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29. Juni 2018

Viel Einsatz, wenig Wirkung

Die EU muss im Syrien-Konflikt endlich mehr Einfluss gewinnen

Deutschland leistet diplomatisch und entwicklungspolitisch im Syrien-Konflikt Enormes. Doch wir brauchen eine gesamteuropäische Vorgehensweise, die die machtpolitischen Realitäten erkennt. Denn unser Handlungsspielraum zur Neuinitiierung des politischen Prozesses und Verbesserung der Lage ist sehr begrenzt.

Deutschland unternimmt erhebliche diplomatische und entwicklungspolitische Anstrengungen, um zu einer politischen Lösung in Syrien und der Stabilisierung der Region beizutragen. Ohne eine gesamteuropäische Strategie, die alle Instrumente systematisch einsetzt, zeigt unser Engagement allerdings viel zu wenig Wirkung. Welche Schritte sind nötig, und wie kann unser großes humanitäres Engagement sicherheitspolitisch stärker unterfüttert werden?

Stabilität im Nahen Osten ist von strategischer Bedeutung für unsere innere und äußere Sicherheit. Wir müssen dem Terror den Nährboden entziehen und Flucht und Vertreibung eindämmen. Das bedeutet, dass wir die Ursachen angehen müssen: den Zerfall von multiethnischen und -religiösen Staaten; regionale und externe Akteure, die ihre Partikularinteressen verfolgen; und die völlige Aushöhlung des internationalen Rechts. Dies ist besonders in Syrien sichtbar. Daher versucht Deutschland gerade in dieser Region einen umfassenden Beitrag zur Krisenbeilegung, Stabilisierung und Konfliktprävention zu leisten, um zumindest die politische und humanitäre Lage zu verbessern.

Gemeinsam Prioritäten setzen

Unser Engagement bleibt aber weit hinter seinen Zielen zurück, wenn keine an der Realität orientierte, ­gesamteuropäische Vorgehensweise existiert, die tatsächlich auch gemeinsam umgesetzt wird. Wir müssen in Europa verstärkt um eine gemeinsame Linie ringen. Nur wenn wir zusammen sinnvolle Schwerpunkte für das operative Handeln setzen, können wir aus der Zuschauerrolle herauskommen und unseren Einfluss zu einer sichtbaren Stabilisierung Syriens nutzen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Europa überhaupt an Gewicht gewinnen und Gesicht bewahren kann.

Gleichzeitig muss uns bewusst sein, dass trotz aller in diesem Artikel genannten Vorschläge kein völlig realistischer Masterplan für Frieden und Stabilität in Syrien existiert. Dies entlässt uns allerdings nicht aus der Pflicht, bei der Prioritätenfestlegung und europäischen Abstimmung nachzubessern, um die Ursachen des Konflikts wirksamer einzuhegen, die Eskalation durch andere zu behindern und unsere eigenen europäischen Interessen durchzusetzen.

Europa muss versuchen, den politischen Prozess in Syrien wiederzubeleben. Aus diesem Grunde werden hier auch Impulse für eine stärkere Mittlerrolle Deutschlands und der EU gegeben. Diese kann indes nur erfolgreich sein, wenn Maßnahmen und Teilschritte zur Stabilisierung auf der Grundlage eindeutiger Prioritäten erfolgen. Vor allem auf europäischer Ebene wurde in den vergangenen Jahren keine kohärente Linie verfolgt. Stattdessen wurde die Prioritätensetzung immer wieder durch Ereignisse geändert, die durch außereuropäische Akteure gesteuert und von Europa kaum zu beeinflussen waren: von der Unterstützung der Revolution in der Frühphase (2011) über das Ziel, den Diktator Baschar al-Assad zu stürzen (2013) bis hin zu der politischen Notwendigkeit (seit 2015), die Flüchtlingszahlen möglichst klein zu halten.

