Titelthema

27. Juni 2022

Von sicheren Häfen und unsicheren Kantonisten

Nicht nur infrastrukturell spielt Südosteuropa derzeit eine Schlüsselrolle. Auch politisch könnte die EU hier Verbündete gewinnen – wenn sie es klug anstellte.

Bild
Bild: Ansicht des Hafens von Constanta in Rumänien
Tor zur Welt: Seit der Besetzung respektive Blockade ukrainischer Häfen durch Russland ist Rumäniens größter Hafen Constanța der nächstgelegene maritime Umschlagplatz für die Ukraine und Moldau.
Lizenz
Alle Rechte vorbehalten

 

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Südosteuropa als politischen Schauplatz aufgewertet. Zugleich sind in einigen Teilen der Region – insbesondere in Serbien und in der zu ­Bosnien-Herzegowina gehörenden bosnischen Serbenrepublik – die Sympathien für den russischen Überfall auf die Ukraine hoch. Diese Konstellation birgt für den demokratischen Teil der Staatengemeinschaft einige Probleme.

Die gewachsene militärstrategische und wirtschaftliche Bedeutung der Region zeigt sich in der Rolle südosteuropäischer Häfen im jüngsten Konflikt. Zwei Orte ragen dabei heraus: Alexandroupolis im Nordosten Griechenlands und Constanța an der rumänischen Schwarzmeerküste.

Der Hafen von Alexandroupolis im griechischen Teil Thrakiens ist zu einem Umschlagplatz für westliche, vor allem amerikanische Waffenlieferungen an die NATO-Staaten Bulgarien und Rumänien sowie von dort weiter in die Ukraine geworden. Constanța ist seit der Besetzung respektive Blockade ukrainischer Häfen durch Russland der nächstgelegene maritime Umschlagplatz für die Ausfuhr von Weizen und anderen landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine. Gerade die Weizenexporte sind zur Vermeidung von Preisexplosionen, Hungeraufständen und damit neuerlichen Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten und Nordafrika nach Europa von höchster Bedeutung.

In Griechenland nennt man Alexan­droupolis mittlerweile den „NATO-Hafen“. Ein Titel, den auch Moskau indirekt anerkannt hat. Im Januar, als sich Russland in den letzten Vorbereitungen für den Überfall auf die Ukraine befand, beschwerte sich Kremlsprecher Dmitrij Peskow, über Alexandroupolis seien „Hunderte“, wenn nicht „Tausende“ Rüstungsgüter an die Ukraine geliefert worden. Der Weg, den die Waffen heute von dort nehmen, ist naturgemäß nicht öffentlich bekannt. Dass ukrainische Transportflieger regelmäßig zwischen den bulgarischen Schwarzmeerstädten Warna und Burgas sowie dem polnischen Flughafen Rzeszów in der Nähe von Polens Grenze zur Ukraine pendeln, ist jedoch kein Geheimnis. „Der stetig wachsende Umfang der militärischen Aktivität hier am Hafen von Alexandroupolis unterstreicht dessen wachsende strategische Rolle und Bedeutung für Griechenland, die USA und die Region“, erklärte Geoffrey Pyatt, bis vor Kurzem US-Botschafter in Athen, bei einem Besuch in der Stadt.

Die Aufwertung des Hafens ist Teil der Verlagerung des Schwerpunkts von Wa­shingtons regionaler Sicherheitskooperation, die seit einigen Jahren zu beobachten ist. Statt sich auf die Türkei Recep Tayyip Erdoğans zu verlassen, rückt für die Amerikaner das vom Transatlantiker Kyriakos Mitsotakis regierte Griechenland stärker in den Mittelpunkt.

