Waffenembargo gegen Saudi-Arabien
Pro:
Spielräume nutzen
Am 31. März 2020 läuft der aktuelle Exportstopp von deutschen Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien aus. Forderungen nach einer abermaligen Verlängerung werfen die Frage auf, ob Deutschland in Zukunft lediglich ein Zaungast der sicherheitspolitischen Entwicklungen in der Region sein wird.
Ich meine: Zwischen einer Fortführung des mehrmals verlängerten Exportstopps und einer Aufhebung gibt es politische Spielräume, die man nutzen kann. Notwendig wäre ein Signal in Richtung Riad, dass wir das Königreich auch weiterhin als strategischen Partner betrachten wollen. Denn Saudi-Arabien gehört zu den wenigen Staaten in der Region, die prowestlich orientiert sind und über regionalen Einfluss verfügen.
Klar ist: Wir halten an unserer Forderung fest, dass der verheerende Jemen-Krieg dringend beendet werden muss. Ebenso ist es unabdingbar, dass die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul weiter aufgeklärt wird. Wenn Saudi-Arabien Fortschritte in diesen Punkten vorweist, wäre eine Verlängerung des Exportverbots bei gleichzeitiger schrittweiser qualifizierter Lockerung denkbar. Ein erster Schritt könnte die Differenzierung zwischen defensiven und offensiven Rüstungsgütern sein. Das heißt, die Lieferung rein defensiver Güter wäre wieder erlaubt.
Im September 2019 wurden saudische Ölanlagen mit Drohnen angegriffen. Defensive Rüstungsgüter wieder zu liefern, wäre darum ein wichtiges Zeichen. Wir zeigen damit, dass wir Riad darin unterstützen wollen, sein eigenes Staatsgebiet zu verteidigen. Das entspricht unserem Grundverständnis von sicherheitspolitischer Partnerschaft.
Entscheidungen über Rüstungsexporte sind wertebasierte Abwägungen. Zugleich müssen wir aber realistisch sein: Rüstungsexporte sind immer auch ein elementarer und regulärer Bestandteil der Außen- und Sicherheitspolitik. In der strategisch so relevanten und krisenanfälligen Golfregion braucht es außenpolitische Verlässlichkeit und sicherheitspolitischen Realismus.
Ein nationaler Exportstopp bei multinational hergestellten Rüstungsgütern sollte im europäischen Rahmen mit unseren Partnern abgestimmt werden. Wenn Frankreich und Großbritannien keinen Exportstopp wollen, muss man über die europäische Dimension eines deutschen Verbots nachdenken und die Partner konsultieren. Notwendig ist, dass Deutschland auch weiterhin nicht nur ein wirtschafts- und handelspolitischer, sondern auch ein sicherheitspolitischer Partner für die Staaten in der Golfregion bleibt. Hinzu kommt, dass eine deutsche und europäische Distanzierung von Saudi-Arabien das Königreich noch abhängiger von Staaten wie Russland und China machen könnte. Das wäre nicht in unserem außenpolitischen Interesse.
Dr. Johann David Wadephul ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und den Europarat.
Contra:
Das falsche Signal
Seit mehr als fünf Jahren dauert im Jemen der Konflikt zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten Regierung von Präsident Hadi an, die im September 2014 von den Rebellen aus Sanaa vertrieben wurde. Die zunächst auf wenige Wochen angelegte Militärintervention entpuppte sich als nicht enden wollender Albtraum. Der Bürgerkrieg hat Tausenden Menschen das Leben gekostet. Ein Großteil der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen, Millionen sind auf der Flucht. Zu Recht sprechen die Vereinten Nationen deshalb von einer der schlimmsten humanitären Katastrophen unserer Zeit.
Noch vor wenigen Wochen gab es leichte Anzeichen von Hoffnung. Der UN-Sondergesandte Martin Griffiths zeigte sich zuversichtlich, dass die Verhandlungen zwischen den vom Iran unterstützten Huthis und ihren Gegnern vorankommen könnten. Es war gelungen, einen Gesprächskanal zwischen den verfeindeten Kriegsparteien zu etablieren. Die gegenseitigen Angriffe kamen zwischenzeitlich zum Erliegen. Nun aber eskaliert die Lage wieder. Möglicherweise spielt dabei auch die Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani eine Rolle. Von einer Beilegung des Konflikts ist man weiter entfernt denn je.
Deswegen stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage gar nicht, das Exportverbot von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien wieder aufzuheben. Es wäre das völlig falsche Signal. Die Gründe für die im Koalitionsvertrag von der SPD durchgesetzte „Jemen-Klausel“, die besagt, dass keine Genehmigungen für deutsche Waffenlieferungen an die direkt am Jemen-Krieg beteiligten Länder erteilt werden dürfen, bestehen fort.
Vielmehr sollten wir unser politisches Engagement darauf konzentrieren, den UN-Sondergesandten zu unterstützen und die Kriegsparteien zu einem echten Waffenstillstand zu verpflichten. Eine militärische Lösung des Konflikts kann es ohnehin nicht geben. Dies haben im Prinzip auch die Konfliktparteien erkannt. Jetzt muss es darum gehen, die diplomatischen Anstrengungen zu intensivieren. Dabei spielt die deutsche Außenpolitik eine nicht unerhebliche Rolle. Außenminister Heiko Maas und das Auswärtige Amt bemühen sich seit Längerem hinter den Kulissen, eine friedliche Konfliktbeilegung zu ermöglichen. Deutschland genießt in der Region nach wie vor einen hohen Vertrauensvorschuss.
Zugleich sollten wir unsere Kontakte zu Saudi-Arabien nutzen, das Land bei seinem innenpolitischen Wandel zu unterstützen. Die eingeleiteten Reformen im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich bieten die Chance, Saudi-Arabien aus seiner jahrzehntelangen Selbstisolation herauszuführen. Dafür braucht es Geduld und Engagement.
Nils Schmid ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Internationale Politik 2, März/April 2020, S. 112-113