Diplomatisches Engagement

Aufbauend auf ihrer Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik beschreibt die EU in ihrer Syrien-Strategie von 2017 den Traum eines demokratischen, vielfältigen, inklusiven, sicheren und stabilen Staates. Diesem Ziel will die EU näherkommen, indem sie die Bemühungen der Vereinten Nationen für eine dauerhafte politische Lösung, die in Einklang mit der UN-Resolution 2254 steht, in Syrien unterstützt. Ein politischer, alle Seiten einbeziehender Übergangs- und Aussöhnungsprozess soll den Weg zu einem friedlichen, einheitlichen und föderalen Syrien ebnen. Die beschriebenen Maßnahmen sind äußerst vielfältig. Sie betreffen jedoch vor allem den Wiederaufbau, womit sie nicht unbedingt ­lückenlos an die reale Lage in Syrien anknüpfen.

Doch Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Und weder die von den UN organisierten Genfer Gespräche noch der von Moskau, Teheran und Ankara angestoßene Astana-Prozess haben diese Wirklichkeit im Sinne der EU-Strategie maßgeblich verändert. Vielmehr hat das syrische Regime mit russischer und iranischer Hilfe den Konflikt in weiten Teilen zu seinen Gunsten entschieden. Gleichzeitig ist im Land eine kontrollierte Eskalation zwischen Israel und dem Iran zu beobachten, die erhöhtes Spannungspotenzial besitzt. Die Türkei hält an ihrer Einflusszone in Afrin und ihren Beobachterposten in der Provinz Idlib fest; die USA tun dasselbe östlich des Euphrats.

Es wird also auf europäischer Ebene zuvörderst ein gemeinsamer und mit entsprechenden Fähigkeiten unterfütterter Plan benötigt, um überhaupt den Weg zu einem politischen Prozess zu bereiten. Erst im Anschluss können große Teile der bereits existierenden Strategie implementiert werden. Was genau kann Deutschland beitragen, und wie lässt sich die Lücke zwischen der EU-Strategie und der Wirklichkeit in Syrien schließen?

Die Bundesregierung pflegt den politischen Dialog mit allen beteiligten Kräften und unterstützt den UN-Sondergesandten Staffan de Mistura nach Kräften durch die Abordnung von Personal, die Bereitstellung technischer Expertise und die politische Flankierung seiner Bemühungen. Diese Bemühungen alleine sind jedoch, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, längst nicht ausreichend. De Mistura wurde seit zwei Jahren nicht mehr in Syrien empfangen, und eine Reaktivierung des Genfer Prozesses unter Einbezug der Opposition ist derzeit nicht absehbar.

Vielmehr müssen die Staaten der EU gemeinsam die Frage beantworten, wie sie die Öffnung eines Zeitfensters für die Neuinitiierung des politischen Prozesses erwirken können. Wer vorausschauende Diplomatie betreibt, muss jetzt versuchen, Einfluss auf das Kosten-Nutzen-Kalkül der Beteiligten zu nehmen, die ein Interesse an der Fortführung des Konflikts haben bzw. auf eine Ausweitung ihres Einflussbereichs hoffen. Europa wird sein Gewicht nur dann in die Waagschale werfen können, wenn sämtliche diplomatische Initiativen nicht nur untereinander abgestimmt, sondern auch in Gänze gemeinsam vollzogen werden.

Mit Moskau und Teheran umgehen

Wie kann Brüssel vor allem Russland und dem Iran diplomatisch begegnen? Eine gemeinsame Linie gegenüber dem Kreml krankt bisher vor allem an den unterschiedlichen Perspektiven der EU-Mitglieder gegenüber der russischen Rolle in Syrien. Hier muss auch Deutschland stärker Kompromisse eingehen und zwischen den Partnern vermitteln. Einerseits gibt es klare Differenzen mit Moskau, was die Zukunft des syrischen Regimes betrifft. Russland unterstützt das Regime maßgeblich durch seine Luftangriffe und Zwangsevakuierungen à la „humanitärer Korridor“. Andererseits sind die russischen Versuche zur Restrukturierung der syrischen Armee wenig erfolgreich, und auch auf diplomatischem Parkett zeigt sich der schleichende Machtverlust Russlands gegenüber Assad.

