnitt) sowie auf den Import von nachhaltig produzierten Bioenergieträgern setzen.

Energieeffizienz

Der Effizienzfonds. Aus diesem Fonds sollen ab 2011 wichtige Vorhaben zur Energie- und Stromeinsparung finanziert werden, z.B. die energetische Sanierung von Gebäuden, Energieausweise für Verbraucher und Subventionen für die Einführung hocheffizienter Technologien.

Energetische Gebäudesanierung. Auf den Gebäudebereich entfallen 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs und etwa 20 Prozent des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes. Drei Viertel des Altbaubestandes sind älter als 30 Jahre. Ziel ist, bis 2050 nahezu alle Gebäude klimaneutral zu machen. Die Sanierungsrate müsste dann von weniger als ein Prozent auf jährlich circa zwei Prozent angehoben werden. Hierfür soll nicht nur das Mietrecht geändert, sondern auch eine Prämie eingeführt werden, die Eigentümer erhalten, wenn sie Zielwerte vorzeitig erreichen oder übertreffen.   Kernenergie und fossile Kraftwerke

Laufzeit verlängern. Die Laufzeiten der 17 deutschen Kernkraftwerke werden um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert.

Gewinne abschöpfen. Die Bundesregierung will etwa die Hälfte der durch die Laufzeitverlängerungen entstehenden zusätzlichen Gewinne abschöpfen. Daher sollen die Energieversorgerunternehmen (EVUs) von 2011 bis 2016 eine Brennelementesteuer von jährlich etwa 2,3 Milliarden Euro zahlen, die der Haushaltskonsolidierung dienen wird. Zusätzlich sollen die EVUs bis 2016 insgesamt 1,4 Milliarden Euro in einen neuen Energie- und Klimafonds einzahlen. Ab 2017 leisten sie dann je zusätzlich eingespeister Megawattstunde Strom einen Förderbeitrag von ungefähr neun Euro, der sich an der aktuellen Strompreisentwicklung orientieren wird. Die Summe, die dem Fonds zukommen soll, wird auf 15 Milliarden Euro geschätzt. Ab 2013 sollen außerdem Mehreinnahmen in Höhe von ungefähr 2,7 Milliarden Euro aus dem CO2-Emissionshandel hinzukommen. Mit den Mitteln dieses Fonds will der Bund in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Klimaschutzmaßnahmen investieren.

Neubau. Der Neubau fossiler Kraftwerke wird gefördert, wenn diese von kommunalen Unternehmen betrieben, hocheffizient und CCS-fähig sind, d.h. wenn CO2 abgespalten und unterirdisch gelagert werden kann.

Netzausbau

Ausgehend vom Bestandsnetz will die Bundesregierung 2011 ein „Zielnetz 2050“ vorstellen, das den veränderten Bedingungen der Stromversorgung gerecht wird. Die vier konkreten Ziele sind der weitere Ausbau des Bestandsnetzes, die Planung eines Overlay-Netzes (so genannte „Stromautobahnen“), die verbesserte Anbindung von Offshore-Anlagen im Norden an die Verbrauchszentren im Landesinneren sowie die Integration des deutschen Netzes in den europäischen Verbund.

Ausbau der Speicherkapazitäten

Aufgrund seiner Wetterabhängigkeit unterliegt aus EE produzierter Strom größeren Fluktuationen als Strom aus konventionellen Quellen. Der Ausbau von Speicherkapazitäten ist unabdinglich, um die Stromversorgung sicherstellen zu können. Die Bundesregierung will daher in die Erforschung neuer, effizienterer Speichertechnologien wie Druckluftspeicher und Wasserstoffspeicher investieren und gleichzeitig den Ausbau von bereits erprobten Speichermethoden wie der Einlagerung von Biogas und Pumpspeicherkraftwerken vorantreiben.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November/Dezember 2010, S. 56-57

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