Infolge des Krieges in der Ukraine hat Alexandroupolis zudem energiepolitisch an Bedeutung gewonnen. Amerikanische Firmen bewerben sich um den Zuschlag bei der anstehenden Teilprivatisierung des Hafens. Das Interesse erklärt sich auch aus dem im Bau befindlichen schwimmenden Flüssiggasterminal vor Alexandroupolis. Über diese Anlage sollen Teile der Region in die Lage versetzt werden, ihre Abhängigkeit von russischem Gas dauerhaft zu mindern. Bulgarien etwa hat sich längst einen Anteil von 20 Prozent an dem griechischen Terminal gesichert – eine vorausschauende Entscheidung, wie sich spätestens gezeigt hat, nachdem Gazprom Bulgarien und Polen im April als ersten EU-Staaten die Gaslieferungen verweigert hat.

Constanța ist aus einem anderen Grund wichtig. Rumäniens größter Hafen ist über den Donau-Schwarzmeer-Kanal auch landeinwärts mit Westeuropa und der Nordsee verbunden. Der Hafen ist durch Russlands Krieg nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Republik Moldau notgedrungen zum Tor zur Welt geworden. Für Ausfuhren und Importe der moldauischen Wirtschaft war zuvor Odessa ein zentraler Angelpunkt, ebenso wie natürlich für die Ukraine selbst.

Der Hafen ist indes nur unzureichend darauf vorbereitet. Das gilt insbesondere für die Schienenanbindung, in die über Jahrzehnte kaum investiert wurde. Rumänien will nun rasch 200 Millionen Euro in den Ausbau des Gleisnetzes im Hafengelände investieren. Auch soll eine alte, durchgehende Breitspurverbindung zwischen dem moldauischen Grenzort ­Giurgiulești und dem rumänischen Donauhafen Galați modernisiert werden. Auf die Schnelle lassen sich Kapazitäten zur Kompensation des Ausfalls ukrainischer Häfen nur bedingt schaffen. Doch ist absehbar, dass der Krieg in der Ukraine auf mittlere und lange Sicht eine noch engere infrastrukturelle und damit wirtschaftliche sowie politische Ausrichtung der Ukraine und Moldaus auf die EU zur Folge haben wird.

Auf die russische Karte setzen

Doch wie steht es weiter westlich? Der „Westliche Balkan“ ist eine Wortschöpfung, die geprägt wurde, um jene Balkanstaaten zu beschreiben, die nach einer EU-Mitgliedschaft streben: Albanien, Bosnien-Herzegowina, das Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Während es in Albanien und im Kosovo – abgesehen vom durch Serbien kontrollierten Norden und den serbischen Enklaven – keine nennenswerten Sympathien für Putin gibt, ist das Bild in anderen Teilen der Region nicht so eindeutig.

Insbesondere in der zu Bosnien gehörenden bosnischen Serbenrepublik, der Republika Srpska, stößt der russische Überfall auf die Ukraine auf die Unterstützung der politischen Führung und eines erheblichen Teiles der Bevölkerung. Kein Politiker der Region setzt so offen auf die russische Karte wie Milorad Dodik, der nach Montenegros Langzeitherrscher Milo Đukanović der am längsten regierende Politiker des Balkans ist. Von 1998 bis 2001 und von 2006 bis 2010 war er Regierungschef in der Republika Srpska, danach bis 2018 ihr Präsident. Seither vertritt er die bosnischen Serben als Mitglied der dreiköpfigen Präsidentschaft von Bosnien-Herzegowina.

In dieser Funktion intensiviert Dodik seit dem vergangenen Jahr mit russischer Unterstützung eine Kampagne zur Schwächung und letztlichen Abschaffung des bosnischen Staates, die schon seit Jahren sein Markenzeichen ist. Zwar hat Dodik von dem Ziel des Aufbaus einer separaten Armee offenbar wieder Abstand genommen; er hätte sie ohnehin schwerlich finanzieren können. Die Drohung, ein separates Steuer- und Justizsystem einzuführen, bleibt aber bestehen.

Nicht wenige europäische Beobachter wünschen sich, die EU möge dem Beispiel der Vereinigten Staaten folgen und Sanktionen gegen Dodik verhängen. Das wird in der EU bisher jedoch von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán verhindert.