Präsident Wladimir Putin hat ein langfristiges Interesse, sein Engagement zu reduzieren, aber die beiden russischen Militärbasen in Tartus und Latakia zu behalten. Die Sicherung dieser Basen wird allerdings nur dann gelingen, wenn kein Guerillakrieg marginalisierter Gruppen die Kosten des russischen Engagements in die Höhe treibt. Insofern existiert mit dem Kreml eine nicht genutzte Interessenüberschneidung der Stabilisierung, die allerdings erst noch durch einen Dialog zu den konkreten Übergangsschritten verwirklicht werden muss. Im Sinne von pragmatischer Diplomatie sollte Europa – mit geeinter Stimme – Russland stärker die eigenen Bedingungen für Hilfe zum Wiederaufbau Syriens vorlegen.

Auf den Iran lässt sich zugegebenermaßen nur schwer politischer Druck ausüben, seit die USA das Atomabkommen JCPOA aufgekündigt haben. Dennoch wäre es wünschenswert, dass sich die europäischen Außenminister auf wiederkehrende gemeinsame Reisen einigen, statt immer einzeln vorzusprechen. So könnten sie sich dafür einsetzen, die Ergebnisse des Astana-Prozesses und des Genfer Formats durch einen gemeinsamen Mechanismus zusammenzuführen. Schon im Laufe der jahrelangen Atomverhandlungen mit dem Iran, bei denen die EU und Deutschland eine entscheidende Rolle gespielt haben, wurde klar, dass die europäischen Mächte nur in absoluter Gemeinsamkeit wirksam Druck ausüben können – und dazu noch einen sehr langen Atem benötigen.

Hemmschuh Assad

Der größte Hemmschuh für den Neustart des politischen Prozesses ist allerdings Assad selbst. Solange Damaskus in weiten Teilen des Landes die militärische Oberhand hat, sieht Assad keinen Anlass, eine politische Lösung zu akzeptieren. Allerdings könnte sich seine Bereitschaft dazu perspektivisch vergrößern, wenn sich die regimetreuen Bevölkerungsteile in einer Post-Konflikt-Phase nicht mehr so sehr um das Überleben sorgen, sondern Ansprüche wie sauberes Wasser, Infrastruktur, Stromversorgung, ein funktionierendes Gesundheitssystem usw. stellen. Bei Gesprächen zwischen Wissenschaftlern, religiösen und gesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten, die allerdings nicht Teil des Regimes sind, sowie Vertretern der Zivilgesellschaft und Oppositionellen muss von europäischer Seite ausgelotet werden, ob und wann sich ein Momentum für die effektive Wiederbelebung des politischen Prozesses herausbildet.

Überschätzt sich die EU politisch, wenn sie eine stärkere Rolle beansprucht, obwohl sie in der aktuellen Lage mehr Zaungast als Gestalterin von Politik ist? Nicht unbedingt, denn der Wiederaufbau Syriens kann nur mit europäischen Geldern stattfinden. Das syrische Regime ist auch mit russischer und iranischer Hilfe dazu nicht in der Lage.

Neben ihren ökonomischen und entwicklungspolitischen ­Kapazitäten ist die Möglichkeit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Syrien das letzte Mittel, das den EU-Staaten zur Verfügung steht, um eine politische Lösung und einen Friedens- und Aussöhnungsprozess einzufordern. Die Anerkennung einer legitimen syrischen Regierung muss daran gekoppelt werden, dass sie vollständigen humanitären Zugang gewährt und NGOs wie staatliche Entwicklungsorganisationen unbehindert arbeiten lässt. Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir uns nicht von den militärischen Fakten in Syrien erpressen lassen und unsere beiden letzten verbliebenen Mittel vorschnell aus der Hand geben.

Humanitäre Hilfe und Entwicklung

In Syrien herrscht die weltweit größte humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Über 13 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die immensen Hilfsmaßnahmen der EU und insbesondere Deutschlands umfassen neben Maßnahmen innerhalb Syriens auch Hilfe für Flüchtlinge und Aufnahmestaaten in der Region, schwerpunktmäßig im Libanon und Irak, in der Türkei und Jordanien. Diese erfolgen vor allem über die Mittelausstattung von UN-Organisationen wie WFP, ­UNHCR und UNRWA, aber auch über IKRK, DRK und humanitäre NGOs.

Mit insgesamt 5,4 Milliarden Euro für Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit ist Deutschland unter den größten Gebern in der Welt. Die entwicklungspolitischen Vorhaben werden von der GIZ, KfW, NGOs und UN-Organisationen umgesetzt und hauptsächlich über syrische NGOs implementiert. Es werden alle verfügbaren Zugangsmöglichkeiten genutzt („Whole of Syria“-Ansatz), das heißt die Implementierung findet grenz­überschreitend statt, beispielsweise von Gaziantep, Beirut und Amman aus, aber auch über die Konfliktlinien hinweg. Außerdem ist die Unterstützung multiethnisch und multikonfessionell ausgerichtet.

Das deutsche Engagement steht auf zwei Säulen: Erstens werden stabilisierende Vorhaben in den syrischen Oppositionsgebieten zur Stärkung der lokalen Verwaltungsstrukturen und zur Versorgung der Menschen finanziert. Hier ist eine verstärkte EU-Abstimmung äußerst wichtig, denn eines unserer Ziele ist die Rückkehr von geflohenen Syrern, selbst wenn fehlende russische und iranische Sicherheitsgarantien und das jüngste syrische Enteignungsgesetz für im Ausland befindliche Syrer dies auf absehbare Zeit verhindern. Zweitens werden Projekte verschiedener UN-Organisationen wie UNDP, UNICEF und UN Habitat in ganz Syrien unterstützt, wobei es vor allem um die Finanzierung der Bedarfe geht, die im UN-Hilfsaufruf für Syrien benannt wurden.

Damit ist ein Zielkonflikt zwischen einer sozial und politisch inklusiven Entwicklung, die helfen würde, künftige Krisen zu verhüten, und der kurz- und mittelfristigen Stabilisierung des Landes vorprogrammiert. Außerdem spricht die Höhe des finanziellen Aufwands eher für die Prominenz des Flüchtlingsthemas in der Gebergesellschaft als für die Existenz einer kohärenten Regionalstrategie, die nicht nur Ziele definiert, sondern auch ihre mannigfaltigen Instrumente systematisch nutzt. Immerhin existiert zumindest auf EU-Ebene in der Syrien-Strategie von 2017 ein ausdifferenzierter Plan für die unterschiedlichen Wiederaufbauleistungen für den Fall einer politischen Lösung des Konflikts.

Zu einer europäischen Gesamt­strategie gehört allerdings eine Einigung, wie genau mithilfe dieser Leistungen vermehrt Druck ausgeübt werden kann – in einer Zeit, in der der Konflikt grundsätzlich entschieden, der Frieden aber alles andere als gewonnen ist.

Sicherheits-Engagement

Im Gegensatz zur humanitären und entwicklungspolitischen Unterstützung entfaltet das deutsche militärische Engagement keine größere Wirkung. Dies hat unterschiedliche Gründe, die vor allem in der Komplexität der Situation und dem hohen militärischen Einsatz anderer Akteure zu suchen sind.

Einerseits setzt Deutschland gemessen an der begrenzten Befähigung seiner Streitkräfte viel daran, sich umfassender zu engagieren. So ist die Bundeswehr in den syrischen Anrainerstaaten durch die „Opera­tion Counter-Daesh“ (zur Bekämpfung des so genannten Islamischen Staates), die Ausbildungsunterstützung im Irak und ihren Beitrag zu UNIFIL eingebunden. Auf diese Weise will sie verhindern, dass sich ein erweiterter Krisenbogen um Syrien herum bildet. Eine Vielzahl an zwischen den zuständigen Ressorts abgestimmten Projekten im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative ergänzen die Einsätze im Irak und in Jordanien.