In der Republika Srpska herrschen in Politik und weiten Teilen der Öffentlichkeit Verständnis oder offene Sympathie für die Kriegsziele des Kremls vor. Wer sich dagegen ausspricht, läuft Gefahr, ins Fadenkreuz von Dodiks Machtapparat und dessen Medien zu geraten. Der Krieg wird in vielen Medien und im politischen Diskurs ebenso wie in Russland als „Spezialoperation“ verharmlost. Wie in Moskau wird das Blutvergießen damit gerechtfertigt, dass man einen Völkermord an Russen in der Ukraine habe verhindern müssen. Man kennt dieses verquere Argumentationsmuster in Bosnien: So wird auch der von Serben an Bosniaken begangene Völkermord von Srebrenica 1995 gerechtfertigt. Man behauptet, das Verbrechen unter dem Befehl des später als Kriegsverbrecher verurteilten bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladić sei nötig gewesen, um zu verhindern, dass die Serben ihrerseits Opfer eines Völkermords wie im Zweiten Weltkrieg würden. In dieser Frage gibt es zwischen Machthabern und einem Großteil der relevanten Opposition in der Serbenrepublik kaum Unterschiede. Dodik ist es gelungen, die Debatte vor den im Oktober anstehenden Wahlen, bei denen es auch um seine Zukunft geht, auf seine Bedürfnisse zuzuschneiden.

Auf Titos Spuren

Differenzierter ist das Bild in Serbien. Der größte aus dem Zerfall Jugoslawiens hervorgegangene Staat wird oft als besonders prorussisch dargestellt. Ein näherer Blick auf die Politik des nahezu unbeschränkt herrschenden Staatspräsidenten Aleksandar Vučić offenbart jedoch auch Nuancen, die nicht zu dieser Lesart passen.

Ein Beispiel dafür ist Serbiens Beziehung zur NATO. Zwar ist das westliche Bündnis in Serbien unbeliebt. Ein Beitritt steht nicht zur Debatte und hätte in einem Referendum auch keine Aussicht auf Erfolg. Andererseits gehört Serbien schon seit 2006 dem NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ an. Die Mitgliedschaft wurde in Belgrad selbst in schwierigsten Zeiten, etwa nach der vom Westen unterstützten Unabhängigkeitsproklamation des Kosovo vom Februar 2008, nie grundsätzlich infrage gestellt.

Die serbische Armee pflegt weitaus mehr diplomatische Kontakte und hält mehr gemeinsame Manöver mit Streitkräften von NATO-Staaten ab als mit Russland. In den regierungstreuen Medien wird allerdings systematisch ein anderes Bild gezeichnet. Die Kooperation mit der NATO spielt in der Berichterstattung und damit in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle, während geplante gemeinsame Manöver mit Russland und Weißrussland prominent dargestellt werden.

Ein besonders augenfälliges Beispiel für die Ausrichtung der regierungsfreundlichen Medien Serbiens bot sich am ersten Tag nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Die Boulevardzeitung Informer, geleitet von einem persönlichen Freund und politischen Weggefährten Vučićs, titelte: „Die Amerikaner stürzen die Welt ins Chaos. Die Ukraine hat Russland angegriffen!“ Andere direkt oder indirekt von Vučićs Machtapparat kontrollierte Medien berichteten ähnlich. Das war offenbar die Botschaft, die Belgrad zu Beginn des Krieges in der Öffentlichkeit verankern wollte.

Inzwischen hat sich das zum Teil geändert. Offiziell tritt Serbien für die territoriale Integrität der Ukraine ein und hat sich der Verurteilung Russlands in den Vereinten Nationen angeschlossen. Angesichts der aus Belgrader Sicht offenen Kosovo-Frage bleibt dem Land auch gar nichts anderes übrig, als für die territoriale Unversehrtheit anderer Staaten einzutreten.