Andererseits bildet Deutschland weder genügend Fähigkeiten auf nationaler Ebene heraus, um diese Mandate realitätsgerecht auszuweiten, noch werden die Fähigkeiten auf europäischer Ebene konsequent zusammengeführt, um den hochgesteckten Zielen näher zu kommen. Rhetorik und Praxis klaffen bisher zu weit auseinander. Dies bedeutet auch, dass bei den Missionen nicht gänzlich ersichtlich wird, inwiefern sie die notwendigen Einzelbausteine für eine erfolgsversprechende europäische Gesamtstrategie sind. Zuweilen können sie gar als Stückwerk internationaler Verpflichtungen erscheinen, die man im Nachhinein versucht, einer auf Minimalkonsens beruhenden Strategie zuzuordnen.

Die Ad-hoc-Koalition, die im Rahmen des Anti-IS-Mandats gebildet wurde, müsste durch einen schrittweisen Ausbau integrierter EU-Planungs- und Führungsstrukturen erweitert werden. Im Rahmen dieser Strukturen würden dann die gemeinsamen Fähigkeiten zur Friedenssicherung eingesetzt – mit spezifischen Beiträgen beispielsweise zur Kampfmittelräumung und Grenzsicherung. Das wäre dann eine konkrete Ableitung aus den deutsch-französischen Bemühungen gemeinsamer ­PESCO-Projekte und einer echten Europäischen Verteidigungsunion. Auf diese Weise könnten zudem frühzeitig Zielkonflikte bereinigt und bilaterale Maßnahmen koordiniert werden. Auch zu einem möglichen UN-Mandat könnte Europa auf diese Weise beitragen. 

Der Syrien-Konflikt sollte zudem Anlass sein, über eine Reform der europäischen Krisenmanagement-Strukturen nachzudenken. Mit der Etablierung eines Sicherheitsrats der EU beispielsweise, der mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, ließe sich eine größere strategische Autonomie erzielen. Zur Wahrung europäischer Interessen könnten dann diplomatische und humanitäre Initiativen robust und glaubwürdig mit der Europäischen Interventionsinitiative über die EU Battle Groups beispielsweise zur Sicherung humanitärer Konvois unterfüttert werden. Diese Europäische Interventionsinitiative gilt es aber noch in die bisherige Struktur der gemeinsamen verteidigungspolitischen Zusammenarbeit einzu­pflegen. Denn bei der Unterfütterung durch die Interventionsinitiative muss die europäische Verteidigungsunion die Grundlage sein, auf der gemeinsames strategisches Handeln im Einsatz verwirklicht werden kann.

Das Erodieren von Normen

Während gerade das deutsche Engagement für eine nachhaltige Verbesserung der Situation in Syrien bedeutender ist als gemeinhin wahrgenommen, führt angesichts des seit sieben Jahren anhaltenden Konflikts kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass die EU mit einer politischen Lösung bisher gescheitert ist.

Einer der Faktoren betrifft die hier analysierte Unfähigkeit der europäischen Staaten, diplomatisch, entwicklungs- und sicherheitspolitisch an einem Strang zu ziehen. Ferner müssen wir selbstverständlich auf nationaler und europäischer Ebene auf die Herausbildung derjenigen Fähigkeiten – politisch und militärisch – pochen, die wir für die Umsetzung einer gemeinsamen Strategie benötigen. Andernfalls bleibt der EU zur Begrenzung dieses verheerenden Konflikts lediglich die Macht der warmen Worte.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Für die deutsche und europäische Außenpolitik steht mehr auf dem Spiel als der Wiederaufbau Syriens und die Stabilisierung der Region. Der syrische Bürgerkrieg ist ein Testfall für außenpolitische Glaubwürdigkeit und die Geltung internationaler Normen – spätestens seit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in diesem Jahr (ähnlich wie 2013 der damalige US-Präsident Barack Obama) den Einsatz von Chemiewaffen zu „roten Linien“ erklärt hat.

Die bislang eher symbolischen Reaktionen auf die Übertretung dieser Linien setzen verheerende Präzedenzfälle und sind vor allem Ausdruck der außenpolitischen Hilfslosigkeit gegenüber einem vom Iran und von Russland gestützten syrischen Regime.

Roderich Kiesewetter, MdB, ist Obmann für Außenpolitik der CDU/CSU-Fraktion.

Stefan Scheller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Roderich Kiesewetter.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli-August 2018, S. 64 - 70

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