Vučić setzt außenpolitisch weiterhin auf viele Karten. Er versucht in gewisser Weise, die Außenpolitik Titos nachzuahmen, dem es als Führer der Blockfreien-Bewegung gelungen war, Jugoslawien internationale Bedeutung zu verschaffen. Während Serbien formal am Ziel eines EU-Beitritts festhält, wird gleichzeitig die Nähe zu Russland und zu China gesucht.

Die Mitte April erfolgte Lieferung des als FK-3 bekannten chinesischen Flug­abwehrsystems an Serbiens Streitkräfte wurde dementsprechend öffentlichkeitswirksam inszeniert. Das FK-3 ist die abgespeckte Exportversion des HQ-22, die wiederum als chinesischer Nachbau des russischen Systems S-300 gilt. Serbien ist das erste europäische Land, das dieses chinesische System besitzt. Vučić nahm dafür sogar die Verärgerung Moskaus in Kauf, hatte er doch zuvor öffentlich mit dem Kauf des – wesentlich teureren – S-300-Systems geliebäugelt.

Insbesondere bei der Rüstungsbeschaffung zeigt sich das systematische Lavieren des serbischen Präsidenten also deutlich. Nur ist die weltpolitische Konstellation für den langfristigen Erfolg einer solchen Schaukelpolitik längst nicht so günstig wie zu Titos Zeiten. Jedenfalls nicht dann, wenn die „europäische Perspektive“ für den Westlichen Balkan irgendwann wieder glaubwürdig werden sollte und Serbien sich entscheiden müsste.

Die Erweiterungspolitik stagniert

Derzeit stehen solche Entscheidungen nicht an, denn die Erweiterungspolitik in ihrer herkömmlichen Form hat in der Region zu Recht jede Glaubwürdigkeit verloren. Im kommenden Jahr wird es ein Jahrzehnt her sein, dass die EU zuletzt ein neues Mitglied aufnahm – Kroatien im Jahr 2013. Seither herrscht Stagnation. Montenegro verhandelt seit zehn, Serbien seit acht Jahren über einen EU-Beitritt. In diesen Jahren hat sich Serbiens Demokratie zurückentwickelt, während die Zukunft des demokratischen Aufbruchs in Montenegro mit vielen Unsicherheiten behaftet ist. Die Türkei, die sogar schon seit 18 Jahren über einen Beitritt verhandelt, ist in dieser Zeit von einer zumindest leidlich funktionierenden Demokratie zu einer Autokratie mit Willkürjustiz und tausenden politischen Gefangenen herabgesunken.

Von der transformativen Kraft, den der EU-Beitrittsprozess zu Beginn des Jahrtausends und auch noch vor einem Jahrzehnt zweifellos ausstrahlte, ist kaum etwas geblieben. Das kann nicht wirklich überraschen. Wenn selbst ein Land wie Nordmazedonien, das für den Traum von einer EU-Mitgliedschaft sogar seinen Staatsnamen änderte, nicht einmal mit Beitrittsgesprächen beginnen darf und sich nach der griechischen nun womöglich auch einer bulgarischen Erpressung beugen muss, woher sollte die Glaubwürdigkeit des Prozesses auch kommen?

Für den oft mit dem Stichwort der „Erweiterungsmüdigkeit“ zusammengefassten Unwillen bei einigen Mitgliedstaaten, neue Partner in die Europäische Union aufzunehmen, gibt es durchaus solide Argumente. Einige davon bringt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron immer wieder vor: Die EU ist schon mit 27 Mitgliedstaaten außenpolitisch kaum entscheidungsfähig – wie soll das erst mit 30 oder mehr Mitgliedern werden? Man stelle sich vor, in Zeiten des Ukraine-Krieges hätte es eine EU-Debatte über Sanktionen gegen Russland gegeben, in der außer Budapest auch noch Belgrad oder Sarajevo (und damit indirekt Banja Luka) ein Vetorecht hätten. Strafmaßnahmen gegen Russland wären kaum denkbar gewesen. Da eine Abschaffung des die EU oft lähmenden Einstimmigkeitsprinzips bei außenpolitischen Entscheidungen nicht in Aussicht steht, stellt sich die Frage, welche realistischen Möglichkeiten es gibt, um den Staaten des Westlichen Balkans Kooperationsangebote unterhalb der Schwelle einer Vollmitgliedschaft zu machen.

Attraktive Konzepte für die Region

Die gute Nachricht ist: Es gibt Konzepte, die für die Menschen der Region attraktiv wären und der EU wieder Gestaltungsmacht verleihen könnten. Die wichtigste dieser Ideen besteht in dem Gedanken, der Region Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit seinen vier Säulen zu gewähren – dem freien Verkehr von Personen, Gütern, Kapital und Dienstleistungen.

Der Zugriff auf diese Privilegien hätte gewaltige Effekte in der Region. Für Menschen und Unternehmen wäre es im Alltag so, als lebten und handelten sie in der EU. Ein Unternehmen in Belgrad oder Tirana könnte unter den gleichen Rahmenbedingungen Waren oder Dienstleistungen anbieten wie die Konkurrenz in Hamburg oder Paris. Zugleich würde ein solches Angebot die EU nicht überfordern, denn der gesamte Westliche Balkan hat kaum halb so viele Einwohner wie Polen. Außerdem wäre eine Mitgliedschaft im Binnenmarkt keine politische Belastung für die Entscheidungsfähigkeit der EU, denn die Balkanstaaten hätten zwar volle wirtschaftliche Teilhabe, aber weder eigene Kommissare noch Vetorechte in Brüssel.

Für die Akzeptanz solcher Ideen wäre es allerdings wichtig, die Aufnahme in den gemeinsamen Markt als Zwischenschritt darzustellen, der eine Vollmitgliedschaft in ferner Zukunft nicht ausschließt. Auch Norwegen oder Island, die sich für das Modell der Zugehörigkeit zum Wirtschaftsraum entschieden haben, könnten schließlich immer noch eine EU-Mitgliedschaft beantragen, sollten ihre Bevölkerungen das wünschen. Selbstverständlich wäre auch der Weg zu einer Mitgliedschaft im Wirtschaftsraum kein Spaziergang. Auch hier müsste zunächst ein erheblicher Reformbedarf abgearbeitet werden. Die Erfüllung der sogenannten Kopenhagener Kriterien müsste ebenso gewährleistet sein wie bei einem politischen Beitritt.

Marktwirtschaften mit funktionierenden Kontrollinstanzen und ein Rechtsstaat mit echter Gewaltenteilung sowie Minderheitenschutz wären die Voraussetzungen für einen Beitritt. Keinesfalls dürfte sich das europäische Angebot auf eine Art vergrößerte Freihandelszone beschränken, denn damit würden undemokratische Machtverhältnisse in der Region zementiert. Wenn aber das realistische Angebot eines Zugangs zum europäischen Markt glaubwürdig unterbreitet werden könnte, so dürfte das Reformenergien freisetzen, die in der Region derzeit fehlen. Russland könnte dem kein glaubwürdiges Angebot entgegensetzen.

Leider hat man aber noch nicht in allen westlichen Hauptstädten begriffen, dass die alte Erweiterungspolitik, frei nach Macron, hirntot ist. Unverdrossen wird stattdessen das alte Mantra wiederholt, dass es von den Reformbemühungen in der Region selbst abhänge, ob eine EU-Mitgliedschaft möglich sei oder nicht. Die Fürsprecher dieses Konzepts treten auf wie Priester einer aussterbenden Religion, deren Litaneien längst ihren Sinn verloren haben. Darin, und nicht in russischen Störversuchen, liegen die größten Gefahren für die EU auf dem Balkan.    

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli/August 2022, S. 44-49

Teilen

Themen und Regionen

Mehr von den Autoren

Michael Martens berichtet seit 2002 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Wien über den Südosten Europas, dessen Länder er regelmäßig bereist.